Hallo, seit ich neu in der Arbeitswelt als “Entwicklungsingeneiur“ tätig bin, bin ich über die Methodik des “Entwickelns“ seitens der Kollegen verblüfft. Es werden einige Überlegungen gemacht, welche Richtung die Lösung zum Problem X bringt zb EMV oder Temperaturdrift etc.. Hat man einen Weg gefunden, heißt es dann, man müsse nun untersuchen, wie sich die Schaltung nun verhält, wenn man dies und jenes Bauteil hinzufügt oder entfernt. Natürlich fließen hier sicher erfahrungswerte mit ein, aber für mich klingt es nach Trial and Error. Ist so die gängige Praxis in Ingenieurbüros?
Teddy schrieb: > Hat man einen Weg gefunden, heißt es dann, man müsse nun untersuchen, > wie sich die Schaltung nun verhält, wenn man dies und jenes Bauteil > hinzufügt oder entfernt. Wie sähe dein Ansatz aus? Gruß
Teddy schrieb: > für mich > klingt es nach Trial and Error. Und für mich klingt es nach Zeit schinden.
Alexander schrieb: > Teddy schrieb: > Hat man einen Weg gefunden, heißt es dann, man müsse nun untersuchen, > wie sich die Schaltung nun verhält, wenn man dies und jenes Bauteil > hinzufügt oder entfernt. > > Wie sähe dein Ansatz aus? > > Gruß Irgendwelche sinnvolle Formeln hinklatschen oder Schaltung simulieren?
Teddy schrieb: > Alexander schrieb: >> Teddy schrieb: >> Hat man einen Weg gefunden, heißt es dann, man müsse nun untersuchen, >> wie sich die Schaltung nun verhält, wenn man dies und jenes Bauteil >> hinzufügt oder entfernt. > Irgendwelche sinnvolle Formeln hinklatschen oder Schaltung simulieren? Und wie realistisch ist eine hingeklatschte Formel? Oder ein simuliertes Trial und Error? Aufbauen musste die Schaltung so oder so, die Zeit der Papierschlachten am Schreibtisch ist mit dem Uniabschluß zu Ende. Da zählen anfassbare Ergebnisse, nicht betsandene Multiple Choice Kreuzelein.
Teddy schrieb: > Irgendwelche sinnvolle Formeln hinklatschen oder Schaltung simulieren? Simulieren, der feuchte Traum eines Berufsanfängers... Simulieren funktioniert bei gut kalkulierbaren Schaltungen, solange höchstens eine gute handvoll Bauteile daran beteiligt sind. Und vor allem dann, wenn das zu untersuchende Problem bekannt ist. Ich kenne die "Simulation" von größeren Systemen so, dass man ein Modell aufstellt, das simuliert und dann solange dran herumbastelt, bis es zur gemessenen Realität passt. Und dann ändert man was im Schaltungsaufbau und passt nach Messungen das Modell wieder an. Ich mache es üblicherweise auch so, dass von einem fertigen Design nach und nach alle Blockkondensatoren entfernt werden. Und wenn das Design im besten Fall sogar ohne Blockkondensatoren läuft, dann ist das ein überaus beruhigendes Zeichen.
Lothar M. schrieb: > Ich mache es üblicherweise auch so, dass von einem fertigen Design nach > und nach alle Blockkondensatoren entfernt werden. Und wenn das Design im > besten Fall sogar ohne Blockkondensatoren läuft, dann ist das ein > überaus beruhigendes Zeichen. Wieso das denn? Und wenn zufällig ein Fall auftritt in der die Schaltung genau dann nicht mehr vernünftig arbeitet? Und diese mini Kondensatoren sind doch soo billig. 0,01 Cent?
Teddy schrieb: > Wieso das denn? Mal angenommen, da sind 100 dieser Kondensatoren drauf. Und das Gerät läuft soweit ordentlich durch alle Tests. Aber wenn ich davon nur 1 einzigen entferne und das Ding macht seltsame Sachen, dann ist es wesentlich beunruhigender, als wenn ich 90 der 100 entfernen kann, bis der erste Fehler auftritt. Denk mal drüber nach. Teddy schrieb: > Und diese mini Kondensatoren sind doch soo billig. 0,01 Cent? Warum machst du dann nicht gleich 200 oder 300 mehr drauf? Teddy schrieb: > Und wenn zufällig ein Fall auftritt in der die Schaltung genau dann > nicht mehr vernünftig arbeitet? Dann muss man diesem "Zufall" auf den Grund gehen. Denn alles Zufällige und Seltsame und Unerklärliche, das bei der Inbetriebnahme passiert, wird dich einholen. Und am besten dann, wenn schon 10000 der Geräte verkauft sind...
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Lothar M. schrieb: > Ich mache es üblicherweise auch so, dass von einem fertigen Design nach > und nach alle Blockkondensatoren entfernt werden. Und wenn das Design im > besten Fall sogar ohne Blockkondensatoren läuft, dann ist das ein > überaus beruhigendes Zeichen. Interessanter Ansatz um einen "Instabilitätsabstand" zu bestimmen. Gefällt mir, danke :-)
Der Unterschied zwischen einem BWLer und Ingenieur ist, das der Ingenieur die Blockkondensatoren eingebaut lässt, auch wenn der Prototyp mit weniger noch funktioniert. Dieser Mensch hat damals seine Geschäftsidee darauf aufgebaut. https://en.m.wikipedia.org/wiki/Muntzing Zur Simulation: Du bekommst auf einer Platine neben deinen Bauelementen des Schaltplans noch eine Unmenge kostenloser Bauelemente dazu, die in der Simulation nicht Auftauchen. Je höher die Frequenz, je sinnloser wird die Simulation. So kannst du die Funktion und Bauteileströme eines Schaltreglers sehr gut simulieren. Für quantitative Aussagen zur EMV versagt das jedoch völlig, da hier fast ausschließlich Koppelmechanismen außerhalb des “Schaltplans” wirksam sind.
