Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Driftender Mikrophonausgang


von Burkhard K. (buks)


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Was passiert hier?

Es handelt sich um ein Elektretmikro (Knowles FG-23629, 3 Anschlüsse), 
hier mit 1.3 V Versorgungsspannung betrieben. Praktisch unabhängig von 
der Versorgungsspannung (möglich sind 0.9 bis 3.0 V) wandert der Ausgang 
fröhlich zwischen ca. 300 bis 700 mV umher.

Bei 8 Sekunden berühre ich die Mikrophonkapsel (beide elektrisch 
verbunden mit GND), bei ca. 8,5 Sekunden lasse ich wieder los. Nicht 
ganz so heftige Sprünge treten nach lautem Klatschen oder sonstigen 
Pegelsprüngen auf. Ein 500 kOhm Widerstand zwischen Ausgang und GND 
beeinflußt das Verhalten nicht erkennbar.

Was ist hier zu sehen? Dielektrische Relaxation in Aktion? Oder noch 
etwas ganz anderes?

: Bearbeitet durch User
von holger (Gast)


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>Was ist hier zu sehen?

Das Geräusch dass dein klebriger Finger hinterlässt wenn
sich die klebrige Haut vom Mikrofon löst.Steck mal einen
Finger irgendwo ans Ohr und zieh ihn ab. Das hörst du!

von Burkhard K. (buks)


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Nö - mein (frisch gewaschener) Finger macht kein Geräusch und wenn sähe 
das komplett anders aus. Die max.erzielbare Signalstärke liegt bei 100 
mV pp - und solch ein Geräusch würde ca. 10 ms dauern, nicht 500.

Bei genauerem Hinsehen ist übrigens zu erkennen, dass der Pegel schon 
vor der Berührung ansteigt.

: Bearbeitet durch User
von k.A. (Gast)


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Burkhard K. schrieb:
> Bei 8 Sekunden berühre ich die Mikrophonkapsel (beide elektrisch
> verbunden mit GND), bei ca. 8,5 Sekunden lasse ich wieder los.

Arbeitspunkt des internen FETs ändert sich durch 
Fingerkuppenübertragungswärme (Vorschlag für Eintrag in Duden).

von Burkhard K. (buks)


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k.A. schrieb:
> Arbeitspunkt des internen FETs ändert sich durch
> Fingerkuppenübertragungswärme

Das würde den Anstieg erklären, weniger den nachfolgenden Sprung nach 
unten und das anschliessende langsame Wieder-Hochschleichen. Aber danke 
für die Idee, ich werde (morgen abend) mal sehen, wie das Mikro auf eine 
sich nähernde Lötkolbenspitze reagiert.

von Mani W. (e-doc)


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k.A. schrieb:
> Arbeitspunkt des internen FETs ändert sich durch
> Fingerkuppenübertragungswärme


Kann ich mir nicht vorstellen, so schnell geht die Wärme wohl nicht
durch...


Aber eher durch das Berühren selbst, durch Körperkapazität und
auch Brummspannung wäre es möglich...


Übrigens wird ein Kondensatormikrophon üblicherweise nicht am
Metallgehäuse der Kapsel berührt, es ist ja eingebaut...

von Abdul K. (ehydra) Benutzerseite


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Ihr meint pyroelektrisch wie eine PVDF-Folie?

von Jacko (Gast)


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Da der Sprung nach 10,0 (hoch) und 10,3 ms (runter) stattfindet,
kann er ja nix mit dem Finger (8,0 / 8,5 ms) zu tun haben.

Spannungsversorgung / Vorspannung? Schaltung (!)
Anschlusssschaltung (mit Vorspannung) schlecht?
Masse nicht stabil?

von k.A. (Gast)


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Jacko schrieb:
> Da der Sprung nach 10,0 (hoch) und 10,3 ms (runter) stattfindet,
> kann er ja nix mit dem Finger (8,0 / 8,5 ms) zu tun haben.

Brille vergessen?

von Christian S. (roehrenvorheizer)


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Hallo,

vielleicht ist am eingebauten Fet das Gate offen?

