Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Alte HiFi-Anlage: Kondensatoren? Übersteuerung und Aussetzer


von Mirko W. (Gast)


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Guten Abend,
ich habe eine alte Optonica-Anlage bekommen, also Technik von Anfang der 
80er.
Da hier ja einige Leute schon Erfahrungen mit der Reparatur alter 
Stereo-Verstärker haben, dachte ich mir, dass ich diese Kompetenz mal 
zurate ziehen könnte.

Ich habe kleinere Probleme mit dem Verstärker (SM-4646) festgestellt:

-Wenn ich ihn einschalte, dann geht die rechte Box erst dann, wenn man 
den Lautstärkeregler einmal über eine bestimmte Schwelle gedreht hat. 
Danach kann man leiser drehen.

-Es gibt manchmal etwas, das wie Übersteuerungsknistern klingt, jedoch 
bei ganz moderater Lautstärke. An der Quelle liegt es aber nicht.

Könnt ihr mir erste Anhaltspunkte geben, woran das liegen könnte? Nur 
die alten Elkos tauschen und gut oder liegt da mehr im Argen?

von ArnoR (Gast)


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Klingt nach oxidierten Relaiskontakten 
(Einschaltverzögerung/Überlast-oder Gleichstromabschaltung).

von None (Gast)


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Lautstärkepotis verschmutzt? Hatte ich mal bei ner alten Bruns Anlage. 
Massig Kontaktspray und ein wenig Physiotherapie, dann war alles wieder 
gut

von Klaus R. (klara)


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Ja, ArnoR hat vollkommen recht. Ruheströme mal prüfen.
So alte Elkos sind immer verdächtig. Wenn Du an einen Schaltplan kommst, 
würde ich mal Spannungen überprüfen.
mfg klaus

von Mirko W. (Gast)


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Vielen Dank für die schnellen und kompetenten Antworten, mit 
Audiotechnik hatte ich bisher keine Erfahrung.
Das Service Manual bekommt man tatsächlich noch im Internet.

von Matthias S. (Firma: matzetronics) (mschoeldgen)


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ArnoR schrieb:
> Klingt nach oxidierten Relaiskontakten

Denke ich auch. Schnipps mal gegen die Abschaltrelais, wenn der Kanal 
nicht geht.

von Dr. Google (Gast)


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habe gestern erst meinen amp repariert. also der schleifer des 
lautstärkepotis war vom typ "dann-und-wann-see-sprinter".

du kannst einfach den widerstand der potis im ausgeschalteten zustand 
mit einem multimeter messen. schleifer in der mitte und dann gegen a und 
e. ein wenig an der laustärke drehen und auf veränderung prüfen.

reinigen und schmieren von potis ist zeitverschwendung und macht eher 
noch mehr kaputt.

das anti-plopp-relais kann man günstig tauschen.

beim reichelt gibt es alps potis für 12euros. gut die passen natürlich 
meistens nicht. wenn wenigstens der drehknopf draufpasst, dann ist schon 
was gewonnen. eventuell tut es ein adapter für die achse.

die unpassenden potis kann man mit drähten mit der elektronik verbinden 
wenn man sie verkehrt einbaut. mit dem relais geht das auch. hauptsache 
die widerstandswerte der potis "passen" einigermaßen.

nach 30-40 jahren ist so ein dingens zerfressen.

good luck!

von Diodenes (Gast)


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@Mirko:
Das beschriebene Fehlerbild ist nicht sehr dramatisch. Sollte also 
klappen können.

Dr. Google schrieb:
> reinigen und schmieren von potis ist zeitverschwendung und macht eher
> noch mehr kaputt.

Neue Potis sind wahrlich nicht zu verachten, aber trotzdem ist die These 
in dieser Pauschalität eher anti-faktisch ;-)

Wichtig ist nur: Finger weg vom "weltbekannten" "Kontakt 60" - das hat 
an Potentiometern von Hifi-Gruschd grundsätzlich GAR nichts verloren, 
weil es binnen kurzer Zeit ALLES kaputtfrisst... Stattdessen "teslanol 
t6 oszillin", das ist fast ein Wundermittel für solche Anwendungen. Die 
kleinste Dose reicht für Dich, Mirko, wahrscheinlich ein Leben lang :-)

Außerdem noch das alte Relais ersetzen und ggf. die Eingangswahlschalter 
reinigen - letzteres könnte eine leicht stressige Pfriemelei werden ;-), 
aber dann läuft das Moped wieder.

von Jupp (Gast)


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Mirko W. schrieb:

> -Wenn ich ihn einschalte, dann geht die rechte Box erst dann, wenn man
> den Lautstärkeregler einmal über eine bestimmte Schwelle gedreht hat.
> Danach kann man leiser drehen.