Teddy schrieb: > klingt es nach Trial and Error. Bei vielen Fragestellungen kommst Du doch anders gar nicht weiter. Neue Erzeugnisse zeichnen sich doch dadurch aus, dass neue Wege gegangen werden. Die muss man probieren. Eigentlich ist es lobenswert, wenn eine Firma dafür Resourcen bereitstellt. Natürlich ist es so, daß in manchen Firmen ein solches Vorgehen auch deshalb praktiziert wird, weil dort Unerfahrene sitzen, meist Jungspunte, die von bekannten Lösungen nichts wissen (wollen) und täglich mehrfach das Rad neu erfinden. Das sind dann die typischen "Ingenieurbüros" wie man sie heute findet: Ein Macher, der sich selbständig gemacht hat, weil er den Kuddelmuddel in der Firma nicht mehr ertragen konnte und sich dann einige Studenten und Billigingenieure eingestellt hat, um die mittelklassigen Aufträge abzuwickeln.
Wenn ein Systemdesign kritsch in der Impedanz der Versorgung ist, sollte Mann messen was der Kaefer/die Schaltung als Impedanz "sieht". In Verbingung mit der Kenntnis der Betriebsfrequenzen kann Mann so optimale Ergebnisse erzielen. Optimal bzgl. des Aufwandes und der Wirkung. Das stochastische "Weglassen" ist nur Trial and Error und kein fundiertes Herangehen.
Sinnvollerweise ueberlaesst man den EMV Teil den erfahrenen Leuten. Und zwar schon vor der Entwicklung. Nach der Entwicklung noch EMV zu korrigieren, ist teurer wie von vorne weg. Laesst die erfahrenen Leute ihren Beitrag leisten, auch wenn es Externe Leute sind, sodass es jeder versteht. Direkt vom Studium weg ist EMV etwas viel aufs Mal. Das sollte man sich lange erklaeren lassen. Nach ein paar Jahren hat man's dann auch drauf. Vorausgesetzt man nimmt die Thematik ernst und goennt sich auch Messmittel.
Teddy schrieb: > Hallo, seit ich neu in der Arbeitswelt als “Entwicklungsingeneiur“ tätig > bin, bin ich über die Methodik des “Entwickelns“ seitens der Kollegen > verblüfft. > > Es werden einige Überlegungen gemacht, welche Richtung die Lösung zum > Problem X bringt zb EMV oder Temperaturdrift etc.. > Hat man einen Weg gefunden, heißt es dann, man müsse nun untersuchen, > wie sich die Schaltung nun verhält, wenn man dies und jenes Bauteil > hinzufügt oder entfernt. > Natürlich fließen hier sicher erfahrungswerte mit ein, aber für mich > klingt es nach Trial and Error. > Erfahrung ist von außen gesehen fast immer schwarte Magie, vor allem wenn das vermeintliche Trial zu weniger Error führt. Wenn Du geschickt bist such Dir einen Mentor und frage. Klugscheißermodus ist definitiv nicht angesagt. > Ist so die gängige Praxis in Ingenieurbüros? Wenn der erste Entwurf durch die strenge Kammer gegangen ist - ja. Denn wie fast überall ist man hinterher klüger und weiß ein bischen mehr als vorher... gerade bei der EMV... wir haben einen wirklich guten und auch angenehmerweise fröhlichen Frischling (der deutlich mehr Theorie intus hat als ich jemals haben werde) in der Abteilung... doch er sieht ganz offensichtliche Ausfallsursachen (mit magischem Rauch und so) nicht... und deswegen tauscht er zum 3. mal den Chip. Kurz gefragt, ihm einen kleinen Rat gegeben was es sein könnte(!), großes Erstaunen, kurzes Datenblattsuchen, Erklärung und - siehe an... seit dem funktioniert es. Für ihn war es Hokuspokus, für mich war es ein Nona, muß ja so sein.... MiWi
(º°)·´¯`·.¸¸.·´¯`·.¸¸.·´¯`·.¸¸.·´¯`·.¸¸.·´¯`·.¸¸.· schrieb im Beitrag #5245694: > Mann messen was der Kaefer/die Schaltung als Impedanz "sieht". > In Verbingung mit der Kenntnis der Betriebsfrequenzen kann > Mann so optimale Ergebnisse erzielen. Auch damit guckt man nur in ein Schlüsselloch, denn lustigerweise kennt man diese "Betriebsfrequenzen" nicht, weil sie oft nichts mit irgendwelchen Taktfrequenzen sondern mit "Flankensteilheit" und der Beschaltung zu tun haben. > Das stochastische "Weglassen" ist nur Trial and Error und kein > fundiertes Herangehen. Lustigerweise findet man mit dieser m.E. auch analytisch durchaus nachvollziehbaren Methode genau die Ecken, an denen genaueres Nachschauen lohnt. Denn natürlich darf man dann auch mal an dem Gerät messen und muss nicht nur auf die Funktion schauen...
Christian K. schrieb: > So kannst du die Funktion und Bauteileströme eines > Schaltreglers sehr gut simulieren. Für quantitative Aussagen zur EMV > versagt das jedoch völlig, da hier fast ausschließlich Koppelmechanismen > außerhalb des “Schaltplans” wirksam sind. Als jemand der in so einer "strengen kammer" seine brötchen verdient sage ich dir, dass das so bullshit ist. wenn du auch nur ansatzweise leistung über deinen DC/DC schieben willst (also sagen wir mal so >1kW), dann hast du simulationsmodelle die streukopplungen usw beinhalten... sonst wird das nix. mit trail&error kannst du vielleicht ein handy-netzteil entstören, aber was "echtes"... nie im leben. (ähnliches gilt auch für high-speed designs) 73
Hi Hans Hans schrieb: > wenn du auch nur ansatzweise leistung über deinen DC/DC schieben willst > (also sagen wir mal so >1kW), dann hast du simulationsmodelle die > streukopplungen usw beinhalten... sonst wird das nix. Ich habe Umrichter in verschiedenen Leistungsklassen (1-5kW sowie >4MW) entwickelt und bis zum Serienprodukt betreut. Verwendete Halbleiter waren 1200V-1700V IGBTs. Gerade im hohen Leistungsbereich habe ich die Erfahrung gemacht, dass es für die Leistungshalbleiter keine wirklich brauchbaren Simulationsmodelle (Spice) gibt. Das macht die ganze Simulation relativ schwer, vor allem wenn die simulierten Spannungen fragwürdig sind. Wie simuliert ihr eure (Leistungs)schaltungen denn? Gruß,
Simulieren ? .. Abschaetzen. Wenn ich's simulieren muesste, wuerd ich's simulieren lassen. Es gibt Packete, die koennen das. Leider sind die Kosten und die Einarbeitungszeit dazu prohibitiv. Aber einen Spezialisten beauftragen waere eine Loesung. Denn wenn man's einmal gesehen hat, muss man's nachher nicht mehr rechnen. Leistungselektronik ist 3D aufgebaut, und deshalb von der Geometrie komplizierter wie eine Leiterplatte.
