Fuse ist das englische Wort für Sicherung. Aber die Fuses der Atmel Mikrocontroller haben mit Sicherungen so überhaupt gar nix zu tun. Wieso nennen die diese Konfigurationsregister "Fuse"?
Der Wikipedia-Artikel stellt das ganze stark verkürzt und auch nicht ganz korrekt dar. Früher(tm) gab es die Evolutionsstufen ROM->PROM->EPROM->EEPROM->Flash-Rom. Klassische ROMs sind/waren maskenprogrammiert, d.h. es gibt/gab ein unveränderliches Grundgerüst der elektronischen Schaltung. Ein Kunde, der ein Masken-ROM beim Hersteller bestellte, bekam dann einen eigenen Bauteiletyp, bei dem der Speicherinhalt in Form einer Metallschicht auf dem Chip eingebracht wurde. Die ersten PROMs wurden in der sog. Fusible-Link-Technik hergestellt, d.h. es gab die Möglichkeit, durch kräftige Stromimpulse Kontakte in der Metallisierungsschicht irreversibel durchzubrennen. Bei EPROMs ff. hingegen wird der Speicherinhalt durch Ladungsträger in sog. Floating Gates dargestellt, d.h. nicht durch eine strukturelle Veränderung des Speicherbausteins. Der große Vorteil der Fusible-Link-Technik besteht darin, dass der Speicherinhalt auch auf sehr langen Zeitskalen erhalten bleibt. Allerdings passierte es wohl auch recht häufig, dass beim Durchbrennen auch Kollateralschäden an anderen Strukturen des Speicherbausteins entstanden. Daher gab es ordentlich Ausschuss beim Programmieren dieser sehr teuren Bausteine. Sehr verbreitet waren bis Mitte der 1980er Jahre PROMs wie z.B. 82S23/82S123 mit einer Kapazität von 256 Bit. Nein, nicht 256 Byte, Kbit, KByte, MBit, GBit, sondern wirklich 256 Bit. Als mit leichtem zeitlichen Versatz auch EPROMs (electrically programmable read-only memory) erhältlich waren, hatte sich der Ausdruck "brennen" für das Programmieren eines (x)PROMs schon so sehr etabliert, dass er auch für EPROMs beibehalten wurde. Selbst heutzutage wird dieser Ausdruck gelegentlich für das Programmieren von Flash-ROMs, Microcontrollern oder CPLDs/FPGAs verwendet, obwohl da nichts mehr durchgebrannt wird. Anfangs war bei einem EPROM natürlich der Halbleiterchip der wirklich teure Bestandteil, weswegen es sich lohnte, ein teures Keramikgehäuse mit sehr aufwändig hergestelltem Quarzglasfenster einzusetzen, um den Speicherinhalt mit UV-Strahlung löschen und das EPROM anschließend neu programmieren zu können. Im Laufe der Zeit wurde der Halbleiterchip jedoch sehr viel billiger als das Gehäuse, so dass dann sog. OTP-EPROMs auf den Markt kamen (OTP: one-time programmable). Diese bestanden aus einem UV-löschbaren Chip in einem UV-undurchlässigen, billigen Kunstoffgehäuse. Wenn man den Inhalt ändern wollte, musste man den Baustein wegwerfen oder konnte zumindest noch Bits in einer Richtung (üblicherweise 1->0) nachprogrammieren. EPROMs mit UV-durchlässigem Kunststoffgehäuse habe ich nur einmal gesehen, und zwar ein 2764 (8 KByte) von Oki. EEPROMs (erasable electrically programmable read-only memory) auf Basis von Hot-Electron-Speicherzellen waren dann die ersten ohne UV-Strahlung löschbaren PROMs. Später kamen dann noch die heute gebräuchlichen Flash-Bausteine auf Basis des Fowler-Nordheim-Tunneleffektes hinzu. Für manche Sicherheitsanwendungen verzichtet man bei manchen Speicherzellen auf die Löschmöglichkeit, d.h. man schafft wieder kleine OTP-Bereiche, oder Speicherbereiche, für die man per OTP-Konfigurationszelle einen Schreibschutz aktivieren kann. So etwas wird zum z.B. für Seriennummern oder zum Aktivieren/Deaktivieren von Peripherieblöcken verwenden, wobei das Programmieren schon in der Halbleiterfabrik erfolgt. Die Bezeichnung "Fuses" ist also eigentlich ein ziemlicher Anachronismus, d.h. man hat ihn aus der Zeit der Fusible-Link-ROMs übernommen.
