Forum: HF, Funk und Felder Hilfe - Lee Ritchey rüttelt an meiner Weltvorstellung


von Wühlhase (Gast)


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Mahlzeit

Bisher habe ich mir über die Kausalität zwischen Ladungsträgern und 
Feldentstehung nur wenig Gedanken gemacht. Klar, elektrische/magnetische 
Felder können ohne die Anwesenheit von Ladungsträgern existieren.

Aber: Ich habe bisher tatsächlich die Vorstellung entwickelt, daß, wenn 
ein Elektron gerichtet bewegt wird (nicht nur in Leitern, sondern auch 
z.B. in Röhren), es ein Magnetfeld ringförmig um seine Bewegungsrichtung 
erzeugt.
Also: Bewegte Ladung ruft ein Magnetfeld hervor, Ladungstrennungen eben 
ein elektrostatisches Feld.

Nun lese ich gerade "Right the first time" von o.g. Autor, und der will 
mir weiß machen daß es genau anders herum sei: Die Teilchenbewegung wird 
durch das Feld hervorgerufen:

> Current flow is induced by
> electromagnetic fields.
> Electromagnetic fields are
> not induced by current flow.

Nicht das ich dem Autor nicht glauben würde, aber es wirft mein 
bisheriges Verständnis ordentlich durcheinander. Die Frage "Wie kann ich 
mir das vorstellen?" dürfte etwas zu naiv sein (Und die Antwort kenne 
ich vermutlich auch schon). Doch frag ich mich: Wie habt ihr dies in 
euer Verständnis eingebracht? Ich schätze mal, die meisten dürften das 
so gelernt haben wie ich und dürften ähnlich verwirrt gewesen sein.

Allzumal:
Wenn die Ladungsträgerbewegung durch das EM-Feld bewegt werden und 
EM-Felder unabhängig von Ladungsträgern existieren können, warum breiten 
sich EM-Felder dann anscheinend nur/vorzugsweise entlang von Materialien 
aus die hinreichend leitfähig sind bzw. breitete sich entlang eines 
Leiters aus?

Und:
Dies müßte ja auch bedeuten, daß die Energieübertragung nur in der 
EM-Welle stattfindet (das hab ich irgendwo auch schon mal so gehört), 
aber welche Bedeutung hat der Stromfluß denn dann überhaupt noch für die 
Leistung/Enerige? (P=UxI, schon klar, aber warum?)
Besser gefragt: warum hat der Stromfluß dann überhaupt noch eine 
Bedeutung?

Ich bin mal gespannt...

von Walter K. (Gast)


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Wühlhase schrieb:
> Bewegte Ladung ruft ein Magnetfeld hervor, Ladungstrennungen eben
> ein elektrostatisches Feld.
>

...und da das elektrische Feld und das magnetische Feld wechselwirken 
können,
kann man mit Hilfe einer Spule und eines Kondensators wechselnd und 
rhythmisch Energie zwischen den beiden Feldern pendeln lassen, womit man 
dann ein elektromagnetisches Feld hat, dass sich im Raum als Welle 
ausbreitet.
Da wir wissen, dass Wellen zwar Energie aber niemals Materie 
transportieren - ist doch Aussage

>> Current flow is induced by
>> electromagnetic fields.
>> Electromagnetic fields are
>> not induced by current flow.

nicht so überraschend

von Thomas M. (langhaarrocker)


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Ich schiele da aber auch ein bißchen dumm. Wenn ich einen konstanten 
Gleichstrom durch eine Spule jage, entsteht bei mir da immer noch ein 
Magnetfeld. Lege ich einen Magneten neben eine Spule, dann messe ich 
keinen Strom.

Irgendwie ist auch in meinem Weltbild Ursache und Wirkung von 
elektromagnetischen Feldern andersrum.

von Wühlhase (Gast)


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@Walter:
Das klingt schon logisch, was du schreibst. Aber dann frag ich mich 
weiter, was die Ladungsträger mit der Welle überhaupt zu tun haben, wenn 
deren Bewegung nur die Folge der EM-Welle sind?