Hans schrieb im Beitrag #5245824 > Als jemand der in so einer "strengen kammer" seine brötchen verdient > sage ich dir, dass das so bullshit ist. > > wenn du auch nur ansatzweise leistung über deinen DC/DC schieben willst > (also sagen wir mal so >1kW), dann hast du simulationsmodelle die > streukopplungen usw beinhalten... sonst wird das nix. > > mit trail&error kannst du vielleicht ein handy-netzteil entstören, aber > was "echtes"... nie im leben. (ähnliches gilt auch für high-speed > designs) > > 73 Träum weiter. Bis 30MHz verhält sich das alles berechen- und simulierbar. Filter machen bis dahin das, was man von der Übertragungsfunktion erwartet. Im Bereich darüber (100Mhz bis GHz Bereich) kannst Du das in die Tonne klopfen. Wenn Du genau weißt, wonach Du suchst, kannst Du einzelne Effekte mit einem EM Simulationsprogramm nachvollziehen. Aber in der Regel geht das umgekehrt. Du sagst Effekte nicht mit der Simulation voraus, sondern versuchst Dir damit gemessene Effekte zu erklären. Ich meine hier Designs mit <1ns Flankensteilheit und Automotive EMV Anforderungen. Und die liegen zum Teil keine 20dB über der Rauschleistung eines 50 Ohm Widerstands bei Zimmertemperatur.
Wenn man keine schlüssige Begründung hat, etwas an der Schaltung zu verändern, kann man es gleich bleiben lassen.Sowieso: Wenn man etwas an einem Prototypen verändern MUSS, hat man sowieso falsch geplant. Bei uns sind Tests mit dem Prototypen eigentlich nur noch Verifikation der Berechnungen, Simulationen und Voruntersuchungen (Dort wird möglicherweise noch gebastelt!). Dort wird nur geprüft, ob sich das Zeug so verhält, wie es theoretisch soll, und ob es das tut, was davon erwartet wird. Das allerdings sehr viel detaillierter, als es der typische Bastler täte. Veränderungen gibt es nur, wenn etwas nicht funktioniert wie es soll. Oder wenn der Projektleiter wieder mal was einflicken will. An der Grundfunktion von Schaltungen darf man in dieser Phase nicht mehr herumtun. Optimierungen sind ebenfalls meist sinnlos - wenn man das tun muss, hat man meistens totalen Mist geplant. --> Was eine Schaltung tut und wie, steht fest, bevor man das erste Bauteil aussucht, oder auch nur den Schaltplaneditor aufmacht. Die Zeiten vom Lötdampf, und dem halbverrücktem NERD-Bastler mit wirrem Haar sind schon lange vorbei. Bei 0402 und DFN-Packages macht das alles sowieso keinen Spass mehr. Das alles trifft aber nicht auf private Basteleien zu ;-)
Alexander schrieb: > Hi Hans > Hans schrieb: >> wenn du auch nur ansatzweise leistung über deinen DC/DC schieben willst >> (also sagen wir mal so >1kW), dann hast du simulationsmodelle die >> streukopplungen usw beinhalten... sonst wird das nix. > > Ich habe Umrichter in verschiedenen Leistungsklassen (1-5kW sowie >4MW) > entwickelt und bis zum Serienprodukt betreut. Verwendete Halbleiter > waren 1200V-1700V IGBTs. > > Gerade im hohen Leistungsbereich habe ich die Erfahrung gemacht, dass es > für die Leistungshalbleiter keine wirklich brauchbaren > Simulationsmodelle (Spice) gibt. Das macht die ganze Simulation relativ > schwer, vor allem wenn die simulierten Spannungen fragwürdig sind. > > Wie simuliert ihr eure (Leistungs)schaltungen denn? > > Gruß, hängt vom problem ab... das können ganz simple ersatzschaltbilder sein oder auch recht aufwendige wo man auch die parasitics aus dem pcb, den induktivitäten, elkos,... mit rein nimmt. für emv sind die halbleitermodelle nicht das problem... da steckt das knowhow im parasitics abschätzen... für die halbleiter reicht zu 95% ein simpler schalter :) wenn was aufschwing (z.B. streuinduktivität einer stroko mit einem y-C), dann sieht man das damit dann auch... ich hätte von pspice bis zum CST microwave studio alles verfügbar... muss aber gestehen, dass meistens ltspice, der schaltplan und ein paar screenshots vom VNA (messen ist besser als dem datenblatt zu glauben ;) mit den daten der verdächtigen reichen :) Christian K. schrieb: > Du sagst Effekte nicht mit der Simulation > voraus, sondern versuchst Dir damit gemessene Effekte zu erklären. > Ich meine hier Designs mit <1ns Flankensteilheit und Automotive EMV > Anforderungen. Und die liegen zum Teil keine 20dB über der > Rauschleistung eines 50 Ohm Widerstands bei Zimmertemperatur. hängt davon ab.. du kannst sehr viel vorhersagen. für's entstören ist die simulation aber eher ein hilfsmittel um zu verstehen des problems. "automotive EMV anforderungen".. ist ja nett :) zugegebenermaßen sind die immunity anforderungen etwas herausfordernder als 0815 zeug nach den generics aber die emissionen sind in den unterschiedlichen CISPR normen ähnlich. 73
Teddy schrieb: > Irgendwelche sinnvolle Formeln hinklatschen oder Schaltung simulieren? Nur verhalten sich Bauelemente nicht immer so, wie erwartet. Im Bereich Leistungselektronik ist es schon ein Unterschied, wie die Leitungen verlegt werden, einfach verdrillt oder beide Steuerleitungen der Halbbrücken verdrillt.
