Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Schaltverluste berechnen


von Schalter (Gast)


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Sagt mal wie genau berechnet ihr eigentlich Schaltverluste bei IGBTs und 
MOSFETs? Gibt es da irgendeinen praktischen Ansatz damit man 
einigermassen vernünftig abschätzen kann was da auf einen zukommt? Die 
Kurvenverläufe beim harten Schalten (Millerplateau und ähnliches) sind 
mir bekannt, aber in der Praxis scheitert das ja oft an einem ganzen 
Sack fehlender/temperaturabhängiger Parameter und man tut sich schwer 
verwertbare Ergebnisse zu kriegen. Abhängig vom Layout ist das ganze ja 
auch. Also wie stellt man das in der Praxis am besten an?

Besonders freuen würde ich mich zusätzlich über eine brauchbare 
Abschätzung zu Schaltverlusten bei ZVS, aber das trau ich mich kaum zu 
hoffen...

von Alexander (Gast)


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Schalter schrieb:
> Sagt mal wie genau berechnet ihr eigentlich Schaltverluste bei
> IGBTs und MOSFETs? Gibt es da irgendeinen praktischen Ansatz damit man
> einigermassen vernünftig abschätzen kann was da auf einen zukommt? Die
> Kurvenverläufe beim harten Schalten (Millerplateau und ähnliches) sind
> mir bekannt, aber in der Praxis scheitert das ja oft an einem ganzen
> Sack fehlender/temperaturabhängiger Parameter und man tut sich schwer
> verwertbare Ergebnisse zu kriegen. Abhängig vom Layout ist das ganze ja
> auch. Also wie stellt man das in der Praxis am besten an?
>
> Besonders freuen würde ich mich zusätzlich über eine brauchbare
> Abschätzung zu Schaltverlusten bei ZVS, aber das trau ich mich kaum zu
> hoffen...

Am besten vermisst man die Verluste im Doppel Pulse Test und verwendet 
entsprechend eine lookup Tabelle mit Interpolation.

Falls du IEEE hast, gibt es zahlreiche Veröffentlichungen zu 
verschiedenen Ansätzen der Modellierung von Schaltverlusten.

Gruß,

von Dieter (Gast)


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Eine Lösung wäre von einem Bauteil die Spice-Parameter zu nehmen, diese 
zu konvertieren zur Verwendung unter QUCS und zu simulieren.

Überschlagsweise kann mit den Stromdreieck&Verzögerungszeit beim 
Einschaltvorgang, dem Widerstand während der On-Phase und dem 
Stromdreieck&Verzögerungszeit beim Ausschalten, dieses addiert, 
überschlagsweise die Verluste grob rechnen.

von Alexander (Gast)


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Dieter schrieb:
> Eine Lösung wäre von einem Bauteil die Spice-Parameter zu nehmen, diese
> zu konvertieren zur Verwendung unter QUCS und zu simulieren.

Was macht man denn, wenn man von dem bestimmten IGBT kein Spice Modell 
besitzt?

Gruß,

von lilaloss (Gast)


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Die Messung der Schaltverluste ist gar nicht so einfach, wie man 
annehmen mag. Vor allem aus Doppelpulsmessungen. Die Ströme und 
Spannungen, die man da misst sind nämlich nicht die, die auch im 
Schaltmoment am Kanal anliegen und nur da entstehen die Verluste 
unmittelbar im Chip. Neben den Doppelpulsmessungen wird daher auch die 
Kalorimetrie eingesetzt, um die Schaltverluste mit größerer Genauigkeit 
messtechnisch zu bestimmen.

Gute Modelle vorausgesetzt, sind Simulationen sicher auch ein guter 
Ausgangspunkt, um die Verluste zu bestimmen. Hier hat man auch direkten 
Zugriff auf den Kanalstrom, was die Berechnung erleichtert. Alle 
Parasiten des Aufbaus zu berücksichtigen ist hier die Hauptaufgabe, 
damit realistische Ergebnisse herauskommen. Und natürlich benötigt man 
genaue Simulationsmodelle der Schalter.

Analytische Rechnungen mit ihren starken Vereinfachungen halte ich nur 
für eine erste grobe Abschätzung für sinnvoll. Damit kann man grob 
abschätzen, in welche Richtung sich die Verluste bewegen. Genauere 
Aussagen lassen sich aber imho nur mit Simulation und Messung gewinnen.

von Alexander (Gast)


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lilaloss schrieb:
> Die Messung der Schaltverluste ist gar nicht so einfach, wie man
> annehmen mag. Vor allem aus Doppelpulsmessungen

Das mag stimmen.

