Forum: Platinen Lötstellen bei Temperaturwechsel


von Horst S. (Gast)


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Ich habe ein BMS für den Reva meines Bruders gebaut. Der will demnächst 
auf Li-Zellen umrüsten. Klappt alles, nur eine Erfahrung lässt mich 
immer noch die Stirn runzeln. Das hatte ich noch nicht:

Während der Bauphase stand u.A. auch an, die Schaltungen 
(Balancerplatinen, Balancermaster, Cockpitanzeige) bei unterschiedlichen 
Temperaturen zu testen (ich wollte wissen, ob die Schnittstellen der 
Controller auch immer brav synchron laufen, ist ja KFZ). Also zuerst 
rein in die Kühltruhe (-15°), dann ab in den Ofen (50°).

Nicht beim Abkühlen, erst beim Erwärmen fiel bei etwa 40° zuerst ein 
Kanal auf einer Balancerplatine, danach das Display der Cockpitanzeige 
aus. Der mistmessende Kanal (Werte sprangen nur wild) reanimierte sich 
nach Abkühlung wieder, das Display nicht.

Die Fehler waren recht schnell gefunden. Bei der Cockpitanzeige konnte 
ich die kalte Lötstelle an der Datenleitung zwischen Controller und 
Display direkt messen und nachlöten. Beim Kanal (wahrscheinlich war's am 
Spannungsteiler) konnte ich absolut nix verdächtiges sehen, drum habe 
ich einfach alle Lötstellen noch mal nachgelötet - funzt.

Noch als Info: Die Schaltungen sind handgeätzt/-gelötet und liefen über 
drei Wochen, in denen ich die Controller programmiert habe, bei 
Raumtemperatur einwandfrei. Die Lötstellen haben sich also meiner 
Ansicht nach erst durch den Temperaturwechsel mechanisch gelöst.

Fragen:
- Was mir nicht in den Kopf will: Wieso beim Erwärmen? Hätte sich das 
Metall nicht beim Abkühlen zusammenziehen sollen?
- Macht Ihr bei Euren Schaltungen für Draußen auch so einen Hermann? 
Respektive muss ich jetzt jedes mal, wenn ich eine Schaltung für einen 
weiten Temperaturbereich jenseits der kuscheligen 20° baue, das Teil 
erst Einfrieren, dann Backen, um zu prüfen, ob die Lötstellen noch in 
Ordnung sind?

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


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Horst S. schrieb:
> - Was mir nicht in den Kopf will: Wieso beim Erwärmen?
Weil da mehrere Materialen beteiligt sind, die unterschiedliche 
Ausdehnungskoeffizienten haben...

> - Macht Ihr bei Euren Schaltungen für Draußen auch so einen Hermann?
> Respektive muss ich jetzt jedes mal... prüfen, ob die Lötstellen noch in
> Ordnung sind?
Nein. Man sorgt dafür, dass der Fertigungs- bzw. Lötprozess stabil ist. 
Wenn man das selbst von Hand lötet, dann sieht man das ja sofort...

von Georg (Gast)


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Horst S. schrieb:
> Die Lötstellen haben sich also meiner
> Ansicht nach erst durch den Temperaturwechsel mechanisch gelöst.

Das ist nur eine Vermutung, und nicht sehr wahrscheinlich. Schlechte 
Lötstellen haben oft trotzdem Kontakt, manchmal jahrelang, aber gegen 
Temperaturwechsel bzw. mechanische Spannungen sind sie natürlich viel 
empfindlicher als korrekte Lötstellen.

Ich behaupte mal: die Löterei war von vornherein nicht gut, mit 
einwandfrei gelöteten Baugruppen passiert so etwas nicht. Ausnahmen sind 
grossflächige, direkt aufgelötete Bauteile wie die alten Prozessoren in 
Keramikgehäusen, aber das gibt es heute nicht mehr. TQFP z.B. hat 
geschwungene Beinchen, die können solche Spannungen gut ausgleichen. Und 
wenn so ein Beinchen auf das Pad drückt hat es Kontakt auch wenn es 
garnicht gelötet ist.

Georg

von Horst S. (Gast)


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Lothar M. schrieb:
> Weil da mehrere Materialen beteiligt sind, die unterschiedliche
> Ausdehnungskoeffizienten haben...

Wie jetzt? Das Widerstandsbeinchen dehnt sich bei THT weniger aus, als 
das Lötzinn? Das Lötzinn liegt doch um das Beinchen und dehnt sich auch 
zum Beinchen hin aus, oder nicht?

