Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Schaltbarer Tiefpass funktioniert wider Erwarten


von Third E. (third-eye)


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Hallo,

Ich habe ein AC-Signal, das mit einem DC-Offset von 2,5 V versehen ist. 
Ein µC soll wahlweise einen Tiefpass mit fg = ca. 1 kHz zuschalten 
können und das Signal mit 20dB/Dekade filtern.

Die Schaltung im Anhang habe ich simuliert mit der Erwartung, dass das 
nicht funktioniert, weil die CE-Strecke des Transistors ja nur AC-Ströme 
"sieht" (im eingeschwungenen Zustand, C1 geladen).
Linkes Bild: Simulation im Frequenzbereich, rechs im Zeitbereich.
Grüne Kurven: V2 = 0V
Blaue Kurven: V2 = 5V

Dann habe ich die Schaltung mal aufgebaut und sie funktioniert 
tatsächlich. Ohne sichtbare Verzerrung der Kurvenform.

Ich freue mich zwar, dass die Schaltung funktioniert, aber ich kann mir 
nicht recht erklären, warum.
Vielleicht denke ich auch zu kompliziert (Inversbetrieb, wenn Strom 
negativ?)

Wäre schön, wenn mir jemand das erklären könnte.

Danke
Third Eye

von Stefan F. (Gast)


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Das funktioniert so auch in der Realität, aber nur bei kleinen 
Spannungen und kleinen Strömen. Macht man gerne, um Audio-Signale stumm 
zu schalten.

von Hurra (Gast)


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Third E. schrieb:
> Dann habe ich die Schaltung mal aufgebaut und sie funktioniert
> tatsächlich. Ohne sichtbare Verzerrung der Kurvenform.

Mach doch mal eine FFT drüber. Geht bei LTSPICE ja so schön praktisch. 
Mich würde mal interessieren, ob das verzerrt.

Warum das in Echt auch klappt:
Der Inversbetrieb funktioniert bei dem genannten Typen (BC847) auch in 
der Praxis. Also kann der Transistor auch in beide Richtungen Strom 
leiten. Es gibt keinen Grund, warum da kein Wechselstrom durchgehen 
soll, solange genug Basisstrom da ist.

Nur:
- Stromverstärkung ist invers nicht so gut
- Er kann nur rund 7V sperren

PS:
Ich wäre übrigens sehr vorsichtig, welche Resultate LTSPICE im 
Inversbetrieb produziert. Da habe ich schon die wildesten Sachen 
gesehen.
Sowas würde ich eher aufbauen, als simulieren. Und das, obwohl ich ein 
großer Freund von Simulationen bin.

von Joe F. (easylife)


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Da dein Signal am Transistor gegenüber GND durch den Kondensator immer 
positiv ist geht das so. Minimale Verzerrungen am Tiefpunkt sind 
allerdings vorhanden (wenn der Transistor nicht leitend ist).
Du musst allerdings mit etwas stärkeren, kurzzeitigen Verzerrungen beim 
Ein-/Ausschalten des Filters rechnen.
Der Filter hat übrigens nur 6dB/oct.

: Bearbeitet durch User
von Hurra (Gast)


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Joe F. schrieb:
> Da dein Signal am Transistor gegenüber GND durch den Kondensator
> immer
> positiv ist geht das so.

Nein!

Da ist ein Kondensator.

Bei der positiven Halbwelle fließt ein Strom vom Kollektor zum Emitter, 
der Kondensator wird geladen.
Er muss auch wieder entladen werden. Dazu muss der Strom vom Emitter zum 
Kollektor fließen.
Nachdem ein Transistor (allerdings nur theoretisch) symmetrisch ist.

Und das klappt, solange ein Basisstrom fließt auch umgekehrt. Mit den 
bekannten Nachteilen (Stromverstärkung wäre einer).

Probiers aus, eben mit einem BC547 auf dem Steckbrett. Bitte nur kleine 
Spannungen verwenden, <5V ist ok.

von Third E. (third-eye)


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Habe mal eine FFT gemacht. Das sieht gut aus und deckt sich mit meinen 
Beobachtungen in der Realität.
Ich habe für die FFT die 1 kHz-Sinus-Eingangsamplitude auf 2 V erhöht 
und auch für das Eingangssignal IN (blaue Kurve) eine FFT gemacht.
Parameter:
V2 = 0 V
FFT über 100 ms
min time step = 10 µs
.option plotwinsize = 0

Ergebnis: die erste Oberwelle ist um ca. 13 dB größer, verglichen mit 
dem Eingangssignal. Aber da sie immer noch sehr weit unten (bei ca. -80 
dB) liegt, ist das für mich vernachlässigbar.