Kann man bei Gleichstrom denn noch von einer EM-Welle reden?

Und wie funktioniert denn dann der Ladungsträgertransport durch Leiter 
überhaupt-ich sehe keinen Grund, warum die Welle dem bewegten Teilchen 
folgen sollte. Offensichtlich tut sie dies ja aber (wenn der Leiter 
nicht zu lang/die Frequenz nicht zu hoch ist)-oder?

von Achim H. (anymouse)


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Es geht um das Buch "Right the First Time: A Practical Handbook on High 
Speed PCB and System Design"? Da würde ich nicht gerade als 
Grundlagenwerk der Elektrodynamik (d.h. Theorie von elektromagnetischen 
Feldern) ansehen -- und dementsprechend glaube ich recht stark, dass das 
oben genannte Zitat einen deutlichen Kontextbezug aufweißt, und nur in 
diesem verständlich/richtig ist.

Daher ein paar Fragen (eher rhetorischer Natur):

* Ist mit "Current flow" wirklich das abstrakte theoretischen Gebilde 
"Strom" gemeint, oder ein spezieller Strom in einer bestimmten konkreten 
Situation?

* Für welche Situation wird die kausale Beziehung "EM-Felder erzeugen 
Stromfluss" genau gebraucht?

* Wird zwischen der Teilchenbewegung (mikroskopisch) und "current flow" 
(makroskopisch) unterschieden, oder nicht?

* Kann ein Ladungsträger durch elektrische Felder beeinflusst werden?

von nachtmix (Gast)


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Achim H. schrieb:
> * Kann ein Ladungsträger durch elektrische Felder beeinflusst werden?

Jedenfalls.
Elektronen im E-Feld zu zu beschleunigen hat man seit über 100 Jahren in 
Elektronenröhren praktiziert, und in den diversen millionenfach gebauten 
Kathodenstrahlröhren hat man den Strahl auch mit E- ooder H-Feldern 
senkrecht zur Flugbahn abgelenkt.

von Dumdi D. (dumdidum)


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Es sind gekoppelte (partielle) Differentialgleichungen. Es ist nicht 
sinnvoll im Allgemeinen davon zu sprechen, dass eine Variable die 
Ursache einer anderen Variablebaenderung ist.

Im Einzelfall geht das natuerlich. Dann aber manchmal so manchmal so.

von Michael B. (laberkopp)


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Wühlhase schrieb:
> Nicht das ich dem Autor nicht glauben würde, aber es wirft mein
> bisheriges Verständnis ordentlich durcheinander

Wohin sollte sich ein Elektron bewegen in einem Raum ohne 
elektromagnetisches feld ?

Das fliegt umher in brownscher Molekülbewegung, oder wabert ein bischen 
wie auf dem Orbital eines Atomkerns.

Erst das elektromagnetische Feld beschleunigt es in einer Richtiung, 
auch in einer (Elektronen-)röhre.

Wenn es nun mal fliegt, könnte es bei der Elektronenröhre durch ein Loch 
in der Anode in einem Raum fliegen der frei ist von elektromagnetischen 
Feldern. Dann fliegt es durch seine Masseträgheit weiter und im Vakuum 
kommt es auch halbwegs weit. Wenn das aber nicht nur 1 Elektron ist 
sondern Massen, dann bilden sie auch in diesem feldfreien Raum plötzlich 
eine Ladung die doch wieder ein Feld bewirkt. Lassen wir den Effekt mal 
weg und nur 1 Elektron fliegen:

Wird das eine Elektron ein elektromagnetisches Feld um sich herum 
aufbauen ? Ja, wenn auch nur ein ganz kleines.


