Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Schaltung zum Freibrennen von Relaiskontaktoxidationen


von Felix007 (Gast)


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Hallo zusammen,

für eine Industrieanlage baue ich eine kleine Schaltung mit mehreren 
Eingängen. Die Signale an meinen Eingängen werden bei einer ggfs. alten 
Anlage durch Relais geschaltet. Nun wurde ich folgende Problematik 
hingewiesen.

Relaiskontakte oxidieren. Daher sollte man, wenn ein Relais schaltet, 
kurzzeitig einen hohen Strom über die Steuerleitung ziehen, um das Oxid, 
welchs sich natürlich auf den Kontakten bildet, "zu verbennen".


1.
Mich würde interessieren, ob die Problematik hier jemandem bekannt ist. 
Im Netz habe ich nichts darüber gefunden. Im Gegenteil, dort wird 
gewarnt, dass zu hohe Einschaltströme die Kontakte "verkleben" können.


2.
Wenn das ganze kein Humbug ist, würde ich eine Kapazität zwischen 
Steuerleitung und Masse schalten. Wird nun der Relaiskontakt geschlossen 
und das Oxid somit kurz durchbrochen, leitet der Kontakt und führt einen 
Ladestrom zum Kondensator. Dadurch soll das Oxid soweit "verbrannt" 
werden, dass eine sicher leitende Verbindung entsteht. Hier stellt sich 
die Frage, wie groß die Kapazität bemessen werden muss!?!?!? Welche 
Stromstärke über welche Zeit wird da gebraucht?

Ich freue mich über jeden Beitrag zu dem Thema.

Vielen Dank und beste Grüße,
Felix

von Peter D. (peda)


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Typisch nimmt man für Eingänge 24V und 1..5mA.

von Felix007 (Gast)


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Peter D. schrieb:
> Typisch nimmt man für Eingänge 24V und 1..5mA.

...um die Oxidproblematik an Realiskontakten zu verhindern?

Bei einem RC Glied wären das 24V/5mA = 4.8 kOhm. Dann hätte ich beim 
Schalten des Signals einen Strom von 5 mA. Jetzt muss ich nur noch einen 
Wert für die Zeit haben, um die Kapazität entsprechend zu wählen. Bei 
100 nF käme ich auf eine Zeitkonstante von Tau = 0.5 ms. Ist das ok?

Danke für deinen Beitrag :)

von Blackbird (Gast)


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Oxid wird nicht "verbrannt". Das ist -Abbrand-.
Das muss weg. In den alten Relaisanlagen u.a. der Telefonie, wurden 
Mechaniker losgeschickt, die die Kontakte geputzt haben.

Hohe Ströme schaden den Kontakten nicht so sehr, wie hohe Spannungen.
Es soll ja kurz vor dem Schließen der Kontakte kein Funken auftreten.

Auch ist der Übergangswiderstand beim Berühren noch hoch, bevor die 
Kontakte richtig aneinandergedrückt werden.

Blackbird

von Felix007 (Gast)


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Genau, es sind 24 V auf der Signalleitung. Hatte ich vergessen zu 
erwähnen ;)

von groph (Gast)


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Peter D. schrieb:
> Typisch nimmt man für Eingänge 24V und 1..5mA.

Fast richtig.

Typisch wäre zum Beispiel: 
https://support.industry.siemens.com/cs/pd/390860?pdti=td&pnid=13762&lc=de-WW

(Ein Ruhestrom bis 1,5mA wird hier als Null angesehen.)

von Blackbird (Gast)


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Kondensator an der Steuerleitung fordert im kritischen Schaltmoment 
(beim Schließen, s.o.) einen hohen Strom, der zum Verkleben der Kontakte 
führen kann.

Also ganz schlechte Idee.


Blackbird

von Leroy M. (mayl)


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Ich denke er meint eher das Durchschlagen der Oxidationsschicht im Sinne 
der https://de.wikipedia.org/wiki/Frittspannung.

