Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Verständnisfrage zum Erklärungsmodell des (selbstsperrenden) NMOS-FET


von Belangslos (Gast)


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Hallo liebe Forenmitglieder!

Ich habe, wie der Titel schon sagt, ein kleines Verständnisproblem mit 
dem Erklärungsmodell des (selbstsperrenden) NMOS-Feldeffekt-Transistors. 
Die gesamte Funktion ist mir im Groben soweit bekannt.

Das Erklärungsmodell sagt nun, dass eine positive Gate-Source-Spannung 
(Source und Bulk sind galvanisch miteinander verbunden und bilden das 
Bezugspotential bzw. die Masse) die Defektelektronen (Löcher) von der 
Oberfläche des p-dotierten Substrates elektrisch abstößt und 
dementsprechend die Elektronen anzieht.
Wenn nun viele Löcher abgewandert sind, liegen an der 
Halbleiteroberfläche, das ist unter dem Oxid, negativ inonisierte 
Akzeptoren. Die Halbleiter-Oberfläche unter dem Isolator (Oxid) ist nun 
negativ geladen. Inversion und damit Kanalbildung entsteht nun, wenn die 
Gate-Source-Spannung weiter erhöht wird. Das Erklärungsmodell sagt, dass 
nun freie Elektronen an die Halbleiter-Oberfläche gezogen werden und den 
leitfähigen Kanal bilden.

Meine Frage nun:
Der leitfähige Kanal aus freien Elektronen liegt nun ebenfalls an der 
Halbleiter-Oberfläche. Aber wieso werden die Elektronen nicht von den 
ebenfalls negativ ionisierten Akzeptorrümpfen abgestoßen? Man hat also 
feste negative Ladung (ionisierte Akzeptorrümpfe), die nicht zum 
Stromfluss beitragen können und freie negative Ladungen. Das müsste sich 
doch abstoßen und folglich eine schlechte Kanalbildung verursachen?


Gruß und Dank

von Georg M. (g_m)


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Belangslos schrieb:
> Der leitfähige Kanal aus freien Elektronen liegt nun ebenfalls an der
> Halbleiter-Oberfläche. Aber wieso werden die Elektronen nicht von den
> ebenfalls negativ ionisierten Akzeptorrümpfen abgestoßen?

Abgestoßen, ja, aber wohin? In welche Richtung rücken die abgestoßenen 
Elektronen?
Zum positiv geladenen Gate.

von Belanglos (Gast)


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Georg M. schrieb:
> Abgestoßen, ja, aber wohin? In welche Richtung rücken die abgestoßenen
> Elektronen?
> Zum positiv geladenen Gate.

Ich verstehe diese Erklärungsmodelle überhaupt nicht. Die negativ 
ionisierten Akzeptorrümpfe bilden doch eine abstoßende Barriere für frei 
Elektronen, weil die Elektronen ebenfalls negativ geladen sind.

Gruß

von Belanglos (Gast)


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Kommen die freien Elektronen beim selbstsperrenden n-Kanal MOS FET aus 
der Drain- und Source-Region, wenn das Gate die entsprechende Spannung 
besitzt?


Gruß

von Georg M. (g_m)


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Belanglos schrieb:
> Die negativ ionisierten Akzeptorrümpfe bilden doch eine abstoßende
> Barriere für frei Elektronen, weil die Elektronen ebenfalls negativ
> geladen sind.

Elektronen stoßen sich gegenseitig ab, trotzdem funktioniert irgendwie 
der elektrische Kondensator, oder?



Belanglos schrieb:
> Kommen die freien Elektronen beim selbstsperrenden n-Kanal MOS FET aus
> der Drain- und Source-Region, wenn das Gate die entsprechende Spannung
> besitzt?

Durch das elektrische Feld wandern im Substrat Minoritätsträger (bei 
p-Silizium Elektronen) an die Grenzschicht...

https://de.wikipedia.org/wiki/Metall-Oxid-Halbleiter-Feldeffekttransistor

von Axel S. (a-za-z0-9)


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Belanglos schrieb:
>
> Ich verstehe diese Erklärungsmodelle überhaupt nicht. Die negativ
> ionisierten Akzeptorrümpfe bilden doch eine abstoßende Barriere für frei
> Elektronen, weil die Elektronen ebenfalls negativ geladen sind.

Das ist Unsinn. Genauso wie ... "Defektelektronen (Löcher) von der
Oberfläche des p-dotierten Substrates elektrisch abstößt". Die 
Defektelektronen sind ein rein arithmetischer Artefakt. Einfach nur ein 
anderes Wort für "Elektronenmangel".