Bleibt die Frage, ob das Elektron überhaupt ein Teilchen ist, oder eine 
Welle von leichter Feldanormalie im Raum.

von Possetitjel (Gast)


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Wühlhase schrieb:

> Wenn die Ladungsträgerbewegung durch das EM-Feld bewegt
> werden und EM-Felder unabhängig von Ladungsträgern
> existieren können, warum breiten sich EM-Felder dann
> anscheinend nur/vorzugsweise entlang von Materialien
> aus die hinreichend leitfähig sind bzw. breitete sich
> entlang eines Leiters aus?

Tun sie nicht.
Die Kommunikation mit der "Voyager" bzw. die Tatsache,
dass Du die Sonne sehen kannst (Licht = el.-mag. Welle)
beweisen es. Luft ist ein Isolator.


> Dies müßte ja auch bedeuten, daß die Energieübertragung
> nur in der EM-Welle stattfindet (das hab ich irgendwo
> auch schon mal so gehört),

Nein.

Dass die Felder AUCH ohne Ladungen existieren können,
heißt nicht, dass sie STETS NUR ohne Ladungen existieren.

Du trennst "Feld" und "Welle" nicht scharf genug.

"Ladung" (=Eigenschaft von Teilchen) ist das eine.
"Feld" als besonderer Zustand des Raumes ist das andere.
"Welle" als räumliche und zeitliche Verzahnung von zwei
Feldern ist das dritte.


> aber welche Bedeutung hat der Stromfluß denn dann
> überhaupt noch für die Leistung/Enerige? (P=UxI, schon
> klar, aber warum?)

Dieselbe, wie die kinetische Energie.
Du fragst doch auch nicht: "Es gibt doch schon potenzielle
Energie -- welche Bedeutung hat dann die kinetische Energie?"


> Besser gefragt: warum hat der Stromfluß dann überhaupt
> noch eine Bedeutung?

Weil das eine der Möglichkeiten ist, wie Feldenergie mit
Stoff in Wechselwirkung tritt.

von Wühlhase (Gast)


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Ersteinmal danke für die rege Diskussion.

@Achim Hensel:
Ja...genau das Buch ist es. Der Begriff current flow ist bisher nicht 
weiter spezifiziert worden, eine andere Bedeutung als das was ich sonst 
unter Stromfluß verstehe konnte ich nicht ausmachen. Das wird in den 
nächsten Kapiteln drankommen, schätze ich.

@Possetitjel (hat dieser Nick eigentlich eine spezielle Bedeutung?):
> Tun sie nicht.
> Die Kommunikation mit der "Voyager" bzw. die Tatsache,
> dass Du die Sonne sehen kannst (Licht = el.-mag. Welle)
> beweisen es. Luft ist ein Isolator.
Den Fall Abstrahlung wollte ich eigentlich ausklammern. Ich meinte eher, 
warum die Welle einem Draht oder einer Leiterbahn folgt.

von DL4BM (Gast)


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Achim H. schrieb:
> Da würde ich nicht gerade als
> Grundlagenwerk der Elektrodynamik (d.h. Theorie von elektromagnetischen
> Feldern) ansehen

Zustimmung! Halte dich lieber an die Bücher anderer SI-Päpste wie Howard 
Johnson, Douglas Brooks oder Eric Bogatin.
Im übrigen kannst du Lee Ritchey selbst fragen auf der 'SI-list':

https://www.freelists.org/list/si-list
https://www.eetimes.com/document.asp?doc_id=1256295

Nicht erschrecken, es ist kein Forum, sondern eine altmodische 
Email-Verteilerliste ;-)

von Achim H. (anymouse)


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DL4BM schrieb:
> Achim H. schrieb:
>> Da würde ich nicht gerade als
>> Grundlagenwerk der Elektrodynamik (d.h. Theorie von elektromagnetischen
>> Feldern) ansehen
>
> Zustimmung! Halte dich lieber an die Bücher anderer SI-Päpste