: Bearbeitet durch User
von VOA (Gast)


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Third E. schrieb:
> Habe mal eine FFT gemacht.

Wie jetzt, in der Simulation oder praktisch?

"Es gab einmal eine Zeit..." da hat man versucht bei Tonbandgeräten die 
Entzerrung, abhängig von Bandmaterial und Geschwindigkeit, auf diese Art 
umzuschalten.
Bipolartransistor war dabei unterste Kategorie, und das bei wesentlich 
geringerem Pegel, FET etwas besser, Relais das Optimum.
Mir fällt es zugegebenermaßen schwer daran zu glauben, daß das bei den 
hier genannten Pegeln, mit einigermaßen erträglichem Klirrfaktor 
funktioniert.
Bestimmt ist am Wochenende Zeit zum testen...

von Ralf (Gast)


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Da gibt es doch noch den bilateralen Schalter 4066 auf CMOS-Basis. 
Enthält 4 Schalter mit je 2 antiparallel geschalteten FET's, die alle 
einzeln angesteuert werden können.

Dieser Schaltkreis wird sogar für das Schalten von NF-Signalen in 
Hifi-Verstärkern benutzt.

Du brauchst sowieso 3 Stück davon, um bei 3 hintereinandergeschalteten 
Tiefpässen auf wenigstens 18dB/oct zu kommen.

Äh... Ich sehe gerade, Du brauchst nur 20db/dec. Alles ist gut. :)

von Third E. (third-eye)


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Die FFT wurde mit LTSpice erstellt.
Ich werde den Schaltungsteil mal separat aufbauen, um ein bisschen damit 
mit Amplituden spielen zu können.
Dass es bessere Lösungen gibt wie z.B. mit Analogschalter, Reedrelais 
etc. ist mir klar. Ich war nur neugierig, warum die genannte 
Einfachstschaltung überhaupt funktioniert ;-)

von Third E. (third-eye)


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Ich habe die Schaltung zwar nicht aufgebaut, aber in der Simulation den 
Strom durch den Transistor erhöht, indem ich schrittweise den Widerstand 
R3 um "Faktor" verkleinert und im selben Zug C1 um diesen Faktor 
vergrößert habe.
Ich kann also die weiter oben geschriebene Aussage unterschreiben, dass 
für den Zweck ein bipolarer Transistor nur geeignet ist, wenn es um 
kleine Ströme geht.

Im Anhang die ermittelten Klirrfaktoren (Befehl: .four 1kHz V(out))

WICHTIGER NACHTRAG!
Diese hohen Klirrfaktoren kamen nur zustande, weil R1 und R2 immer bei 
100kOhm blieben. Wenn ich sie auch um "Faktor" verringere, bleibt der 
Klirrfaktor sehr niedrig.
Ich komme wohl nicht drum rum, die Schaltung mal aufzubauen.

: Bearbeitet durch User
von Third E. (third-eye)


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Hier noch ein interessanter Link zum Thema "Muting Transistor":
http://sound.whsites.net/project147.htm

Einen bipolaren Transistor für den Zweck zu verwenden, scheint also doch 
nicht ganz so obskur zu sein, wie man auf den ersten Gedanken meinen 
könnte.

In meinem Fall mit dem geschalteten Kondensator wird dieser beim 
Einschalten der Signalquelle aufgeladen, die BC-Diode wirkt dabei als 
Klemmdiode. In den ersten paar Millisekunden ist das Signal also erst 
mal stark verzerrt (Spitzen gekappt), aber das ist (in meinem Fall) kein 
Problem.
Falls das dennoch stört, müsste man nur die Schaltung mit aktiviertem 
Transistor einschalten.

von Stromtuner (Gast)


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Man kann da sogar eine Diode in Sperrrichtung vorspannen und dann diese 
dann bei Bedarf mit 1-2mA in den leitenden Zustand versetzen. Solange 
die NF deutlich unter der Flussspannung bleibt, ist das gar kein 
Problem.
StromTuner

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