Forum: Mikrocontroller und Digitale Elektronik LVDS GND-Bezug / Alternativen


von Ralf (Gast)


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Hallo an alle Signal-Experten,
ich stehe vor dem Problem einer Grundsatzentscheidung:
- Taktsignale (100kHz, digitales Ein/Aus) sollen über eine recht große 
Stecke (>50cm) vom uC zu einem Treiber geschickt werden. Der Treiber 
steuert mir dann Leistungshalbleiter (LHL) an.
- Es ist mit sehr starken EMV-Einkopplungen zu rechnen (steile Flanken 
hoher Leistung etc.)
- Es sind 2x8 Taktsignale => 8 parallele Halbleiter-Brückenzweige, die 
nicht(!) gleichzeitig takten.

Um jetzt EMV-bedingtes Fehleinschalten der LHL durch Überkopplung etc zu 
vermeiden, möchte ich die Signale differenziell per RJ45 (geschirmt) 
möglichst sauber übertragen.
Dafür gibt es eine Menge Differential Amplifier ICs- nur leider nicht 
als IC mit z.B. 16 Eingängen um Platz auf der uC-Platine zu sparen. Es 
sei denn, ich steige auf den LVDS-Standard um (zB SN65LVDS387DGG).

1.) Frage: Liege ich mit dieser Aussage richtig/falsch? Welche 
Alternativen würden euch dazu einfallen, sodass ich einen/mehrere 
kompakte ICs mit mehreren Eingängen (>=4) verwenden kann?

Wieso die Suche nach Alternativen: Ich habe gelesen, dass LVDS immer 
eine GND-Rückleitung benötigt. Driver und Receiver müssen also auf dem 
gleichen GND-Potential liegen.

2.) Fragen: Stimmt das?

Dieses möchte ich umgehen und die unterschiedlichen GNDs (uC, 
Leistungsboard) entkoppeln, bzw halbwegs hochohmig (50-100Ohm) 
verbinden, sodass die GND-Potentiale ähnlich zueinander, aber nicht 
gleich sind. Ich hoffe so EMV-Ausbreitung über GND zu reduzieren. 
Receiver und Driver währen so auf unterschiedlichen Potentialen aber der 
Receiver würde ja auch "nur" die Differenz der Eingänge auswerten 
müssen. Solange die Common Mode Spannung nicht aus dem Ruder läuft, 
sollt das passen.

3.) Frage: Kann ich bei der alternativen Verwendung von OPVs (analogen 
differential Amplifier) die Massen von Sender und Empfänger trennen?

Ich bin auf eure Meinung gespannt,
Ralf

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


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Ralf schrieb:
> Welche Alternativen würden euch dazu einfallen
Nimm einzelne Treiber.

> sodass ich
> einen/mehrere kompakte ICs mit mehreren Eingängen (>=4) verwenden kann?
Ich dachte, dein Ziel war nicht, möglichst 1 Treiber zu verwenden, 
sondern möglichst kompakt zu bleiben...

> 3.) Frage: Kann ich bei der alternativen Verwendung von OPVs (analogen
> differential Amplifier) die Massen von Sender und Empfänger trennen?
Das kannst du sowieso nie(!) denn alle Datenblattangaben beziehen sich 
auf diese Masse. Und wenn du die Masse nicht verbindest, dann wird sie 
eben über das E-Werk und/oder parasitäre Verkopplungen hergestellt. 
Diese Stör(spannungs)quellen musst du dann auf das Differenzsignal 
draufaddieren und abschätzen, ob du noch im erlaubten 
Eingangsspanungsbereich des Empfängers bist. Im Zweifelsfall ist das 
nämlich nicht der Fall...

> Dieses möchte ich umgehen und die unterschiedlichen GNDs (uC,
> Leistungsboard) entkoppeln, bzw halbwegs hochohmig (50-100Ohm)
> verbinden, sodass die GND-Potentiale ähnlich zueinander, aber nicht
> gleich sind.
Du lügst dir da was in die Tasche. Geh einfach mal von einem 
Ausgleichsstrom über diese hochohmige Masse aus.