Kolar und seine Gruppe an der ETH hat diesbezüglich einen Artikel 
veröffentlicht, wie man's Schaltverluste kalorimetrisch ermittelt.

Die Frage ist meiner Ansicht nach viel mehr:
Welche Genauigkeit braucht man, und wie viel Aufwand möchte man dafür in 
Kauf nehmen.

Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob und inwieweit das Einfluss auf 
die Auslegung der Kühlung hat.

Nichtsdestotrotz:
Guter und berechtigter Einwand, lilaloss.

Gruß,

von Elektrofan (Gast)


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Für eine erste Näherung kann man annehmen, dass beim Schaltvorgang
Spannung und Strom am/im schaltenden Bauteil linear ansteigen
bzw. abfallen, das lässt sich leicht rechnen.

Hat man beim Schalten eine grosse Überspannungsspitze, bezieht man
sichhalt auf diese (und nicht auf die Betriebsspannung).

von Schalter (Gast)


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Alexander schrieb:
> Die Frage ist meiner Ansicht nach viel mehr:
> Welche Genauigkeit braucht man, und wie viel Aufwand möchte man dafür in
> Kauf nehmen.

Genau das ist eigentlich mein Punkt. Wie genau wird da in der Praxis in 
Unternehmen vorgegangen wenn z.B. Netzteile konstruiert werden?
 Stützt man sich da eher auf Erfahrungswerte?

Schaltverlustmessungen habe ich auch schon gemacht, auch die 
kalorimetrische Messung von Schaltverlusten habe ich schon durchgeführt, 
aber der Aufwand für solche Messungen ist immens. Wie wird da in 
normalen Unternehmen vorgegangen wenn man Leistungselektronik 
dimensioniert?


Elektrofan schrieb:
> Für eine erste Näherung kann man annehmen, dass beim Schaltvorgang
> Spannung und Strom am/im schaltenden Bauteil linear ansteigen
> bzw. abfallen, das lässt sich leicht rechnen.

Der Erfahrung lehrt mich leider, dass diese Näherung sinnlos ist. Man 
ist üblicherweise meilenweit von verwertbaren Zahlen entfernt. Und mit 
"brauchbar" meine ich Faktor 2 bis 3 zum realen Wert.

von Alexander (Gast)


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Schalter schrieb:
> Schaltverlustmessungen habe ich auch schon gemacht, auch die
> kalorimetrische Messung von Schaltverlusten habe ich schon durchgeführt,
> aber der Aufwand für solche Messungen ist immens. Wie wird da in
> normalen Unternehmen vorgegangen wenn man Leistungselektronik
> dimensioniert?

Das kommt sicherlich auf das Unternehmen an. Ich argumentiere, dass sich 
der Aufwand auf Simulationen (mit Modellen vom Hersteller) oder auf 
reine Doppelpulsmessungen begrenzt.

Das "optimale Design" hinsichtlich Wirkungsgrad und Kühlkörperauslegung, 
das wiederum einen hohen  Aufwand erfordert,  ist eher ein seltener Fall 
in der Industrie.

Allerdings habe ich "nur" 5 Unternehmen in der Leistungselektronik 
kennen gelernt.

Gruß,

von nuja (Gast)


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Schalter schrieb:
> Der Erfahrung lehrt mich leider, dass diese Näherung sinnlos ist. Man
> ist üblicherweise meilenweit von verwertbaren Zahlen entfernt. Und mit
> "brauchbar" meine ich Faktor 2 bis 3 zum realen Wert.

Die meisten Schaltungen, die ich als Hobbyist gesehen habe, wären aber 
auch mit dem 3fachen der realen Schaltverluste noch klar gekommen. Auch 
sah ich oft Gate-Treiber, welche auch das 3fache des real nötigen 
Umladestromes noch geschafft hätten, und nur die Gate-Widerstände 
sorgten für den (ausreichenden, aber) niedrigeren Strom.

Dimensioniert man nicht "auf Kante", ergibt sich die Möglichkeit, daß 
diese Näherungen genau genug sind. Von professioneller Entwicklung kann 
ich nichts sagen, aber im Hobby-Alltag reicht das halt oft aus.

Will man es genauer wissen, wird das halt aufwendiger.

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