Hans schrieb: > "automotive EMV anforderungen".. ist ja nett :) zugegebenermaßen sind > die immunity anforderungen etwas herausfordernder als 0815 zeug nach den > generics aber die emissionen sind in den unterschiedlichen CISPR normen > ähnlich. Dann beschäftige dich mal kurz damit, wie nach CISPR25 im Vergleich zu CISPR22 / EN55022 gemessen wird. Das sind nach CISPR25 bis ca. 55MHz Nahfeldmessungen auch wenn sie als Radiated bezeichnet und mit Antennen gemessen werden. Im Endeffekt hast Du in weiten Bereichen zwischen 30dB und 60dB strengere Anforderungen. Beispiel, typische OEM Anforderung im 4m(84MHz) und 2m BOS Bereich ist 2dbuV average in 1m Abstand gemessen. Das geht bei den 3m und 10m Abstand der “normalen” Antennenmessungen nach CISPR22 / EN55022 im Rauschen der Messempfänger unter.
soso schrieb: > Die Zeiten vom Lötdampf, und dem halbverrücktem NERD-Bastler mit wirrem > Haar sind schon lange vorbei. > Bei 0402 und DFN-Packages macht das alles sowieso keinen Spass mehr. Wenn man die 10te Iteration von 0815 Zeug macht, stimmt das sicher. Für Entwicklungen, für die es noch keine jahrzehntelange Produktionserfahrung gibt, gilt das nicht. Warum ist ein HP3458A immer noch State of the Art, wenn es doch in den 80er Jahren von 4 “halbverrückten” entwickelt wurde. Wenn Du mal in die Entwicklung von wirklich Neuem hineinschaust, wirst Du dich wundern, wieviel Prototyp Iterationen gemacht werden, bis das dem Endprodukt auch nur ähnlich sieht. Dabei sieht das in der Hardware Entwicklung wegen der Kosten noch deutlich besser aus wie in der Software.
Teddy schrieb: > Hallo, seit ich neu in der Arbeitswelt als “Entwicklungsingeneiur“ tätig > bin, bin ich über die Methodik des “Entwickelns“ seitens der Kollegen > verblüfft. Das ist an den Universitäten doch nicht anders. Geschätzt 90% der Abschlussarbeiten sind doch schon drölf mal umformuliert und allgemeinbekannt, weswegen sie zu keinen neuen Erkenntnissen fuehren. In Indien gilt das vermutlich sogar für 99%. Wenn man HW entsprechend simulieren könnte, wozu dann die ganzen Tests wie EMV, ueber 200 Tage HTOE etc? Weil man es fuer eine nicht maßlos ueberdimensionierte Schaltung eben nicht realistisch genug hinkriegt, gerade deswegen ist so viel Erfahrung notwendig. Sonst wird das Ding zu teuer und gross.
Christian K. schrieb: > soso schrieb: > >> Die Zeiten vom Lötdampf, und dem halbverrücktem NERD-Bastler mit wirrem >> Haar sind schon lange vorbei. >> Bei 0402 und DFN-Packages macht das alles sowieso keinen Spass mehr. > > > Wenn man die 10te Iteration von 0815 Zeug macht, stimmt das sicher. Für > Entwicklungen, für die es noch keine jahrzehntelange > Produktionserfahrung gibt, gilt das nicht. Warum ist ein HP3458A immer > noch State of the Art, wenn es doch in den 80er Jahren von 4 > “halbverrückten” entwickelt wurde. Wenn Du mal in die Entwicklung von > wirklich Neuem hineinschaust, wirst Du dich wundern, wieviel Prototyp > Iterationen gemacht werden, bis das dem Endprodukt auch nur ähnlich > sieht. > > Dabei sieht das in der Hardware Entwicklung wegen der Kosten noch > deutlich besser aus wie in der Software. Dass es mehrere Iterationen immer geben kann, ist normal, etwas anderes habe ich auch nicht behauptet. Wenn man eine Platine sauber in Betrieb nimmt (also nicht nur Einschalten -> LED grün -> Passt), sondern wenn man alle Paramter misst und z.B. das Verhalten beim Ein- und Ausschalten betrachtet, Regler sauber kompensiert und so weiter kommen fast immer ein paar Kleinigkeiten auf, die geändert werden müssen. Und wenn es nur für die EMV ist. Mehr als 2 oder 3 Iterationen sind aber NICHT normal, auch nicht bei komplexen oder schwierigen Platinen. Was ist komplex? Schwierig zu sagen, für mich wäre das z.B. eine CPU-Platine mit i.MX6 (mit DDR3), FPGA und viel Analogkram. Wer zwischen dem ersten und dem zweiten Prototypen mehr als ein paar Kleinigkeiten ändern muss, hat entweder viel Pech gehabt (das kommt vor), oder macht etwas grundlegend falsch. Wer unprofessionell arbeitet (aka bastelt), kommt vielleicht auch zum Ergebnis, vielleicht sogar zu einem optimaleren, im Zeitplan wird man damit nicht bleiben. Es müssen Qualität, Kosten UND Zeit stimmen, sonst ist das Projekt ein Fehlschlag. Wann probiert man dann kritische Dinge aus? BEVOR man das Konzept abschließt, d.h. bevor man die allererste Leiterpahn plant. Nicht beim Prototypen. Da ist es VIEL zu spät... Das alles klingt Spassbefreit. Aber wir reden hier von Hardwareentwicklung und nicht von der Arduino-LED-Steuerung für Zuhause. PS; Dein Beispiel ist schlecht. Ich wette viel Geld, dass HP in den 80ern die Geräte sauber durchgerechnet und geplant hat. Da wurde zwar vermutlich mehr händisch gerechnet als simuliert (nicht mal das ist sicher...), aber wild gebastelt wurde da nicht. Da bin ich mir zu 100% sicher. Wir reden hier von HP, nicht irgendeiner Frickelbude.