Das steuernde Feld zwischen Gate und Substrat reichert einfach 
Elektronen an der Gate-seitigen Oberfläche des Substrats an. Dadurch 
"kippt" des von p-leitend zu n-leitend und die ursprünglich ausgebildete 
Barriere am Drain-Substrat PN-Übergang baut sich ab. Fertig.

Nochwas: die Akzeptorrüpfe stoßen gar nichts ab. In dem Moment, wo sie 
Akzeptoren sind, sind sie bereits außerhalb des elektrostatischen 
Gleichgewichts. Sie haben ihr überzähliges Elektron freiwillig (wegen 
der vorhandenen thermischen Anregung) ins Leitungsband abgegeben. Auch 
wenn sie Platz für ein Elektron im Valenzband haben - was läßt dich 
glauben, sie würden dieses Elektron nicht genauso ziehen lassen wie ihr 
eigenes? Das ist ja gerade der Punkt bei dotierten Halbleitern: bei 
Raumtemperatur reicht die Anregung der Elektronen durch die thermische 
Energie, um den Kristall lokal aus dem elektrostatischen Gleichgewicht 
zu bringen. Vulgo: zur Ausbildung n- bzw. p-leitender Gebiete.

von Belanglos (Gast)


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Axel S. schrieb:
> Nochwas: die Akzeptorrüpfe stoßen gar nichts ab. In dem Moment, wo sie
> Akzeptoren sind, sind sie bereits außerhalb des elektrostatischen
> Gleichgewichts. Sie haben ihr überzähliges Elektron freiwillig (wegen
> der vorhandenen thermischen Anregung) ins Leitungsband abgegeben. Auch
> wenn sie Platz für ein Elektron im Valenzband haben - was läßt dich
> glauben, sie würden dieses Elektron nicht genauso ziehen lassen wie ihr
> eigenes? Das ist ja gerade der Punkt bei dotierten Halbleitern: bei
> Raumtemperatur reicht die Anregung der Elektronen durch die thermische
> Energie, um den Kristall lokal aus dem elektrostatischen Gleichgewicht
> zu bringen. Vulgo: zur Ausbildung n- bzw. p-leitender Gebiete.

Moin Axel,

So habe ich das nicht gemeint. Die Akzeptoren zeichnen sich in erster 
Linie dadurch aus, dass sie in der Lage sind, ein Elektron aufzunehmen 
und zwar in ihr Valenzband. Die Akzeptoren stoßen erst einmal nichts ab.

Wenn nun aber eine Gate-Spannung zwischen Bulk, Source und Gate anliegt, 
nehmen die Akzeptoren die angezogenen Elektronen auf und werden dadurch 
negativ geladen. Um die Oberfläche des Halbleiters, das ist unter dem 
Oxid, bildet sich doch jetzt eine Sperrzone aus.

Wieso können Elektronen in den Kanal gezogen werden, wenn im 
Kanalbereich (da, wo der Kanal später gebildet wird) negative 
(ortdfeste) Ladungen vorhanden sind. Die Elektronen werden doch von 
diesen abgestoßen.


Gruß

von Bodo (Gast)


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Hallo Belanglos,

ich lasse mal Source und Drain weg, um es etwas einfacher zu machen. Die 
beiden Kontakte spielen für deine Betrachtung erstmal keine große Rolle. 
Wichtig ist hier die reine MOS-Struktur also Gate-Isolator-Haltleiter.

Du erklärst es doch selbst schon fast richtig. Zunächst, bei kleiner 
positiver Gate-Bulk Spannung versucht der Halbleiter die scheinbar 
positive Ladung im Gate mit einer Verarmung an Löchern, d.h. einer 
negativen Raumladung der Akzeptoren, zu kompensieren (Verarmung). Doch 
bei zunehmend positiver Gate-Bulk Spannung reichen diese negativen 
Ladungen nicht mehr aus und es werden zusätzlich Elektronen am Gate 
angereichert. (Inversion)

Natürlich haben negativen Ladungen grundsätzlich das Bestreben sich 
abzustoßen und das tun sie ja auch, wenn du die Spannung wegnimmst, denn 
dann verschwindet der Kanal wieder. Aber bei angelegter Gate-Bulk 
Spannung dominiert diese nunmal über die Abstoßung.

