Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik KFZ Bordspannungsfilter


von Matthias T. (mati123)


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Hi,

da ich vorhabe, einen kleinen Car-PC für mein Auto zu basteln, habe ich 
mich mal durch die verschiedenen Beiträge in diesem Forum hierzu 
gewühlt.

KFZ-Bordspannung scheint ja wirklich "übel" zu sein. Was mich aber dabei 
wundert: In einem modernen KFZ sind ja eine ganze Reihe von 
Halbleiterschaltungen dezentral verbaut - von der Konstantstromquelle 
für LED-Beleuchtung bis zum komplexen Mikrocontroller für irgendwelche 
Regelungen.

Haben die alle eine eigene Schutzschaltung? Oder sind da entsprechend 
"harte" Komponenten verbaut?
Warum baut man nicht einfach jenseits des Motorraums, wo Lichtmaschine, 
Anlasser und Laderegelung naturgemäß harte Schwankungen verursachen, 
eine zentrale  Schutzschaltung für geregelte, "saubere" 12 V für alle 
übrige Elektronik ein, an der dann die weiteren Komponenten hängen?

Ebenso wundert mich das ja letztlich jeder Zulieferer vor dem Problem 
einer Schutzschaltung steht. Eine Suche nach fertigen Modulen hierfür 
hat nur so etwas wie
https://www.amazon.de/%C3%9Cberspannungsschutz-Kemo-M168-Spannungsspitzenkiller-Auto/dp/B002TOEV6O/ref=sr_1_2?ie=UTF8&qid=1488314638&sr=8-2&keywords=kemo+auto+%C3%BCberspannung
geliefert, da ist ja die Schaltung hier auf der Webseite
https://www.mikrocontroller.net/articles/Kfz_Spannungsspitzenkiller_/_Transientenschutz
noch besser, da diese einen geschützten Ausgang liefert.

Für Hinweise, wie der Schutz für die "richtige" KFZ Elektronik gebaut 
ist wäre ich dankbar.

von ttom (Gast)


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Du kannst nicht ausschließen, das dein Eigenkonstrukt Rückwirkungen 
verursacht.
Deshalb könnte bei Lichte besehen eine e-Typgenehmigung nach 72/245 EG 
(aktueller Änderungsstand 2006/28 EG) bzw. die E-Typgenehmigung nach ECE 
R10 nötig werden.
Früher gab es einmal in den FAQs der de.sci.electronics ein Schaltbild, 
das sicher wegen der Regularien verschwand.
Kurz: Schwierig mit dem KFZ-PC-SNT.
Ein Linux-System a la Raspberry pi kommt nicht in Frage?

von Andrew T. (marsufant)


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Matthias T. schrieb:
> Haben die alle eine eigene Schutzschaltung? Oder sind da entsprechend
> "harte" Komponenten verbaut?

Beides trifft zu.

> Warum baut man nicht einfach jenseits des Motorraums, wo Lichtmaschine,
> Anlasser und Laderegelung naturgemäß harte Schwankungen verursachen,
> eine zentrale  Schutzschaltung für geregelte, "saubere" 12 V für alle
> übrige Elektronik ein, an der dann die weiteren Komponenten hängen?

Ein modernes Oberklasse Auto hat so um die 80 ECU, komplett über das 
Auto verteilt , jedes mit eigener Schutzschaltung && "harten" 
Komponenten wie Du sie bezeichnest.  Eine Zusatzverkabelung wie du sie 
beschreibst  würde den knappen Preisrahmen sprengen, mit dem Hersteller 
kalkulieren.

von Soul E. (Gast)


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Matthias T. schrieb:

> Haben die alle eine eigene Schutzschaltung? Oder sind da entsprechend
> "harte" Komponenten verbaut?

Letzteres. Es gibt immer noch Frickel-Lösungen mit Spulen und 
Zenerdioden, aber im professionellen Umfeld ist der Einsatz 
automotive-qualifizierter Komponenten obligatorisch.

> Warum baut man nicht einfach jenseits des Motorraums, wo Lichtmaschine,
> Anlasser und Laderegelung naturgemäß harte Schwankungen verursachen,
> eine zentrale  Schutzschaltung für geregelte, "saubere" 12 V für alle
> übrige Elektronik ein, an der dann die weiteren Komponenten hängen?

Weil der Dreck nicht zentral vom Motor erzeugt wird, sondern jedes 
Steuergerät irgendwelche Störungen absondert oder ungleichmässig Strom 
zieht, was sich aufgrund der Leitungsimpedanzen in Spannungsschwankungen 
äussert.


