Forum: Ausbildung, Studium & Beruf Soll das F&E sein?


von Teddy (Gast)


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Hallo, seit ich neu in der Arbeitswelt als “Entwicklungsingeneiur“ tätig 
bin, bin ich über die Methodik des “Entwickelns“ seitens der Kollegen 
verblüfft.

Es werden einige Überlegungen gemacht, welche Richtung die Lösung zum 
Problem X bringt zb EMV oder Temperaturdrift etc..
Hat man einen Weg gefunden, heißt es dann, man müsse nun untersuchen, 
wie sich die Schaltung nun verhält, wenn man dies und jenes Bauteil 
hinzufügt oder entfernt.
Natürlich fließen hier sicher erfahrungswerte mit ein, aber für mich 
klingt es nach Trial and Error.

Ist so die gängige Praxis in Ingenieurbüros?

von Alexander (Gast)


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Teddy schrieb:
> Hat man einen Weg gefunden, heißt es dann, man müsse nun untersuchen,
> wie sich die Schaltung nun verhält, wenn man dies und jenes Bauteil
> hinzufügt oder entfernt.

Wie sähe dein Ansatz aus?

Gruß

von der schreckliche Sven (Gast)


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Teddy schrieb:
> für mich
> klingt es nach Trial and Error.

Und für mich klingt es nach Zeit schinden.

von Teddy (Gast)


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Alexander schrieb:
> Teddy schrieb:
> Hat man einen Weg gefunden, heißt es dann, man müsse nun untersuchen,
> wie sich die Schaltung nun verhält, wenn man dies und jenes Bauteil
> hinzufügt oder entfernt.
>
> Wie sähe dein Ansatz aus?
>
> Gruß

Irgendwelche sinnvolle Formeln hinklatschen oder Schaltung simulieren?

von C. A. Rotwang (Gast)


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Teddy schrieb:
> Alexander schrieb:
>> Teddy schrieb:
>> Hat man einen Weg gefunden, heißt es dann, man müsse nun untersuchen,
>> wie sich die Schaltung nun verhält, wenn man dies und jenes Bauteil
>> hinzufügt oder entfernt.

> Irgendwelche sinnvolle Formeln hinklatschen oder Schaltung simulieren?

Und wie realistisch ist eine hingeklatschte Formel? Oder ein simuliertes 
Trial und Error? Aufbauen musste die Schaltung so oder so, die Zeit der 
Papierschlachten am Schreibtisch ist mit dem Uniabschluß zu Ende. Da 
zählen anfassbare Ergebnisse, nicht betsandene Multiple Choice 
Kreuzelein.

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


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Teddy schrieb:
> Irgendwelche sinnvolle Formeln hinklatschen oder Schaltung simulieren?
Simulieren, der feuchte Traum eines Berufsanfängers...

Simulieren funktioniert bei gut kalkulierbaren Schaltungen, solange 
höchstens eine gute handvoll Bauteile daran beteiligt sind. Und vor 
allem dann, wenn das zu untersuchende Problem bekannt ist.

Ich kenne die "Simulation" von größeren Systemen so, dass man ein Modell 
aufstellt, das simuliert und dann solange dran herumbastelt, bis es zur 
gemessenen Realität passt. Und dann ändert man was im Schaltungsaufbau 
und passt nach Messungen das Modell wieder an.

Ich mache es üblicherweise auch so, dass von einem fertigen Design nach 
und nach alle Blockkondensatoren entfernt werden. Und wenn das Design im 
besten Fall sogar ohne Blockkondensatoren läuft, dann ist das ein 
überaus beruhigendes Zeichen.

von Teddy (Gast)


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Lothar M. schrieb:
> Ich mache es üblicherweise auch so, dass von einem fertigen Design nach
> und nach alle Blockkondensatoren entfernt werden. Und wenn das Design im
> besten Fall sogar ohne Blockkondensatoren läuft, dann ist das ein
> überaus beruhigendes Zeichen.

Wieso das denn?
Und wenn zufällig ein Fall auftritt in der die Schaltung genau dann 
nicht mehr vernünftig arbeitet?

Und diese mini Kondensatoren sind doch soo billig. 0,01 Cent?

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


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Teddy schrieb:
> Wieso das denn?
Mal angenommen, da sind 100 dieser Kondensatoren drauf. Und das Gerät 
läuft soweit ordentlich durch alle Tests.

Aber wenn ich davon nur 1 einzigen entferne und das Ding macht seltsame 
Sachen,  dann ist es wesentlich beunruhigender, als wenn ich 90 der 100 
entfernen kann, bis der erste Fehler auftritt.

Denk mal drüber nach.

Teddy schrieb:
> Und diese mini Kondensatoren sind doch soo billig. 0,01 Cent?
Warum machst du dann nicht gleich 200 oder 300 mehr drauf?

Teddy schrieb:
> Und wenn zufällig ein Fall auftritt in der die Schaltung genau dann
> nicht mehr vernünftig arbeitet?
Dann muss man diesem "Zufall" auf den Grund gehen. Denn alles Zufällige 
und Seltsame und Unerklärliche, das bei der Inbetriebnahme passiert, 
wird dich einholen. Und am besten dann, wenn schon 10000 der Geräte 
verkauft sind...

: Bearbeitet durch Moderator
von Der Andere (Gast)


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Lothar M. schrieb:
> Ich mache es üblicherweise auch so, dass von einem fertigen Design nach
> und nach alle Blockkondensatoren entfernt werden. Und wenn das Design im
> besten Fall sogar ohne Blockkondensatoren läuft, dann ist das ein
> überaus beruhigendes Zeichen.

Interessanter Ansatz um einen "Instabilitätsabstand" zu bestimmen.
Gefällt mir, danke :-)

von Christian K. (Gast)


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Der Unterschied zwischen einem BWLer und Ingenieur ist, das der 
Ingenieur die Blockkondensatoren eingebaut lässt, auch wenn der Prototyp 
mit weniger noch funktioniert.

Dieser Mensch hat damals seine Geschäftsidee darauf aufgebaut.

https://en.m.wikipedia.org/wiki/Muntzing

Zur Simulation: Du bekommst auf einer Platine neben deinen Bauelementen 
des Schaltplans noch eine Unmenge kostenloser Bauelemente dazu, die in 
der Simulation nicht Auftauchen. Je höher die Frequenz, je sinnloser 
wird die Simulation. So kannst du die Funktion und Bauteileströme eines 
Schaltreglers sehr gut simulieren. Für quantitative Aussagen zur EMV 
versagt das jedoch völlig, da hier fast ausschließlich Koppelmechanismen 
außerhalb des “Schaltplans” wirksam sind.

von A. F. (chefdesigner)


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Teddy schrieb:
> klingt es nach Trial and Error.


