Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Elektrische Sicherheit Hochfrequenz-Therapiegerät Violet Wand


von Matthias H. (experimentator)


Lesenswert?

Hallo,

speziell in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren 
Hochfrequenz-Therapiegeräte eines Typs in Mode, der Violet Ray oder 
Violet Wand genannt wird (siehe 
https://de.wikipedia.org/wiki/Violet_Wand).

Eine Bekannte von mir benutzt solch ein Gerät, ein modernes der eher 
unteren Preislage, das vermutlich aus Fernost kommt, für kosmetische 
Zwecke. Der Netzanschluß ist ein zweipoliges Eurokabel. Ich habe es 
heute mal mit dem Multimeter durchgemessen und festgestellt, daß 
"eingeschaltet" zwischen dem Kontakt des Ausgangs, wo die Glasröhren in 
das Gerät eingesteckt werden, und einem Pol des  Netzsteckers ein 
Widerstand nur von knapp 3 kΩ besteht. Das würde nach meinem Verständnis 
heißen, daß bei Berühren des Ausgangs, Bruch einer Glasröhre mit Leitung 
o. ä. im Worst Case ein tödlicher Strom von knapp 80 mA durch den Körper 
fließen könnte.

Dazu habe ich folgende Fragen:

1. Liege ich mit dieser Annahme richtig, daß ein Gerät mit diesen Daten 
potentiell lebensgefährlich ist?

2. Könnte man eine ausreichende Sicherheit herstellen, wenn man das 
Gerät über einen Trenntransformator betreibt? Der Ausgang des Geräts ist 
einpolig, sodaß dann kein geschlossener Stromkreis mehr entstehen 
könnte.

Im Netz habe ich zu Schaltung und Sicherheit solcher Geräte u. a. 
folgendes gefunden: http://www.teslathon.de/stefan/tc/safewand.htm

Der Autor ist der Meinung, daß ein Trenntrafo keinen ausreichenden 
Schutz biete,da es sein könne, daß die Hochfrequenz die Trennung 
durchschlage. Könnte man sich davor mit Drosseln auf der Geräteseite des 
Trenntrafos schützen?

Viele Grüße,
  Matthias

: Verschoben durch User
von THOR (Gast)


Lesenswert?

Also nach dem was auf Wikipedia steht ist das allgemeine 
Funktionsprinzip von den Dingern nicht sicher, selbst wenn man die 
elektrischen Designmängel behoben bekommt.

Ich fahre auch gern Motorrad, bin mir aber bewusst dass die Leitplanke 
gewinnt.

von Michael B. (laberkopp)


Lesenswert?

Matthias H. schrieb:
> 1. Liege ich mit dieser Annahme richtig, daß ein Gerät mit diesen Daten
> potentiell lebensgefährlich ist?

Ja, ebenso wie eine Glühlampe, bei der auch nach Zerschlagen des 
Glaskörpers mit 230V verbundene Kontakte frei liegen.

> 2. Könnte man eine ausreichende Sicherheit herstellen, wenn man das
> Gerät über einen Trenntransformator betreibt? Der Ausgang des Geräts ist
> einpolig, sodaß dann kein geschlossener Stromkreis mehr entstehen
> könnte.

Nein. Einerseits bietet ein konventioneller Trenntrafo keine 
ausreichende Isolierung gegen die Plasmaröhrenspannung von über 4.5 
Kilovolt, andererseits reicht schon die kapazitive Kopplung des Trafos 
um dennoch schmerzhafte Ströme zu verurachen. Daher wird bei sicherer 
Benutzung von BATTERIEbetrieb geredet.

So wie ich es verstanden habe, versuchen die amerikanischen violet lamps 
den Nullleiter der Stromzufuhr absichtlich mit einem Pol der 
Hochspannungserzeugung zu verbinden (siehe Simple schematic of the 
wiring:), da die hochfrente Hochspannung am anderen Pol eine zu geringe 
Stromstärke hat um tödlich zu sein (aber trotzdem schmerzhaft).

Bei europäischen Geräten (mit Eurostecker) ist das nicht möglich.