Nimm automotive-taugliche Komponenten (AEC Q100). Die halten 36 V am 
Eingang aus und brauchen extern nur die Verpolschutzdiode und den Elko. 
Den Temperaturbereich bis +125 oder +150°C gibt's gratis dazu. Jeder 
Hersteller von Leistungselektronik hat parametrische Suchfunktionen auf 
seiner Website, und da kann man eigentlich immer nach Automobil filtern.

von Matthias T. (mati123)


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Andrew T. schrieb:
> Ein modernes Oberklasse Auto hat so um die 80 ECU, komplett über das
> Auto verteilt , jedes mit eigener Schutzschaltung && "harten"
> Komponenten wie Du sie bezeichnest.  Eine Zusatzverkabelung wie du sie
> beschreibst  würde den knappen Preisrahmen sprengen, mit dem Hersteller
> kalkulieren.

Gerade wegen der Zahl der Komponenten würde es sich doch (nach meiner 
laienhaften Einschätzung) eher lohnen das nur einmal zu machen. Und da 
alle Komponenten jenseits des Motorraumes nur Kleinverbraucher sind, 
braucht man keine Doppelverkabelung, sondern dort nur einmal die 
"sauberen" 12V. Aber offenbar (wie in einem anderen Beitrag beschrieben) 
erzeugen die übrigen Steuergeräte auch heftige Störimpulse.

von Stefan F. (Gast)


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@Matthias:
Du unterschättz die Wirkung von Leitungswiderständen und Induktion.

von Matthias T. (mati123)


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soul e. schrieb:
> Weil der Dreck nicht zentral vom Motor erzeugt wird, sondern jedes
> Steuergerät irgendwelche Störungen absondert oder ungleichmässig Strom
> zieht, was sich aufgrund der Leitungsimpedanzen in Spannungsschwankungen
> äussert.

Wenn ich mir die Prüfimpulse anschaue
> -25/50/75/100V, Anstiegszeit 1us, Dauer 2ms
> 32V für 60sec
> 17V für 60min

hätte ich jetzt nicht gedacht, das diese auch jenseits des Motorraumes 
erzeugt werden - so etwas habe ich bisher nur Anlasser, Lichtmaschine 
und Glühkerzen zugetraut. Aber man lernt nie aus ...

> Nimm automotive-taugliche Komponenten (AEC Q100). Die halten 36 V am
> Eingang aus und brauchen extern nur die Verpolschutzdiode und den Elko.
> Den Temperaturbereich bis +125 oder +150°C gibt's gratis dazu. Jeder
> Hersteller von Leistungselektronik hat parametrische Suchfunktionen auf
> seiner Website, und da kann man eigentlich immer nach Automobil filtern.

Eine Suche nach diesen Stichwörtern bei Conrad gibt aber auch 
Mikrocontroller wie den ATMEGA32C1-15AZ aus. Soll das heissen, das diese 
die o.g. Prüfimpulse überstehen oder was bedeutet die Klassifizierung 
als AEC Q100?

von Matthias T. (mati123)


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ttom schrieb:
> Deshalb könnte bei Lichte besehen eine e-Typgenehmigung nach 72/245 EG
> (aktueller Änderungsstand 2006/28 EG) bzw. die E-Typgenehmigung nach ECE
> R10 nötig werden.

Das in den Foren bei jedweder Bastelei am Auto vor dem Verlust des 
Versicherungsschutzes, Strafverfahren wg. fahrlässiger Tötung und der 
Inquisition durch VDA und VDS gewarnt wird, ist mir schon klar.

> Kurz: Schwierig mit dem KFZ-PC-SNT.
> Ein Linux-System a la Raspberry pi kommt nicht in Frage?

Ja, es sollte ein Linux System werden, aber wahrscheinlich eher ein 
APU-Board. Bastelei bezog sich mehr auf den mechanischen Aufbau und 
Anschluss, damit das Teil nicht beim Unfall zum Geschoss wird bzw. mir 
durch den Airbag ins Gesicht geschleudert wird. Das APU-Board hat 12V 
Eingangspannung, aber ich fürchte da muss ich im KFZ noch einen Filter 
vorsetzen.

von Soul E. (Gast)


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Matthias T. schrieb:

> Wenn ich mir die Prüfimpulse anschaue
>> -25/50/75/100V, Anstiegszeit 1us, Dauer 2ms

Das sind klappernde Relais oder Schaltregler mit trockenen Elkos. Oder 
Mantafahrer mit 2kW-Endstufen und Minus an Masse (statt dickem 
Minuskabel zur Batterie)

>> 32V für 60sec

Loses Pluskabel an der Batterie und ein Lichtmaschinenregler, er etwas 
schwer von Begriff ist

>> 17V für 60min

Eigentlich 27V. Laden mit Werkstattlader, und damit es schneller geht 
auf 24V geschaltet. Kein Spass, dass passiert an den Verladehäfen 
täglich.


