Forum: Offtopic DDR-Gebäude - Geruch nach Hartpapierplatinen


von Spürnase (Gast)


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Derletzt war ich ein paar Mal in den neuen Bundesländern unterwegs und 
mir ist aufgefallen, dass es in Gebäuden oft einen mir nicht sehr 
angenehmen Geruch hat. Und zwar erinnert dieser sehr stark an Pertinax, 
d.h. Hartpapierplatinen, insbesondere in ihrer dunkleren Erscheinung. Im 
Anhang ein Beipiel.

Wo kommt der Geruch her? Im Internet hab ich nichts gefunden. Als 
"Geruch der DDR" wird ein Reinigungsmittel genannt, allerdings sind 
Gerüche schwer zu beschreiben und ich kann mir nicht vorstellen dass es 
das ist, insbesondere nach fast 30 Jahren.

Der Geruch ist teilweise schon recht stark. Ich dachte an Wandfarben 
oder Klebstoffe, evtl. auf Teerbasis?

Schonmal Danke für Input!

: Verschoben durch Moderator
von hinz (Gast)


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Phenol

von Spürnase (Gast)


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> Phenol

Zu welchem Zweck? Wo steckt das drin?

von mal überlegen... (Gast)


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Was für Gebäude?

Es gibt z.B. Bohnerwachs mit ähnlicher Duftnote. Wurde viel bei 
Holzdielung verwendet.

von michael_ (Gast)


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Wo kriechst du rum?
Bist du Entrümpler?

von c. m. (Gast)


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Spürnase schrieb:
>> Phenol
>
> Zu welchem Zweck? Wo steckt das drin?

in bakelit, zusammen mit formaldehyd.

von Herbert B. (herbert_b)


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Das könnte "Thioplast" sein -ein Dichtstoff, der immer noch hergestellt 
wird. Insbesondere Plattenbauten und Industriehallen wurden damit an den 
Stößen gegen die Außenwelt abgedichtet. Das hat einen typischen Geruch.

https://www.aktiv-online.de/arbeitswelt/detailseite/news/der-dichtstoff-thioplast-von-akzonobel-macht-flieger-sicher-6767
Herbert

von Alter F. (kupferstecher)


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Ich bin der (ausgesperrte) TE...

michael_ schrieb:
> Wo kriechst du rum?
> Bist du Entrümpler?
Weder noch :-)

Zuerst aufgefallen ist es mir in einem Büro, dann im Hotel in dem ich 
genächtigt habe und schließlich in der Wohnung eines Kollegen. Im Hotel 
wars auf dem Zimmer und im ganzen Flur. Jeweils schon länger nicht 
renoviert.
Der Flur lässt drauf schließen, dass es nicht von irgendwelchem Hausrat 
stammt, auch ist mir keine größere Menge Bakelit aufgefallen.

von Peter D. (peda)


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Ja, die Gerüche der Farben, Lacke und sonstiger Materialien waren in Ost 
und West unterschiedlich, da andere Fabrikate.
Dem Ossi fällt also der Geruch eines Westhauses auf und umgekehrt.
Den Geruch, an den man seit der Kindheit gewöhnt ist, nimmt man dagegen 
nicht mehr wahr.
Ich hatte kürzlich mal das Reinigungsmittel Cillit-Bang gekauft. Der 
Geruch war dermaßen penetrant und unangenehm, daß ich die noch fast 
volle Flasche weggeschmissen habe.

von Christian R. (supachris)


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Das ist denke ich wirklich das Bohnerzeug für die Böden. Als 
Elektroniker fällt einem das sofort auf, ich kenne hier auch noch heute 
viele Ämter usw. wo das noch angewendet wird. War das nicht für diese 
PVC Fußböden?
Als "Ossi" kennt man den Geruch und fühlt sich höchstens nostalgisch, 
als "Wessi" kann man das sicher unangenehm finden.

von Abdul K. (ehydra) Benutzerseite


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Früher galt das als Zeichen von Sauberkeit, wenn es gebohnert war. 
Technisch kenn ich keinen Grund. Gabs auch im Westen. Vielleicht für 
Linoleum notwendig oder Weichmacher für's PVC?

von ●DesIntegrator ●. (Firma: FULL PALATINSK) (desinfector) Benutzerseite


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diesen phenolartigen Geruch hatte ich auch in einem Zementwerk bemerkt.
dann auch in mehreren stillgelegten Kasernen.

-alle im Westen.

von Alter F. (kupferstecher)


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Peter D. schrieb:
> Den Geruch, an den man seit der Kindheit gewöhnt ist, nimmt man dagegen
> nicht mehr wahr.
Das stimmt natürlich. Wobei der Geruch schon recht stark ist und 
zumindest wenn man darauf achtet denke ich wird man das schon riechen, 
ist ja auch nicht überall anzutreffen. Obs einen stört oder nicht ist ja 
nochmal was Anderes.