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Hallo! Das kommt vom Begriff "Konfusion"=Unordnung, Verwirrung, Chaos, Desorganisation, Panik... Die vielen Threads zu diesem Wort hier im Forum bestätigen es fast täglich! :-))
Tolle Zusammenfassung Andreas, da könnte man direkt einen Artikel draus machen. Danke, Jetzt muss ich doch glatt mal nachschauen was genau der Andreas S. schrieb: > Fowler-Nordheim-Tunneleffektes ist. :-)
Der Andere schrieb: > Tolle Zusammenfassung Andreas, > da könnte man direkt einen Artikel draus machen. > Danke, Der Vollständigkeit halber: es gibt auch noch Anti-Fuses. Fuses ("fusible links") sind Aluminium-Leiterbahnen, die mit kräftigen Stromstößen durchgebrannt werden. Dabei spritzt das Aluminium durch die Gegend, weswegen das Brennen eines Bipolar-Proms (wie z.B. TBP22L28) auch schonmal wegen Kurzschlüssen auf den Nachbarzellen schiefging. Antifuses ("zener zaps") sind Zenerdioden, die durch Stromstöße in Null-Ohm-Widestände verwandelt werden. Die findet man heute noch bei Bauteilen mit EEPROM und finalem Schreibschutz-Bit (Hallsensoren, oder auch die gute alte Telefonkarte).
soul e. schrieb: > Fuses ("fusible links") sind Aluminium-Leiterbahnen, die mit kräftigen > Stromstößen durchgebrannt werden. Dabei spritzt das Aluminium durch die > Gegend, weswegen das Brennen eines Bipolar-Proms (wie z.B. TBP22L28) > auch schonmal wegen Kurzschlüssen auf den Nachbarzellen schiefging. So ähnlich hatte ich es oben auch schon beschrieben, allerdings nicht explizit auf Aluminium hingewiesen, da dies zur damaligen Zeit das (einzige?) Material für Metallisierungslagen war. Auch heutzutage dürfte es bei "normalen" ICs nach wie vor der Goldstandard, ähh Aluminiumstandard sein. Der Texas Instruments TBP22L28 ist aber ein ausgesprochen seltener Typ, der in relevanten Stückzahlen wohl nur im Apple II zum Einsatz kam. Dort wurden aber alternativ auch pinkompatible Bausteine von Harris und MMI verwendet, allerdings nur mit den applespezifischen Bezeichnungen 341-0027-x, 341-0028-x, usw.. > Antifuses ("zener zaps") sind Zenerdioden, die durch Stromstöße in > Null-Ohm-Widestände verwandelt werden. Die findet man heute noch bei > Bauteilen mit EEPROM und finalem Schreibschutz-Bit (Hallsensoren, oder > auch die gute alte Telefonkarte). In welchen EEPROMs werden denn echte Antifuses eingesetzt? Viele RAM-Bausteine bestehen intern aus mehreren Speicherblöcken. Um die Fertigungsausbeute zu erhöhen, gibt es auch Reserveblöcke. Im Rahmen der Fertigung erfolgt dann eine feste Auswahl der tatsächlich verwendeten Blöcke. Ist jemandem bekannt, ob bzw. bis zu welcher Zeit hierfür Fuses, Antifuses, EEPROM-Zellen oder laserprogrammierte Zellen verwendet wurden bzw. werden? Apropos RAM-Bausteine: Einige frühere Sinclair-Computer enthielten 32KBit-Speicherbausteine. Solche wurden jedoch niemals von der Halbleiterherstellern produziert. Sinclair kaufte jedoch die Ausschussware von 64KBit-RAMs und selektierte sie nach Bausteinen, bei denen entweder nur die obere oder untere Speicherhälfte defekt war. Dementsprechend gab es dann Computer, die nur mit dem einen oder anderen Speichertyp bestückt wurden. Die Auswahl erfolgte durch einen festen Pegel für die höchste Adressleitung. Ersatzweise konnten man natürlich auch vollständig funktionsfähige 4164 o.ä. einsetzen, aber nur eine Hälfte nutzen.
Gab's übrigens auch in TTL, 74188, 32x8 bit. Dass Atmel nun genau diese Zellen „Fuses“ nennt, dürfte aber schon den Grund haben, der bei Wikipedia genannt wird: sie sind nur durch das Programmierinterface zu ändern (im Falle der Lockbits, die auch „Lock Fuses“ genannt werden, nur durch Komplettlöschen), nicht aber aus der Firmware heraus. Damit erfüllen sie in der Tat eine Funktion, die ein wenig an eine „Sicherung“ erinnert, man kann beispielsweise den Watchdog damit erzwingen, ohne dass die Firmware ihn abschalten könnte.