Bei "Grundlagenwerk der Elektrodynamik" dachte ich eher in Richtung
- J. D. Jackson, Klassische Elektrodynamik
- L. D. Landau und E. M. Lifschitz, Klassische Feldtheorie
- W. Greiner, Theoretische Physik, Band 3: Klassische Elektrodynamik

von Boris O. (bohnsorg) Benutzerseite


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Ein um den Atomkern sausendes Elektron ist auch eine bewegte Ladung und 
erzeugt mithin auch ein Feld. Es wird sogar permanent die Richtung 
geändert, um etwas Kreisförmiges zu erzeugen. Das Stichwort für den 
Zaubertrick ist die de-Broglie-Wellenlänge. Ich bezweifle, das von dir 
wohl imaginierte Korpuskel, eine Form von Elektron-Erbse, tatsächlich 
finden zu können. Es sind ja auch die Ausbreitungsgeschwindigkeit der 
Welle und die des Elektrons unterschiedlich.

Du kannst dir das wie eine Röhre vorstellen, in der dicht gepackt 
Murmeln sind. Sagen wir mal alle sind blau. Nun nimmst du eine einzige 
rote Murmel und drückst sie an einem Ende in die Röhre. Zwangsläufig 
purzelt eine blaue Murmel am gegenüberliegenden Ende heraus. Der Impuls 
reiste schneller (und vorallem weiter) durch die Röhre als deine rote 
Murmel. (Alle real-weltlichen Effekte wie Verformung, Reibung und dgl. 
sind aufgrund Hinderlichkeit im beschriebenen Modell außen vor.) Und der 
Impuls ist nur eine Abstraktion, ein Hilfsmittel, nicht existent in den 
Kugeln, wohl aber ihren Wechselwirkungen.

Tatsächlich findest du das in der echten Welt wieder, wenn bspw. Gase 
oder Flüssigkeiten transportiert werden. In elektrischen Leitern ist das 
aber nur begrenzt anwendbar, da der »Impuls« noch nicht einmal im Leiter 
reist sondern außerhalb, im messbaren Feld.

Ganz ohne Leiter wird es noch verrückter, wenn etwa zwei Elektronen 
nebeneinander her reisen und ihr eigenes Bezugssystem mitschleifen. Du 
kannst den Leiter auch drin lassen und die Theorie zur Unipolarmaschine 
durchackern. Da gibt es von außen gesehen Stromfluss, von innen 
betrachtet nicht.

von Wühlhase (Gast)


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Possetitjel schrieb:
> Du trennst "Feld" und "Welle" nicht scharf genug.
Stimmt, wie mir heute morgen beim Rasieren aufging...
Der ein oder andere Knoten löst sich damit schon mal. Danke.


Achim H. schrieb:
> Es geht um das Buch "Right the First Time: A Practical Handbook on High
> Speed PCB and System Design"? Da würde ich nicht gerade als
> Grundlagenwerk der Elektrodynamik (d.h. Theorie von elektromagnetischen
> Feldern) ansehen
Wie genau meinst du das? Eher im Sinne von "Das Buch ist nicht 
sonderlich tiefgründig" oder "Der Kerl hat keine Ahnng"?
Ich lese es ja nicht weil ich ein reines theoretisches Grundlagenwerk 
suche, dafür hätte ich auch den Küpfmüller et al., sondern tatsächlich 
will ich mich in HF-Leiterkartendesign einlesen.

von Achim H. (anymouse)


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Wühlhase schrieb:
>> Es geht um das Buch "Right the First Time: A Practical Handbook on High
>> Speed PCB and System Design"? Da würde ich nicht gerade als
>> Grundlagenwerk der Elektrodynamik (d.h. Theorie von elektromagnetischen
>> Feldern) ansehen
> Wie genau meinst du das? Eher im Sinne von "Das Buch ist nicht
> sonderlich tiefgründig" oder "Der Kerl hat keine Ahnng"?

(ich kenne das Buch nicht) Nein, eher im Sinne von:

Wühlhase schrieb:
>> Current flow is induced by
>> electromagnetic fields.
>> Electromagnetic fields are
>> not induced by current flow.

ist vor allem im Kontext der "Signal Integrity" zu interpretieren, also 
sehr speziellen Situation (im Vergleich zur Allgemeinheit einer 
Feldtheorie).

