Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Vierquadrantensteller Stromverlauf


von Christian (Gast)


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Hallo zusammen,
ich habe ein kleines Verständnisproblem und zwar, verstehe ich nicht 
wieso der Strom bei einem Vierquadrantensteller so schnell absinkt (alle 
Transistoren sperren), wenn zuvor eine Induktive Last aufgeladen wurde 
(Transistor T1 & T4 waren leitend).
Auf meinem Ossi kann ich ganz genau erkennen, dass der Strom schneller 
absinkt, als ich das berechnet habe.
Beim absinken nehme ich folgende Formel:

I(t) = I_0 * e^(-t * (R_L + 2*R_D) /L)

R_D soll hierbei den differntiellen Widerstand der Diode darstellen.

Kann mir jemand sagen ob meine Formel richtig ist? Habe ich eventuell 
die Kapazität vergessen?

: Verschoben durch Moderator
von Einer K. (Gast)


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Ich vermisse den C in deiner Formel.

Der Strom wird zur "Ladung" im C.

von Christian (Gast)


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Wie meinst du das der Strom wird zur Ladung?

ist das tau dann nicht mehr gleich R_L / L sondern R_C * C?

von Christian (Gast)


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Ok das mit dem tau stimmt nicht wirklich wenn ich es nachrechne...
Kann mir sonst irgendjemand weiterhelfen?
Ich stehe da ein wenig auf dem schlauch.

von Elektrofan (Gast)


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Wenn alle 4 Zweige sperren, entlädt sich die Induktivität in die 
Speisespannung, wie im Bild oben richtig zu sehen.
Das geht natürlich schneller, als wenn sie auf einen Freilaufzweig
(näherungsweise Kurzschluss, wie in der angegebenen Formel
ausgedrückt) arbeitet.

von Alexander (Gast)


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Hi Christian,

wie groß ist R_L im Verhältnis zu L? Der differentielle Widerstand der 
Diode R_D ist grwöhnlich im mOhm Bereich.

Gruß

von Christian (Gast)


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R_L ist gleich der Widerstand der Induktivität. Dies summiere ich mit 
den differntiellen Widerständen D2,D3. Ist das Richtig?

von Alexander (Gast)


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Christian schrieb:
> R_L ist gleich der Widerstand der Induktivität. Dies summiere ich
> mit den differntiellen Widerständen D2,D3. Ist das Richtig?

Das ist nicht die Antwort auf meine Frage :-)

von Christian (Gast)


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R_L = 30 Ohm & L = 65mH


Aber was sagt dir das?

von Weil (Gast)


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Weil man zwar den differentiellen Widerstand der Dioden für die meisten 
Betrachtungen vernachlässigen kann, aber das Verhältnis von ohmschem 
Widerstand zu Induktivität vor allem bei kleinen Strömen / dünnen 
Drähten (in der Realität ist das so) sich auf die Simulation auswirken 
sollte, wäre die Antwort nicht unwichtig, wie ich annehme.

von Achim S. (Gast)


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Christian schrieb:
> R_L ist gleich der Widerstand der Induktivität. Dies summiere ich mit
> den differntiellen Widerständen D2,D3. Ist das Richtig?

Erstens wären es nicht die differentiellen Widerstände sondern der 
gesamte Spannungsabfall an den beiden Dioden geht ein.

Und zweitens hat Elektrofan deinen wesentlichen Fehler schon genannt: 
die Induktivität sieht als Gegenspannung nicht nur den ohmschen 
Spannungsaball an R_L und den Spannungsabfall an den Dioden, sondern 
auch noch die Speisespannung (die Induktivität speist zurück). Das gibt 
eine wesentlich höhere Gegenspannung und damit einen wesentlich 
schnelleren Stromabfall. Der Stromverlauf entspricht damit nicht mehr 
einer einfachen e-Kurve (die ergibt sich nur, wenn die Gegenspannung 
alleine durch ohmsche Widerstände zustande kommt, aber nicht bei einer 
annähernd konstanten Gegenspannung wie der Speisespannung).

von Christian (Gast)


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Ok das verstehe ich, jedoch frage ich mich, wie stelle ich dafür eine 
formel auf?

von Christian (Gast)


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bzw. kann mir da jemand bei helfen die Formel herzuleiten und/oder mir 
gute Webseiten nennen, wo ich mir dieses Wissen aneignen kann?

von Achim S. (Gast)


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Christian schrieb:
> Ok das verstehe ich, jedoch frage ich mich, wie stelle ich dafür eine
> formel auf?

Im Prinzip Differentialgleichung aufstellen und lösen ;-)

Wenn es nur um eine kleine Stromänderung geht (z.B. bei PWM-Betrieb mit 
kleinem Stromripple) kannst du von einer annähernd konstanten 
Gegenspannung ausgehen (der Spannungsabfall an R_L ändert sich nicht 
stark) und einfach U_gegen=L*di/dt ansetzen. (d.h. der Strom sinkt 
annähernd linear).