Bei vielen Fragestellungen kommst Du doch anders gar nicht weiter. Neue 
Erzeugnisse zeichnen sich doch dadurch aus, dass neue Wege gegangen 
werden. Die muss man probieren. Eigentlich ist es lobenswert, wenn eine 
Firma dafür Resourcen bereitstellt.

Natürlich ist es so, daß in manchen Firmen ein solches Vorgehen auch 
deshalb praktiziert wird, weil dort Unerfahrene sitzen, meist 
Jungspunte, die von bekannten Lösungen nichts wissen (wollen) und 
täglich mehrfach das Rad neu erfinden.

Das sind dann die typischen "Ingenieurbüros" wie man sie heute findet: 
Ein Macher, der sich selbständig gemacht hat, weil er den Kuddelmuddel 
in der Firma nicht mehr ertragen konnte und sich dann einige Studenten 
und Billigingenieure eingestellt hat, um die mittelklassigen Aufträge 
abzuwickeln.

von (º°)·´¯`·.¸¸.·´¯`·.¸¸.·´¯`·.¸¸.·´¯`·.¸¸.·´¯`·.¸¸.· (Gast)


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Wenn ein Systemdesign kritsch in der Impedanz der Versorgung ist,
sollte Mann messen was der Kaefer/die Schaltung als Impedanz "sieht".
In Verbingung mit der Kenntnis der Betriebsfrequenzen kann
Mann so optimale Ergebnisse erzielen.
Optimal bzgl. des Aufwandes und der Wirkung.

Das stochastische "Weglassen" ist nur Trial and Error und kein
fundiertes Herangehen.

von Purzel H. (hacky)


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Sinnvollerweise ueberlaesst man den EMV Teil den erfahrenen Leuten. Und 
zwar schon vor der Entwicklung. Nach der Entwicklung noch EMV zu 
korrigieren, ist teurer wie von vorne weg. Laesst die erfahrenen Leute 
ihren Beitrag leisten, auch wenn es Externe Leute sind, sodass es jeder 
versteht.

Direkt vom Studium weg ist EMV etwas viel aufs Mal. Das sollte man sich 
lange erklaeren lassen. Nach ein paar Jahren hat man's dann auch drauf. 
Vorausgesetzt man nimmt die Thematik ernst und goennt sich auch 
Messmittel.

von MiWi (Gast)


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Teddy schrieb:
> Hallo, seit ich neu in der Arbeitswelt als “Entwicklungsingeneiur“ tätig
> bin, bin ich über die Methodik des “Entwickelns“ seitens der Kollegen
> verblüfft.
>
> Es werden einige Überlegungen gemacht, welche Richtung die Lösung zum
> Problem X bringt zb EMV oder Temperaturdrift etc..
> Hat man einen Weg gefunden, heißt es dann, man müsse nun untersuchen,
> wie sich die Schaltung nun verhält, wenn man dies und jenes Bauteil
> hinzufügt oder entfernt.
> Natürlich fließen hier sicher erfahrungswerte mit ein, aber für mich
> klingt es nach Trial and Error.
>


Erfahrung ist von außen gesehen fast immer schwarte Magie, vor allem 
wenn das vermeintliche Trial zu weniger Error führt. Wenn Du geschickt 
bist such Dir einen Mentor und frage. Klugscheißermodus ist definitiv 
nicht angesagt.


> Ist so die gängige Praxis in Ingenieurbüros?

Wenn der erste Entwurf durch die strenge Kammer gegangen ist - ja. Denn 
wie fast überall ist man hinterher klüger und weiß ein bischen mehr als 
vorher... gerade bei der EMV...

wir haben einen wirklich guten und auch angenehmerweise fröhlichen 
Frischling (der deutlich mehr Theorie intus hat als ich jemals haben 
werde) in der Abteilung... doch er sieht ganz offensichtliche 
Ausfallsursachen (mit magischem Rauch und so) nicht... und deswegen 
tauscht er zum 3. mal den Chip. Kurz gefragt, ihm einen kleinen Rat 
gegeben was es sein könnte(!), großes Erstaunen, kurzes 
Datenblattsuchen, Erklärung und - siehe an... seit dem funktioniert es. 
Für ihn war es Hokuspokus, für mich war es ein Nona, muß ja so sein....


MiWi

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


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(º°)·´¯`·.¸¸.·´¯`·.¸¸.·´¯`·.¸¸.·´¯`·.¸¸.·´¯`·.¸¸.· schrieb im Beitrag 
#5245694:
> Mann messen was der Kaefer/die Schaltung als Impedanz "sieht".
> In Verbingung mit der Kenntnis der Betriebsfrequenzen kann
> Mann so optimale Ergebnisse erzielen.
Auch damit guckt man nur in ein Schlüsselloch, denn lustigerweise kennt 
man diese "Betriebsfrequenzen" nicht, weil sie oft nichts mit 
irgendwelchen Taktfrequenzen sondern mit "Flankensteilheit" und der 
Beschaltung zu tun haben.

> Das stochastische "Weglassen" ist nur Trial and Error und kein
> fundiertes Herangehen.
Lustigerweise findet man mit dieser m.E. auch analytisch durchaus 
nachvollziehbaren Methode genau die Ecken, an denen genaueres 
Nachschauen lohnt. Denn natürlich darf man dann auch mal an dem Gerät 
messen und muss nicht nur auf die Funktion schauen...

von Hans (Gast)


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Christian K. schrieb:
> So kannst du die Funktion und Bauteileströme eines
> Schaltreglers sehr gut simulieren. Für quantitative Aussagen zur EMV
> versagt das jedoch völlig, da hier fast ausschließlich Koppelmechanismen
> außerhalb des “Schaltplans” wirksam sind.

Als jemand der in so einer "strengen kammer" seine brötchen verdient 
sage ich dir, dass das so bullshit ist.

wenn du auch nur ansatzweise leistung über deinen DC/DC schieben willst 
(also sagen wir mal so >1kW), dann hast du simulationsmodelle die 
streukopplungen usw beinhalten... sonst wird das nix.

mit trail&error kannst du vielleicht ein handy-netzteil entstören, aber 
was "echtes"... nie im leben. (ähnliches gilt auch für high-speed 
designs)

73

von Alexander (Gast)


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Hi Hans
Hans schrieb:
> wenn du auch nur ansatzweise leistung über deinen DC/DC schieben willst
> (also sagen wir mal so >1kW), dann hast du simulationsmodelle die
> streukopplungen usw beinhalten... sonst wird das nix.