Sprich: Der Stromfluss in hochfrequenten Schaltungslayouts wird durch 
die elektromagnetischen Felder beeinflusst. Z.B. wird der konkrete 
Strom(rück)fluss durch eine Groundplate dadurch beeinflusst, wie der 
Hinweg geroutet ist.

von Johann L. (gjlayde) Benutzerseite


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Wühlhase schrieb:
> Bewegte Ladung ruft ein Magnetfeld hervor,

Zumindest geht Strom in die Maxwell'schen Gleichungen ein:

Rot(Magnetfeld) = Stromdichte + ...

https://de.wikipedia.org/wiki/Ampèresches_Gesetz#Differentielle_Form

>> Current flow is induced by
>> electromagnetic fields.
>> Electromagnetic fields are
>> not induced by current flow.

Wie bereits geschrieben, ist das nicht korrekt oder wahrscheinlicher aus 
einem bestimmten, technischen Kontext.

Mit "current flow" ist vermutlich "current" gemeint, d.h. "Stromfluss" 
bzw. "Strom".  "Strom" würde ich eher in einem Physik-affinen Kontext 
erwarten, "Stromfluss" eher in einem technischen.

Leider ist Strom = Stromfluss etwas verwirrend, denn für anderen Größen 
gelten analoge Gleichheiten i.d.R. NICHT: Energie/Energiefluss, 
Impuls/Impulsfluss, Masse/Massefluss sind jeweils unterschiedliche, 
nicht zu vertauschende Größen.  Zudem könnte Stromfluss = Strom = 
Ladungsfluss zur falschen Schlussfolgerungen Anlass geben, Ladung sei 
i.W. mit Strom zu identifizieren.

> Wie habt ihr dies in euer Verständnis eingebracht? Ich schätze mal, die meisten 
dürften das so gelernt haben

Hilfreich kann u.a. sein, sich die Maxwell'schen Gleichungen anzusehen 
und eine Vorstellung von deren Aussagen zu bekommen.  Die ganze 
Geschichte ergibt sich zwar nur in Kombination der Gesetze, aber die 
einzelnen Gesetze geben dennoch eine Vorstellung davon.  Mit Lesen 
derselben ist es nicht getan, weil die je nach Vorbildung nicht einfach 
zu "entschlüsseln" sind.

Gleiches gilt für die verwendeten Notationen wie Divergenz, Rotation und 
Integrale. Leider wird Div et al. oft nur als Operator aus der 
Vektoranalysis vorausgesetzt, es gibt aber auch anschaulichere 
Definitionen als Volumenableitung eines Feldes (ähnlich wie 
Differenzenquotient für Ableitung), die aber zum Rechnen oder knappen 
Notation ungeeignet sind und daher wenig bekannt sind.  Siehe z.B. 
Bronstein: Vektoranalysis.

von Johann L. (gjlayde) Benutzerseite


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Walter K. schrieb:
> da das elektrische Feld und das magnetische Feld wechselwirken
> können,

Die Sichtweise, E-Feld und M-Feld als zwei unterschiedliche, 
wechselwirkende Felder zu betrachten, kann natürlich verteten werden. 
Sie speist sich aus Elektrostatik und Magnetostatik, wo man diese Felder 
"einzeln" beobachtet.  Elektrodynamik wird dann als "Summe" dieser 
Felder angesehen, die irgendwie miteinander wechselwirken.

Wie "intensiv" ist diese "Wechselwirkung"?

E-Feld und M-Feld werden als 3-dimensionale Größen angesehen, d.h. jedes 
Feld durch 3 Größen beschrieben, welche raum- und zeitabhängig sein 
können. Zusammen werden also 6 Größen gebraucht, von welchen aber noch 
einige aufgrund der Wechselwirkung wegfallen bzw. redundant sind: Das EM 
Vektorpotantial wird durch 4 Größen beschrieben, wobei eine 
1-dimensionale Eichfreiheit verbleibt.