Stell dir vor du sitzt im Halbleiter und schaust Richtung Gate. Du 
siehst eine positive Ladung vom Gate minus der bereits gebildeten 
negativen Ladungen direkt vor dir. Je tiefer du im Halbleiter bist, 
desto größer wird die negative Kompensationsladung vor dir und die 
Anziehungskraft sinkt.
Für ein Elektron erscheint das genauso. Es wandern solange Elektronen 
Richtung Gate, bis an jedem Ort im Halbleiter ein Gleichgewicht zwischen 
positiver und negativer (scheinbarer) Ladung vorherrscht.
Gibt es noch freie Akzeptoren, hüpft das Elektron rein, gibt es keine, 
dann bleibt es eben frei.
In diesem Gleichgewicht ist die Nettoladung dann null (neutral) und die 
Elektronen "sehen" keine negative Ladung um sich herum und werden 
demzufolge auch nicht abgestoßen.

Ich hoffe das hilft irgendwie weiter.

von Belanglos (Gast)


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Hallo Bodo,

vielen Dank für Deine Erklärung.

Bodo schrieb:
> Du erklärst es doch selbst schon fast richtig. Zunächst, bei kleiner
> positiver Gate-Bulk Spannung versucht der Halbleiter die scheinbar
> positive Ladung im Gate mit einer Verarmung an Löchern, d.h. einer
> negativen Raumladung der Akzeptoren, zu kompensieren (Verarmung). Doch
> bei zunehmend positiver Gate-Bulk Spannung reichen diese negativen
> Ladungen nicht mehr aus und es werden zusätzlich Elektronen am Gate
> angereichert. (Inversion)

Das heißt also auch, dass es ein quantitativer Grund ist. Man kann also 
nicht immer sagen, dass zwei gleiche Ladungen sich abstoßen und fertig, 
sondern die Gate-Spannung kann so stark sein, dass sie die Abstoßung 
zwischen ionisiertem Akzeptor und freinem Elektron überwindet?

Ach ja, Du sagst es ja hiermit:

Bodo schrieb:
> Aber bei angelegter Gate-Bulk
> Spannung dominiert diese nunmal über die Abstoßung.
Ok, klar soweit.

Wir haben also keine Drain- und Source-Kontakte. Woher kommen die freien 
Elektronen für die Inversionsbildung an der Halbleiteroberfläche? Sie 
sind im p-Halbleiter ja bekanntlich Minoritätsladungsträger.

Bodo schrieb:
> Stell dir vor du sitzt im Halbleiter und schaust Richtung Gate. Du
> siehst eine positive Ladung vom Gate minus der bereits gebildeten
> negativen Ladungen direkt vor dir. Je tiefer du im Halbleiter bist,
> desto größer wird die negative Kompensationsladung vor dir und die
> Anziehungskraft sinkt.

Das verstehe ich nicht. Je tiefer man im Halbleiter geht, also in 
Richtung Bulk, desto kleiner wird doch die Kompensationsladung. In 
Richtung Bulk wird es doch immer mehr elektrisch neutraler.

Gruß

von Achim S. (Gast)


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Belanglos schrieb:
> Wir haben also keine Drain- und Source-Kontakte. Woher kommen die freien
> Elektronen für die Inversionsbildung an der Halbleiteroberfläche? Sie
> sind im p-Halbleiter ja bekanntlich Minoritätsladungsträger.

Die Gatespannung sorgt erst mal nur dafür, dass im Kanal energetisch 
erlaubte Zustände für die Elektronen entstehen. Ob und wie schnell diese 
Zustände besetzt werden, ist eine andere Sache.

Im FET werden die tatsächlich (schnell) durch Elektronen besetzt, die 
vom Sourcegebiet her einströmen.

Wenn es kein Source/Drain-Gebiet geben sollte (also wenn du nur ein Gate 
auf gleichmäßig p-dotiertem Halbleiter hast), dann dauert es tatsächlich 
lange, bis die erlaubten Zustände im Kanal durch "zufällig 
herumvagabundierende" Minoritätsträger besetzt werden.

von Bodo (Gast)


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Belanglos schrieb:
> Das verstehe ich nicht. Je tiefer man im Halbleiter geht, also in
> Richtung Bulk, desto kleiner wird doch die Kompensationsladung. In
> Richtung Bulk wird es doch immer mehr elektrisch neutraler

Ja, das stimmt. Ich meinte damit nur die negative Ladung und die 
integriert sich in die Tiefe auf. In Summe wird der Einfluss der 
Gate-Bulk Spannung natürlich kleiner (d.h. die Nettoladung wird 
kleiner).

Achim S. schrieb:
> Wenn es kein Source/Drain-Gebiet geben sollte (also wenn du nur ein Gate
> auf gleichmäßig p-dotiertem Halbleiter hast), dann dauert es tatsächlich
> lange, bis die erlaubten Zustände im Kanal durch "zufällig
> herumvagabundierende" Minoritätsträger besetzt werden.

