Forum: Ausbildung, Studium & Beruf Solarworld und Solarbranche im Allgemeinen


von Fernreisender (Gast)


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Nun ist Solarworld pleite, aber die Produktion in China kann nicht so 
viel billiger sein als in Sachsen. Ich stelle mir die Produktion der 
Solarzellen hochautomatisiert vor und deshalb dürften die höheren 
deutschen Gehälter nicht das Entscheidende gewesen sein. Vielleicht hat 
einer hier etwas Branchenwissen und kann berichten warum SW pleige 
gegangen ist. Mir geht es hauptsächlich um die Sicht auf die 
Arbeitsplätze für Ingenieure, der VDI sagte doch dass man mehr 
Ingenieure für die Bewältigung der Energiewende braucht. Die 
Solarbranche fällt aber weg. Schade.

von Bürovorsteher (Gast)


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> Ich stelle mir die Produktion der
> Solarzellen hochautomatisiert vor und deshalb dürften die höheren
> deutschen Gehälter nicht das Entscheidende gewesen sein.

Ohne aus der Branche zu sein, wage ich mal folgende Vermutung:
das Geschäftsmodell von Solarworld war im wesentlich auf Abschöpfung der 
Subventionen, die nun weniger werden, ausgerichtet.
Hatten wir doch schon öfter.

von Peter II (Gast)


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Fernreisender schrieb:
> Ich stelle mir die Produktion der
> Solarzellen hochautomatisiert vor und deshalb dürften die höheren
> deutschen Gehälter nicht das Entscheidende gewesen sein

Stromkosten könnten ein wichtiger Punkt sein.

von Sebastian (Gast)


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Es wird schon seit Jahren gesagt, dass China die Solarproduktion 
subventioniert und zwar so stark, dass der Verkaufspreis von Modulen 
unter den Produktionskosten liegt.

von Cyborg (Gast)


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Der Energieerzeuger-Markt dürfte hier gesättigt sein. Ob die EVUs
da überhaupt noch neue Solar-Lieferanten bei der Rekordverschuldung
aufnimmt, bzw. an ihr Netz anschließt, könnte ein Kriterium sein.
Das wäre allerdings ein nationales, aber kein globales Problem für
die Chinesen. Die Produktionskosten dort, dürften ohne weiteres
Wettbewerbsfähig sein.

von Gerald B. (gerald_b)


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Ich weiß noch genau, vor über 10 Jahren, als ich noch in der 
Chipproduktion war, da herrschte bei Solar regelrechte 
Goldgräberstimmung. Es existierte die Rechnung, das man beim Bau einer 
Solar-Fab mit einem Zehntel der Investitionen einer Halbleiter-FAB 
gleich hohe Gewinne einstreichen könne.
Entsprechend baute jeder, der Geld locker hatte, eine Solarzellenfabrik. 
Das ging so lange gut, bis die Chinesen ebenfalls erkannten, das sich 
damit Geld verdienen läßt, die Preise purzelten und die Subventionen 
zurückgefahren wurden.
Es wird das selbe mit Solarworld passieren, was sich schon ein halbes 
Dutzend Male zugetragen hat.
Irgendjemand kauft die Bude für einen Euro, bekommt nochmal Subventionen 
mit der Schaufel hinterhergeworfen. Entweder er ist blauäugig, oder eine 
Heuschrecke. Das Ergebnis ist das selbe, nach 5 Jahren macht der nächste 
Inhaber pleite. Das wiederholt sich noch ein paar mal, dann werden noch 
die Maschinen über Gebrauchtmaschinenportale versteigert und in alle 
Welt verramscht. Und sei es nur, weil in Asien irgendwer an den 
Ersatzteilen sparen will und die Anlagen schlachtet, um Seine damit noch 
ein paar Jahre billig weiterbetreiben zu können.

von Martin S. (sirnails)


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Fernreisender schrieb:
> Vielleicht hat
> einer hier etwas Branchenwissen und kann berichten warum SW pleige
> gegangen ist.

Das hat vielfältige Grunde, ein paar wurden schon genannt.

1) Solarworld hat früher massiv von den Subventionen profitiert. Seien 
es direkte durch den Staat, oder indirekte, durch Subventionen von 
Solaranlagen. Viel ist davon nicht mehr übrig.