Ich habe Umrichter in verschiedenen Leistungsklassen (1-5kW sowie >4MW) 
entwickelt und bis zum Serienprodukt betreut. Verwendete Halbleiter 
waren 1200V-1700V IGBTs.

Gerade im hohen Leistungsbereich habe ich die Erfahrung gemacht, dass es 
für die Leistungshalbleiter keine wirklich brauchbaren 
Simulationsmodelle (Spice) gibt. Das macht die ganze Simulation relativ 
schwer, vor allem wenn die simulierten Spannungen fragwürdig sind.

Wie simuliert ihr eure (Leistungs)schaltungen denn?

Gruß,

von uuu (Gast)


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Simulieren ? .. Abschaetzen.

Wenn ich's simulieren muesste, wuerd ich's simulieren lassen. Es gibt 
Packete, die koennen das. Leider sind die Kosten und die 
Einarbeitungszeit dazu prohibitiv. Aber einen Spezialisten beauftragen 
waere eine Loesung. Denn wenn man's einmal gesehen hat, muss man's 
nachher nicht mehr rechnen.

Leistungselektronik ist 3D aufgebaut, und deshalb von der Geometrie 
komplizierter wie eine Leiterplatte.

von Christian K. (Gast)


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Hans schrieb im Beitrag #5245824
> Als jemand der in so einer "strengen kammer" seine brötchen verdient
> sage ich dir, dass das so bullshit ist.
>
> wenn du auch nur ansatzweise leistung über deinen DC/DC schieben willst
> (also sagen wir mal so >1kW), dann hast du simulationsmodelle die
> streukopplungen usw beinhalten... sonst wird das nix.
>
> mit trail&error kannst du vielleicht ein handy-netzteil entstören, aber
> was "echtes"... nie im leben. (ähnliches gilt auch für high-speed
> designs)
>
> 73

Träum weiter. Bis 30MHz verhält sich das alles berechen- und 
simulierbar. Filter machen bis dahin das, was man von der 
Übertragungsfunktion erwartet.
Im Bereich darüber (100Mhz bis GHz Bereich) kannst Du das in die Tonne 
klopfen. Wenn Du genau weißt, wonach Du suchst, kannst Du einzelne 
Effekte mit einem EM Simulationsprogramm nachvollziehen. Aber in der 
Regel geht das umgekehrt. Du sagst Effekte nicht mit der Simulation 
voraus, sondern versuchst Dir damit gemessene Effekte zu erklären.
Ich meine hier Designs mit <1ns Flankensteilheit und Automotive EMV 
Anforderungen. Und die liegen zum Teil keine 20dB über der 
Rauschleistung eines 50 Ohm Widerstands bei Zimmertemperatur.

von soso (Gast)


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Wenn man keine schlüssige Begründung hat, etwas an der Schaltung zu 
verändern, kann man es gleich bleiben lassen.Sowieso: Wenn man etwas an 
einem Prototypen verändern MUSS, hat man sowieso falsch geplant.

Bei uns sind Tests mit dem Prototypen eigentlich nur noch Verifikation 
der Berechnungen, Simulationen und Voruntersuchungen (Dort wird 
möglicherweise noch gebastelt!). Dort wird nur geprüft, ob sich das Zeug 
so verhält, wie es theoretisch soll, und ob es das tut, was davon 
erwartet wird. Das allerdings sehr viel detaillierter, als es der 
typische Bastler täte. Veränderungen gibt es nur, wenn etwas nicht 
funktioniert wie es soll.
Oder wenn der Projektleiter wieder mal was einflicken will.

An der Grundfunktion von Schaltungen darf man in dieser Phase nicht mehr 
herumtun. Optimierungen sind ebenfalls meist sinnlos - wenn man das tun 
muss, hat man meistens totalen Mist geplant.

--> Was eine Schaltung tut und wie, steht fest, bevor man das erste 
Bauteil aussucht, oder auch nur den Schaltplaneditor aufmacht.

Die Zeiten vom Lötdampf, und dem halbverrücktem NERD-Bastler mit wirrem 
Haar sind schon lange vorbei.
Bei 0402 und DFN-Packages macht das alles sowieso keinen Spass mehr.

Das alles trifft aber nicht auf private Basteleien zu ;-)

von Hans (Gast)


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Alexander schrieb:
> Hi Hans
> Hans schrieb:
>> wenn du auch nur ansatzweise leistung über deinen DC/DC schieben willst
>> (also sagen wir mal so >1kW), dann hast du simulationsmodelle die
>> streukopplungen usw beinhalten... sonst wird das nix.
>
> Ich habe Umrichter in verschiedenen Leistungsklassen (1-5kW sowie >4MW)
> entwickelt und bis zum Serienprodukt betreut. Verwendete Halbleiter
> waren 1200V-1700V IGBTs.
>
> Gerade im hohen Leistungsbereich habe ich die Erfahrung gemacht, dass es
> für die Leistungshalbleiter keine wirklich brauchbaren
> Simulationsmodelle (Spice) gibt. Das macht die ganze Simulation relativ
> schwer, vor allem wenn die simulierten Spannungen fragwürdig sind.
>
> Wie simuliert ihr eure (Leistungs)schaltungen denn?
>
> Gruß,

hängt vom problem ab... das können ganz simple ersatzschaltbilder sein 
oder auch recht aufwendige wo man auch die parasitics aus dem pcb, den 
induktivitäten, elkos,... mit rein nimmt.

für emv sind die halbleitermodelle nicht das problem... da steckt das 
knowhow im parasitics abschätzen... für die halbleiter reicht zu 95% ein 
simpler schalter :)

wenn was aufschwing (z.B. streuinduktivität einer stroko mit einem y-C), 
dann sieht man das damit dann auch...

ich hätte von pspice bis zum CST microwave studio alles verfügbar... 
muss aber gestehen, dass meistens ltspice, der schaltplan und ein paar 
screenshots vom VNA (messen ist besser als dem datenblatt zu glauben ;) 
mit den daten der verdächtigen reichen :)




Christian K. schrieb:
> Du sagst Effekte nicht mit der Simulation
> voraus, sondern versuchst Dir damit gemessene Effekte zu erklären.
> Ich meine hier Designs mit <1ns Flankensteilheit und Automotive EMV
> Anforderungen. Und die liegen zum Teil keine 20dB über der
> Rauschleistung eines 50 Ohm Widerstands bei Zimmertemperatur.

hängt davon ab.. du kannst sehr viel vorhersagen. für's entstören ist 
die simulation aber eher ein hilfsmittel um zu verstehen des problems.