: Bearbeitet durch User
von Matthias H. (experimentator)


Lesenswert?

Hallo Michael,

Michael B. schrieb:
> Matthias H. schrieb:
>> 1. Liege ich mit dieser Annahme richtig, daß ein Gerät mit diesen Daten
>> potentiell lebensgefährlich ist?
>
> Ja, ebenso wie eine Glühlampe, bei der auch nach Zerschlagen des
> Glaskörpers mit 230V verbundene Kontakte frei liegen.

Das ist ein schlechter Vergleich, denn der Kontakt des Ausgangs ist 
halbwegs berührungsgeschützt (außer natürlich kleine Finger, speziell 
Kinder!), da der Durchmesser nur ca. 11 mm beträgt und etwas im Gerät 
versenkt ist.

Die Glasaufsätze sind bis auf die Metallkappe, mit der sie in den Sockel 
gesteckt werden, nicht elektrisch leitend. Bei zweien sind 
Metallspiralen drinnen, aber ich denke, daß sie nur zum Verteilen der 
Hochfrequenz dienen und nicht elektrisch verbunden sind. Es könnte 
natürlich theoretisch bei sehr unglücklichem, großflächigen Zerbrechen 
des Glasaufsatzes passieren, daß sie unter Spannung stehen.

Darum denke ich eben drüber nach, ob man die Sicherheit weiter erhöhen 
kann.

Historische Geräte, die von manchen Leuten noch benutzt werden, sollen 
angeblich vereinzelt mit unisolierten Metallstäben ausgeliefert worden 
sein, um die Hochfrequenz weiterzuleiten. Falls es sich nicht um ein 
vollisoliertes Gerät handeln sollte, solche gab es auch, ist das 
natürlich lebensgefährlich, aber darüber rede ich im Moment nicht!

>> 2. Könnte man eine ausreichende Sicherheit herstellen, wenn man das
>> Gerät über einen Trenntransformator betreibt? Der Ausgang des Geräts ist
>> einpolig, sodaß dann kein geschlossener Stromkreis mehr entstehen
>> könnte.

> Nein. Einerseits bietet ein konventioneller Trenntrafo keine
> ausreichende Isolierung gegen die Plasmaröhrenspannung von über 4.5
> Kilovolt, andererseits reicht schon die kapazitive Kopplung des Trafos
> um dennoch schmerzhafte Ströme zu verurachen. Daher wird bei sicherer
> Benutzung von BATTERIEbetrieb geredet.

Ich könnte mir das Gerät mal mit dem Oszilloskop ansehen (Trenntrafo und 
Hochspannungstastkopf vorhanden, das theoretische Restrisiko würde ich 
eingehen), aber gehe ich davon aus, daß die Netzseite entstört ist und 
keine Hochspannungsspitzen aufweist. Anderenfalls würde vermutlich der 
Verkauf dieser Geräte recht schnell verboten (CE-Zeichen usw.).

Eine andere Sache sind historische Geräte, von denen die meisten (es gab 
auch welche, deren Hersteller damit geworben haben, daß sie keine 
Radiostörungen verursachen) vielleicht auch Hochspannungsspitzen im 
Stromnetz verursachen.

Wenn Ströme schmerzhaft sind, dann ist das immer noch eine ganz andere 
Sache, als wenn sie lebensgefährlich sind. Es geht ja nur um etwas 
zusätzliche Sicherheit!

Die Hauptfrage ist für mich, ob ich mit einem Trenntrafo irgendetwas 
schlimmer machen könnte, und das kann ich mir schwer vorstellen!

: Bearbeitet durch User
von oszi40 (Gast)


Lesenswert?

1.Grundsätzlich würde ich mir erst mal die Entstörkondensatoren genauer 
ansehen und messen.  Evtl. ist einer durchgeschlagen wegen Überlastung?
2.Die Wege von HF sind manchmal unergründlich. Ohne Bilder und Schaltung 
stochen wir hier im Nebel und es besteht Lebensgefahr.

von Dominus Papus (Gast)


Lesenswert?

