Hallo an alle, gibt es eigentlich eine Normierung für elektrische Bauteile, welche die Lebensdauer genauer festlegt? Man findet ja oft Querverweise auf die JEDEC-Norm innerhalb diverser Datenblätter, aber soweit ich weiß, handelt diese eher von thermischen Belastungen und Auslegungen. Speziell geht es um die Lebensdauer von - Widerständen (sollte ja extrem hoch sein) - Kapazitäten (wegen Verdampfung des Elektrolyts eher problematisch?) - Transistoren (konstanter Betrieb innerhalb der SOA, problematisch?) - IC´s (habe in Erinnerung, diese ist auch extrem hoch) - uC´s (hier habe ich absolut keine Erfahrung) Da die Frage sicher nur sehr schwer durch eigene Erfahrung beantwortbar ist, würde ich die Lebensdauer mal auf ~2 Jahre beschränken, mehr muss die Komponente nicht aushalten. Also ca. 20.000h, kommen Transistoren da überhaupt Ansatzweise in die Nähe solcher Werte? Gutes Layout, Betrieb innerhalb der zugelassenen Bereiche und "normale" Umgebungsbedingungen (weder der Mond noch der Meeresgrund sollen als Einsatzgebiet dienen) können hier vereinfacht vorrausgesetzt werden. Grüße Johannes
E-Hans schrieb: > gibt es eigentlich eine Normierung für elektrische Bauteile, welche die > Lebensdauer genauer festlegt? IEC 62380. Die Lebensdauer wird nicht festgelegt, sondern es werden Formeln zur Verfügung gestellt, mit denen sich die Ausfallrate der einzelnen Bauteile bei einem gegebenen Mission Profile (Temperaturverlauf über Zeit) abschätzen lässt. Die Ausfallrate wird getrennt abgeschätzt für verschiedene Fehlermodi (Kurzschluß, Unterbrechung, Drift nach oben/unten, ...), da diese im Gesamtsystem meist auch unterschiedliche Auswirkungen haben.
E-Hans schrieb: > gibt es eigentlich eine Normierung für elektrische Bauteile, welche die > Lebensdauer genauer festlegt? Warum sollte man Alterungserscheinungen denn ausgerechnet normieren? Der Zweck einer Norm besteht darin, Interoperabilität herzustellen. Alterungseffekte von Bauteilen sind aber praktisch immer unerwünscht. Warum sollte man einem Hersteller A per Norm vorschreiben, daß sein Elko genauso schnell altern muß wie der Elko von Hersteller B? Wo doch eigentlich beide bestrebt sein sollten, möglichst langlebige Bauteile herzustellen? > Speziell geht es um die Lebensdauer von > - Widerständen (sollte ja extrem hoch sein) > - Kapazitäten (wegen Verdampfung des Elektrolyts eher problematisch?) > - Transistoren (konstanter Betrieb innerhalb der SOA, problematisch?) > - IC´s (habe in Erinnerung, diese ist auch extrem hoch) > - uC´s (hier habe ich absolut keine Erfahrung) Bei bestimmten Bauteilen ist klar, daß die ausgenutzten physikalischen Effekte eine Alterung verursachen, die zum Totalausfall (z.B. mechanischer Kontakte) oder Degradation (Datenhaltezeit bei Flash-Speicher, Lichtausbeute bei LED) führt. Oft hängt die Alterungsrate an der Temperatur (Klassiker: Elkos). In solchen Fällen untersucht der Hersteller das Alterungsverhalten seiner Bauelemente und spezifiziert es im jeweiligen Datenblatt. Natürlich gibt es auch Alterungseffekte, die nicht von der eigentlichen Nutzung abhängen. Gehäuse von Bauelementen sind nur in Grenzen abdichtbar. Betrieb bei sehr hohem oder sehr niedrigem Druck oder Temperatur, in aggressiven Medien oder bei erhöhter Strahlung beeinflussen die Lebensdauer natürlich auch. Aber wie gesagt: den Bedarf für eine Norm sehe ich da nirgendwo. Es sei denn natürlich eine Norm, die eine Mindestlebensdauer vorschreibt. Müßte dann natürlich spezifisch für Bauteilklassen und unter Angebe der Randbedingungen sein. Die Extremfälle werden oft erst dann getestet, wenn es eine reale Anwendung gibt. So spezifizieren viele Hersteller ihre Bauteile für automotive Anwendungen (Temperatur, Erschütterungen) - weil das ein üblicher Anwendungsfall ist. Wenn es um den Betrieb im Weltraum geht, werden die entsprechenden Untersuchungen nicht routinemäßig gemacht
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E-Hans schrieb: > gibt es eigentlich eine Normierung für elektrische Bauteile, welche die > Lebensdauer genauer festlegt? So gefragt: Nein. Schränktst du deine Anforderungen aber etwas ein, gäbe es ja die genannten FIT-Werte: Man kann statistisch *1) vorhersagen, welche Ausfallswahrscheinlichkeit ein bestimmtes Bauteil hat. Man kann grob eine untere Grenze für die Zuverlässigkeit von Baugruppen berechnen. Folgendes gäbe es da: Mil-Handbuch: MIL-HDBK-217 https://snebulos.mit.edu/projects/reference/MIL-STD/MIL-HDBK-217F-Notice2.pdf Siemens-Norm: SN29500 Nur dazu muss man aber folgendes beachten: Es wird nur eine UNTERE Grenze berechnet, wenn du damit eine realistische Lebensdauer berechnen will - nicht möglich. Geplante Obsoleszenz damit umsetzen - nicht möglich. Man verwendet das, um die Auftretenswahrscheinilchkeit von Fehlern in der Sicherheitstechnik zu berechnen. Die nötigen FIT-Werte bekommt man übrigens von den Herstellern auch manchmal. Das dürfte exaktere Werte liefern, es bleibt aber eine Abschätzung. *1) Die Ausfallswahrscheinlichkeit einer einzelnen Baugruppe ist völlig unvorhersehbar. Wie auch die einer einzelnen Baugruppe Man weiß aber: von 1000000 Baugruppen fallen in einem Jahr x aus.