"automotive EMV anforderungen".. ist ja nett :) zugegebenermaßen sind 
die immunity anforderungen etwas herausfordernder als 0815 zeug nach den 
generics aber die emissionen sind in den unterschiedlichen CISPR normen 
ähnlich.

73

von Rick M. (rick-nrw)


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Teddy schrieb:
> Irgendwelche sinnvolle Formeln hinklatschen oder Schaltung simulieren?

Nur verhalten sich Bauelemente nicht immer so, wie erwartet.

Im Bereich Leistungselektronik ist es schon ein Unterschied, wie die 
Leitungen verlegt werden, einfach verdrillt oder beide Steuerleitungen 
der Halbbrücken verdrillt.

von Christian K. (Gast)


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Hans schrieb:
> "automotive EMV anforderungen".. ist ja nett :) zugegebenermaßen sind
> die immunity anforderungen etwas herausfordernder als 0815 zeug nach den
> generics aber die emissionen sind in den unterschiedlichen CISPR normen
> ähnlich.

Dann beschäftige dich mal kurz damit, wie nach CISPR25 im Vergleich zu 
CISPR22 / EN55022 gemessen wird. Das sind nach CISPR25 bis ca. 55MHz 
Nahfeldmessungen auch wenn sie als Radiated bezeichnet und mit Antennen 
gemessen werden. Im Endeffekt hast Du in weiten Bereichen zwischen 30dB 
und 60dB strengere Anforderungen. Beispiel, typische OEM Anforderung im 
4m(84MHz) und 2m BOS Bereich ist 2dbuV average in 1m Abstand gemessen. 
Das geht bei den 3m und 10m Abstand der “normalen” Antennenmessungen 
nach CISPR22 / EN55022 im Rauschen der Messempfänger unter.

von Christian K. (Gast)


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soso schrieb:

> Die Zeiten vom Lötdampf, und dem halbverrücktem NERD-Bastler mit wirrem
> Haar sind schon lange vorbei.
> Bei 0402 und DFN-Packages macht das alles sowieso keinen Spass mehr.


Wenn man die 10te Iteration von 0815 Zeug macht, stimmt das sicher. Für 
Entwicklungen, für die es noch keine jahrzehntelange 
Produktionserfahrung gibt, gilt das nicht. Warum ist ein HP3458A immer 
noch State of the Art, wenn es doch in den 80er Jahren von 4 
“halbverrückten” entwickelt wurde. Wenn Du mal in die Entwicklung von 
wirklich Neuem hineinschaust, wirst Du dich wundern, wieviel Prototyp 
Iterationen gemacht werden, bis das dem Endprodukt auch nur ähnlich 
sieht.

Dabei sieht das in der Hardware Entwicklung wegen der Kosten noch 
deutlich besser aus wie in der Software.

von Expat (Gast)


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Teddy schrieb:
> Hallo, seit ich neu in der Arbeitswelt als “Entwicklungsingeneiur“ tätig
> bin, bin ich über die Methodik des “Entwickelns“ seitens der Kollegen
> verblüfft.

Das ist an den Universitäten doch nicht anders. Geschätzt 90% der 
Abschlussarbeiten sind doch schon drölf mal umformuliert und 
allgemeinbekannt, weswegen sie zu keinen neuen Erkenntnissen fuehren. In 
Indien gilt das vermutlich sogar für 99%.

Wenn man HW entsprechend simulieren könnte, wozu dann die ganzen Tests 
wie EMV, ueber 200 Tage HTOE etc? Weil man es fuer eine nicht maßlos 
ueberdimensionierte Schaltung eben nicht realistisch genug hinkriegt, 
gerade deswegen ist so viel Erfahrung notwendig. Sonst wird das Ding zu 
teuer und gross.

von Hmm (Gast)


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Christian K. schrieb:
> soso schrieb:
>
>> Die Zeiten vom Lötdampf, und dem halbverrücktem NERD-Bastler mit wirrem
>> Haar sind schon lange vorbei.
>> Bei 0402 und DFN-Packages macht das alles sowieso keinen Spass mehr.
>
>
> Wenn man die 10te Iteration von 0815 Zeug macht, stimmt das sicher. Für
> Entwicklungen, für die es noch keine jahrzehntelange
> Produktionserfahrung gibt, gilt das nicht. Warum ist ein HP3458A immer
> noch State of the Art, wenn es doch in den 80er Jahren von 4
> “halbverrückten” entwickelt wurde. Wenn Du mal in die Entwicklung von
> wirklich Neuem hineinschaust, wirst Du dich wundern, wieviel Prototyp
> Iterationen gemacht werden, bis das dem Endprodukt auch nur ähnlich
> sieht.
>
> Dabei sieht das in der Hardware Entwicklung wegen der Kosten noch
> deutlich besser aus wie in der Software.

Dass es mehrere Iterationen immer geben kann, ist normal, etwas anderes 
habe ich auch nicht behauptet. Wenn man eine Platine sauber in Betrieb 
nimmt (also nicht nur Einschalten -> LED grün -> Passt), sondern wenn 
man alle Paramter misst und z.B. das Verhalten beim Ein- und Ausschalten 
betrachtet, Regler sauber kompensiert und so weiter kommen fast immer 
ein paar Kleinigkeiten auf, die geändert werden müssen. Und wenn es nur 
für die EMV ist.
Mehr als 2 oder 3 Iterationen sind aber NICHT normal, auch nicht bei 
komplexen oder schwierigen Platinen. Was ist komplex? Schwierig zu 
sagen, für mich wäre das z.B. eine CPU-Platine mit i.MX6 (mit DDR3), 
FPGA und viel Analogkram.

Wer zwischen dem ersten und dem zweiten Prototypen mehr als ein paar 
Kleinigkeiten ändern muss, hat entweder viel Pech gehabt (das kommt 
vor), oder macht etwas grundlegend falsch.

Wer unprofessionell arbeitet (aka bastelt), kommt vielleicht auch zum 
Ergebnis, vielleicht sogar zu einem optimaleren, im Zeitplan wird man 
damit nicht bleiben. Es müssen Qualität, Kosten UND Zeit stimmen, sonst 
ist das Projekt ein Fehlschlag.

Wann probiert man dann kritische Dinge aus? BEVOR man das Konzept 
abschließt, d.h. bevor man die allererste Leiterpahn plant. Nicht beim 
Prototypen. Da ist es VIEL zu spät...

Das alles klingt Spassbefreit. Aber wir reden hier von 
Hardwareentwicklung und nicht von der Arduino-LED-Steuerung für Zuhause.