Matthias H. schrieb:
> Eine Bekannte von mir benutzt solch ein Gerät, ein modernes der eher
> unteren Preislage, das vermutlich aus Fernost kommt, für kosmetische
> Zwecke.

"kosmetische Zwecke" heisst wahrscheinlich Richtung fifty shades of 
grey, denn da boomen diese Gerätchen regelrecht seit einigen Jahren. Was 
die Sicherheit angeht, wird der Strom so bemessen, dass maximal 0,5mA 
fliessen. Die reichen für eine Nervenstimulation an den empfindlichen 
Stellen locker aus.

Bei richtigen Therapiegeräten wird die Stromstärke durch in Reihe 
geschaltete Strombegrenzungen realiert, die eine Fehlfunktionserkennung 
besitzen, wenn eine der beiden ausfällt. Keihne Ahnung wie das bei 
diesen Dingern ist. Es hat aber seinen Grund, warum die als 
Kosmetikgeräte oder Wellness verkauft werden: Nämlich, um das 
Medizinproduktegesetz und die Medizinprodukteverordnung zu umgehen. Bei 
solchen Geräten gibt es zudem eine Ableitstromproblematik, d.h man muss 
das vermessen und testen und die Grenzströme von Ich glaube 5mA 
nachweisen.

Ich halte mich bei solchen Geräten vornehm zurück, möchte aber dennoch 
zwei Dinge einwerfen:


> Der Autor ist der Meinung, daß ein Trenntrafo keinen ausreichenden
> Schutz biete,da es sein könne,

Ein Trenntrafo macht nur bei der 230V Seite Sinn, um die Phase 
wegzunehmen, die bei abreissen des Steckers sonst ans Gehäuse kommt. 
Damit wirst Du wieder ähnlich sicher, wie mit einer Erde.

Ein solcher Trenntrafo am Ausgang der HF macht keinen Sinn, zumal da 
ohnehin meistens schon einer sitzt, um die Spannung zu erzeugen. Der 
Weg, nach diesem Trafo den Strom sicher zu transportieren, wären 
entsprechend isolierte Leitungen und jeweils ein Widerstand zur 
Strombegrenzung, der mal wenigsten 10k hat und den Strom auf mA 
herabsetzen kann. Das Problem ist nämlich, dass die Haupt zunächst 
erstmal ein paar kOhm hat, dann aber durchschlägt und mit wenigen 
hundert Ohm daher kommt. Damit kann Strom durch die Nerven fliessen und 
die schädigen. Das ist bei etwa 10mA bereits der Fall. Nervenfasern, die 
100mA gesehen haben, sind dauerhaft hin und werden günstigenfalls wieder 
nach Wochen rekonstruiert, wenn überhaupt.





>   Matthias

von Jennifer Grey (Gast)


Lesenswert?

Matthias H. schrieb:
 > Das ist ein schlechter Vergleich

Tatsache. Spärliche Gemeinsamkeiten:

A - anliegende Wechselspannung, B - Glas ---> zerbrechlich.

Gelb leuchtende Birnen hängen oft recht hoch. Aber auch wenn nicht, 
werden die wenigsten Leute jemand anderen damit stimulieren wollen. Und 
die (paar I...n), die doch, haben die Wahl zwischen:

A - heizen, brutzeln, wiederh., B - zerbrechen, ... (owt), C - A-->B

Sind doch leicht unterschiedliche Gegenstände und Ansätze.

von Matthias H. (experimentator)


Lesenswert?

Dominus Papus schrieb:
> Bei richtigen Therapiegeräten wird die Stromstärke durch in Reihe
> geschaltete Strombegrenzungen realiert, die eine Fehlfunktionserkennung
> besitzen, wenn eine der beiden ausfällt. Keihne Ahnung wie das bei
> diesen Dingern ist. Es hat aber seinen Grund, warum die als
> Kosmetikgeräte oder Wellness verkauft werden: Nämlich, um das
> Medizinproduktegesetz und die Medizinprodukteverordnung zu umgehen. Bei
> solchen Geräten gibt es zudem eine Ableitstromproblematik, d.h man muss
> das vermessen und testen und die Grenzströme von Ich glaube 5mA
> nachweisen.