MfG

von HildeK (Gast)


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Elektretkapseln haben eine sehr niedrige untere Grenzfrequenz. Man sieht 
da bereits ein Signal, wenn man die Hand im einige Hz-Takt vor der 
Kapsel hin- und herbewegt - quasi schon relativ langsame 
Druckschwankungen.

von wendelsberg (Gast)


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Christian S. schrieb:
> vielleicht ist am eingebauten Fet das Gate offen?

Offen vielleicht nicht, aber viel mehr als die Gegenelektrode wird nicht 
dranhaengen.

wendelsberg

von Axel S. (a-za-z0-9)


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Das kann alles mögliche sein. Temperaturschwankungen genauso wie 
Schwankungen des Luftdrucks. Es ist noch nicht mal klar, ob die Kapsel 
überhaupt korrekt beschaltet wurde - ein Arbeitswiderstand entweder nach 
GND oder nach Vcc gehört typischerweise extern angeschlossen. Und ein 
metallisches Gehäuse der Kapsel gehört mit GND verbunden.

Auf jeden Fall ist das alles nicht kriegsentscheidend. Ein langsam 
driftender Arbeitspunkt kann als Störsignal (extrem) niediger Frequenz 
angesehen werden und wird von den diversen Hochpässen (vulgo: 
Koppelkondensatoren) in der Signalkette hinreichend unterdrückt.

von Georg A. (georga)


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wendelsberg schrieb:
> Offen vielleicht nicht, aber viel mehr als die Gegenelektrode wird nicht
> dranhaengen.

AFAIK sind das meistens spezielle FETs mit eingebautem Ableitwiderstand, 
damit das Gate nicht ganz so schlimm rumeiert. Allerdings ist der 
Widerstand irgendwo im n*10-Megaohm-Bereich. Das führt halt dann zu 
solchen Eierzeitkonstanten im Sekundenbereich ;)

von Hp M. (nachtmix)


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Abdul K. schrieb:
> Ihr meint pyroelektrisch wie eine PVDF-Folie?

Ja, m.W. ist das in den Mikros sogar welche. Handelsname war mal Kynar.

Bei größeren Stücken diesr Folie, etwa wie eine Briefmarke, kann man die 
durch die Hand in 5cm Entfernung verursachte Pyroelektrizität sogar mit 
einem gewöhnlichen DMM (20MΩ) ohne jeglichen Verstärker sehen.

von Jens G. (jensig)


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@ HildeK (Gast)

>Elektretkapseln haben eine sehr niedrige untere Grenzfrequenz. Man sieht
>da bereits ein Signal, wenn man die Hand im einige Hz-Takt vor der
>Kapsel hin- und herbewegt - quasi schon relativ langsame
>Druckschwankungen.

So dürfte es sein.
Damals hatte ich mal eine "Abhöranlage" mit einem solchen C-Mikrofon 
gebastelt. Damals war ich auch sehr bestrebt, Vorverstärker mit sehr 
tiefer Grenzfrequenz zu bauen, damit die ja nix vom Frequenzband 
wegknipsen. Frequenzen unter 1Hz waren damit eigentlich kein Problem. Da 
wusste ich aber noch nicht so recht, daß C-Mikrofone auch sehr tiefe 
Grenzfrequenzen haben können, wie eben auch das von mir benutzte 
Exemplar. Mit der Folge, daß praktisch jeder Laster, der vor dem Haus 
vorbeifuhr, den Verstärker "zugeschoben" hatte. Nicht, weil der Laster 
so laut war, sondern weil dessen "Bugwelle" den Verstärker in die 
Begrenzung brachte, und beim sich wieder Entfernen der Sog den 
Verstärker in die andere Begrenzung brachte. Da war also zweimal 
kurzzeitig nix zu hören. Das hatte immerhin einen Aha-Effekt zur Folge 
;-)

von Burkhard K. (buks)


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Vielen Dank für Eure Antworten so weit.

Zur Klarstellung, die beiden Effekte (Drift, Pegelsprung bei Annäherung 
oder Berührung) sind von der Qualität der Spannungsversorgung praktisch 
unabhängig, d.h. auch mit Silberoxidbatterie (Noisefloor < 80 dBV) zu 
beobachten. Wie eingangs geschrieben, hat ein Ableitwiderstand von 500k 
nach GND keine erkennbare Wirkung.