PS;
Dein Beispiel ist schlecht. Ich wette viel Geld, dass HP in den 80ern 
die Geräte sauber durchgerechnet und geplant hat. Da wurde zwar 
vermutlich mehr händisch gerechnet als simuliert (nicht mal das ist 
sicher...), aber wild gebastelt wurde da nicht. Da bin ich mir zu 100% 
sicher. Wir reden hier von HP, nicht irgendeiner Frickelbude.

von Christian K. (Gast)


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Hmm schrieb:

> PS;
> Dein Beispiel ist schlecht. Ich wette viel Geld, dass HP in den 80ern
> die Geräte sauber durchgerechnet und geplant hat. Da wurde zwar
> vermutlich mehr händisch gerechnet als simuliert (nicht mal das ist
> sicher...), aber wild gebastelt wurde da nicht. Da bin ich mir zu 100%
> sicher. Wir reden hier von HP, nicht irgendeiner Frickelbude.

Soso. Du weißt, wie Ende der 80er Jahre bei HP entwickelt wurde. Deine 
Wette halte ich, ich hab in der Zeit dort gearbeitet. Nach dem A sample, 
bei dem einzelne Komponenten aufgebaut werden wurde ein “Proof of 
Konzept” B-sample gebaut. Typischerweise ein Drahtverhau, bei dem jedem 
nicht R&D Experten schon beim Anblick die Haare zu Berge stehen würden. 
Das C-Sample war der erste gerätenahe Platinensatz. Theoretisch gabs 
danach das D-Sample als Produktionsmuster, praktisch gibts einige 
“ungeplante” C-sample iterationen. Wesentliches Qualitätsmerkmal der 
Iterationen ist die Anzahl der Yellow-wires, die wenigsten logarithmisch 
in der Anzahl abnehmen sollten. Klar wird soviel gerechnet und 
simuliert, wie es geht. Aber viel Dinge mußt Du schlicht ausprobieren. 
Beispiel die geheizte Burried Zener Referenz mit der LTZ1000. Dessen 
1/f, Poppkorn Noise und Drift kannst Du nicht simulieren. Die Schaltung 
mußt Du aufbauen und messen. Auch heute gibts bei HP noch einen burn in 
Raum, in dem die LTZ1000 Referenzplatinen auf Drift und Poppkorn Noise 
Tage bis Monate getestet und selektiert werden.
Es gibt weltweit ein einziges DVM, Keithley 2002 das dem HP3458A nahe 
kommt. Benutzt die selbe LTZ1000 Referenz und zufällig arbeitet ein 
Entwickler aus dem alten HP Team der 80er Jahre dort.

von Hans (Gast)


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Christian K. schrieb:
> Hans schrieb:
>> "automotive EMV anforderungen".. ist ja nett :) zugegebenermaßen sind
>> die immunity anforderungen etwas herausfordernder als 0815 zeug nach den
>> generics aber die emissionen sind in den unterschiedlichen CISPR normen
>> ähnlich.
>
> Dann beschäftige dich mal kurz damit, wie nach CISPR25 im Vergleich zu
> CISPR22 / EN55022 gemessen wird. Das sind nach CISPR25 bis ca. 55MHz
> Nahfeldmessungen auch wenn sie als Radiated bezeichnet und mit Antennen
> gemessen werden. Im Endeffekt hast Du in weiten Bereichen zwischen 30dB
> und 60dB strengere Anforderungen. Beispiel, typische OEM Anforderung im
> 4m(84MHz) und 2m BOS Bereich ist 2dbuV average in 1m Abstand gemessen.
> Das geht bei den 3m und 10m Abstand der “normalen” Antennenmessungen
> nach CISPR22 / EN55022 im Rauschen der Messempfänger unter.

Gut das die 22er gar nicht mehr anwendbar ist...

73

von Dr. Sommer (Gast)


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Hmm schrieb:
> kommen fast immer ein paar Kleinigkeiten auf, die geändert werden
> müssen. Und wenn es nur für die EMV ist.
> Mehr als 2 oder 3 Iterationen sind aber NICHT normal

Wie viele Iterationen kommen denn im "Profi" Bereich zur Korrektur von 
fehlerhaften Footprints, falschen Stecker Belegungen oder falsch 
bestückten Bauteilen?

von asdfjklö (Gast)


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Mal ne andere Frage (von einem Berufsanfänger): wieso gibt es eigentlich 
diese "automotive ratings" bzw. was ist so speziell an diesen? Klar sind 
die Anforderungen an Bauelemente in einem Fahrzeug hinsichtlich 
Temperatur, Vibration und einigem anderem vermutlich höher als bei 
vielen Standardanwendungen. Aber das steht ja gefühlt bei jedem 2. 
Bauteil drauf. Ist die Autoindustrie ein so wichtiger Abnehmer von 
Halbleiterbauteilen?

von Hans (Gast)


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vor allem ists das temperatur rating... teilweise ists dann auch ein 
100% tests. das hängt dann vom hersteller etwas ab.

nicht ganz unwesentlich ist auch, dass die automotive gerateten bauteile 
üblicherweise länger verfügbar sind/es eine garantierte verfügbarkeit 
gibt.


73

von Hmm (Gast)


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Christian K. schrieb:
> Hmm schrieb:
>
>> PS;
>> Dein Beispiel ist schlecht. Ich wette viel Geld, dass HP in den 80ern
>> die Geräte sauber durchgerechnet und geplant hat. Da wurde zwar
>> vermutlich mehr händisch gerechnet als simuliert (nicht mal das ist
>> sicher...), aber wild gebastelt wurde da nicht. Da bin ich mir zu 100%
>> sicher. Wir reden hier von HP, nicht irgendeiner Frickelbude.
>
> Soso. Du weißt, wie Ende der 80er Jahre bei HP entwickelt wurde. Deine
> Wette halte ich, ich hab in der Zeit dort gearbeitet. Nach dem A sample,
> bei dem einzelne Komponenten aufgebaut werden wurde ein “Proof of
> Konzept” B-sample gebaut. Typischerweise ein Drahtverhau, bei dem jedem
> nicht R&D Experten schon beim Anblick die Haare zu Berge stehen würden.

Das überrascht mich schon etwas.

