Forum: Digitale Signalverarbeitung / DSP / Machine Learning Energiesignal tiefpassfiltern und dann abtasten. Geht hier Energie verloren?


von Paul H. (powl)


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Ausgehend von einer Diskussion in einem anderen Thread mache ich mir 
gerade über folgendes Gedanken:

Ich möchte ein Energiesignal abtasten. Die quadrierten Abtastwerte 
summiere ich dann auf um die Energie des Signals zu erhalten. Jetzt 
besteht jedoch das Problem, dass im Signal Frequenzanteile vorkommen, 
welche höher als die halbe Samplefrequenz sind und damit das 
Nyquist-Theorem verletzt wird. Mir wurde vorgeschlagen, das Signal vor 
der Abtastung durch einen Tiefpassfilter zu schicken und damit zu 
"mitteln".

Ich sehe jedoch darin das Problem, dass hier nicht einfach nur gemittelt 
wird sondern die hohen Frequenzabteile abgeschnitten (bzw. abgeschwächt) 
werden. Somit verletzte ich zwar das Nyquist-Theorem nicht, allerdings 
dürfte mir auch einfach die Energie der höheren Frequenzanteile im 
Endergebnis fehlen.

D.h. die Gesamtenergie des tiefpassgefilterten Signals, abgetastet bei 
entsprechend niedriger Abtastfrequenz entspricht NICHT der Gesamtenergie 
des orginal-Signals, abgetastet bei hinreichend hoher Abtastfrequenz.

Ist das korrekt?

: Bearbeitet durch User
von Gerhard Z. (germel)


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Natürlich geht dem Signal Energie verloren bei Tiefpassfilterung - wenn 
oberhalb der halben Abtastfrequenz (Fs/2) Energie im Signal vorhanden 
ist.

Was stellst du dir unter einer hinreichend hohen Abtastfrequenz vor? So 
hoch, dass oberhalb Fs/2keine Energie im Signal vorhanden ist? Dann 
brauchst du nicht filtern wenn du das sicher weist. Dann kannst du aber 
auch filtern und das ändert nichts (vorausgesetzt, das Filter ist im 
Durchlassbereich hinreichend linear).

Wenn aber Frequenzkomponenten oberhalb Fs/2 vorhanden sind wirst du 
sowieso durch Abtasten nie den richtigen Wert bekommen (stell dir z.B. 
einen hochfrequenten Peak zwischen zwei Sampeln vor, den du nicht 
abtastest).

Gerhard

von Nikolaus S. (Firma: Golden Delicious Computers) (hns)


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Ja. Betrachte den Grenzfall eines Tiefpasses mit seeehr niedriger 
Frequenz und schicke ein hochfrequentes Signal mit hoher Energie rein. 
Der Mittelwert ist praktisch 0.

Wobei "Ich möchte ein Energiesignal abtasten" wohl nicht genau korrekt 
formuliert ist.

Vermutlich schließt Du Deine Signalquelle mit einem Lastwiderstand ab, 
dessen Spannung Du sampeln willst. Und per U^2/R die Leistung berechnen 
willst. Wenn Du da einen Tiefpaß dahinterschaltest, filtert er schnelle 
Schwankungen am Lastwiederstand heraus.

von Paul H. (powl)


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Gerhard Z. schrieb:
> Was stellst du dir unter einer hinreichend hohen Abtastfrequenz vor? So
> hoch, dass oberhalb Fs/2keine Energie im Signal vorhanden ist? Dann
> brauchst du nicht filtern wenn du das sicher weist.

Ja genau, so meinte ich das. Ich weiß, es war aber nur eine 
hypothetische Frage. In Wirklichkeit ist meine Abtastfrequenz leider 
nicht hinreichend hoch.

> Wenn aber Frequenzkomponenten oberhalb Fs/2 vorhanden sind wirst du
> sowieso durch Abtasten nie den richtigen Wert bekommen (stell dir z.B.
> einen hochfrequenten Peak zwischen zwei Sampeln vor, den du nicht
> abtastest).

Ja richtig, so stelle ich mir das auch vor. Zudem tritt Aliasing auf. 
Wie verhält sich das aber Energiemäßig? Wenn ich Signalanteile unterhalb 
Fs/2 im abzutastenden Signal habe werden die ja durch Aliasing in den 
Frequenzbereich unter Fs/2 gespiegelt. D.h. trotz, dass ich mit "zu 
niedriger Frequenz" abtaste haben die hochfrequenten Signalanteile 
Auswirkungen auf meine Messung, d.h. Energie aus dem Bereich >Fs/2 
findet sich dennoch in meiner Messung wieder. Allerdings nur zu einem 
gewissen Anteil, denn - wie du schon geschildert hast - könnte ich ja 
z.b. hochfrequente Peaks zwischen meinen Abtastzeitpunkten haben, die 
ich überhaupt nicht mitbekomme. Aber welcher Anteil ist das nun genau, 
von was hängt das ab? Kann man hierüber überhaupt so eine weiteres eine 
Aussage treffen?



Nikolaus S. schrieb:
> Vermutlich schließt Du Deine Signalquelle mit einem Lastwiderstand ab,
> dessen Spannung Du sampeln willst. Und per U^2/R die Leistung berechnen
> willst.

Genau

> Wenn Du da einen Tiefpaß dahinterschaltest, filtert er schnelle
> Schwankungen am Lastwiederstand heraus.

..was aber, wie wir hier nun erörtert haben, zu Messfehlern führt, da 
hochfrequente Signalanteile nicht miterfasst werden (da sie vom 
Tiefpassfilter weggefiltert werden).