Andreas S. schrieb: > Der Texas Instruments TBP22L28 ist aber ein ausgesprochen seltener Typ, > der in relevanten Stückzahlen wohl nur im Apple II zum Einsatz kam. Genau daher kenne ich ihn auch, ich sammle diese Kisten. TI habe ich als Beispiel genannt, weil mir da die Typenbezeichnung direkt einfiel. Die Bausteine von MMI, Signetics etc haben aber den gleichen Aufbau und sehr ähnliche Programmieralgorithmen. > In welchen EEPROMs werden denn echte Antifuses eingesetzt? Ich kenne sie aus Magnetfeldsensoren von Austria Microsystems und Melexis. Und halt die Telefonkarte der Deutschen Bundespost. Die bestand aus einem EEPROM mit einer Statemachine. Das wurde mit einem Bitmuster befüllt, und das Guthaben wurde abgebucht, indem die einzelnen EEPROM-Zellen programmiert wurden. Zum Löschen musste auf einem nicht kontaktierten Pad eine Programmierspannung angelegt werden, und nach der Initialisierung wurde die Löschschaltung dann mit einer Antifuse stillgelegt. Nach Herauszeichnen des Schaltplanes konnte die Antifuse mit einem FIB-Cutter aufgetrennt und das fehlende Pad herausgebonded werden. So konnte man das Ding wieder neu "aufladen". Dass sich der Arbeits- und Geräteeinsatz für 12 DM Guthaben nichtmal ansatzweise lohnt dürfte klar sein, aber begleitend zum Halbleiterpraktikum war das damals (1992) ein interessantes Forschungsprojekt. Nein, Unterlagen habe ich dazu keine mehr, und ja, einer der damals Beteiligeten arbeitet heute (oder tat dies zumindest nach seinem Diplom) bei dem Chipkartenhersteller. > Viele RAM-Bausteine bestehen intern aus mehreren Speicherblöcken. Um die > Fertigungsausbeute zu erhöhen, gibt es auch Reserveblöcke. Im Rahmen der > Fertigung erfolgt dann eine feste Auswahl der tatsächlich verwendeten > Blöcke. Ist jemandem bekannt, ob bzw. bis zu welcher Zeit hierfür Fuses, > Antifuses, EEPROM-Zellen oder laserprogrammierte Zellen verwendet wurden > bzw. werden? Antifuses machen am wenigsten kaputt. Lasertrimming ist unbeliebt weil Material abgetragen wird, EEPROM-Zellen sind zumindest moderat aufwendiger. > Einige frühere Sinclair-Computer enthielten 32KBit-Speicherbausteine. > Solche wurden jedoch niemals von der Halbleiterherstellern produziert. > Sinclair kaufte jedoch die Ausschussware von 64KBit-RAMs und selektierte > sie nach Bausteinen, bei denen entweder nur die obere oder untere > Speicherhälfte defekt war. Dementsprechend gab es dann Computer, die nur > mit dem einen oder anderen Speichertyp bestückt wurden. Die Auswahl > erfolgte durch einen festen Pegel für die höchste Adressleitung. Richtig, das war der kleine ZX Spectrum. Apple machte es umgekehrt. Die 32k-RAMs aus dem 12V Memory Board des Apple /// enthielten zwei 4116er Dice in einem Keramikgehäuse. Schön servicefreundlich jeder Chip mit eigenem Golddeckelchen. http://mirrors.apple2.org.za/Apple%20II%20Documentation%20Project/Computers/Apple%20III/Apple%20III/Photos/Apple%20III%20Main%20Memory%20Card%2012V.jpg
Thomas M. schrieb: > Aber die Fuses der Atmel Mikrocontroller haben mit Sicherungen > so überhaupt gar nix zu tun Haben Sie doch: das laufende Programm kann auf diese "Fuses" Register nicht zugreifen also z.B. während des Betriebs den Takt nicht ändern. Die "Fuses" Register sind also "sicher" gegen fehlerhafte oder absichtliche Änderung. Trotzdem macht das ausser Atmel keiner mehr. Bei Silabs 8051 oder STM ARM sind die Konfigurationsregister ganz normale Register, das Programm kann also z.B. den Takt während der Laufzeit ändern.