Christian R. schrieb:
>Als Elektroniker fällt einem das sofort auf,
Genau, der Geruch ist mir ja bekannt, aber eben im Zusammenhang mit 
alten Platinen.

> Das ist denke ich wirklich das Bohnerzeug für die Böden.
> [...] ich kenne hier auch noch heute
> viele Ämter usw. wo das noch angewendet wird. War das nicht für diese
> PVC Fußböden?
Im Hotel gabs nur Teppichböden, aber kann sein, dass darunter auch noch 
alte PVC-Böden sind. Aber zumindest wurde nicht frisch gebohnert.

@Abdul K.: das Bohnern selbst kenn ich schon. Sinn ist wohl, dass der 
Boden nicht matt wird und sich nicht Dreck sammelt wo der Abrieb höher 
ist.

@J-A VdH: Im industriellen Bereich hätte ich gar nicht drüber 
nachgedacht, irgendwelche Gerüche gibts ja immer.

von Rufus Τ. F. (rufus) Benutzerseite


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Christian R. schrieb:
> Das ist denke ich wirklich das Bohnerzeug für die Böden.

Zumindest bis weit in die 90er hinein wurde in Anlagen der Deutschen 
Reichsbahn ein Bohnerwachs verwendet, das einen recht penetranten 
Uringeruch quasi "ab Werk" mitlieferte.

Mit Phenolharzen, Pertinax o.ä. hätte ich diesen Geruch aber nicht in 
Verbindung gebracht, und den Geruch hatte ich in den 80ern häufiger in 
der Nase.

Bei Siemens wurde damals in der Ausbildung ein Labornetzteil gebaut (mit 
dem vielsagenden Namen N2001), dessen Gehäuse zwei 4mm dicke 
Pertinaxplatten als Seitenwände verwendete. Die mussten natürlich auf 
Maß gebracht und mit vorschriftsmäßigen Rundungen versehen werden ...

von Johannes O. (jojo_2)


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Ich hätte ebenfalls auf Phenol getippt. Zumindest ist das für mich der 
primär mit Hartpapierplatinen verbundene Geruch.
Gesund ist aber definitiv was anderes ;-)

Beitrag #5218918 wurde von einem Moderator gelöscht.
von Abdul K. (ehydra) Benutzerseite


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Bei uns wurde das Netzteil mit grauen PVC-Platten geschmückt. Natürlich 
auf 0,1mm beackert und per Spaltlichtmessung vom Ausbilder kontrolliert 
:-)

von Alter F. (kupferstecher)


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Rufus Τ. F. schrieb:
> dessen Gehäuse zwei 4mm dicke
> Pertinaxplatten als Seitenwände verwendete. Die mussten natürlich auf
> Maß gebracht und mit vorschriftsmäßigen Rundungen versehen werden ...
Ich kanns förmlich riechen...

von Malte G. (Firma: Hochschule Ulm) (mike75)


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Bei dem Geruch wird es sich um Wofasept handeln, ein Desinfektionsmittel 
auf Chlorkresol-Basis, das in der ehemaligen DDR praktisch überall 
eingesetzt wurde. Es setzte sich in Kunstoffoberflächen derartig fest, 
dass es auch nach Jahrzehnten noch riechbar ist. Eine ähnliche Mischung 
wurde bis in die 1970er auch im Westen als "Sagrotan" verkauft, dort 
aber alsbald durch weniger geruchsintensive Substanzen ersetzt.

Interessanterweise wurde Ende der 80er Jahre von Conrad ein Platinen - 
Ätzset vertrieben, das aus zwei Flaschen mit Ammoniumpersulfat und einer 
Flasche Lötlack bestand. Da das Ganze sehr billig war, war es dazumal 
bei Bastlern mit knappem Budget (Schüler/Studenten) sehr beliebt. Der 
Lötlackflasche enströmte der gleiche Geruch, wie er mir wenige Jahre 
später in der nun allgemein zugänglichen DDR in die Nase stieg. Die 
Herkunft der Conrad-Ware war damit eindeutig bewiesen.

von Roland E. (roland0815)


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Der Kontakt Lötlack aus der Sprühdose riecht genauso wie der 
DDR-Ätzresistlack. Selbst heute noch.

von Gerald B. (gerald_b)


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PCBs wurden ebenfalls in Fugendichtungsmassen verwendet. Deren Geruch 
kommt in alten, unsanierten Gebäuden ebenfalls in Frage.

von ●DesIntegrator ●. (Firma: FULL PALATINSK) (desinfector) Benutzerseite


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diesen "Alte-Gebäude-Geruch" hat man auf Wertstoffhöfen auch.

von Al. K. (alterknacker)


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Malte G. schrieb:
> Herkunft der Conrad-Ware war damit eindeutig bewiesen.

Das ist richtig Interessant?

von Michael L. (michaelx)


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Alter F. schrieb:
> Peter D. schrieb:
>> Den Geruch, an den man seit der Kindheit gewöhnt ist, nimmt man dagegen
>> nicht mehr wahr.
> Das stimmt natürlich.