Zur Ergänzung dazu: Diese Ladungsträger werden dann hauptsächlich in/an 
der Raumladungszone thermisch generiert. Die Rate der 
Ladungsträgererzeugung bei Raumtemperatur ist recht niedrig (mit Hilfe 
von Licht, oder Temperaturerhöhung steigt diese aber)

Übrigens: Erhöht man die Spannung noch weiter, ohne dass die 
Ladungsträger für die Inversion zur Verfügung stehen, spricht man dann 
von tiefer Verarmung.

von Bodo (Gast)


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Axel S. schrieb:
> Genauso wie ... "Defektelektronen (Löcher) von der
> Oberfläche des p-dotierten Substrates elektrisch abstößt". Die
> Defektelektronen sind ein rein arithmetischer Artefakt. Einfach nur ein
> anderes Wort für "Elektronenmangel".

Da würde ich auch gern nochmal etwas ergänzen.
Ganz so gleich sind die Ausdrücke "Löcher" und "Elektronenmangel" dann 
ja vielleicht doch nicht. Elektronenmangel ist schon etwas umfassender. 
Während "Löcher" im Modell bewegliche positive Ladungsträger darstellen, 
sagt "Elektronenmagel" nichts über die Beweglichkeit der fehlenden 
Elektronen aus.

Axel S. schrieb:
> Das ist ja gerade der Punkt bei dotierten Halbleitern: bei
> Raumtemperatur reicht die Anregung der Elektronen durch die thermische
> Energie, um den Kristall lokal aus dem elektrostatischen Gleichgewicht
> zu bringen. Vulgo: zur Ausbildung n- bzw. p-leitender Gebiete.

... und auch hier: wenn man mit "lokal" den Größenbereich von Atomen 
meint, stimmt es (aber dann auch bei undotierten Halbleitern). Wenn man 
mit lokal aber n- und p-dotierte Gebiete meint. Dann stimmt es nicht, 
denn die sind ohne angelegte Spannung immer im elektrostatischen 
Gleichgewicht, so auch der Kristall.

von Belanglos (Gast)


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Vielen Dank, Bodo.
Ich verstehe es so langsam. Gut erklärt.

Oftmals habe ich auch Quantitätsprobleme mit den Anschauungsmodellen der 
Halbleitertechnik.
Beispielsweise diese thermische Generation in der depletion zone. Können 
nie alle Elektronen aus der Valenzbindung durch Generation herausgelöst 
werden?
Kann der Vorgang nie enden?

Bei der Diode ist dies beispielsweise der Sperrstrom. Kann sich auch 
dieser nie erschöpfen, wenn keine Elektronen-Lochpaare mehr zur 
Verfügung stehen?


Gruß

von Bodo (Gast)


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Belanglos schrieb:
> Quantitätsprobleme
?

Belanglos schrieb:
> Können nie alle Elektronen aus der Valenzbindung durch Generation
> heraus gelöst werden? Kann der Vorgang nie enden?

Man kann sich dazu mal Gedanken über die intrinsische 
Ladungsträgerkonzentration machen und was diese bedeuted. Dazu kannst du 
dir mal den Wikipedia Artikel über die intrinsische 
Ladungsträgerkonzentration durchlesen und überlegen, was passiert, wenn 
man dotiert.

Theoretisch gilt: bei T = 0 K ist das Valenzband voll mit Elektronen 
besetzt, bei T = unendlich ist das Leitungsband voll mit Elektronen 
besetzt. Praktisch wird das aber schwierig... also nein (für den hier 
diskutierten Bereich).

> Bei der Diode ist dies beispielsweise der Sperrstrom. Kann sich auch
> dieser nie erschöpfen, wenn keine Elektronen-Lochpaare mehr zur
> Verfügung stehen?

Da muss man wieder unterscheiden, Vorsicht nicht alles vermischen.
Der Sperrstrom kann aus mehreren Beiträgen aufgebaut sein.
(1) Einem Diffusionssperrstrom durch Minoritäten, die durch die 
Raumladungszone beschleunigt werden und auf der gegenüberliegenden Seite 
rekombinieren.
und (2) einem Generations-,Rekombinationsstrom der durch Vorgänge in der 
RLZ selbst hervorgerufen wird.

Erschöpfen kann man die Ladungsträger so gesehen nicht, da sie entweder 
über die Spannungsquelle zur Diode zurückfließen, oder sich die Ströme 
(von außen gesehen) gegenseitig aufheben (von Leckströmen mal 
abgesehen).
Denk mal über Solarzellen oder schnelle pn-Dioden nach, da werden die 
Eigenschaften von (2) jeweils gezielt eingestellt.

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