Hmm schrieb: > PS; > Dein Beispiel ist schlecht. Ich wette viel Geld, dass HP in den 80ern > die Geräte sauber durchgerechnet und geplant hat. Da wurde zwar > vermutlich mehr händisch gerechnet als simuliert (nicht mal das ist > sicher...), aber wild gebastelt wurde da nicht. Da bin ich mir zu 100% > sicher. Wir reden hier von HP, nicht irgendeiner Frickelbude. Soso. Du weißt, wie Ende der 80er Jahre bei HP entwickelt wurde. Deine Wette halte ich, ich hab in der Zeit dort gearbeitet. Nach dem A sample, bei dem einzelne Komponenten aufgebaut werden wurde ein “Proof of Konzept” B-sample gebaut. Typischerweise ein Drahtverhau, bei dem jedem nicht R&D Experten schon beim Anblick die Haare zu Berge stehen würden. Das C-Sample war der erste gerätenahe Platinensatz. Theoretisch gabs danach das D-Sample als Produktionsmuster, praktisch gibts einige “ungeplante” C-sample iterationen. Wesentliches Qualitätsmerkmal der Iterationen ist die Anzahl der Yellow-wires, die wenigsten logarithmisch in der Anzahl abnehmen sollten. Klar wird soviel gerechnet und simuliert, wie es geht. Aber viel Dinge mußt Du schlicht ausprobieren. Beispiel die geheizte Burried Zener Referenz mit der LTZ1000. Dessen 1/f, Poppkorn Noise und Drift kannst Du nicht simulieren. Die Schaltung mußt Du aufbauen und messen. Auch heute gibts bei HP noch einen burn in Raum, in dem die LTZ1000 Referenzplatinen auf Drift und Poppkorn Noise Tage bis Monate getestet und selektiert werden. Es gibt weltweit ein einziges DVM, Keithley 2002 das dem HP3458A nahe kommt. Benutzt die selbe LTZ1000 Referenz und zufällig arbeitet ein Entwickler aus dem alten HP Team der 80er Jahre dort.
Christian K. schrieb: > Hans schrieb: >> "automotive EMV anforderungen".. ist ja nett :) zugegebenermaßen sind >> die immunity anforderungen etwas herausfordernder als 0815 zeug nach den >> generics aber die emissionen sind in den unterschiedlichen CISPR normen >> ähnlich. > > Dann beschäftige dich mal kurz damit, wie nach CISPR25 im Vergleich zu > CISPR22 / EN55022 gemessen wird. Das sind nach CISPR25 bis ca. 55MHz > Nahfeldmessungen auch wenn sie als Radiated bezeichnet und mit Antennen > gemessen werden. Im Endeffekt hast Du in weiten Bereichen zwischen 30dB > und 60dB strengere Anforderungen. Beispiel, typische OEM Anforderung im > 4m(84MHz) und 2m BOS Bereich ist 2dbuV average in 1m Abstand gemessen. > Das geht bei den 3m und 10m Abstand der “normalen” Antennenmessungen > nach CISPR22 / EN55022 im Rauschen der Messempfänger unter. Gut das die 22er gar nicht mehr anwendbar ist... 73
Hmm schrieb: > kommen fast immer ein paar Kleinigkeiten auf, die geändert werden > müssen. Und wenn es nur für die EMV ist. > Mehr als 2 oder 3 Iterationen sind aber NICHT normal Wie viele Iterationen kommen denn im "Profi" Bereich zur Korrektur von fehlerhaften Footprints, falschen Stecker Belegungen oder falsch bestückten Bauteilen?
Mal ne andere Frage (von einem Berufsanfänger): wieso gibt es eigentlich diese "automotive ratings" bzw. was ist so speziell an diesen? Klar sind die Anforderungen an Bauelemente in einem Fahrzeug hinsichtlich Temperatur, Vibration und einigem anderem vermutlich höher als bei vielen Standardanwendungen. Aber das steht ja gefühlt bei jedem 2. Bauteil drauf. Ist die Autoindustrie ein so wichtiger Abnehmer von Halbleiterbauteilen?
vor allem ists das temperatur rating... teilweise ists dann auch ein 100% tests. das hängt dann vom hersteller etwas ab. nicht ganz unwesentlich ist auch, dass die automotive gerateten bauteile üblicherweise länger verfügbar sind/es eine garantierte verfügbarkeit gibt. 73
Christian K. schrieb: > Hmm schrieb: > >> PS; >> Dein Beispiel ist schlecht. Ich wette viel Geld, dass HP in den 80ern >> die Geräte sauber durchgerechnet und geplant hat. Da wurde zwar >> vermutlich mehr händisch gerechnet als simuliert (nicht mal das ist >> sicher...), aber wild gebastelt wurde da nicht. Da bin ich mir zu 100% >> sicher. Wir reden hier von HP, nicht irgendeiner Frickelbude. > > Soso. Du weißt, wie Ende der 80er Jahre bei HP entwickelt wurde. Deine > Wette halte ich, ich hab in der Zeit dort gearbeitet. Nach dem A sample, > bei dem einzelne Komponenten aufgebaut werden wurde ein “Proof of > Konzept” B-sample gebaut. Typischerweise ein Drahtverhau, bei dem jedem > nicht R&D Experten schon beim Anblick die Haare zu Berge stehen würden. Das überrascht mich schon etwas. Trotzdem man kann das heutzutage nicht mehr so arbeiten. Mein letztes Board (mit dem erwähnten i.MX6) ist so, dass man da kaum noch großartig Drähte ziehen kann. Ich hatte da viele Leiterbahnen, die gar nicht an die "Oberfläche" der Platine kommen, zumindest nicht an Stellen die erreichbar sind. Immerhin hat das Board 10 Lagen. Und dabei ist der i.MX6 noch simpel (0,8mm-Pitch 625 Balls) - zerleg mal ein Handy und kuck dir das mal an, was da so drauf ist. Oder ein Mainboard. Auch bei kleineren Platinen ist es nicht mehr so einfach. Selbst Schaltregler kommen in BGA oder DFN-Packages. Die Zum Auslöten braucht man oft eine Heißluftstation. Da ist ein Drahtverhau-Iterativ-Konzept nicht sinnvoll. Dr. Sommer schrieb: > Hmm schrieb: >> kommen fast immer ein paar Kleinigkeiten auf, die geändert werden >> müssen. Und wenn es nur für die EMV ist. >> Mehr als 2 oder 3 Iterationen sind aber NICHT normal > > Wie viele Iterationen kommen denn im "Profi" Bereich zur Korrektur von > fehlerhaften Footprints, falschen Stecker Belegungen oder falsch > bestückten Bauteilen? Hab nie behauptet, das würde nicht vorkommen. Aber das sind derartige Sachen, die beim ersten Prototypen auffallen müssen. Darum baut man Prototypen auch auf Serienanlagen, um Dinge wie falsches Padlayout zu finden.