Da der Pegelsprung schon bei vorsichtiger Annäherung (ohne Berührung) 
auf wenige Zentimeter auftritt, scheint mir die Erklärung per 
Luftdruckschwankungen (Barometereffekt) sehr wohl plausibel.

"Kriegsbeeinflussend" ist der Effekt leider doch:
  * Eine Kombination aus Koppelkondensator plus Spannungsteiler öffnet 
das Eingangstor für alle Arten von Hochfrequenzmüll.
  * Für einen invertierenden Verstärker ist die Ausgangsimpedanz des 
Mikros zu hoch (3k bis 7k)
  * Bei einem nichtinvertierendem Verstärker (ohne Koppelkondensator) 
mit idealerweise 10 dB Anhebung könnte bereits Clipping auftreten 
(Single Supply, 3.3V) sobald der Pegel auf < 300 mV absinkt.

Es läuf also wohl auf einen Spannungsfolger als erste Stufe hinaus; 
kostet mich einen zusätzlichen OpAmp, +3 mA Stromaufnahme incl. 
Rauschen. Kein Beinbruch, aber auch nicht schön.

von Axel S. (a-za-z0-9)


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Burkhard K. schrieb:
> Wie eingangs geschrieben, hat ein Ableitwiderstand von 500k
> nach GND keine erkennbare Wirkung.

Warum sollte er auch? Das "Datenblatt" (eine Frechheit IMHO) unter 
http://www.knowles.com/eng/content/download/5133/72409/version/4/file/FG-23629-C36.pdf
sagt das Mic hätte eine Ausgangsimpedanz von 4.4K. 500K sind also 
praktisch Leerlauf.

> "Kriegsbeeinflussend" ist der Effekt leider doch:
>   * Eine Kombination aus Koppelkondensator plus Spannungsteiler öffnet
> das Eingangstor für alle Arten von Hochfrequenzmüll.

Wie kommst du auf dieses schmale Brett? So ziemlich jedes Audio-Gerät 
hat an seinen Eingängen Koppelkondensatoren und dahinter dann noch 
einen Tiefpaß gegen HF-Einstreuungen. Wieso sollte das eine das andere 
ausschließen?

Andererseits kann man den Krempel auch nahe beieinander und gut 
geschirmt aufbauen, da hat man ebenfalls keine Probleme mit HF. Was 
glaubst du wohl, warum die Kapsel aus Metall ist und warum sie auf GND 
zu legen ist?

von Burkhard K. (buks)


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Axel S. schrieb:
> eine Ausgangsimpedanz von 4.4K. 500K sind also
> praktisch Leerlauf.
4.4K typischerweise, einzelne Exemplare können auch schon mal bis 7K 
haben - und spezifiziert ist das auch nur für Frequenzen bis 10 kHz.

So ziemlich jedes Audio-Gerät
> hat an seinen Eingängen Koppelkondensatoren und dahinter dann noch
> einen Tiefpaß gegen HF-Einstreuungen.

Eben keine "normale" Audio-Anwendung. Dazu nur kurz: Es geht um 
Ultraschall wo HF-Einstreuungen genau in den interessierenden 
Frequenzbereich spucken, der erst noch per Hochpass 2. Ordnung angehoben 
werden muss. Der nachgeschaltete Tiefpass hilft dann nicht mehr, sobald 
das Nutzsignal aufgrund einer Einstreuung an der Spannungsversorgung 
(3.3V, single supply) anstößt.

Um der Anwendung mehr "Headroom" zu verschaffen, hatte ich auch 
angedacht, aus den verfügbaren, recht sauberen, 3.3V eine negative 
Hilfsspannung zu erzeugen. Dabei musste ich leider lernen, dass gerade 
Ladungspumpen HF-Müllschleudern sind.

Womit ich beim Thema für einen weiteren Thread wäre: "Wie lässt sich aus 
3.3V eine möglichst saubere negative Versorgungsspannung erzeugen"?

von Abdul K. (ehydra) Benutzerseite


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Ganz ohne Schaltbetrieb? Photovoltaisch. Entweder diskret, oder eine der 
wenigen integrierten Chips. IRF hatte mal einen.

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