Das EM-Feld ist also eine 3-dimensionale Entität, d.h. die "Information" 
in separat betrachtetem E-Feld und M-Feld ist recht stark miteinander 
"verwoben". Bei z.B. 5 Dimensionen wäre die Verbindung viel weniger 
stark.

Was ist mit den 3 "überflüssigen" Freiheitsgraden?

Nehmen wir 2 Beobachter A und B, welche das EM-Feld messen und die sich 
in einem Punkt P begegnen.  A und B haben eine Relativgeschwindigkeit 
zueinander, und diese auszudrücken erfordert 3 unabhängige Größen.  Je 
nach Geschwindigkeit hat ein Beobachter daher eine andere "Sicht" auf 
ein EM Feld:  Ruht A in Bezug auf eine elektrische Ladung, wird er nur 
ein E-Feld sehen und sagen: da ist kein M-Feld. Aber B sieht i.d.R. 
ein M-Feld und wird die Situation ganz anders beschreiben, obwohl er 
sich am gleichen Ort befindet wie A.

Boris O. schrieb:
> Ein um den Atomkern sausendes Elektron ist auch eine bewegte Ladung und
> erzeugt mithin auch ein Feld. Es wird sogar permanent die Richtung
> geändert, um etwas Kreisförmiges zu erzeugen.

Das ist vielleicht anschaulich, aber leider komplett falsch und somit in 
keinster Weise hilfreich.

Nimm eines der einfachsten Systeme überhaupt: Ein H-Atom im 
Grundzustand:

* Ein s-Elektron hat weder Bahnmoment noch -drehimpuls, da dreht sich 
also nix!  Außerdem ist das s-Orbital kugelsymmetrisch, was mit einer 
rotatorischen Bewegung nicht vereinbar ist, denn bei letzterer gäbe es 
mit der Rotationsachse eine Vorzugsrichtung.

* Weder "Bahn" noch "Geschwindigkeit" noch "Richtung" des Elektrons sind 
einer Messung zugänglich.  Versuchte man, den Ort des e im H zu 
bestimmen, wäre zur Auflösung eine so kleine Wellenlänge (d.h. hohe 
Energie im Röntgenbereich) notwendig, dass bereits eine einzige 
Ortsmessung das H ionisiert und das e aus dem Atom kickt.  Von einer 
"Bahn" innerhalb des H kann also keine Rede sein.

von Elektrofan (Gast)


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> * Ein s-Elektron hat weder Bahnmoment noch -drehimpuls, da dreht sich
> also nix!
Es handelt sich um ein Modell der Wirklichkeit, auch andere Modelle sind 
genauso "richtig" oder "falsch".

> * Weder "Bahn" noch "Geschwindigkeit" noch "Richtung" des Elektrons
> sind einer Messung zugänglich.
Lt. Heisenbergscher Unschärferelation lassen sich Ort UND Impuls
(damit auch die Geschwindigkeit, p=m*v) nie gleichzeitig mit beliebiger 
Genauigkeit bestimmen, einen davon aber schon.

von Johann L. (gjlayde) Benutzerseite


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Elektrofan schrieb:
>> * Ein s-Elektron hat weder Bahnmoment noch -drehimpuls, da dreht sich also nix!
> Es handelt sich um ein Modell der Wirklichkeit, auch andere Modelle sind
> genauso "richtig" oder "falsch".

Nein, eben nicht "genauso".  Die klassische Mechanik versagt hier, und 
genau das war der Grund, nach einer korrekten Beschreibung zu suchen. 
Und die QM erlaubt eine überaus korrekte Beschreibung eines H-Atoms!

M.a.W: Das H-Atom liegt außerhalb des Gültigkeitsbereichs der 
klassischen Mechanik aber innerhalb des Gültigkeitsbereichs der QM. 
Die Klassische Mechanik ist hier also "falsch", die QM "richtig".