E-Hans schrieb: > Da die Frage sicher nur sehr schwer durch eigene Erfahrung beantwortbar > ist, würde ich die Lebensdauer mal auf ~2 Jahre beschränken Na supi, das ist ja schon die Gewährleistung. Im ersten Jahr ist eher die burn in Einbrennzeit mit höheren Ausfallratebn, danach kommt erst mal die Nutzungsdauer, bevor es zur Ausfallperiode geht (Stichwort Badewannenkurve). Klar ist: Nicht alle Bauteile jeder Produktionsmethode von jedem Hersteller haben dieselbe Lebensdauer. Beispielsweise wurde ein Pentium Northwood mit nur 50000 Stunden MTBF angegegen, also weniger als 6 Jahren Dauerbetrieb (meiner fiel auch prompt nach 8 Jahren aus, obwohl nicht im Dauerbetrieb). Heutige Prozessoren haben eher 1200000 Stunden MTBF. Lüfter manchmal nur 10000. Ansonsten sind die Lebensdauerangaben für Elkos bekannt niedrig, einige tausend Stunden bei Maximaltemperatur und maximalem Ripplestrom, aber deutlich langleber wenn man weit unter den Grenzen bleibt, jedoch wiederum spannungslose Lagerung machmal nur 3 Jahre. Ein Widerstand sollte schon länger durchhalten. Man bekommt natürlich jedes Bauteil ggf. sofort kaputt in wenn man es oberhalb der absolute maximum ratings betreibt. Also: Schau ins Datenblatt, kontaktiere ggf. den Hersteller damit er eine genauere Aussage machen kann nach dem du ihm die Betriebsparameter genannt hast. Allgemeingültige Werte gibt es nicht, aber ich empfinde es als eine persönliche Frechheit, wenn Bauteile nicht mindestens mein Leben lang halten.
Danke für die zahlreichen Antworten, sind alle äußerst hilfreich. Besonders das Schlagwort "FIT" konnte mich bereits deutlich weiter bringen und stellt eine gute Möglichkeit dar, zumindest mal die grobe Hausnummer der erwartbaren Lebensdauer abschätzen zu können. Die Siemens-Norm wäre hierfür sicher noch hilfreich.
Michael B. schrieb: > Allgemeingültige Werte gibt es nicht, aber ich empfinde es > als eine persönliche Frechheit, wenn Bauteile nicht mindestens mein > Leben lang halten. Der könnte von mir sein :-) Generell sehe ich meine Schaltungen gerne kühl, so kommt mein Labornetzgerät auch im ungünstigsten Betriebspunkt nicht über 70°C am Kühlkörper. Was Bauelemente auch wenig mögen, sind thermische Wechsel. Auch bei simplen Widerständen gehe ich selten über 60% der Leistung. So, wie die meisten Bastler oder Sondergerätebauer, muß ich keine kostenoptimierte Serie entwerfen, ich darf Reserve. Bei meiner Küchenbeleuchtung habe ich mich verrechnet, die LEDs dürften etwas wärmer werden, es hätten kleinere Kühlkörper getan - egal, schadet nicht. Allerdings sind zwei von drei Netzteilen als Frühausfälle gestorben, vielleicht waren sie ja deswegen bei Pollin zu haben. Und nicht zu unterschätzen sind dämliche Entwickeler: Im Schaltnetzteil einer Telefonanlage sitzt ein kleiner Elko direkt über einem 4W-Zementwiderstand, rein elektrisch gesehen könnte er auch gut daneben sitzen. Jetzt raten wir mal, welches der beiden Teile nach 50.000h kaputt ist, wenn die Firma ??? nicht mehr telefonieren kann.