Wenn du die vollständige Kurve bis I=0 bestimmen willst (d.h. wenn die 
Änderung des ohmschen Spannungsabfalls an R_L relevant wird), wirds halt 
komplizierter.

von Alexander (Gast)


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Christian schrieb:
> bzw. kann mir da jemand bei helfen die Formel herzuleiten und/oder mir
> gute Webseiten nennen, wo ich mir dieses Wissen aneignen kann?

Ich würde mich dazu bereit erklären, dir beim Aufstellen der Gleichungen 
zu unterstützen.

Einfach die Maschengleichung aufstellen:
U_DC = U_R+U_L

U_DC: Gleichspannung am Zwischenkreis
U_R = Spannungsabfall am ohmschen Anteil der Last
U_L = Spannungsabfall am induktiven Anteil der Last

Fragen an dich:
1. Wie kann man U_R bestimmen? (Tipp: Ohmsches Gesetz)
2. Wie kann man U_L bestimmen? (Verhältnis von Spannung und Strom an 
einer Spule, siehe Achims Beitrag)

Stell die Gleichung mal entsprechend auf, und dann sehen wir weiter.

Ein seeeehr langweiliges Video zum Vierquadrantensteller (ab 20:30):
https://www.youtube.com/watch?v=UiyOaprxzvs

Gruß,

von Christian (Gast)


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Also U_R ist gleich R * I und
U_L ist gleich -U_ind und U_ind = L *(di/dt)
=>U_DC = (R * I) - (L *(di/dt))

Ich hoffe die Berechnungen sind richtig

von Michael (Gast)


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Hallo Christian,

aus den genannten Antworten musst du noch den Extrakt herausfiltern.
Ohne dies jetzt hoch mathematisch anzugehen, das wird ja schon korrekt 
gemacht, eine einfache Überlegung warum der Stromverlauf so schnell 
absinkt:
Wie du richtig schreibst gilt bei einer Induktivität für die 
Zeitkonstante Tau = L/R. Viel mehr brauchen wir für das Verständnis 
nicht. In der Bestromungsphase haben deine Transistoren einen sehr 
kleine Widerstand so dass wir sie vernachlässigen könne und wir erhalten 
als Zeitkonstante 65mH/30Ohm =2,2ms. Beim Abschalten der Transistoren 
wird der zuletzt geflossene Strom weiterfließen, wozu die Spule eine 
entsprechend hohe Induktionsspannung erzeugen wird. Diese beträgt im 
ersten Moment: Betriebsspannung und 2 mal Dioden Durchlassspannung. Dass 
der Stromkreis über die Versorgungsspannung fließt ist aber für die 
Zeitbestimmung unbedeutend wenn die Spannungsquelle niederohmig ist 
(Batterie, gescheite Pufferung durch Kondensator) wovon wir einmal 
ausgehen wollen. Das entscheidende ist der Widerstand der Dioden. Hier 
ist nicht der differentielle Widerstand sondern der ohmsche Widerstand 
anzusetzen, denn du bekommst bei Silizium ja so um 1V Durchlassspannung. 
Was mir jetzt fehlt ist, wie groß der Spulenstrom ist. Daraus könnte man 
so ganz grob auf den Widerstand der Dioden schließen.
Angenommen die Betriebsspannung wäre 5V, dann hättest du einen max. 
Strom von 5V/30Ohm = 167mA. Daraus kannst du den Diodenwiderstand 
abschätzen: 1V/0,17A = 6 Ohm (alles gerundet). Dann hast du in der 
Abschaltphase nicht nur 30Ohm, sondern schon 42 Ohm, was dann die 
Zeitkonstante auf 1,5ms verringert. Wenn dann die Spannungsquelle 
zusätzlich noch keinen Strom sinken kann (vielleicht betreibst du deine 
Schaltung ja über einen alten 7805 Längsregler) dann steigt die 
Betriebsspannung an, was gleichbedeutend mit einem hohen Innenwiderstand 
ist, wodurch die Zeitkonstante noch einmal kleiner wird.
Vielleicht hilft dies zum Verständnis.
Upps, mir hat es gerade gezeigt, dass die Mathematik die eindeutig 
einfachere Sprache ist. Allerdings muss man dort auch wissen welche 
Größen anzuwenden sind ;-)

Gruß
Michael

von Achim S. (Gast)


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Christian schrieb:
> =>U_DC = (R * I) - (L *(di/dt))
>
> Ich hoffe die Berechnungen sind richtig

Deine Formel umgestellt lautet:

L*di/dt = R*i - U_dc

Ein positives U_dc gibt dir also schon mal den gewünschten 
Stromrückgang. Aber ein positives R*i gibt dir einen Stromanstieg, 
keinen Stromrückgang. Da scheint was mit dem Vorzeichen nicht zu 
stimmen.

Von dem Vorzeichen abgesehen, sieht es aber gut aus. Jetzt kannst du 
entweder nach Lehrbuch die DGL lösen. Oder du kannst z.B. Wolframalpha 
die Arbeit für dich machen lassen ;-)

http://www.wolframalpha.com/input/?i=di(t)%2Fdt%3D-(i(t)*R%2BU)%2FL

von Christian (Gast)


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Achim S. schrieb:
> Ein positives U_dc gibt dir also schon mal den gewünschten
> Stromrückgang. Aber ein positives R*i gibt dir einen Stromanstieg,
> keinen Stromrückgang. Da scheint was mit dem Vorzeichen nicht zu
> stimmen.