95% Relais-Kontakte der Einschaltverzögerung.

Was du probieren kannst, wenn du nicht sofort Ersatz kaufen willst:

- LS abklemmen
- Relais-Kontakte überbrücken
- Einschalten
- LS anklemmen

Nimm dafür keine wervollen LS, in diesem Zustand kann die 
Schutzschaltung die LS nicht mehr abwerfen!

Wenn Fehler dauerhaft weg, Relais ersetzen.

> Übersteuerungsknistern

Was bitte soll das sein? Knistern und Übersteuern klingen sind völlig 
verschiedene Dinge. Wenn Knistern, wahrscheinlich Schalter und/oder 
Potis.  Diodenes schrieb es bereits: Keinesfalls mit Kontaktspray 
drangehen! Oszillin oder Tuner-Spray ist OK.

von Jupp (Gast)


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Nachtrag:

Wenn du dir nicht so wirklich sicher bist was zu tun ist, lass es 
jemanden machen, der es kann. Wäre schade ums Gerät!

von Peter D. (peda)


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Diodenes schrieb:
> Außerdem noch das alte Relais ersetzen

Falls das ein Relais mit abziehbarer transparenter Kappe ist, kann man 
auch die Kontakte mit einem Streifen Fensterleder wieder blank polieren.

von michael_ (Gast)


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Peter D. schrieb:
> Falls das ein Relais mit abziehbarer transparenter Kappe ist,

Es soll auch welche mit schwarzer abziehbarer Kappe geben :-)
Vergossen sind die nicht.

Bei meinem Sony haben die Relais für Kopfhörer geraschelt.
Mit 2 Schraubenzieher vorsichtig aufhebeln. Man muß sie dazu aber 
auslöten.

von Andreas B. (bitverdreher)


Angehängte Dateien:

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Mirko W. schrieb:

> Könnt ihr mir erste Anhaltspunkte geben, woran das liegen könnte? Nur
> die alten Elkos tauschen und gut oder liegt da mehr im Argen?

Ich habe noch nie einen alten Verstärker mit kaputten Elkos gesehen. Laß 
die Finger von den Elkos.

Kandidaten sind wie größtenteils schon erwähnt:
alle Potis
Eingangswahlschalter
Filter- und sonstige Schalter
Lautsprecherrelais

Diese Teile würde ich auch nicht groß versuchen zu reparieren, sondern 
durch neue ersetzen. Ansonsten wirst Du das gleiche Problem nach viel 
Arbeit 1 Jahr späer wieder haben. Dabei muß man meist auch etwas 
basteln, weil man selten passende Teile bekommt.
Diese Prozedur sieht dann z.B. aus wie auf den Bildern. In diesem 
Beispiel habe ich bei meinem E202 Akkuphase Schalter gegen 
Einzelschalter (4xum) ersetzt. Die Führung vorn habe ich abgebaut und 
die neuen Schalter dort samt Umschaltmimik eingesetzt (die neuen waren 
ursprünglich gegenseitig auslösend und hatten ein anderes Raster).
Die komplette Renovierung dieses Verstärkers hat mich ca. 1 Woche Urlaub 
gekostet. Ob sich das bei deinem Verstärker lohnt, mußt Du selbst 
entscheiden.

Gruß
Andreas

von hinz (Gast)


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Andreas B. schrieb:
> Ich habe noch nie einen alten Verstärker mit kaputten Elkos gesehen.

Schön für dich. Ich hab schon einige gesehen, auch mit Raketenelkos.

von Soul E. (Gast)


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Andreas B. schrieb:

> Ich habe noch nie einen alten Verstärker mit kaputten Elkos gesehen. Laß
> die Finger von den Elkos.

Es gehen durchaus mal welche kaputt, aber vom globalen "Recapping" würde 
ich auch dringend abraten. Die in den '80ern verbaute Qualität ist 
deutlich besser als das, wass der gemeine Hobbybastler heute bei seinem 
Versender kaufen kann.