Mittlerweile ist mir aufgefallen, daß es Violet-Ray-Geräte gibt, die 
offensichtlich von der Netzspannung isoliert sind und wo entweder der 
eine Pol der Sekundärspule "in der Luft hängt" (?) oder mit dem 
(metallischen) Handstück oder einer separaten, zweiten Elektrode 
verbunden ist. Ganz nebenbei bemerkt, ist letzteres auch bei 
Hochfrequenz-Chirurgiegeräten, die allerdings mit viel höherer Frequenz, 
Leistung und vor allem Leistungsdichte arbeiten, der Fall.

Es gibt z. B. eine deutsche Firma "Tefra" ( http://www.tefra-berlin.com 
), bei der das der Fall ist und die offenbar schon seit Jahrzehnten 
aktiv ist. Allerdings kostet da schon das Grundgerät ca. 1500 €. Auch 
einige historische Geräte werden als "erdschlußfrei" beworben und alle 
so bezeichneten Geräte, die ich auf eBay u. ä. sehen konnte, hatten 
bisher einen Metallhandgriff oder eine zweite Elektrode.

>> Der Autor ist der Meinung, daß ein Trenntrafo keinen ausreichenden
>> Schutz biete,da es sein könne,
>
> Ein Trenntrafo macht nur bei der 230V Seite Sinn, um die Phase
> wegzunehmen, die bei abreissen des Steckers sonst ans Gehäuse kommt.
> Damit wirst Du wieder ähnlich sicher, wie mit einer Erde.

Der Einwand gegen einen Trenntrafo war, wenn ich das richtig verstanden 
habe, daß Hochspannungs-Hochfrequenzströme, die irgendwie auf die 
Netzseite kommen, die Isolation eines üblichen Trenntrafos durchschlagen 
könnten. Ich weiß nicht, ob das eine rein akademische oder eher eine 
realistische Ansicht ist und nachdem ich mich mit dem Gedanken 
Trenntrafo anzufreunden beginne, frage mich mittlerweile, ob man sich 
davor vielleicht durch Drosseln/Netzfilter zwischen Trenntrafo und Gerät 
oder gar eine Suppressordiode schützen kann.

von Falk B. (falk)


Lesenswert?

@Matthias H. (experimentator)

>Der Einwand gegen einen Trenntrafo war, wenn ich das richtig verstanden
>habe, daß Hochspannungs-Hochfrequenzströme, die irgendwie auf die
>Netzseite kommen, die Isolation eines üblichen Trenntrafos durchschlagen
>könnten.

Nein, das tun sie nicht. Sie koppeln einfach kapazitiv über, denn so ein 
Trenntrafo ist aus HF-Sicht eher "durchsichtig".

> Ich weiß nicht, ob das eine rein akademische oder eher eine
>realistische Ansicht ist und nachdem ich mich mit dem Gedanken
>Trenntrafo anzufreunden beginne, frage mich mittlerweile, ob man sich
>davor vielleicht durch Drosseln/Netzfilter zwischen Trenntrafo

Das könnte was bringen, ist hier aber gar nicht relevant.

> und Gerät
>oder gar eine Suppressordiode schützen kann.

Nö.

von Der Andere (Gast)


Lesenswert?

Matthias H. schrieb:
> Eine Bekannte von mir benutzt solch ein Gerät

Es ist immer die Bekannte, der Freund, Schwager, etc.

Matthias H. schrieb:
> Ich habe es heute mal mit dem Multimeter durchgemessen

Die Bekannte benutzt es, du hast es aber da zum durchmessen? hmm...

Mein Rat: Stell DEIN Gerät in eine Vitrine, sieht nett aus. Aber lass 
den Scheiß es zu benutzen.

Bitte melde dich an um einen Beitrag zu schreiben. Anmeldung ist kostenlos und dauert nur eine Minute.
Bestehender Account
Schon ein Account bei Google/GoogleMail? Keine Anmeldung erforderlich!
Mit Google-Account einloggen
Noch kein Account? Hier anmelden.