Schau Dir mal die "Bastelaufbauten" von Pease, Williams und Konsorten an. Dessen Applikationsschaltungs - Bastelraum mit den dreidimensionalen Mustergewöllen haben die sogar museal konserviert. Einen relativ schnellen ersten Schuß einer Hardware sehe ich gar nicht mal so kritisch. Natürlich muß die grundsätzliche Architektur und die Schnittstellen sauber stehen. Dazu gehört natürlich etwas Erfahrung. Nur alles, aber wirklich alles vorher sauber simuliert und berechnet zu haben ist schlicht und ergreifend illusorisch - und auch teils wirklich nicht möglich oder finanzierbar. Bestimmte Kernpunkte müssennatürlich vorher erstmal mit Evaluationsplatinen erprobt werden, die Zusammenhänge mit den groben parasitäen Eigenschaften auch ins Spice - um zu sehen - ob das gedachte auch grundsätzlich stimmt. Manch große Firma hält sich natürlich eine ganze Abteilung an Bauteilcharakterisierung und Modellerstellung - und hat beliebig viel Geld für Software und Personal für die angesprochenen Vorabuntersuchungen. Aber im produktiven Mittelstand sehe ich das anders - insbesondere bei kleineren Stückzahlen. Es ist halt ein Unterschied ein Projekt für 100k€ oder 2Mio zu realisieren. Wenn natürlich funktionale Sicherheit oder Medizintechnik im Spiel ist, hört natürlich der Spaß auf. Insbesondere wenn Soft- und Hardware z.B. in Form von Sensorik oder HF zusammenkommen, können die Softwerker schonmal an echter Hardware arbeiten. Ist auch dazu ein positiver psychologischer Faktor. Es ist was da, das tut und ggfs. dem Endprodukt schonmal als Demonstrator nahe kommt.
Christian K. schrieb: > Nach dem A sample, bei dem einzelne Komponenten aufgebaut werden wurde > ein “Proof of Konzept” B-sample gebaut. Typischerweise ein Drahtverhau, > bei dem jedem nicht R&D Experten schon beim Anblick die Haare zu Berge > stehen würden. Das C-Sample war der erste gerätenahe Platinensatz. > Theoretisch gabs danach das D-Sample als Produktionsmuster, praktisch > gibts einige “ungeplante” C-sample iterationen. Wesentliches > Qualitätsmerkmal der Iterationen ist die Anzahl der Yellow-wires, die > wenigsten logarithmisch in der Anzahl abnehmen sollten. Klar wird soviel > gerechnet und simuliert, wie es geht. Guter Beitrag. Genau so sieht die Realität heute noch in der Automotive-Elektronikentwicklung aus. Hier ein interessantes Zitat: Einst stand die Firma Unilever vor dem schwer zu lösenden Problem, eine bestimmte Düse zu entwickeln. Daher kreierten die Entwickler zehn beliebige Varianten, testeten sie und behielten die am besten geeignete bei. Von der fertigten sie wieder zehn leichte Abwandlungen und so weiter. Nach 45 Zyklen hatten die Ingenieure eine komplizierte Düse entwickelt, die genau das tat, was sie wollten und bestens funktionierte. Das Trial & Error-Prinzip hatte ineffektive Berechnungen und akribische Planungen geschlagen. Und zum Schluss kam etwas dabei heraus, das den Anschein erweckte, es sei von Anfang an geplant gewesen.
Der i.MX6 und seine digitale Peripherie sind in den meisten Fällen das kleinere Problem, da selbst bei schnellen Bussystemen mit kontrollierten Wellenwiderstand und einem Powernet mit vorhersehbarem Impedanzverlauf designed werden kann. Außerdem gibts funktionsfähige Demo-Systeme zum abkupfern. Der Spaß beginnt bei den analogen Front-ends und RF Anteilen. Deren Verhalten auf dem Board kannst du nur vermuten und nach besten Wissen layouten. Den Kampf mit den Naturgesetzen verlierst Du bei den ersten ein, zwei Runden meist trotzdem. Zu Zeiten der bedrahteten Bauteile war noch in Wire wrap und Fädeltechnik etwas zu testen und zu modifizieren. Heute geht das nur noch über Platineniterationen. Um ein Board EMV seitig zu optimieren sind schnell mal 2-4 Iterationen fällig. Ich rede hier nicht von Heizungssteuerungen mit einem kleinen uP und zwei LM324. Die frisch gebackenen Projektleiter mit ihren Terminplantemplates fangen immer wieder höchst optimistisch mit zwei Platinenrunden an. Ohne die nötige Zeit dazwischen zur sorgfältigen Analyse einzuplanen. Leider, oder zum Glück sind die Maxwellschen Gesetze, Zeit- Orts- und Power Point invariant. Daher dauert es am Ende immer gleich lang und je aggressiver der erste Zeitplan verfolgt wird, umso länger dauert das Projekt am Ende, da zu Anfang mehr Abkürzungen (Corners cut) gemacht werden, wie das Projekt verträgt. Da hat sich die letzten 50 Jahre nichts geändert.