Letzte Woche habe ich ein Apple II-Netzteil von 1977 repariert. Die 
Primärelkos waren hin (einer explodiert), die sekundären Siebelkos 
hatten alle 120% ihrer Nennkapazität und ein ESR im zweistelligen 
Milliohmbereich. Die habe ich alle schön wieder eingelötet. So schaut 
das meistens aus. Es gibt einzelne Defekte, aber niemals Komplettausfall 
einer Elkofamilie (wie wir es heute kennen).

Anders sieht es in den '90ern aus. Es gab Serien von SMD 
Alu-Becherelkos, die zum Auslaufen neigen. Betroffen sind z.B. Tek TDS 
dreistellig, Macintosh 128 bis LC, diverse Kameras, etc. Die sollte man 
durchaus präventiv austauschen, bevor es Korrosionsschäden gibt.

von Lothar K. (megastatic)


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Verblüffend, dass niemand Steckverbinder als Fehlerquelle in Betracht 
zieht?

Bei analogen Mischpulten die Fehlerquelle Nr. 1!
Dort werden oft Flachkabel samt Stecksystemen aus dem Computerbereich 
verwendet, welche für Spannungen im mV Bereich nicht wirklich gut 
geeignet sind.
Dreht man einmal kurz laut, funktioniert der Kanal wieder eine Zeit 
lang. Bis ein bestimmter Pegel unterschritten wird und der Steckkontakt 
hochohmig wird. Ich meine mal was von Mikro-Oxydationen in den Steckern 
gelesen zu haben.

Abhilfe schaffte bei meinem Equipment (Mischpulte, Endstufen, ...) aus- 
und anstecken aller Kabel und die Behandlung mit speziellen 
Kontaktmitteln (z.B. DesOxy und ProGold) einmal pro Saison.

Wär' schon doof wenn sowas während einer laufenden Show ausfällt . . .

von hinz (Gast)


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Lothar K. schrieb:
> Wär' schon doof wenn sowas während einer laufenden Show ausfällt . . .

It's not a bug,...

von Jupp (Gast)


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Andreas B. schrieb:

> Ich habe noch nie einen alten Verstärker mit kaputten Elkos gesehen. Laß
> die Finger von den Elkos.

Dann hast du nicht wirklich viele repariert. Von taub über komplett 
ausgelaufen bis regelrecht explodiert hatte ich schon alles - in 
durchaus nenneswerten Stückzahlen auch bei den "großen" Marken.

Aber souleye hat schon recht, pauschal alles wechseln ist Unfug.

von Soul E. (Gast)


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ArnoR schrieb:

> Klingt nach oxidierten Relaiskontakten
> (Einschaltverzögerung/Überlast-oder Gleichstromabschaltung).

Deckel vom Relais abziehen. Visitenkarte mit Isopropanol oder Kontakt WL 
einsprühen und ein paarmal durch die geschlossenen Kontakte durchziehen. 
Wenn das nicht reicht, Kontakt 60 (rot) nehmen und sofort mit Kontakt WL 
oder Iso nachspülen.


BTW: in Potis hat Kontaktspray ungefähr genauso viel zu suchen wie in 
Nasenlöchern.

von Jupp (Gast)


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soul e. schrieb:

> BTW: in Potis hat Kontaktspray ungefähr genauso viel zu suchen wie in
> Nasenlöchern.

Wieso? Spart das teure Nasenspray ;)

von Dr. Google (Gast)


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ich möchte nochmals erinnern mit einem brauchbaren multimeter zuerst 
alles gefahrlos durchzumessen: widerstandswerte, elkos, 
durchgangsprüfer. man braucht halt ein digitalmultimeter für mehr als 20 
euro.

genauso wie in der medizin ist eine heilung ohne exakte diagnose 
praktisch unmöglich. wenn jemand mit spray von kontakt chemie rastatt 
kurzfristig erfolg hat, ok. es bleibt aber immer der zweifel ob es das 
war. beim nächsten defekt, z.b. wenn das silikon die bauteile aufgelöst 
hat, bricht das ganze psychische kartenhaus in sich zusammen und es 
bleibt einem nur der weg zum recycling hof.

wenn man den fehler allerdings gefunden hat, dann fühlt man sich doch 
sehr (selbst-) sicher.

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