> Ich hoffe so EMV-Ausbreitung über GND zu reduzieren.
EMV-Störungen werden mit Drosseln gefiltert.

: Bearbeitet durch Moderator
von Ralf (Gast)


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Hallo Lothar,

Lothar M. schrieb:
> Ralf schrieb:
>> Welche Alternativen würden euch dazu einfallen
> Nimm einzelne Treiber.
>
>> sodass ich
>> einen/mehrere kompakte ICs mit mehreren Eingängen (>=4) verwenden kann?
> Ich dachte, dein Ziel war nicht, möglichst 1 Treiber zu verwenden,
> sondern möglichst kompakt zu bleiben...

Ich glaub, da war ich etwas undeutlich: Ich habe einzelne Treiber für 
die Leistungshalbleiter. Als Treiber für die differentiellen Signale 
würde ich gerne einen IC mit entsprechend vielen Eingängen/Ausgängen 
nehmen. Der Platz auf der Platine ist begrenzt und bei 8x2 Signalen 
wären 16 einzelne ICs nur für die Taktsignale incl. Peripherie 
(Pufferkondensatoren etc.) schon recht viel.

Lothar M. schrieb:
> Du lügst dir da was in die Tasche. Geh einfach mal von einem
> Ausgleichsstrom über diese hochohmige Masse aus.

Mhm. Das würde ich so einfach nicht sagen wollen. Ich würde vermuten, 
dass sich potentielle Störströme eben dann innerhalb kleinerer Schleifen 
(idealerweise auf den einzlnen Boards) schließen werden und eben nicht 
den hochohmigen Pfad zwischen den Modulen wählen.

>> Ich hoffe so EMV-Ausbreitung über GND zu reduzieren.
> EMV-Störungen werden mit Drosseln gefiltert.

Ja. Drosseln sind sicherlich der erste Ansatz, aber eben nicht einzige 
und sicherlich nicht immer der beste. Nicht umsonst trennt man zwischen 
AnalogGND und DigitalGND sowie beachtet weitere Designregeln um die 
EMV-Ausbreitung bzw überhaupt deren Erzeugung zu minimieren. Das was 
dann noch übrig bleibt, können Drosseln erledigen.

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


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Ralf schrieb:
> Taktsignale
Das tut mir immer ein wenig in den Augen weh. Denn es sind keine 
"Taktsignale", sondern stinknormale "Ansteuersignale"...

> Nicht umsonst trennt man zwischen AnalogGND und DigitalGND
Das ist aber eine komplett andere Baustelle. Und die werden keineswegs 
irgendwie hochomig "getrennt", sondern sehr genau "definiert" 
niederohmig am ADC miteinander verbunden.

> dass sich potentielle Störströme eben dann innerhalb
> kleinerer Schleifen (idealerweise auf den einzlnen Boards) schließen
> werden und eben nicht den hochohmigen Pfad zwischen den Modulen wählen.
Das werden sie nicht tun. Sondern dein differenzielles Signal wird im 
Zweifelsfall den Gleichtaktbereich des Empfängers verlassen.
Oder andersrum: wenn da ein Störstrom ist, der über die Masse fließen 
will, dann tut er es auch. Und wenn der Widerstand dieses Pfades 
hochohmig ist, dann wird dort viel Spannung abfallen...

> Ich würde vermuten
Das ist ein schlechter Ansatz. Aber du darfst es gern mal ausprobieren. 
Sag hinterher aber nicht, dir hätte es keiner gesagt... ;-)

: Bearbeitet durch Moderator
von Pandur S. (jetztnicht)


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Ich wuerd kein LVDS verwenden, denn die Technologie passt nicht 
wirklich. LVDS laeuft an 3.3.V oder weniger. Und ist beliebig viel 
schneller. Der Commonmode bereich ist fuer normale Boards gut, aber fuer 
high power vielleicht nicht. Falls es Kabel sein muessen, und 
differentiell, vielleicht RS485. Da gibt es sehr schnelle Treiber, im 
Sinne von SN65HVD23D, die machen 25MBit.
Dann gibt es auch Potentialtrenner vie ADuM1400, die machen bis 100MBit.