Trotzdem man kann das heutzutage nicht mehr so arbeiten. Mein letztes 
Board (mit dem erwähnten i.MX6) ist so, dass man da kaum noch großartig 
Drähte ziehen kann.
Ich hatte da viele Leiterbahnen, die gar nicht an die "Oberfläche" der 
Platine kommen, zumindest nicht an Stellen die erreichbar sind. Immerhin 
hat das Board 10 Lagen.
Und dabei ist der i.MX6 noch simpel (0,8mm-Pitch 625 Balls) - zerleg mal 
ein Handy und kuck dir das mal an, was da so drauf ist. Oder ein 
Mainboard.

Auch bei kleineren Platinen ist es nicht mehr so einfach. Selbst 
Schaltregler kommen in BGA oder DFN-Packages. Die Zum Auslöten braucht 
man oft eine Heißluftstation.

Da ist ein Drahtverhau-Iterativ-Konzept nicht sinnvoll.

Dr. Sommer schrieb:
> Hmm schrieb:
>> kommen fast immer ein paar Kleinigkeiten auf, die geändert werden
>> müssen. Und wenn es nur für die EMV ist.
>> Mehr als 2 oder 3 Iterationen sind aber NICHT normal
>
> Wie viele Iterationen kommen denn im "Profi" Bereich zur Korrektur von
> fehlerhaften Footprints, falschen Stecker Belegungen oder falsch
> bestückten Bauteilen?

Hab nie behauptet, das würde nicht vorkommen.

Aber das sind derartige Sachen, die beim ersten Prototypen auffallen 
müssen.
Darum baut man Prototypen auch auf Serienanlagen, um Dinge wie falsches 
Padlayout zu finden.

von Maik .. (basteling)


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Schau Dir mal die "Bastelaufbauten" von Pease, Williams und Konsorten 
an.
Dessen Applikationsschaltungs - Bastelraum mit den dreidimensionalen 
Mustergewöllen haben die sogar museal konserviert.

Einen relativ schnellen ersten Schuß einer Hardware sehe ich gar nicht 
mal so kritisch. Natürlich muß die grundsätzliche Architektur und die 
Schnittstellen sauber stehen. Dazu gehört natürlich etwas Erfahrung. Nur 
alles, aber wirklich alles vorher sauber simuliert und berechnet zu 
haben ist schlicht und ergreifend illusorisch - und auch teils wirklich 
nicht möglich oder finanzierbar. Bestimmte Kernpunkte müssennatürlich 
vorher erstmal mit Evaluationsplatinen erprobt werden, die Zusammenhänge 
mit den groben parasitäen Eigenschaften auch ins Spice - um zu sehen - 
ob das gedachte auch grundsätzlich stimmt.

Manch große Firma hält sich natürlich eine ganze Abteilung an 
Bauteilcharakterisierung und Modellerstellung - und hat beliebig viel 
Geld für Software und Personal für die angesprochenen 
Vorabuntersuchungen. Aber im produktiven Mittelstand sehe ich das anders 
- insbesondere bei kleineren Stückzahlen. Es ist halt ein Unterschied 
ein Projekt für 100k€ oder 2Mio zu realisieren. Wenn natürlich 
funktionale Sicherheit oder Medizintechnik im Spiel ist, hört natürlich 
der Spaß auf.

Insbesondere wenn Soft- und Hardware z.B. in Form von Sensorik oder HF 
zusammenkommen, können die Softwerker schonmal an echter Hardware 
arbeiten.
Ist auch dazu ein positiver psychologischer Faktor. Es ist was da, das 
tut und ggfs. dem Endprodukt schonmal als Demonstrator nahe kommt.

von Expat (Gast)


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Christian K. schrieb:
> Nach dem A sample, bei dem einzelne Komponenten aufgebaut werden wurde
> ein “Proof of Konzept” B-sample gebaut. Typischerweise ein Drahtverhau,
> bei dem jedem nicht R&D Experten schon beim Anblick die Haare zu Berge
> stehen würden. Das C-Sample war der erste gerätenahe Platinensatz.
> Theoretisch gabs danach das D-Sample als Produktionsmuster, praktisch
> gibts einige “ungeplante” C-sample iterationen. Wesentliches
> Qualitätsmerkmal der Iterationen ist die Anzahl der Yellow-wires, die
> wenigsten logarithmisch in der Anzahl abnehmen sollten. Klar wird soviel
> gerechnet und simuliert, wie es geht.

Guter Beitrag. Genau so sieht die Realität heute noch in der 
Automotive-Elektronikentwicklung aus.

Hier ein interessantes Zitat: Einst stand die Firma Unilever vor dem 
schwer zu lösenden Problem, eine bestimmte Düse zu entwickeln. Daher 
kreierten die Entwickler zehn beliebige Varianten, testeten sie und 
behielten die am besten geeignete bei. Von der fertigten sie wieder zehn 
leichte Abwandlungen und so weiter. Nach 45 Zyklen hatten die Ingenieure 
eine komplizierte Düse entwickelt, die genau das tat, was sie wollten 
und bestens funktionierte. Das Trial & Error-Prinzip hatte ineffektive 
Berechnungen und akribische Planungen geschlagen. Und zum Schluss kam 
etwas dabei heraus, das den Anschein erweckte, es sei von Anfang an 
geplant gewesen.

von Christian K. (Gast)


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Der i.MX6 und seine digitale Peripherie sind in den meisten Fällen das 
kleinere Problem, da selbst bei schnellen Bussystemen mit kontrollierten 
Wellenwiderstand und einem Powernet mit vorhersehbarem Impedanzverlauf 
designed werden kann. Außerdem gibts funktionsfähige Demo-Systeme zum 
abkupfern. Der Spaß beginnt bei den analogen Front-ends und RF Anteilen. 
Deren Verhalten auf dem Board kannst du nur vermuten und nach besten 
Wissen layouten. Den Kampf mit den Naturgesetzen verlierst Du bei den 
ersten ein, zwei Runden meist trotzdem.

Zu Zeiten der bedrahteten Bauteile war noch in Wire wrap und 
Fädeltechnik etwas zu testen und zu modifizieren. Heute geht das nur 
noch über Platineniterationen. Um ein Board EMV seitig zu optimieren 
sind schnell mal 2-4 Iterationen fällig.

Ich rede hier nicht von Heizungssteuerungen mit einem kleinen uP und 
zwei LM324.

Die frisch gebackenen Projektleiter mit ihren Terminplantemplates fangen 
immer wieder höchst optimistisch mit zwei Platinenrunden an. Ohne die 
nötige Zeit dazwischen zur sorgfältigen Analyse einzuplanen.

Leider, oder zum Glück sind die Maxwellschen Gesetze, Zeit- Orts- und 
Power Point invariant. Daher dauert es am Ende immer gleich lang und je 
aggressiver der erste Zeitplan verfolgt wird, umso länger dauert das 
Projekt am Ende, da zu Anfang mehr Abkürzungen (Corners cut) gemacht 
werden, wie das Projekt verträgt.