>> * Weder "Bahn" noch "Geschwindigkeit" noch "Richtung" des Elektrons
>> sind einer Messung zugänglich.
> Lt. Heisenbergscher Unschärferelation lassen sich Ort UND Impuls
> (damit auch die Geschwindigkeit, p=m*v) nie gleichzeitig mit beliebiger
> Genauigkeit bestimmen, einen davon aber schon.

Lies weiter was ich ober schrieb:
> Versuchte man, den Ort des e im H zu bestimmen, wäre zur Auflösung eine so 
kleine Wellenlänge (d.h. hohe Energie im Röntgenbereich) notwendig, dass bereits 
eine einzige Ortsmessung das H ionisiert und das e aus dem Atom kickt.  Von einer 
"Bahn" innerhalb des H kann also keine Rede sein.

Der Versuch, die Bahn zu bestimmen, liefert also 1 einzigen Punkt 
innerhalb des H.  Durch die Messung erhält das e einen so großen Impuls, 
dass der nächste Messpunkt bereits außerhalb des H lieht (weil durch die 
hochenergetische Messung ionisiert).

Wenn man nur 1 Punkt messen kann und die nächste Messung bereits 
außerhalb des H liegt, ist es nicht sinnvoll, von einer "Bahn" des e 
innerhalb des H zu sprechen. Diro für "Richtung" und 
"Geschwindigkeit".

von Elektrofan (Gast)


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> Das H-Atom liegt außerhalb des Gültigkeitsbereichs der
> klassischen Mechanik aber innerhalb des Gültigkeitsbereichs der QM.
> Die Klassische Mechanik ist hier also "falsch", die QM "richtig".

Auch das Bohr-Modell bricht schon mit der klassischen Physik,
weil es voraussetzt, dass das Elektron strahlungsfrei, also ohne
Energiebgabe, um den Atomkern kreist (sonst würde es in den Kern 
hineinstürzen). -

Wer beweist, dass die QM "richtig" ist?

---

> Wenn man nur 1 Punkt messen kann ..

Lt. Heisenberg kann man theoretisch nur Ort ODER Impuls beliebig genau
bestimmen.
Eine (genaue) Ortsbestimmung wäre demnach gar nicht nötig.

von Ralf B. (Firma: Scorptech) (mad_scorp)


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Elektrofan schrieb:
> Wer beweist, dass die QM "richtig" ist?

Ich hab gerade das Buch von Heisenberg gelesen, in dem er Gespräche mit 
seinen Kollegen beschreibt und auch die heftigen Diskussionen zwischen 
ihm und Bohr. Letztendlich gibt es doch kein "richtig" oder "falsch" 
sondern nur ein Modell, das besser zu unseren empirischen Daten passt. 
Man kann mit dem Quantenmodell Dinge berechnen und bauen, die man mit 
Bohr's Modell nicht kann. Und das heisst, das die QM so lange das 
"beste" Modell ist, bis wir eine bessere Beschreibung der Wirklichkeit 
finden, die aber weiterhin unsere vorher gewonnenen Erkenntnisse 
beeinhaltet.

Elektrofan schrieb:
> Lt. Heisenberg kann man theoretisch nur Ort ODER Impuls beliebig genau
> bestimmen.
> Eine (genaue) Ortsbestimmung wäre demnach gar nicht nötig.

Du redest an Johann L. vorbei. Seine anschauliche Beschreibung der 
Messung ist eben der Grund, warum Heisenberg die Unschärferelation 
überhaupt aufgestellt hat. Die Tatsache nämlich, dass jedes Messgerät in 
jeder Form einen Einfluss auf die Messgröße hat. Was makroskopisch keine 
Rolle spielt, ist eben auf Quantenebene (der von JL beschriebene 
Röntgenstrahl zB) doch stark wechselwirkt.

