Hallo zusammen,
Ich habe da mal eine Verständnisfrage bezüglich der maximalen Spannungen
an den IOs eines Mikrocontrollers, spezifisch dem MKE04Z8VTG4-ND von
NXP.
Im Datenblatt
(http://cache.freescale.com/files/microcontrollers/doc/data_sheet/MKE04P24M48SF0.pdf,
PDF Seite 6) wird die Input Voltage als maximal VDD+0.3 Volt angegeben.
Nach meinem Verständnis heisst das, wenn VDD 5 Volt ist darf an dem IO
maximal 5,3 Volt anliegen, bei 3,3 Volt VDD nur 3,6 Volt. Liege ich da
richtig?
Was könnte passieren wenn diese Spannung überstiegen wird? Also bei 3,3
Volt VDD 5 Volt Pegel anliegen?
Wie immer halt :
- Das Bauteil funktioniert nicht so wie beschrieben
- Das Bauteil funktioniert teilweise nicht
- Das Bauteil funktioniert gar nicht
- Eigenschaften des Bauteils ändern sich dauerhaft
- Das Bauteil geht früher oder später kaputt
In Deinem Fall ist vermutlich eine Diode im Bauteil mit Anode am I/O-Pin
und Kathode an VDD. Was auch immer passiert, wenn Du die überlastest.
Schlieslich ist sie auch nicht alleine auf dem Silizium, sondern gleich
daneben sind noch andere Teile.
Der Controller kann das mit vorzeitigem Ableben quittieren.
Bereits die Angabe VDD+0.3V ist das "absolute maximum rating", d.h. der
obere, nie zu überschreitende Grenzwert. Also ein Wert, der im Betrieb
selbst bei vernünftigem Schaltungsdesign nie erreicht werden sollte.
Geh für den Betriebsfall davon aus, daß keine Eingangsspannung größer
sein darf als VDD. Die 0.3V aus den "absolute maximum ratings" sind ein
Sicherheitspuffer, aber der ist eben im Regelfall nicht zu nutzen und
erst recht nicht zu überschreiten.
Das ist wie beim Brückenbau, eine für 10t ausgelegte Brücke ist so
konstruiert, daß sie auch 20t aushält, aber darüber darf sie dann sang-
und klanglos die Segel streichen. Wer so eine Brücke mit mehr als 10t
belastet, macht etwas falsch.
Tobias E. schrieb:> Nach meinem Verständnis heisst das
Richtig.
> Was könnte passieren
Das lässt sich mit einem entschiedenen eventuell beantworten.
Wenn du die 5V niederohmig genug anlegst, wirst du Röstaromen
wahrnehmen.
Wenn du einen (kleinen) Längswiderstand hast, wird irgendetwas zwischen
Latchup des Prozessors und Fehlfunktion passieren. Je nach Qualität der
Stromversorgung kann ein neuer Prozessor fällig werden.
Wenn der Längswiderstand groß genug ist, übernehmen die parasitären
Dioden im Eingang den Strom und leiten ihn nach VCC des Prozessors um.
Wenn der Gesamtverbrauch deiner Schaltung dann hinreichend groß ist,
merkst du nichts. In diesem Zustand hast du an den Eingangspins aber
auch keine 5V mehr sondern irgendetwas im Bereich VCC+0.5V. Für die
Betriebssicherheit des Prozessors ist der Zustand suboptimal.
Die immer wieder gern propagierten externen Schutzdioden sind nur
Kosmetik, da die Schwellspannung zu hoch liegt und sie nicht niederohmig
genug sind.
Langer Rede kurzer Sinn: Lass es. Es sei denn, dein Prozessor ist
explizit so definiert, dass er trotz 3.3V VCC am Eingang 5V verträgt.
Das käme im Detail darauf, an wie hoch die Spannung ist, wie lange sie
anliegt und was der Innenwiderstand der Quelle ist.
Die meisten uCs haben dafür sogenannte Klemmdioden (such z.B. mal nach
Klemmschaltung, Klemmdioden) eingebaut. In dem Datenblatt, auf Seite 24,
ist das nur für die ADC-Pins schematisch angedeutet. Möglicherweise gibt
es dazu noch App-Notes. Aber im wesentlichen ist das so richtig.