Das ist bei 24V allerding kein Problem.

von U. M. (oeletronika)


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Hallo,
vorab, die Entwicklung und Anwendung von Kontakten in Schaltern und 
Relais ist eine Wissenschaft und man kann die Zuammenhänge nicht mal 
eben in ein paar Zeilen erklären. Aber so wie du dir das vorstellst, ist 
es sicher nicht.

> Felix007 schrieb:
> Relaiskontakte oxidieren. Daher sollte man, wenn ein Relais schaltet,
> kurzzeitig einen hohen Strom über die Steuerleitung ziehen, um das Oxid,
> welchs sich natürlich auf den Kontakten bildet, "zu verbennen".
> 1.
> Mich würde interessieren, ob die Problematik hier jemandem bekannt ist.
Ja.
> Im Netz habe ich nichts darüber gefunden. Im Gegenteil, dort wird
> gewarnt, dass zu hohe Einschaltströme die Kontakte "verkleben" können.
Ja, beides ist richtig.
Die Spezifikation von Strömen in klein und groß ist aber Quark. Es geht 
immerhin um etwa 12...18 Größenordnungen (fA...pA...nA .... A...kA).

Jede Kontaktart ist abhängig von Material- und Konstruktion nur für 
einen deutlich kleineren Einsatzbereich geeignet.
Dazu kommt, dass der Einsatz bei hohen Kontaktbelastungen (hohe Ströme, 
hohe Schaltzahl, aggressive Umgebung) den Einsatz für geringe Ströme und 
Spannungen stark eingrenzt.

Umgekehrt ist es genauso. Kontakte, welche für sehr kleine Ströme und 
Spannungen ausgelegt sind, taugen in der Regel nicht für hohe 
Ströme/Spannungen. Ausnahme sind evtl. spezielle Kontakte, die mit 
Quecksilber als Kontaktmat. arbeiten.

Was du nun für Kontakte in deiner alten anlage hast, wissen wir nicht.

Damit ein nomaler, nicht hermetisch eingeschlossener Relaiskontakt (also 
kein Reedrelais) sicher schaltet, muß die dünne Isolationsschicht, 
welche sich durch Oxidation und Verschmutzungen gebildet hat, 
durchschlagen werden.  Das passiert auf 2 Arten.
-> mechanisch, durch das Zusammenschlagen der Kontaktflächen
-> elektrisch, durch Überschlag der Spannung durch die Isolierschicht
Problem ist, dass die 2 Art nicht funktioniert, wenn Spannung und Strom 
gegen 0 gehen. Da braucht es spezielle Kontaktmat. und Konstruktionen 
(z.B. Reedrelais mit Ruthenium beschichteten Kontakten).

> 2. Wenn das ganze kein Humbug ist, würde ich eine Kapazität zwischen
> Steuerleitung und Masse schalten. Wird nun der Relaiskontakt geschlossen
> und das Oxid somit kurz durchbrochen, leitet der Kontakt und führt einen
> Ladestrom zum Kondensator. Dadurch soll das Oxid soweit "verbrannt"
> werden, dass eine sicher leitende Verbindung entsteht.
Das ist Nonsense. Mit dem Entladestrom von Kond. kannst du auch rel. 
robuste Relaiskontakte kaputt machen. Selbst ein paar nF können 
Entladeströme von zig A zur Folge haben.
Damit beschädigst du die Kontaktflächen eher und die Relais schalten 
dann eher noch viel unzuverlässiger.

Richtig ist, dass einfache Kontakte von irgend welchen alten 
Standardrelais  sehr wahrscheinlich damit Probleme haben, sehr kleine 
Ströme und Spannungen zuverlässig zu schalten.

> Hier stellt sich
> die Frage, wie groß die Kapazität bemessen werden muss!?!?!? Welche
> Stromstärke über welche Zeit wird da gebraucht?
Lass die Kond. weg, aber sorge dafür, dass der Laststrom nicht zu klein 
ist. Also nicht im Bereich von nA...uA, sondern besser ein paar mA 
schalten und dazu darf die Schaltspannung nicht zu klein sein. Bei einer 
5V-Logik ist es aber nicht problematisch.