Da hat sich die letzten 50 Jahre nichts geändert.

von Christian K. (Gast)


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Maik .. schrieb:

> Manch große Firma hält sich natürlich eine ganze Abteilung an
> Bauteilcharakterisierung und Modellerstellung - und hat beliebig viel
> Geld für Software und Personal für die angesprochenen
> Vorabuntersuchungen.

Keine Ahnung warum sich solche Ammenmärchen so lange halten. Die fragen 
Ihre Modelle bei den Zulieferern an und erst wenn es absolut nötig ist 
und ein Erfolg gar nicht anders zu erzielen ist, wird in die 
Modellierung investiert. Wenn Du bei der Modellierung auf jemanden 
stößt, der wirklich weiß was er tut, hast Du schon sehr viel Glück.

> Wenn natürlich
> funktionale Sicherheit oder Medizintechnik im Spiel ist, hört natürlich
> der Spaß auf.

Auch da mein Sohn...

Gärtner und Ärzte begraben ihre Fehler.

Spaß beiseite, natürlich gehst Du in dem Bereich so konservativ wie 
möglich vor. Die Regeln sind dort wie bei der Fliegerei in Blut 
geschrieben. Trotzdem gibt es immer wieder etwas unerwartetes zu lernen.

von Maik .. (basteling)


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Christian K. schrieb:
> Maik .. schrieb:
>
>> Manch große Firma hält sich natürlich eine ganze Abteilung an
>> Bauteilcharakterisierung und Modellerstellung - und hat beliebig viel
>> Geld für Software und Personal für die angesprochenen
>> Vorabuntersuchungen.
>
> Keine Ahnung warum sich solche Ammenmärchen so lange halten. Die fragen

Lieber Christian - nicht so von oben herab!

Dieses "Ammenmärchen" habe ich vor gut 10 Jahren während meines Studims 
über Monate täglich bunt und in Farbe bei einem Automobilzulieferer 
bewundern dürfen.

Da habe ich dann beschlossen - in so einem Laden nicht meine 
Diplomarbeit zu schreiben, sondern lieber im Mittelstand. Meine 
Lebenszeit ist mir für sowas zu wertvoll. Lieber werden Dinge in 
endlicher Zeit fertig. Mit vertretbarem Aufwand.

vg

von Christian K. (Gast)


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Lieber Maik,

dann mal konkret. Welches elektronische Bauteil wurde modelliert? 
Elektromechanisches wie ein Piezo- oder magnetisches Einspritzventil 
oder ein mechanisches Bauteil/ Baugruppe glaube ich dir. Für mechanische 
oder elektrische Systemsimulation gibt die Automobilindustrie sehr viel 
Geld aus (siehe Logger und Simulatoren z.B. von dSpace etc.)
Ein elektronisches Bauteil wie z.B. einen Mosfet, BJT oder IGBT oder 
komplexere IC glaube ich dir nicht.
Das bekommt ja mancher Halbleiterhersteller nicht einmal brauchbar hin.
Dazu arbeite ich zu lange in der Branche.

von Maik .. (basteling)


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Christian K. schrieb:
> Lieber Maik,
>
> dann mal konkret. Welches elektronische Bauteil wurde modelliert?
...
> Ein elektronisches Bauteil wie z.B. einen Mosfet, BJT oder IGBT oder
> komplexere IC glaube ich dir nicht.
> Das bekommt ja mancher Halbleiterhersteller nicht einmal brauchbar hin.
> Dazu arbeite ich zu lange in der Branche.

Von IGBTs oder ICs habe ich nirgends geschrieben.
Zur Konketisierung - Es waren vor allem HF-Bauteile. Soweit ich mich 
daran nach den vielen Jahren noch genau erinnere standen da mindestens 3 
NWA Meßplätze vornehmlich zur Bauteilcharakterisierung in einer Reihe - 
inkl Personal. In guter Erinnerung sind mir die kleinen Scherentische 
vor den NWAs geblieben - um Fehler durch Testportkabel zu den Fixtures 
zu eliminieren. Hat damals mächtig Eindruck auf mich gemacht. damals 
hatte ich mir grade privat meinen ersten gebrauchten Networkanalyzer 
angeschafft.
Gut - war etwas HF-lastig.
Es war ein Standort für Infotainment- und Antennenfertigung und die 
zugehörige Entwicklung. EMV wurde auch gemacht.
In dem furchtbar lärmigem Großraumlabor rumorten die Lüfter der 
Bauteilcharakterisierung NWAs mit mehrerenMeßplätzen zum Test kopletter 
Baugruppen um die Wette. Mit meinem Komilitonen, der in der Abteilung 
saß, hatte ich allein der Großraumbürumgebung wegen echtes Mitleid.

von der schreckliche Sven (Gast)


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Eine Menge Prosa.
Aber in Wirklichkeit gehts doch in der Elektronik nicht anders zu, als 
im ganzen übrigen Arbeitsleben. Die Spielregeln sind überall die 
gleichen:
 Wenn man effektiv arbeitet, ist man am Montag fertig. Mit viel 
Fantasie, Kaffee, Zigaretten und Diskussionen reichts noch für Dienstag. 
Den Rest der Woche hat man eigentlich nichts mehr zu tun. Wenn das der 
Chef bemerkt, kommt er noch auf dumme Gedanken, und drückt einem 
würdelose Nebentätigkeiten aufs Auge. Zur Gefahrenabwehr wurde deshalb 
die sogenannte Optimierung erfunden. Da werden dann Schritt für Schritt 
all die überflüssigen Bauteile wieder aus der Schaltung entfernt, die 
man vorher in weiser Voraussicht eingefügt hatte.
Jetzt ist mir auch endlich klar, warum auf fast jeder Elektronikplatine 
so viele unbestückte Bauteilplätze zu finden sind.

von Hajo (Gast)


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Was für ein köstlicher Thread.

Am meisten kann ich mich über die Buchhalter amüsieren, die sich hier 
gegenseitig die EMV-Normen (laaaangweilig!) um die Ohren hauen und stolz 
darauf sind wenige Iterationen zu brauchen oder mal 1000 Strippen auf'm 
10-Lagen Brett gezogen zu haben. Seit ihr Layouter oder Entwickler?!