Manfred schrieb: > Im Schaltnetzteil > einer Telefonanlage sitzt ein kleiner Elko direkt über einem > 4W-Zementwiderstand Bei solchen Anordnungen denke ich mir auch immer: 'Mit Wärmeleitpaste dazwischen wär es Vorsatz.' Gruß Jobst
Michael B. schrieb: > Schau ins Datenblatt, kontaktiere ggf. den Hersteller Das ist nur eine Seite der Theorie. Wo die Dinger dann verbaut werden und ob sie durch ungünstige Einflüsse wie z.B. mechanische Resonanzen von der Leiterplatte fallen oder Termiten die Isolation fressen ist schwerer vorherzusehen.
Hurratoll schrieb: > Die nötigen FIT-Werte bekommt man übrigens von den Herstellern auch > manchmal. Wenn FIT-Berechnung gefordert wird, dann werden Bauteile von Lieferanten bevorzugt, die unaufgefordert bzw. spätestens nach Rückfrage, diese Informationen zur Verfügung stellen. Beispiel: BC847 von ON Semiconductor http://www.onsemi.com/PowerSolutions/product.do?id=BC847 -> reliability data -> FIT 1.1 MC74HC14A von ON Semiconductor http://www.onsemi.com/PowerSolutions/product.do?id=MC74HC14A -> reliability data -> FIT 2.1 Hier sieht man auch schön, warum Integration zu höherer Zuverlässigkeit führt: bipolar-diskret aufgebaut würde der Logikbaustein aus über 50 Komponenten (Transistoren, Widerstände) bestehen, mit einem sich daraus ergebenden FIT von über 50. D.h. bestimmte Designziele sind nur durch Einsatz entsprechender Baugruppen zu erreichen. Deshalb sind KORREKT eingesetzte MCUs, CPLDs oder FPGAs diskreten Aufbauten überlegen. Zu den Fehlerraten der Einzelkomponenten kommen dann noch applikationsspezifische Aspekte, die teilweise sehr schwer zu greifen sind - z.B. Verarbeitungsqualität, Betriebsbedingungen.
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Info zur MTBF Berechnung (Mean Time Between Failure) https://www.bitkom.org/Publikationen/2007/Leitfaden/BITKOM-informiert-ueber-Zuverlaessigkeitsangaben-MTBF/BITKOM-Leitfaden-MTBF-13-08-2007.pdf Die Mil Norm: http://www.sre.org/pubs/Mil-Hdbk-217F(2).pdf Jedes Bauteil wird in Abhängigeit der Umgebungsbedingungen betrachtet. Heraus kommt ein Wert der eine statistische Aussage trifft wie lange das Gerät durchschnittlich hält. Nicht berücksichtigt sind Designfehler, falsche Handhabung etc. die für die meisten Frühausfälle verantwortlich sind. Es ist durchaus üblich die Parameter zu tunen um auf die benötigte MTBF zu kommen. Generell gilt: Je weniger Bauteile um so höher die MTBF.
Michael K. schrieb: > Heraus kommt ein Wert der eine statistische Aussage trifft wie lange das > Gerät durchschnittlich hält. Eben - statistisch. Das heisst u.a. dass auch das zuverlässigste Gerät heute noch defekt werden kann. Auch ein Bauteil, das durchschnittlich 100 Jahre funktionieren sollte, kann im nächsten Moment ausfallen, es ist nur sehr unwahrscheinlich. Deshalb ist auch der Begriff "Lebensdauer" sehr problematisch, denn die Lebensdauer eines bestimmten Geräts kann eben sehr kurz sein, ohne dass das der Zuverlässigkeit einer genügend grossen Zahl dieser Geräte widerspricht. Man kann nur Aussagen machen wie "nach x Jahren werden noch y % der Geräte korrekt funktionieren". Also müsste man für eine Angabe der Lebensdauer einen Prozentsatz der zulässigen Ausfälle spezifizieren. Naturgemäss hilft so eine Aussage dem User nicht weiter, dessen Gerät gerade ausgefallen ist. Der Schwabe würde da sagen PK (Pech kett). Michael K. schrieb: > Generell gilt: Je weniger Bauteile um so höher die MTBF Klar, die Ausfallraten aller Teile addieren sich (eigentlich multiplizieren, aber bei den üblichen geringen Ausfallraten macht das keinen Unterschied). Georg
Georg schrieb: > Eben - statistisch. Gibt aber keine andere Möglichkeit das anzugeben. Statistisch sind also soundsoviele Nutzer zufrieden mit der Lebensdauer, statistisch braucht man xx% für Garantierückstellungen und statistisch gesehen hält das neue auf Garantie gewechselte Gerät soundso lange beim Kunden. So sind alle glücklich weil jedem klar ist das es eine absolute Garantie für dieses eine spezielle Gerät nicht geben kann, sonst wäre das Prinzip der Redundanz bei kritischer Infrastruktur schon lange tot. Georg schrieb: > Deshalb ist auch der Begriff "Lebensdauer" sehr problematisch Wird auch nur von Laien benutzt.
Georg schrieb: > Deshalb ist auch der Begriff "Lebensdauer" sehr problematisch Dann sage doch "durchschnittliche Lebensdauer" und die Welt ist wieder in Ordnung.
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