Ja da hast du recht, da habe ich einen kleinen Fehler gemacht. Danke 
aber für deine Hilfe. Ist die Lösung nicht gleich der Formel die ich 
oben hingeschrieben bzw. schon genutzt habe? Fehlt da nicht der 
Kondensator?

Michael auch erstmal ein dankeschön an dich. Nun noch eine frage,
wenn die Spule voll aufgeladen ist, sagen wir mal es liegt eine Spannung 
von 24 V an, dass macht bei dem spulenwiderstand von 30 Ohm, 0,8A. Nun 
schalte ich wie bei meinem Bild was ich oben beigefügt habe alle 
Transistoren aus, müsste doch die Formel  lauten

i(t) = 24 V / 30 Ohm * e^(t/tau)

wobei tau= L / R
und R = R_L + 2*R_D
R_L = 30 Ohm
R_D ????

laut deiner Aussgae Michael, ist der Widerstand der Diode Linear (oder 
verstehe ich da etwas falsch). Ich habe mich jedoch an der Kennlinie 
gehalten, da eine Diode (so wie ich es gelernt habe) ein differentieller 
Widerstand ist.
Bringe ich da etwas durcheinander?

von Alexander (Gast)


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Christian schrieb:
> Also U_R ist gleich R * I und
> U_L ist gleich -U_ind und U_ind = L *(di/dt)
> =>U_DC = (R * I) - (L *(di/dt))

Fast richtig.
U_L = L*di/dt

Daraus folgt:
U_DC = R*I + L*dI/dt

Du hast nun eine Differentialgleichung 1. Ordnung, die es zu lösen gilt.

Dafür gibt es verschiedene Ansätze. Einer wird auf der folgenden Seite 
erwähnt:
http://massmatics.de/merkzettel/index.php#!505:Lineare_Differentialgleichungen_1._Ordnung

Wenn die Seite nicht ganz zufriendenstellend ist, gibt es bei Youtube 
viele Videos dazu, z.B.
https://www.youtube.com/watch?v=AKD3MzAiC5Y

Viel Erfolg!

Gruß

von Achim S. (Gast)


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Christian schrieb:
> Nun
> schalte ich wie bei meinem Bild was ich oben beigefügt habe alle
> Transistoren aus, müsste doch die Formel  lauten
>
> i(t) = 24 V / 30 Ohm * e^(t/tau)

Nein: muss sie nicht. Schau dir die Lösung der DGL halt mal an, dann 
siehst du den Unterschied.

Diese exponentielle Kurve würde sich ergeben, wenn die Gegenspannung 
alleine durch einen ohmschen Spannungsabfall erzeugt wird. Das ist hier 
nicht der Fall, du hast zusätzlich den annähernd konstanten 
Spannungsabfall an der Speisespannung und den Dioden.

Christian schrieb:
> Ich habe mich jedoch an der Kennlinie
> gehalten, da eine Diode (so wie ich es gelernt habe) ein differentieller
> Widerstand ist.
> Bringe ich da etwas durcheinander?

Ja, das geht reichlich durcheinander. Eine Diode hat auch einen 
differentiellen Widerstand. Der gibt an, wie stark sich der Diodenstrom 
ändert wenn sich die Diodenspannung ändert. Der ist aber hier praktisch 
irrelevant. Dich interessiert, wie viel Spannung insgesamt an der Diode 
abfällt (das geht in das U_DC deiner Differentialgleich ein).

von Achim S. (Gast)


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Zur Veranschaulichung mal deine gedachte Schaltung in der Simu. Hier ist 
eine ideale Spannungsquelle angesetzt, die bei Rückspeisung auch den 
Strom aufnimmt. Du bekommst ähnliche Verhältnisse, wenn die Kapazität am 
Vierquadrantensteller groß genug ist, um die Energie der Spule 
aufzunehmen ohne dass die Spannung nennenswert ansteigt. Wenn das nicht 
der Fall ist, wirds halt nochmal komplizierter weil U_DC nicht konstant 
ist.

Bei 2ms werden die FETs ausgeschalten, der Strom fließt über die 
Substratdioden der beiden anderen FETs zurück in die Versorgung.
In Grün der simuierte Strom in L1
In Rot die dazu passende Lösung der DGL. Sobald der Strom auf Null 
runtegegangen ist stimmt die Formel natürlich nicht mehr (weil dann 
keine Rückspeisung mehr stattfindet).

In Blau zum Vergleich die Simulation einer Spule mit Freilaufdiode, bei 
der der Strom wirklich fast deine gewünschte e-Kurve ergibt (wenn der 
Spannungsabfall an der Diode vernachlässigbar wäre gegenüber dem 
Spannungsabfall an den 30Ohm, dann würde genau diene e-Kurve 
rauskommen).

Wobei mir grade auffällt, dass du im Exponenten deiner e-Kurve natürlich 
noch das negative Vorzeichen vergessen hattest ;-)

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