Nein, das stimmt nicht. Unsere Nase wird nur vorübergehend 
unempfindlich, wenn Gerüche längere Zeit einwirken. Nach einer gewissen 
Zeit der "Entwöhnung" nehmen wir den Geruch wieder wahr.

Sonst würde ich einen Trabbi heute nicht durch die halbe Stadt richen. 
;-)

Was wir aber haben, ist ein Geruchsgedächtnis, welches Gerüche mit 
anderen Eindrücken verbindet. Dementsprechend können wir sogar 
Erinnerungen aus der Kindheit über Gerüche abrufen.

von Abdul K. (ehydra) Benutzerseite


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Die Nahrungsmittelindustrie weiß das schon lange und bringt die Babies 
auf Linie für später.

von Alter F. (kupferstecher)


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So eindeutig zuordenbar scheint es ja nicht zu sein.

Muss mir doch mal in der Bucht ne Tube Wofasept schießen :-)

von Mike J. (linuxmint_user)


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Rufus Τ. F. schrieb:
> Bei Siemens wurde damals in der Ausbildung ein Labornetzteil gebaut (mit
> dem vielsagenden Namen N2001), dessen Gehäuse zwei 4mm dicke
> Pertinaxplatten als Seitenwände verwendete. Die mussten natürlich auf
> Maß gebracht und mit vorschriftsmäßigen Rundungen versehen werden ...

Wir haben gestern von unserer Werkstadt eine Pertinax-Platte sägen 
lassen damit wir sie in ein Gehäuse legen konnten. Dort haben wir dann 
die Elektronik befestigt.

Als wir die Platte abgeholt habe strömte uns schon im Eingangsbereich 
des Gebäudes dieser penetrante Geruch entgegen.
Es wurde nicht viel gesägt, nur zwei Seiten und 6 kleine 3mm Löcher.


Der Elektromeister der das für uns gemacht hat erzählte auch von einer 
größeren Platte die er vor ein paar Jahren mal gesägt hat, da hat das 
ganze Gebäude bis in die 4. Etage gestunken.

Ich nehme an dass dieses Phenol nicht besonders gesundheitsförderns ist.


Malte G. schrieb:
> Es setzte sich in Kunstoffoberflächen derartig fest,
> dass es auch nach Jahrzehnten noch riechbar ist.

Hier in der Uni gibt es einen Gang der ganz penetrant riecht, das wird 
das Reinigungsmittel sein welches zwar schon lange nicht mehr genutzt 
wird, aber dennoch irgendwie vorhanden ist.

von Herbert B. (herbert_b)


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Mike J. schrieb:
> Der Elektromeister der das für uns gemacht hat erzählte auch von einer
> größeren Platte die er vor ein paar Jahren mal gesägt hat, da hat das
> ganze Gebäude bis in die 4. Etage gestunken.
>


Wir haben früher ausschließlich Pertinax für die "Grundfläschen" von 
Verteilungen benutzt und das auf einer Kreissäge mit fein verzahntem 
Blatt geschnitten. Diese stand in einem extra Raum mit Zwangsbelüftung. 
Anders wäre es nicht gegangen.

Für mich ist das der typische "E-Werkstatt-Geruch".

> Ich nehme an dass dieses Phenol nicht besonders gesundheitsförderns ist.

Hier stand schon einmal etwas darüber -von meinem Nachbarn. Ist aber 
offenbar unerwünscht gewesen, da gelöscht.

Herbert

von Mike J. (linuxmint_user)


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Herbert B. schrieb:
> Hier stand schon einmal etwas darüber -von meinem Nachbarn. Ist aber
> offenbar unerwünscht gewesen, da gelöscht.

Ich habe mich gerade über Wikipedia darüberinformiert, das Zeug ist ja 
hoch toxisch.
Lass mich raten, dein Nachbar ist wegen dem Zeug verreckt?

Hilft es wenn ich über die Platte Farbe (ich würde weiß nehmen) sprühe? 
Das Zeug dürfte dann nicht mehr so ausdünsten und es sicht auch nich 
mehr aus wie von 1930.

von Herbert B. (herbert_b)


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Mike J. schrieb:
> Ich habe mich gerade über Wikipedia darüberinformiert, das Zeug ist ja
> hoch toxisch.

Es liegt ja nicht in Reinform vor, sondern als sog. Phenoplast. Wichtig 
ist, daß man keine Stäube vom Sägen oder Bohren einatmet.

> Lass mich raten, dein Nachbar ist wegen dem Zeug verreckt?

Nein, der springt noch einigermaßen fit herum. Ich selbst auch.

Herbert

von Al. K. (alterknacker)


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Herbert B. schrieb:
> Wichtig
> ist, daß man keine Stäube vom Sägen oder Bohren einatmet.

Das habe ich zur genüge!

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