Jörg W. schrieb: > Gab's übrigens auch in TTL, 74188, 32x8 bit. 82S23/82S123 sind auch ein TTL-Bausteine und sogar pinkompatibel zum 7488/74188. Inwiefern sich die Programmieralgorithmen unterscheiden, ist mir nicht bekannt. > Dass Atmel nun genau diese Zellen „Fuses“ nennt, dürfte aber schon > den Grund haben, der bei Wikipedia genannt wird: sie sind nur durch > das Programmierinterface zu ändern (im Falle der Lockbits, die auch > „Lock Fuses“ genannt werden, nur durch Komplettlöschen), nicht aber > aus der Firmware heraus. Damit erfüllen sie in der Tat eine Funktion, > die ein wenig an eine „Sicherung“ erinnert, man kann beispielsweise > den Watchdog damit erzwingen, ohne dass die Firmware ihn abschalten > könnte. Naja, diese Argumentation ist schon reichlich an den Haaren herbeigezogen. Ohne die Historie an PROM-Fuses würden die Lockbits einfach Lockbits heißen.
soul e. schrieb: > aber begleitend zum Halbleiterpraktikum war das damals (1992) ein > interessantes Forschungsprojekt. OHHH, dann kennen wir uns vermutlich persönlich! Gehe ich recht in der Annahme, dass Ihr K.E., J.A. und C.R. seid?
Lothar schrieb: > Trotzdem macht das ausser Atmel keiner mehr. Doch, beim STM ST8 kann der UBC auch nur von außen programmiert werden.
Lothar schrieb: > Trotzdem macht das ausser Atmel keiner mehr. Konfigurationsregister hat doch nicht zwingend was mit Fuse zu tun. Auch bei „Atmel“ gibt es genügend Controller, deren Takt man zur Laufzeit umstellen kann, trotzdem haben sie noch Fuses, bpsw. bei den ARMs halt Security (Lock bit) oder die Entscheidung, ob der Bootloader oder der Flash gebootet werden soll.
Andreas S. schrieb: > OHHH, dann kennen wir uns vermutlich persönlich! Gehe ich recht in der > Annahme, dass Ihr K.E., J.A. und C.R. seid? Nein, G.F., M.B., O.S. und P.S. Seinerzeit RWTH Aachen.
Andreas S. schrieb: > Als mit leichtem zeitlichen Versatz auch EPROMs (electrically > programmable read-only memory) erhältlich waren, hatte sich der Ausdruck > "brennen" für das Programmieren eines (x)PROMs schon so sehr etabliert, > dass er auch für EPROMs beibehalten wurde. Hallo Andreas, schöner Text :-) Ich habe das E in EPROM allerdings als "Erasable" in Erinnerung. Als Neuerung zum nicht löschbaren, aber auch schon elektrisch beschreibbaren Fuse-ROM EEPROM dann für Electrically Erasable Programmable ROM, als Neuerung zur UV-Löschung.
Ich möchte mich anschließen. Andreas dein Text ist wirklich toll, sehr verständich geschrieben und fundiert. Der sollte unbedingt in ein Wiki. Vieleicht hier unter Bauteile / Nichtflüchtiger Speicher?
Beim MSP430 gibt es noch eine echte Fuse zum abbrennen. Danach ist keinerlei Programmierung etc. mehr möglich. Gruß Jobst
Tilo R. schrieb: > schöner Text :-) Danke! ;-) > Ich habe das E in EPROM allerdings als "Erasable" in Erinnerung. Als > Neuerung zum nicht löschbaren, aber auch schon elektrisch beschreibbaren > Fuse-ROM > > EEPROM dann für Electrically Erasable Programmable ROM, als Neuerung zur > UV-Löschung. Ja, Du hast völlig recht. Ich habe mich an der Stelle vertippt, genauer gesagt, zunächst Electrically Erasable geschrieben, den Fehler bemerkt und dann das falsche Wort wieder entfernt.
Jobst M. schrieb: > Beim MSP430 gibt es noch eine echte Fuse zum abbrennen. Allerdings nur in den älteren Familien (1xx, 4xx, 2xx). Alles neuere (5xx, 6xx, FR) hat eine "electronic fuse", was einfach ein spezieller Wert im Flash ist.
Thomas M. schrieb: > Fuse ist das englische Wort für Sicherung. Weil "to fuse" auf englisch "schmelzen" heißt. Eine Fuse ist also eigentlich eine Schmelzsicherung. Wie daraus eine Programmiermöglichkeit entstand wurde weiter oben ja schon erklärt.
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