BTT @ Wühlhase:

Ich denke die Leute, die angemerkt haben, dass dieses Zitat im Kontext 
PCB Design zu sehen ist, liegen richtig. Letztendlich kann keiner von 
uns "sehen" was wirklich passiert. Wir können die Auswirkungen sehen und 
messen und damit mathematisch beschreiben. Aber mehr auch nicht. 
Heisenberg's Buch beschreibt das zu diesem Thema nächtelange 
Diskussionen zwische Bohr, Heisenberg und Einstein stattfanden, in denen 
zB. Einstein versuchte, die erweiterte Quantenmechanik mit 
Gedankenexperimenten zu wiederlegen, aber immer wieder scheiterte. Es 
wird auch berichtet, das die Diskussionen immmer wieder ins 
Metaphysische abdrifteten und die Philosophie streiften. Also die 
Fragen, die du gerade stellst,haben auch schon die großen Geister der 
Physik beschäftigt.


Ach ja, Quelle, W. Heisenbegr "Gespräche im Umkreis der Atomphysik"

von Johann L. (gjlayde) Benutzerseite


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Ralf B. schrieb:
> der Grund, warum Heisenberg die Unschärferelation überhaupt aufgestellt hat.

Naja, er hat sie nicht mal "aufgestellt", sie ergab sich aus seiner 
Matrizenmechanik:

Die klassische Mechanik versagte als Grundlage der Atomtheorie.  Die 
Bohr'schen Postulate brachten zwar einen Fortschritt, aber einerseits 
keine vollständige Erklärung und andererseits erschienen sie höchst 
unnatürlich und ad hoc (was sie auch waren).

Wenn Konzepte wie "Ort", "Bahn" und "Geschwindigkeit" eines Elektrons im 
Atom zu unsinnigen Ergebnissen führen — ja diese Größen noch nichtmal 
messbar waren — warum dann die Atomtheorie nicht besser auf Größen 
gründen, die einer Messung zugänglich sind wie Frequenzen und Amplituden 
der Atomspektren?

Genau dieses Programm verfolgte Heisenberg und entwickelte seine 
Matrizenmechanik, welche nur auf messbaren Größen basieren sollte.  Die 
Algebra hatte allerdings seltsame Eigenschaften, und eine Folgerung 
daraus (aus der Nicht-Kommutativität bestimmter Operationen) war die 
Unschärferelation.

Der Grad der Nicht-Kommutativität, d.h. die Größe AB-BA, ist dabei ein 
Maß für die Unschärfe. A und B können z.B. Messung von Ort bzw. Impuls 
darstellen, und die Nicht-Kommutativität bedeutet, dass es nicht egal 
ist, in welcher Reihenfolge die entsprechenden Messungen ausgeführt 
werden.

Beitrag #5322356 wurde vom Autor gelöscht.
von Elektrofan (Gast)


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> Letztendlich gibt es doch kein "richtig" oder "falsch"
> sondern nur ein Modell, das besser zu unseren empirischen Daten passt.

qed.

Sommerfeld soll 1924 gesagt haben:
"Vielleicht ist das Atommodell mehr ein Rechenschema,
als eine Zustandsrealität."

---

> Genau dieses Programm (Messung der Frequenzen und Amplituden der
> Atomspektren) verfolgte Heisenberg und entwickelte seine
> Matrizenmechanik, welche nur auf messbaren Größen basieren sollte.

>> Die Tatsache nämlich, dass jedes Messgerät in
>> jeder Form einen Einfluss auf die Messgröße hat.

Wenn die messbaren Größen also "falsch" gemessen sein sollten,
wären die Elemente der Matrizenmechanik ebenfalls "falsch".

von Johann L. (gjlayde) Benutzerseite


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Elektrofan schrieb:
> Wenn die messbaren Größen also "falsch" gemessen sein sollten,
> wären die Elemente der Matrizenmechanik ebenfalls "falsch".

Eine triviale Erkenntnis, die auch für die klassische Mechanik gilt: 
Wenn Messgrößen falsch sind, sind es i.d.R. auch die Aussagen der 
Theorie basierend darauf.  Das bedeutet aber nicht, dass die Theorie 
falsch ist.

Beitrag #5324061 wurde von einem Moderator gelöscht.
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