Prüfe die Spec. zu den Ralais, welche Ströme damit geschaltet werden 
können bzw. prüfe, welche Kontaktmat. in den Relais verbaut sind.
Prüfe auch, welchen Zustand die alten Relais haben. Wenn die schon am 
Ende ihrer Lebenszeit angekommen sind oder schon mal mit hohen 
Schaltbelastungen beaufschlagt wurden (abgenutzte oder verbrannte 
Kontaktflächen), dann sind die grundsätzlich nicht mehr für kleine 
Signalströme geeignet.
Gruß Öletronika





> Ich freue mich über jeden Beitrag zu dem Thema.

: Bearbeitet durch User
von Felix007 (Gast)


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Vielen Dank für eure Beiträge, besonders an Oeletronika! :)

Meine Schaltung (hohe Stückzahl) soll an unterschiedlichen Anlagen zum 
Einsatz kommen und die Relais variieren daher in Typ und Alter.

Sowie ich das nun verstanden habe, macht es Sinn einen Widerstand von 
4.8 kohm von der Signalleitung gegen Masse zu schalten. Dann habe ich 
ca. 5 mA Strom, der die Relaiskontakte ggfs. gesund hält...

Vielen Dank.

Über weitere Beiträge freue ich mich natürlich sehr.

von Stefan F. (Gast)


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Das Schlüsselwort zum Nachforschen ist "Wetting Current".

von Dieter J. (fossi)


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In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "Der Funkamateur" 
(Auagabe09/2017) ist ein Artikel zu diesem Thema zu finden.

Gruß
fossi

von Alex W. (Gast)


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Dieter J. schrieb:
> In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "Der Funkamateur"
> (Auagabe09/2017) ist ein Artikel zu diesem Thema zu finden.

Das bringt ihm nur etwas wenn er Abonnent ist! Kannst du den Text 
zusammenfassend mit deinen Worten hier niederschreiben?

von Dieter J. (fossi)


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Das ist nicht ganz richtig.
Er kann sich die Zeitschtift am Kiosk anschauen/ besorgen.
Er kann ein Einzelheft beim Verlag bestellen und wenn ich mich nicht 
ganz irre kann man vom Verlag auch diesen Artikel als Auszug in Pdf 
bestellen.

Es ist halt etwas Kreativität gefragt.

Gruß
fossi

Alex W. schrieb:
> Dieter J. schrieb:
>> In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "Der Funkamateur"
>> (Auagabe09/2017) ist ein Artikel zu diesem Thema zu finden.
>
> Das bringt ihm nur etwas wenn er Abonnent ist! Kannst du den Text
> zusammenfassend mit deinen Worten hier niederschreiben?

von MaWin (Gast)


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Felix007 schrieb:
> 1.
> Mich würde interessieren, ob die Problematik hier jemandem bekannt ist.

Natürlich, sogar dem Relaishersteller, daher gibt es für den Kontakt 
nicht nur Maximalstrom und Maximalspannung, sondern auch Mindeststrom 
und Mindestspannung an.

Kannst du den nicht einhalten, lohnt sich ein Snubber, also RC 
Kombination über dem Kontakt: Der C wird bei offenem Kontakt aufgeladen 
und führt dann bei schliessendem Kontakt zum Mindest(entlade)strom.

Die Zeit(konstante) ist eher egal, die Energie machts.
Schwierig wird es, wenn du nichtmal die Mindestspannung hast.

von M. K. (sylaina)


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Felix007 schrieb:
> Mich würde interessieren, ob die Problematik hier jemandem bekannt ist.

Kenn ich. Bei uns im Betrieb werden aber Relais ausgetauscht wenn sie 
nicht mehr vernünftig schalten. "Freigebrannt" haben wir noch nie was.

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