Damit wär ich nicht zufrieden. Das interessante Zeug wird erdacht, in 
Einzelteilen mal simuliert (bringt bei wenigen hundert MHz schon oft 
nix) und dann schön als Drahtigel aufgebaut und vermessen. Um den 
uninteressanten Rest (Stromversorgung, Mechanik etc.) können sich dann 
die anderen kümmern, Layouter und so. Falls die mal ein Problem haben, 
können sie mich ja fragen. Ebenso der EMV-Messknecht.

Natürlich braucht es dann Iterationen in Hardware. Wer etwas anderes 
behauptet macht nur Kinderkram.

von Pandur S. (jetztnicht)


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Mittlerweile kann man auch in mehrlagigen Leiterplatten die Kopplung 
zwischen Leitungen rechnen. Die guenstigen Programme machen das mit 
vielen Randbedingungen, die Teuren koennen das ohne. Damit hat man aber 
noch nicht die Kopplung minimiert. Und Kopplungen bedeutet ja noch nicht 
Stoerungen. Die Signale auf den verschiedenen Leitungen koennen ja auch 
zeitlich, und/oder frequenzmaessig aneinander vorbeikommen. Das kann 
eine Simulation alles nicht wissen.

Layouter und Entwickler kann man oft nicht voneinader trennen. Wenn man 
den Job trennt und denkt Trivialitaeten auf guenstige Horden 
auszulagern, kaempfen die vielleicht gegen Windmuehlen, die auf hoherer 
Ebene gar nicht existieren. Deswegen kann es schon Sinn machen Produkte 
vertikal zu entwickeln. Ein Entwickler, von der Spezifikation der 
Anforderungen, Design, Prototypen, EMV Tests, Einkauf, Aufgleisen der 
Serienpoduktion, alles am Stueck machen zu lassen. Also ich kann und 
mache das. Oft kann man sich viel Arbeit ersparen, schon an der 
Anforderungsbesprechung die richtigen Fragen zu stellen.
0.01 Grad Aufloesung - braucht ihr das ? Wozu ? .. 1 Grad genuegt auch.
Aha. Frequenzstabilitaet von 1ppb - Sicher ? .. 10 ppm genuegen auch.

von hagbard (Gast)


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Die Erfahrung als Entwicklungsingenieur lehrt (egal ob Harware oder 
Software): Was man nicht testet funkioniert auch nicht.

von Bentschie (Gast)


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hagbard schrieb:
> Was man nicht testet funkioniert auch nicht.

Dieser Text sollte in roten Buchstaben von mindestens 1m Größe in jedem 
Entwicklerbüro an der Wand stehen.

von C. A. Rotwang (Gast)


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Bentschie schrieb:
> hagbard schrieb:
>> Was man nicht testet funkioniert auch nicht.
>
> Dieser Text sollte in roten Buchstaben von mindestens 1m Größe in jedem
> Entwicklerbüro an der Wand stehen.

Klar, gleich neben der Weisheit "Wasser macht naß"...

von Dipl.- G. (hipot)


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Alexander schrieb:

> Wie simuliert ihr eure (Leistungs)schaltungen denn?


Ruf mal in Chemnitz beim Josef Lutz an. Der ist der Überexperte des 
Fachgebiets Leistungsbauelemente und kann Dir weiterhelfen respektive 
Dich weitervermitteln nach Siemens Erlangen in die 
Mittelspannungsumrichter-Abteilung.

von Bentschie (Gast)


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C. A. Rotwang schrieb:
> Klar, gleich neben der Weisheit "Wasser macht naß"...

Na ja, das sehe ich etwas differenzierter.
"Wasser macht nass" ist trivial.

Aber es kommt immer wieder vor, das man sehr genau drüber nachdenkt, ob 
es noch andere Auswirkungen gibt, um dann festzustellen, das mann gar 
nicht so doof denken kann wie es dann doch ist.

z.B. Eine Temperaturdrift eines Transistors in der Rückkopplung, die 
dann den Arbeitspunkt soweit verschiebt, das bei niedrigen Temperaturen 
der Sollwert so groß geworden und gleichzeitig durch die Kälte die 
Ohmschen Widerstände so klein geworden sind, das beim Anlauf des 
Netzteiles ab ca. -35°C das NT in die Überstromabschaltung hineinläuft.

Und sag jetzt nicht, das hättest Du vorher gewusst.

Das meinte ich mit Was man nicht Testet funktioniert auch nicht. Es gibt 
auch Schaltungen die bei 0°C problemlos funktionieren, bie -40°C auch, 
aber bei -25°C nicht anlaufen.

von A. F. (chefdesigner)


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Bentschie schrieb:
> Das meinte ich mit Was man nicht Testet funktioniert auch nicht. Es gibt
> auch Schaltungen die bei 0°C problemlos funktionieren, bie -40°C auch,
> aber bei -25°C nicht anlaufen.

Das ist aber schon ein Spezialfall, den man durch richtiges Design 
abfangen kann. Dazu sind Kontinuitätsbetrachtungen nötig. Ein typischer 
Fall, wo der Ingenieure auch denken und nicht nur simulieren muss.

Erfahrung spielt auch eine Rolle. Viele muss man mal durchgemacht haben.

von ing1 (Gast)


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Hajo schrieb:
> Natürlich braucht es dann Iterationen in Hardware. Wer etwas anderes
> behauptet macht nur Kinderkram.

Jedem anständigen Entwickler ist das klar. Seinem Chef oder auch dem 
Projektleiter aber oft nicht.
Da wird erwartet dass beim ersten Versuch ein fertiges hübsches Board 
herausfällt. Egal wie anspruchsvoll die Aufgabe ist.
- Erster funktionsfähiger Prototyp überhaupt (nachdem sich eine andere 
Abteilung ein halbes Jahr die Zähne dran ausgebissen hat)? => ja ganz 
nett...
- Funktioniert grob ohne sichtbare/relevante Modifikationen? => auch 
nett...
- Es wird ein bisschen was "gefädelt" mit Drähten und ICs um die 
Performance nochmal um ca. 25% zu steigern => DAS IST JA HÄSSLICH!!11

Aber da fehlt es den Leuten an der Erfahrung, da gibts weitaus 
schlimmere Prototypen. Aber hey, es funktioniert, wo ist das Problem?


Wir haben auch andere Leute. Die Simulieren zu Beginn extrem viel herum, 
rechnen sich die Welt schön (Offsetspannungen?, Biasströme?, braucht man 
nicht...) und wundern sich dann warum das Zeug hernach nicht 
funktioniert. Denen ihre Prototypen sehen dann aber schön aus: Denn die 
sind derartige Fehlentwicklungen, dass man da auch mit Fädeldraht nichts 
mehr retten kann.


Entsprechend dem Topic: Ja, "das ist F&E!"

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