2) Die Schwemme an chineischen Importen. Zwar hat die EU irgendwann 
Importzölle erhoben, aber ich bezweifel, das man damit im Ansatz eine 
Marktgerechtigkeit erzeugt hat. Und es dauerte auch sehr lange, bis was 
unternommen wurde. Schließlich will man China nicht vor den Kopf stoßen 
- wir sind inzwischen sehr! abhängig vom asiatischen Raum.

3) Der Rechtsstreit mit Hemlock. Der hat dem Laden so richtig Geld 
gekostet.

4) Allgemeine Sättigung des Marktes bei steigenden Überkapazitäten. Der 
große Solarboom ist vorbei. Jetzt wird zwar immernoch massig PV aufs 
Dach geschraubt, aber halt nicht mehr wie zu Zeiten, als riesige 
Solarparks aus dem Boden gestampft wurden. Und die paar Privathäusle, 
die jetzt noch ausgestattet werden, teilen sich viele Anbieter von 
Schott bis Solarworld, Jinko-Solar und Solarcity auf.

5) Negativer Newsflow an den Börsen hat dem Unternehmen durch den 
Kursverfall sehr viel Geld gekostet. Gelitten haben sie sicher auch, 
weil die Aktie nach Emission exorbitant überbewertet war. Das hat zwar 
ordentlich Geld in die Kassen gespült, aber hat unterm Strich dem 
Unternehmen so nachhaltig geschadet, dass sich die Aktie nie erholen 
konnte. Ich meine, wir reden hier um eine Überbewertung um den Faktor 
700!

In Summe: Hoch gepokert, tief gefallen.

von Kolja L. (kolja82)


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Fernreisender schrieb:
> Nun ist Solarworld pleite

Nein, sie sind insolvent.

von Martin S. (sirnails)


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Kolja L. schrieb:
> Fernreisender schrieb:
>> Nun ist Solarworld pleite
>
> Nein, sie sind insolvent.

Stimmt. Pleite sind sie seit Jahren.

von Thomas1 (Gast)


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In subventionierten Branchen eine Insolvenz hinbekommen, ist eine 
Leistung. Sowas schafft nicht jeder.

von N. N. (clancy688)


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Tja, und gleichzeitig drängt Tesla genau in dieses Marktsegment:

https://www.golem.de/news/solar-roof-teslas-solardach-teilweise-guenstiger-als-normales-dach-1705-127761.html

Die Idee ist natürlich mal wieder großartig und man fragt sich, warum da 
vorher noch keiner drauf gekommen ist:

Statt erst ein Dach zu bauen und dann Photovoltaik oben drauf zu setzen, 
integriert man das ganze einfach in ein Teil. Das Dach ist die 
Photovoltaik-Anlage. Und wenn der Kram (laut Tesla) dann auch noch 
billiger ist als ein normales Dach...

von Peter II (Gast)


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Lu R. schrieb:
> Die Idee ist natürlich mal wieder großartig und man fragt sich, warum da
> vorher noch keiner drauf gekommen ist:

Solarzellen sollen möglichst Hinterlüftet sein, das wird schwer bei so 
einem Dach.

> Statt erst ein Dach zu bauen und dann Photovoltaik oben drauf zu setzen,
> integriert man das ganze einfach in ein Teil. Das Dach ist die
> Photovoltaik-Anlage. Und wenn der Kram (laut Tesla) dann auch noch
> billiger ist als ein normales Dach...

wenn man genauer den Artikel ließt, denn steht dort das es billiger sein 
kann, Abhängig vom Eigenverbrauch und der Ausrichtung. Da liest sich für 
mich so, das der Solarstrom in die Rechnung mit eingeht - also werden 
Äpfel mit Birnen verglichen.

von BastelIng (Gast)


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Im Moment laufen doch Verfahren gegen Verantwortliche einer 
Vertiebsfirma eines großen chinesischen Solarmodulherstellers in 
Deutschland. Sollen wohl schon ein paar in Haft sein. Die hatten 
angeblich  die Strafzölle durch Falschdeklaration und Umleitung über 
andere Asiatische Länder u.a. umgangen.
Allein der Steuer/Zollschaden soll bei über 100 Mio. Euro liegen. Daraus 
könnte man dann abschätzen - wie viel Umsatz bei den hiesigen 
Herstellern davon weggebrochen ist.
Die Euopäischen Module waren vielleicht 15% teuerer als die asiatischen.
Ich gehe da grob von einem Umsatzschaden für die heimischen Hersteller 
im knappen Milliardenbereich alleine bei diesem Fall aus. Vie viele 
Menschen könnten hie noch in Lohn und Brot sein.