: Bearbeitet durch User
von Sebastian S. (amateur)


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Praktisch jeder Eingriff in ein elektrisches System ist mit Verlusten, 
und Verfälschungen, verbunden Punkt

Die eigentliche Frage ist natürlich wie groß diese Verfälschung ist.

Koppelst Du z.B. die Spannung für einen A/D-Wandler aus und filterst 
diese, so sind die Verluste extrem gering, da Du ja "neben" dem 
Energiefluss arbeitest.

Greifst Du aber direkt in den Energiefluss ein und filterst diesen - 
warum eigentlich - so sieht das Ganze schon etwas anders aus.
Aber nur um besser messen zu können, erscheint mir dieser Aufwand etwas 
unsinnig.

Aber vielleicht werden die Verluste nicht so groß, wie man im ersten 
Ansatz annehmen könnte.
Die gute-alte L/C-Kombination hat, vernünftig dimensioniert, gar nicht 
so große Verluste. Bildhaft ausgedrückt schwappen die energetischen 
Spitzen nur zwischen Kondensator und Spule hin und her. Natürlich hat 
der gute, alte Ohm auch hier seine Finger im Spiel, aber das ist, 
abhängig von der tatsächlichen Energie, berechenbar.

Ich gestehe aber, ich weiß nicht um welches Energievolumen es sich 
handelt. Mikrowatt, Milliwatt oder watt nu.

von Paul H. (powl)


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Ich glaube das hast du leider etwas falsch verstanden. Es geht hier um 
überhaupt kein Energievolumen. Es geht um die 
signalverarbeitungstheoretische Betrachtung des abzutastenden Signals 
und was damit passiert wenn man es tiefpassfiltert. Nicht um 
irgendwelche Verlustleistungen in realen Bauelementen.

: Bearbeitet durch User
von Gerhard Z. (germel)


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Hab nicht weiter darüber nachgedacht. Aber wenn du nur den Energieinhalt 
haben willst und an keiner Frequenzanalyse interessiert bist kannst du 
das ungefilterte Signal einfach Sample für Sample quadrieren und 
addieren und entweder zu Blöcken à z.B. 0.1 Sekunden mitteln oder einen 
gleitenden Mittelwert bilden (z.B. exponentielle Mittelung: 
https://de.wikipedia.org/wiki/Gleitender_Mittelwert#Exponentiell_gegl.C3.A4tteter_Mittelwert).

Um den Fehler, den du machst, wenn z.B. die halbe Abtastfrequenz 
enthalten ist und du zufällig auf den Nulldurchgängen sampelst kommst du 
nicht drum rum. Ansonsten interessieren dich aber die 
Aliasing-Komponenten nicht.

Ich würde an deiner Stelle Simulationen mit künstlichen Signalen machen 
und diese mit verschiedenen Abtasfrequenzen abtasten und deren Energie 
ausrechnen und mit dem theoretischen Werten vergleichen. Das sollte dir 
ein Gefühl für die Größe des Fehlers geben.

Gerhard

von Gerald M. (gerald_m17)


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Hier geht es doch um ein analoges Signal, oder? Da drückt doch der 
analoge aliasing Filter alles über der Samplefrequenz in den Mittelwert 
des Signals rein.
Jegliches Signal kann als Überlagerung von Sinuskurven gesehen werden. 
Es reicht also das Verhalten von Sinuskurven zu betrachten. Soll der 
aliasing Filter alle Frequenzen über 1kHz filtern, wird beispielsweise 
ein Sinus mit 2kHz der zwischen 0V und 2V oszilliert auf ein DC Signal 
mit 1 Volt gefiltert, was genau der durchschnittlichen Spannung 
entspricht, da sich die hohen Anteile immer herausmitteln. Deshalb 
verändert ein aliasing Filter nicht das Integral unter dem Messsignal 
und muss quasi immer vor den ADC.

von Dergute W. (derguteweka)


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Moin,

Gerald M. schrieb:
> Soll der
> aliasing Filter alle Frequenzen über 1kHz filtern, wird beispielsweise
> ein Sinus mit 2kHz der zwischen 0V und 2V oszilliert auf ein DC Signal
> mit 1 Volt gefiltert, was genau der durchschnittlichen Spannung
> entspricht, da sich die hohen Anteile immer herausmitteln. Deshalb
> verändert ein aliasing Filter nicht das Integral unter dem Messsignal
> und muss quasi immer vor den ADC.

Die Ausgangsfrage des Threads kann man mit dem Beispiel ja wunderbar 
belegen:

Das 1V (DC) Signal nach dem Tiefpass hat eine Leistung (z.B. an einem 
1 Ohm Widerstand) von 1W. Das Signal (1+sin(wt))*1V Signal vor dem 
Tiefpass liefert dagegen an einem 1 Ohm Widerstand 1.5W.

Gruss
WK

von Name: (Gast)


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Gerhard Z. schrieb:
> Natürlich geht dem Signal Energie verloren bei Tiefpassfilterung - wenn
> oberhalb der halben Abtastfrequenz (Fs/2) Energie im Signal vorhanden
> ist.

Wieso?

ich gehe jetzt mal davon aus, dass eine Energiemessung gemeint ist.

Die Energie ist ja die Leistung über die Zeit integriert. Die einzelnen 
Werte, die man filtert, sind eine Leistung.

Der TP filtert aber nur WECHSELANTEILE heraus, uns interessiert aber das 
Integral. Warum sollte das vom TP beeinflusst werden? Wechselanteile 
sind für das Integral uninteressant, nur die Fläche unter der Kurve muss 
stimmen.

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