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


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Sapperlot W. schrieb:
> LVDS ... RS485
Dazu auch das hier:
http://www.onsemi.com/pub/Collateral/AN-5023.pdf.pdf

Die Überlegungen zur Masseführung bleiben aber abgesehen vom 
Übertragungspegel grundlegend die selben...

von Ralf (Gast)


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Sapperlot W.,
danke für den Hinweis. Der geringe Pegel der LVDS ist mir auch ein 
kleiner Dorn im Auge, aber anderseits sage ich mir auch, dass LVDS für 
digitale Signalübertragung ja optimiert ist.

Lothar M. schrieb:
> Die Überlegungen zur Masseführung bleiben aber abgesehen vom
> Übertragungspegel grundlegend die selben...

Da hake ich nochmal nach: Wenn ich einen Instrumentenverstärker habe, 
dann wertet der ja auch ein Differenzsignal aus und bezieht dies auf 
seine eigene Masse. Mehr als OPVs sind das auch nicht. Ist dies nicht 
vergleichbar mit meinen differenziellen Signalen? Die Auswertung findet 
bei mir nicht direkt über ein Instrumentenverstärker statt, sondern über 
einen "einfachen" OPV als Subtrahierer mit gleichzeitiger Verstärkung. 
An welcher Stelle würde dieser Vergleich hinken?

Lothar M. schrieb:
>> Ich würde vermuten
> Das ist ein schlechter Ansatz. Aber du darfst es gern mal ausprobieren.
> Sag hinterher aber nicht, dir hätte es keiner gesagt... ;-)

.. vll ein schlechter Ansatz, aber zur Zeit kann ich da nicht viel mehr 
anbieten, solange ich keine eigenen Erfahrungen habe bzw ich mir durch 
diese Diskussion hier diese Vermutung nicht zerstreut wurde.

von Georg (Gast)


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Ralf schrieb:
> Wenn ich einen Instrumentenverstärker habe,
> dann wertet der ja auch ein Differenzsignal aus und bezieht dies auf
> seine eigene Masse

Und die darf sich nicht merklich von der Masse des Senders 
unterscheiden, sonst liegen die Pegel ausserhalb des 
Gleichtaktspannungsbereichs. Ohne GND-Verbindung ist das 
unprofessioneller Murks, auch wenn es oft funktioniert, weil die GNDs 
irgendwo undefiniert verbunden sind.

Ohne GND geht sowas nur mit Trafokopplung, wie bei Ethernet.

Georg

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


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Ralf schrieb:
> Mehr als OPVs sind das auch nicht. Ist dies nicht vergleichbar mit
> meinen differenziellen Signalen?
Doch. Die Problematik ist dort genau die selbe: du fängst dir bei einer 
"schlechten" Masse durch Spannungsabfälle auf dieser Masse 
Gleichtaktstörungen ein.

> An welcher Stelle würde dieser Vergleich hinken?
Nirgends. Du musst in beiden Fällen im Gleichtaktbereich des 
Verstärkereingangs bleiben.

: Bearbeitet durch Moderator
von Ralf (Gast)


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Alles klar. Danke für das Mitdiskutieren. Dann werde ich wohl mal mein 
Massekonzept überarbeiten.

Grüße
Ralf

von josh (Gast)


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Trenn das doch einfach galvanisch und Du kannst potentiell ne Menge 
Ärger sparen. Besonders wenn die Stückzahl niedrig ist oder aus anderen 
Gründen das Ding nicht kostenkritisch ist. Wenn der Leistungsteil so 
übel rumseucht würde ich aber trotzdem den Koppler noch mit Ferriten an 
den Signalen und Versorgung etwas abkoppeln, denn auch der und Dein 
Board haben noch ne Kapazität. Unter den ganzen GMR-Teilen findest Du 
bestimmt was passendes für den Zweck, die Auswahl ist mittlerweile 
riesig.

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