Maik .. schrieb: > Manch große Firma hält sich natürlich eine ganze Abteilung an > Bauteilcharakterisierung und Modellerstellung - und hat beliebig viel > Geld für Software und Personal für die angesprochenen > Vorabuntersuchungen. Keine Ahnung warum sich solche Ammenmärchen so lange halten. Die fragen Ihre Modelle bei den Zulieferern an und erst wenn es absolut nötig ist und ein Erfolg gar nicht anders zu erzielen ist, wird in die Modellierung investiert. Wenn Du bei der Modellierung auf jemanden stößt, der wirklich weiß was er tut, hast Du schon sehr viel Glück. > Wenn natürlich > funktionale Sicherheit oder Medizintechnik im Spiel ist, hört natürlich > der Spaß auf. Auch da mein Sohn... Gärtner und Ärzte begraben ihre Fehler. Spaß beiseite, natürlich gehst Du in dem Bereich so konservativ wie möglich vor. Die Regeln sind dort wie bei der Fliegerei in Blut geschrieben. Trotzdem gibt es immer wieder etwas unerwartetes zu lernen.
Christian K. schrieb: > Maik .. schrieb: > >> Manch große Firma hält sich natürlich eine ganze Abteilung an >> Bauteilcharakterisierung und Modellerstellung - und hat beliebig viel >> Geld für Software und Personal für die angesprochenen >> Vorabuntersuchungen. > > Keine Ahnung warum sich solche Ammenmärchen so lange halten. Die fragen Lieber Christian - nicht so von oben herab! Dieses "Ammenmärchen" habe ich vor gut 10 Jahren während meines Studims über Monate täglich bunt und in Farbe bei einem Automobilzulieferer bewundern dürfen. Da habe ich dann beschlossen - in so einem Laden nicht meine Diplomarbeit zu schreiben, sondern lieber im Mittelstand. Meine Lebenszeit ist mir für sowas zu wertvoll. Lieber werden Dinge in endlicher Zeit fertig. Mit vertretbarem Aufwand. vg
Lieber Maik, dann mal konkret. Welches elektronische Bauteil wurde modelliert? Elektromechanisches wie ein Piezo- oder magnetisches Einspritzventil oder ein mechanisches Bauteil/ Baugruppe glaube ich dir. Für mechanische oder elektrische Systemsimulation gibt die Automobilindustrie sehr viel Geld aus (siehe Logger und Simulatoren z.B. von dSpace etc.) Ein elektronisches Bauteil wie z.B. einen Mosfet, BJT oder IGBT oder komplexere IC glaube ich dir nicht. Das bekommt ja mancher Halbleiterhersteller nicht einmal brauchbar hin. Dazu arbeite ich zu lange in der Branche.
Christian K. schrieb: > Lieber Maik, > > dann mal konkret. Welches elektronische Bauteil wurde modelliert? ... > Ein elektronisches Bauteil wie z.B. einen Mosfet, BJT oder IGBT oder > komplexere IC glaube ich dir nicht. > Das bekommt ja mancher Halbleiterhersteller nicht einmal brauchbar hin. > Dazu arbeite ich zu lange in der Branche. Von IGBTs oder ICs habe ich nirgends geschrieben. Zur Konketisierung - Es waren vor allem HF-Bauteile. Soweit ich mich daran nach den vielen Jahren noch genau erinnere standen da mindestens 3 NWA Meßplätze vornehmlich zur Bauteilcharakterisierung in einer Reihe - inkl Personal. In guter Erinnerung sind mir die kleinen Scherentische vor den NWAs geblieben - um Fehler durch Testportkabel zu den Fixtures zu eliminieren. Hat damals mächtig Eindruck auf mich gemacht. damals hatte ich mir grade privat meinen ersten gebrauchten Networkanalyzer angeschafft. Gut - war etwas HF-lastig. Es war ein Standort für Infotainment- und Antennenfertigung und die zugehörige Entwicklung. EMV wurde auch gemacht. In dem furchtbar lärmigem Großraumlabor rumorten die Lüfter der Bauteilcharakterisierung NWAs mit mehrerenMeßplätzen zum Test kopletter Baugruppen um die Wette. Mit meinem Komilitonen, der in der Abteilung saß, hatte ich allein der Großraumbürumgebung wegen echtes Mitleid.
Eine Menge Prosa. Aber in Wirklichkeit gehts doch in der Elektronik nicht anders zu, als im ganzen übrigen Arbeitsleben. Die Spielregeln sind überall die gleichen: Wenn man effektiv arbeitet, ist man am Montag fertig. Mit viel Fantasie, Kaffee, Zigaretten und Diskussionen reichts noch für Dienstag. Den Rest der Woche hat man eigentlich nichts mehr zu tun. Wenn das der Chef bemerkt, kommt er noch auf dumme Gedanken, und drückt einem würdelose Nebentätigkeiten aufs Auge. Zur Gefahrenabwehr wurde deshalb die sogenannte Optimierung erfunden. Da werden dann Schritt für Schritt all die überflüssigen Bauteile wieder aus der Schaltung entfernt, die man vorher in weiser Voraussicht eingefügt hatte. Jetzt ist mir auch endlich klar, warum auf fast jeder Elektronikplatine so viele unbestückte Bauteilplätze zu finden sind.
Was für ein köstlicher Thread. Am meisten kann ich mich über die Buchhalter amüsieren, die sich hier gegenseitig die EMV-Normen (laaaangweilig!) um die Ohren hauen und stolz darauf sind wenige Iterationen zu brauchen oder mal 1000 Strippen auf'm 10-Lagen Brett gezogen zu haben. Seit ihr Layouter oder Entwickler?! Damit wär ich nicht zufrieden. Das interessante Zeug wird erdacht, in Einzelteilen mal simuliert (bringt bei wenigen hundert MHz schon oft nix) und dann schön als Drahtigel aufgebaut und vermessen. Um den uninteressanten Rest (Stromversorgung, Mechanik etc.) können sich dann die anderen kümmern, Layouter und so. Falls die mal ein Problem haben, können sie mich ja fragen. Ebenso der EMV-Messknecht. Natürlich braucht es dann Iterationen in Hardware. Wer etwas anderes behauptet macht nur Kinderkram.