Es ist schwer die Wirkung genau zu beziffern, weil die
Diodeneigenschaften etc., fast nie (dem Hobby-Kunden) bekannt gegeben
werden. Selbst Industriekunden müssen meist große und langfristige
Abnehmer sein, um solche Interna zu erfahren.
Der Zweck ist aber letztlich zweifach: Schutz gegen ESD - also hohe
Spannungen von einigen 100 bis 1000V, aber mit sehr wenig Ladung und
eher hohem Innenwiderstand, Zeiten von us.
Dabei passiert in der Regel nichts Nachhaltiges, aber da man die Werte,
wenn es mal passiert nicht kennt, ist es unmöglich hinterher zu sagen,
wie groß der Schaden ist oder ob es überhaupt einen gab. Man kann nur
sagen: OK. Die Schaltung funktioniert noch oder nicht.
Der zweite Zweck ist der Schutz gegen versehentliches Anlegen von eher
geringen Spannungen von etwa dem über 1-fachen bis etwa dem 3-fachen der
Nennspannungen (genau weiß ich das nicht) für deutlich merkbare Zeiten
bis zu einigen Minuten. Dabei können hohe Ströme (alles was höher als
der Nennstrom ist) aus der Stromversorgung, durch den uC in den I/O-Pin
fliessen (technische Stromrichtung). Das wird in der Regel bei Strömen
im mA-Bereich bzw. Leistungen im unteren mW-Bereich auch keine
dauerhafte Wirkung haben; geht jedenfalls in der Praxis meistens gut.
Die Werte die ich hier angebe sind nur grob über den Daumen geschätzt
und werden ohne jegliche Gewähr genannt. Man sollte das in jedem Fall
vermeiden.
Das Datenblatt sagt, für den Fall der Überschreitung lediglich, das eine
Funktion nicht mehr gewährleistet ist. Es spezifiziert aber keinerlei
Daten dazu. Noch nicht einmal unter welchen Umständen eine dauerhafte
Beschädigung möglich ist. Das sind ohnehin keine festen Werte, sondern
nur statistische Aussagen. Die Firma wird das schon immer wieder mal
messen, weil das auch was über den Prozess aussagt, aber ihre "Garantie"
geht eben nur bis zu diesen 0,3V drunter oder drüber.
Das Problem bei dem Ganzen ist folgendes:
Gemäß dem Datenblatt musst Du sicherstellen, dass diese Grenze nie
überschritten wird. Rufus stellt das in einen anderen Zusammenhang.
Die Schutzschaltung sorgt dafür das das überhaupt möglich ist. Ansonsten
müssten Du schon bei jeder Spannung über Vdd mit Schäden rechnen. Das
ist der Sicherheitsfaktor.
In der Praxis kommen Überspannungen aber entweder durch Versehen beim
Entwickeln (irgendein Taskopf oder Netzteilanschluss kommt dran) oder im
Feld durch aussergewöhnliche Bedingungen vor. Und in diesen Fällen
lassen sich meist mehrere Parameter, Zeit, Spannung, Strom weder vorab
kontrollieren noch nachträglich feststellen.
Da heisst es Daumen drücken; es geht oft gut, aber mit bleibendem
Schaden ist zu rechnen.
Ach! Ganz vergessen: Ich habe Dir noch zwei Links herausgesucht:
http://www.digikey.com/en/articles/techzone/2012/apr/protecting-inputs-in-digital-electronics
und
http://electronics.stackexchange.com/questions/137643/how-does-a-diode-clamping-circuit-protect-against-overvoltage-and-esd
Letzteres zeigt so eine Schutzschaltung mal im Prinzip mit LTSpice
(musst Du aber nachmalen, leider kein asc-File dabei).
Wesentlich ist, auf die Leistung (und die zeitliche Summe der Leistung)
und die Spannung, welche die Diode verträgt, zu achten. Die
tatsächlichen Daten werden bei den internen Dioden von uCs anders - im
wesentlichen weniger Leistung und Spannung - sein, aber das
Wirkungsprinzip des Schutzes als auch des Versagens dieses Schutzes ist
das gleiche. (Nur gibts bei LTSpice noch keinen magischen Rauch). Schau
Dir ruhig dazu mal die Datenblätter von ein paar Kleinleistungsdioden
an.
Danke euch allen für die schnellen und ausführlichen Antworten.
Ich werde mich wohl mal eingehender mit besagten Schutzschaltungen
beschäftigen, auch wenn ich hoffe dass sie nicht nötig werden.
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