Ich muss mal ganz dumm die Experten fragen: Wann tritt denn der Fehler 
einer sich lösenden Lötstelle üblicherweise auf. Bei Kälte oder bei 
Wärme?

von Sebastian S. (amateur)


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Wenn es nicht gerade um extrem hohe oder niedrige Temperaturen geht, 
sollte es egal sein, ob der Fehler beim Erwärmen oder beim Abkühlen 
entsteht.
Ursache sind ja die auftretenden Scherkräfte, die ihrerseits durch 
unterschiedliche Ausdehnungskoeffizienten entstehen.
Anders ausgedrückt: Wenn der Zustand des Lotes bei niedriger Temperatur 
(ev. spröder) oder bei hoher Temperatur (ev. geschmeidiger) eine Rolle 
spielt, so ist bereits an anderer Stelle was schiefgelaufen.

von Georg (Gast)


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Horst S. schrieb:
> Das Lötzinn liegt doch um das Beinchen und dehnt sich auch
> zum Beinchen hin aus, oder nicht?

Es geht ja nicht darum, ob sich etwas ausdehnt, sondern dass der 
Ausdehungskoeffizient verschieden ist, z.B. dehnt sich FR4 stärker aus 
als die meisten Metalle.

Horst S. schrieb:
> Wie jetzt? Das Widerstandsbeinchen dehnt sich bei THT weniger aus, als
> das Lötzinn?

Für die ersten elektronischen Einspritzungen gab es 2seitige 
Leiterplatten ohne Durchkontaktierung, da waren für jeden Lagenwechsel 
versetzte Pads und U-förmige Drähte drin, um Spennungen zwischen oben 
und unten auszugleichen. Seit es metallische Durchkontaktierungen gibt, 
ist das völlig obsolet, wie Zillionen von DK-Pads beweisen. Die 
Verbindung von DK-Hülse, Lötzinn und Bauteilanschluss im Bohrloch ist 
viel zu stabil um jemals zu reissen. Wenn du das nicht glaubst, musst du 
eine völlig neuartige LP-Technik entwickeln. Zuverlässige 
Durchkontaktierungen gehören zur Basis unserer heutigen Technik.

Georg

von Horst S. (Gast)


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Hmm, wenn ich Wikipedia glauben darf, schaffe ich durchs Löten eine 
Oberflächenlegierung. Eine kalte Lötstelle, wie in meinem Fall, ist wohl 
eher ein Breadboard, in dem ein Metall das andere einklemmt, bis es 
durch Erschütterung oder Tenperaturwechsel diese Klemmung löst.

Bleibt mir also doch bei der Handlöterei nur, die Schaltung mal 
ordentlich auf den Tisch zu donnern und dann dem Temperaturwechsel 
auszusetzen? Oder ich habe den Ärger später.

Naja, ich könnte mir auch mehr Mühe beim Löten geben :-)

von Ohne Pix (Gast)


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Looft hier nix...

von Possetitjel (Gast)


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Horst S. schrieb:

> Bleibt mir also doch bei der Handlöterei nur, die
> Schaltung mal ordentlich auf den Tisch zu donnern

Das wuerde ich nicht tun. Oder ziehst Du Schrauben
auch immer mit dem Vorschlaghammer an?

> und dann dem Temperaturwechsel auszusetzen?

Naja, Voralterung zum Aussortieren der Fruehausfaelle
ist ja durchaus ueblich. Ruetteltisch und Temperatur-
wechselbeanspruchung sind sicher nicht verkehrt.

Aber ich wuerde mich bissl informieren und Augenmasz
walten lassen.
Wenn Du 100.0% Fruehausfaelle hast, machst Du was falsch.

von Joachim B. (jar)


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Possetitjel schrieb:
> Ruetteltisch und Temperatur-
> wechselbeanspruchung sind sicher nicht verkehrt.

Rütteltisch machte der Transport aus der Fertigung ins Prüffeld das 
Rack, bzw. die Rollboxen :)

RunIn und BurnIn die 72h Klimakammer.

von Manfred (Gast)


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Horst S. schrieb:
> Wann tritt denn der Fehler
> einer sich lösenden Lötstelle üblicherweise auf.
Wenn sie von vornherein schlecht ist.

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


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Horst S. schrieb:
> Hmm, wenn ich Wikipedia glauben darf, schaffe ich durchs Löten eine
> Oberflächenlegierung.
Ja, das muss du eben auch schaffen. Wenn du ein oxidiertes Beinchen hast 
und das nur mit Lötzinn (und Flußmittel) ins Loch "klebst", dann ist da 
halt noch nichts legiert und die Verbindung so gut, wie wenn du zwei 
Drähte locker miteinander verdrillst. Kann gut gehen, muss aber nicht...

von Horst S. (Gast)


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Possetitjel schrieb:
> Das wuerde ich nicht tun. Oder ziehst Du Schrauben
> auch immer mit dem Vorschlaghammer an?

200m! Muss das Bouut abkönnen.

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