Mittlerweile kann man auch in mehrlagigen Leiterplatten die Kopplung zwischen Leitungen rechnen. Die guenstigen Programme machen das mit vielen Randbedingungen, die Teuren koennen das ohne. Damit hat man aber noch nicht die Kopplung minimiert. Und Kopplungen bedeutet ja noch nicht Stoerungen. Die Signale auf den verschiedenen Leitungen koennen ja auch zeitlich, und/oder frequenzmaessig aneinander vorbeikommen. Das kann eine Simulation alles nicht wissen. Layouter und Entwickler kann man oft nicht voneinader trennen. Wenn man den Job trennt und denkt Trivialitaeten auf guenstige Horden auszulagern, kaempfen die vielleicht gegen Windmuehlen, die auf hoherer Ebene gar nicht existieren. Deswegen kann es schon Sinn machen Produkte vertikal zu entwickeln. Ein Entwickler, von der Spezifikation der Anforderungen, Design, Prototypen, EMV Tests, Einkauf, Aufgleisen der Serienpoduktion, alles am Stueck machen zu lassen. Also ich kann und mache das. Oft kann man sich viel Arbeit ersparen, schon an der Anforderungsbesprechung die richtigen Fragen zu stellen. 0.01 Grad Aufloesung - braucht ihr das ? Wozu ? .. 1 Grad genuegt auch. Aha. Frequenzstabilitaet von 1ppb - Sicher ? .. 10 ppm genuegen auch.
Die Erfahrung als Entwicklungsingenieur lehrt (egal ob Harware oder Software): Was man nicht testet funkioniert auch nicht.
hagbard schrieb: > Was man nicht testet funkioniert auch nicht. Dieser Text sollte in roten Buchstaben von mindestens 1m Größe in jedem Entwicklerbüro an der Wand stehen.
Bentschie schrieb: > hagbard schrieb: >> Was man nicht testet funkioniert auch nicht. > > Dieser Text sollte in roten Buchstaben von mindestens 1m Größe in jedem > Entwicklerbüro an der Wand stehen. Klar, gleich neben der Weisheit "Wasser macht naß"...
Alexander schrieb: > Wie simuliert ihr eure (Leistungs)schaltungen denn? Ruf mal in Chemnitz beim Josef Lutz an. Der ist der Überexperte des Fachgebiets Leistungsbauelemente und kann Dir weiterhelfen respektive Dich weitervermitteln nach Siemens Erlangen in die Mittelspannungsumrichter-Abteilung.
C. A. Rotwang schrieb: > Klar, gleich neben der Weisheit "Wasser macht naß"... Na ja, das sehe ich etwas differenzierter. "Wasser macht nass" ist trivial. Aber es kommt immer wieder vor, das man sehr genau drüber nachdenkt, ob es noch andere Auswirkungen gibt, um dann festzustellen, das mann gar nicht so doof denken kann wie es dann doch ist. z.B. Eine Temperaturdrift eines Transistors in der Rückkopplung, die dann den Arbeitspunkt soweit verschiebt, das bei niedrigen Temperaturen der Sollwert so groß geworden und gleichzeitig durch die Kälte die Ohmschen Widerstände so klein geworden sind, das beim Anlauf des Netzteiles ab ca. -35°C das NT in die Überstromabschaltung hineinläuft. Und sag jetzt nicht, das hättest Du vorher gewusst. Das meinte ich mit Was man nicht Testet funktioniert auch nicht. Es gibt auch Schaltungen die bei 0°C problemlos funktionieren, bie -40°C auch, aber bei -25°C nicht anlaufen.
Bentschie schrieb: > Das meinte ich mit Was man nicht Testet funktioniert auch nicht. Es gibt > auch Schaltungen die bei 0°C problemlos funktionieren, bie -40°C auch, > aber bei -25°C nicht anlaufen. Das ist aber schon ein Spezialfall, den man durch richtiges Design abfangen kann. Dazu sind Kontinuitätsbetrachtungen nötig. Ein typischer Fall, wo der Ingenieure auch denken und nicht nur simulieren muss. Erfahrung spielt auch eine Rolle. Viele muss man mal durchgemacht haben.
Hajo schrieb: > Natürlich braucht es dann Iterationen in Hardware. Wer etwas anderes > behauptet macht nur Kinderkram. Jedem anständigen Entwickler ist das klar. Seinem Chef oder auch dem Projektleiter aber oft nicht. Da wird erwartet dass beim ersten Versuch ein fertiges hübsches Board herausfällt. Egal wie anspruchsvoll die Aufgabe ist. - Erster funktionsfähiger Prototyp überhaupt (nachdem sich eine andere Abteilung ein halbes Jahr die Zähne dran ausgebissen hat)? => ja ganz nett... - Funktioniert grob ohne sichtbare/relevante Modifikationen? => auch nett... - Es wird ein bisschen was "gefädelt" mit Drähten und ICs um die Performance nochmal um ca. 25% zu steigern => DAS IST JA HÄSSLICH!!11 Aber da fehlt es den Leuten an der Erfahrung, da gibts weitaus schlimmere Prototypen. Aber hey, es funktioniert, wo ist das Problem? Wir haben auch andere Leute. Die Simulieren zu Beginn extrem viel herum, rechnen sich die Welt schön (Offsetspannungen?, Biasströme?, braucht man nicht...) und wundern sich dann warum das Zeug hernach nicht funktioniert. Denen ihre Prototypen sehen dann aber schön aus: Denn die sind derartige Fehlentwicklungen, dass man da auch mit Fädeldraht nichts mehr retten kann. Entsprechend dem Topic: Ja, "das ist F&E!"
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