> Eine Suche nach diesen Stichwörtern bei Conrad gibt aber auch
> Mikrocontroller wie den ATMEGA32C1-15AZ aus. Soll das heissen, das diese
> die o.g. Prüfimpulse überstehen oder was bedeutet die Klassifizierung
> als AEC Q100?

Die fasst in erster Linie Qualitätsanforderungen zusammen. 
Consumerbauteile müssen drei Jahre bei Raumtemperatur halten, Automotive 
15 Jahre bei -40..+105°C. Entsprechend sind die Anforderungen an 
Leckströme, Migration, Diffusion etc.

Dein Microcontroller läuft mit geregelten 5V, dem ist es erstmal egal ob 
er im Auto sitzt oder in einem DVD-Player. Bei den Spannungsreglern wird 
es spannender. Ein TLE7270 hält einiges mehr aus als ein LM78M05.

von Michael B. (laberkopp)


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Matthias T. schrieb:
> KFZ-Bordspannung scheint ja wirklich "übel" zu sein. Was mich aber dabei
> wundert: In einem modernen KFZ sind ja eine ganze Reihe von
> Halbleiterschaltungen dezentral verbaut - von der Konstantstromquelle
> für LED-Beleuchtung bis zum komplexen Mikrocontroller für irgendwelche
> Regelungen.
>
> Haben die alle eine eigene Schutzschaltung?

Ja. Sie sind getestet nach den Prüfimpulsen. Die Schutzschaltung kann 
einfach sein, ein Vorwiderstand an einer Z-Diode, oder aufwändig.

> Oder sind da entsprechend "harte" Komponenten verbaut?

Die braucht man dazu, denn Spannungsbegrenzung greift erst über 30V und 
erlaubt bis 45V, da reicht kein 7805.

> Warum baut man nicht einfach jenseits des Motorraums, wo Lichtmaschine,
> Anlasser und Laderegelung naturgemäß harte Schwankungen verursachen,
> eine zentrale  Schutzschaltung für geregelte, "saubere" 12 V für alle
> übrige Elektronik ein, an der dann die weiteren Komponenten hängen?

Baut man.

Es gibt unterschiedliche severity levels.

Schon die Lichtmaschine in modernen Autos hat eine Spannungsbegrenzung 
auf 43V eingebaut.

Und so lange der Akku dran ist und funktioniert sind dort kaum über 15V 
zu erwarten.

Aber wenn du mit deiner Elektronik in einer Tür steckst und die 
Zuleitung hat einen Wackelkontakt, wodurch Relais Strom bekommen der 
dann wieder wegfällt, da kann eine Spannungsspitze auch von 100V 
entstehen.

Ebenso wenn am Auto geschweisst wird, kann es Masseversatz von bis zu 
50V geben bei heftig viel Strom.

In einem ordentlichen Auto frisch aus der Fabrik hast du kaum Spannungen 
über 15V. Aber ein Auto lebt länger und geht schrittweise kaputt. Um so 
heftiger werden die Störungen, schlechte Massekontakte kennt jeder. Da 
sitzt auch mal der Akkupol nur wackelig auf der Batterie, so daß der 
Abnehmer des Stroms für die Lichtmachine ausfällt und wiederkommt. Und 
ist das Auto erst ruiniert, kommt der Lastwagen und gibt mit 24V 
Starthilfe, denn viel bringt viel.

Die heftigen Störspannungen sind also erst bei defektem Auto zu 
erwarten, und wenn das ein unwichtiges "Komfort-"Teil ist, darf es 
vieleicht auch scho bei Überschreitung von 25V kaputt gehen. Aber du 
willst sicher nicht, daß dann das ESP mal eben eine Vollbremsung 
linksseitig einleitet, weil gerade die Sicherung zum Scheibenwischer 
durchbrennt. Je wichtiger dein Bauteil, um so mehr erwarten wir vom 
Schutz.

Je geringer die Stromaufnahme deiner Elektronik, um so einfacher ist sie 
zu schützen, ein Vorwiderstand vor dem Spannungsbegrenzer reicht meist 
schon. Ein PC im Auto braucht aber mehr Strom. Dafür will man ihn nicht 
galvanisch mit der Karosserie verbinden, damit z.B. Audiosiganle nicht 
gestört werden. Es bietet sich ein KFZ-taugliches Netzteil an. Das 
enthält schon einen Schutz.

http://www.cartft.com/support_db/support_files/M3-ATX_DE.pdf

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