(Nur war die Qualität der Chinadinger auch eine Art russisch Roulette 
mit Delamination, Verfärbung, Mikrorissen - bei teils nicht 
vollautomatischer Produktion wird das Material halt stärker beansprucht, 
teils zweite Wahl Zellen verbaut, überlagerte EVA-Folien - nicht das es 
aus heimischer Fertigung keinen Schund gegeben hätte - aber prozentual 
sicher weniger...  - einen gewissen Mehrpreis für heimische Ware hätten 
die Meisten Käufer wohl gezahlt - aber bei den Unterschieden durch das 
Dumping...)



Unsere "fähigen" (EU) Politiker haben die Anti Dumping Schutzzölle ja 
alles andere als schnell auf den Weg gebracht - während die chinesischen 
Modulhersteller bei Verkauf unter Herstellungskosten und mit 
Miliardenkrediten chinesischer Staatsbanken im Rücken hier die 
Hersteller unter Druck setzten und maßgeblich dadurch zerstörten.
Und das war auch schon lange wieder selbst in Internet Fachforen 
bekannt...

Also - neben den Fehlern der Hersteller (zu lange Einkaufsverträge für 
dann zu teuere Wafer...) - eine ganz großen Dank an unsere UNFÄHIGE 
Regierung, die es auch nicht schafft - nachdem die Zölle da waren - 
solchen Massenimporteuren schnell (auch da war es schon lange bekannt) 
auf die Pfoten zu hauen. Ist ja wie bei vielen anderen Verbrechern 
(Kuscheljustiz, zuviel "Rechtsstaat").
Nur als hiesiger Unternehmer hat man die BG innerhalb kürzester Zeit als 
Rollkomando auf dem Hof, wenn man mit dem Gabelstapler und Leiter drauf 
seine Außenlampen (selbst) erneuert...

Soo - ich fahr jetz ins Freibad - genug aufgeregt.

von Planwirtschaft (Gast)


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Neben der chinesischen Konkurrenz gibt es weitere, selbstverschuldete 
Gründe für die Pleite.

Eine Kombination aus falscher Ausrichtung, die das zusätzliche deutsche 
Know-How nicht gegenüber billigeren Mitbewerbern ausgespielt hat und dem 
nicht wegzuredenden Dumping aus Asien (nicht nur China).

Subventionen für nachhaltige Energieversorgung, die uns von Russland und 
dem Nahen Osten unabhängiger macht, halte ich für richtig. Das ist 
sowohl wegen dem Klimaschutz, als auch den schwierigen Beziehungen mit 
diesen Ländern ein sicherheitspolitisches Anliegen, grüne Energie in 
Europa zu produzieren.

von Gerald B. (gerald_b)


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BastelIng schrieb:
> Also - neben den Fehlern der Hersteller (zu lange Einkaufsverträge für
> dann zu teuere Wafer...)

Das trifft nur auf monokristalline Zellen zu - das sind zwar die 
Effizientisten, aber neben polykristallinen und amorphen Zellen auch die 
Minderheit.
Mit den Wafern ist es wie beim Pokern. Die konventionelle Halbleiterei 
ist direkter Konkurrent beim Einkauf von Wafern. Und die Halbleiterei 
macht seit vielen Jahren eine Berg- und Talfahrt.
2 Jahre geht's allen gut und 2 Jahre laviert man sich so durch und 
hofft, das man die Talsole überlebt.
Wenn's allen gut geht, dann ist der Wafermarkt leergefegt und wohl dem, 
der vorher Lieferverträge abgeschlossen hat. Wenn die Talsole dran ist, 
dann bekommt man die Wafer quasi nachgeschmissen.
Aber plane das mal...

von Mike B. (mike_b97) Benutzerseite


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Peter II schrieb:

> Stromkosten könnten ein wichtiger Punkt sein.

oder diverse gesetzliche Auflagen bei der Produktion, wie
-Umweltschutz,
-Arbeitszeiten,
-Sicherheitsvorschriften,
-vorgeschriebene Wartungs- und Überprüfungsintervalle
-diverse Beiträge zu irgendwelchen Schmarotzer-Vereinen wie z.B. IHK und 
GEZ
-tonnenweise Versicherungen
und
-GEWERKSCHAFTEN

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