Forum: Offtopic Antiradar-Beschichtung Horten IX


von Walter K. (Gast)


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Weiss jemand zufällig womit die Horton-Brüder ihre IX gestrichen haben, 
um das Radarecho zu minimieren?

https://www.welt.de/geschichte/zweiter-weltkrieg/article132972389/Hitlers-geheimer-Stealth-Jaeger-war-flugfaehig.html

Weiss jemand warum die Amis mehr als 4 Jahrzehnte zu Nachbau gebraucht 
haben?

von Anja Zoe C. (zoe)


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War es denn seitens der Hortens Absicht oder hat sich das nur zufällig 
ergeben?

von Kilo K. (kilo81)


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Soviel ich weiß war die IX unlackiert. Sie wurde ja nie wirklich fertig! 
Und ein besonderer "Anti-Radar" Anstrich war gar nicht vorgesehen.

Die Tarnkappeneigenschaft war eher.. naja nicht Zufall aber auch nicht 
wirklich Primärziel bei der Entwicklung.

Ziel war es ja, ein schnelles und leichtes Flugzeug zu bauen. Deshalb 
besteht es zum Größtenteil aus Holz. Und die Form ist auch eher der 
Aerodynamik gewidmet.

Als der Flieger 1:1 als nachgebaut worden ist, stellte sich heraus, dass 
die Tarn-Eigenschaften bei über 80% lagen auf grund der Form und des 
Materials.

von Walter K. (Gast)


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Anja zoe C. schrieb:
> War es denn seitens der Hortens Absicht oder hat sich das nur
> zufällig
> ergeben?

Nein, das war schon Absicht - denn die Luftwaffe hatte mit den 
englischen Radareinrichtungen sehr schlechte Erfahrungen ... und die 
Nachtjäger der Luftwaffe hatten mit dem Bordradar sehr gute Erfahrungen 
gemacht.

von Matthias S. (Firma: matzetronics) (mschoeldgen)


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Die beanspruchten 'Stealth' Fähigkeiten der Horten sind vermutlich ein 
Nachkriegsmythos, den Reimar Horten selber initiiert hat:
https://en.wikipedia.org/wiki/Horten_Ho_229

Bei Tests zeigte sich, das die Horten etwa 80% der Radarentdeckung einer 
ME109 hat, was nicht verwunderlich ist, denn sie war ja zum grossen Teil 
aus Holz gebaut. Die Bemerkung von Reimar Horten, das er Holzkohle zum 
Kleber mischte, unterfüttert den Mythos.

Das die Horten eine grossartige Maschine war, ist davon natürlich 
unberührt. Dieser Nurflügler ist sicher der erste gewesen, der seine 
Betriebsfähigkeit unter Beweis stellte. Über den Anstrich ist nichts 
rauszufinden, er wird aber vermutlich durch die Rohstoffknappheit gegen 
Ende des Krieges bedingt, nichts besonderes gewesen sein.

von Max M. (zbmax)


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Dominik K. liegt da nicht ganz falsch. Es gab dazu auch mal ne Reportage 
auf n24 oder n tv. Ich weiß, sind nicht die besten Quellen aber es war 
trotzdem mal nett zu sehen.
Im Video baut man in den USA bei nem namhaften Flugzeughersteller ein 
Model nach und testet dann die Radasignatur.
Glaube es ist das unten zu sehende Video, bin mir aber nicht ganz sicher 
weil ich es mir jetzt nicht nochmal ansehen wollte.


https://www.youtube.com/watch?v=VDZh2MbzKFc

von Walter K. (Gast)


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Dominik K. schrieb:
> Soviel ich weiß war die IX unlackiert. Sie wurde ja nie wirklich fertig!
> Und ein besonderer "Anti-Radar" Anstrich war gar nicht vorgesehen.

Leutnant Erwin Zeller machte 1944 erste Testflüge!

von Kilo K. (kilo81)


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Walter K. schrieb:
> Leutnant Erwin Zeller machte 1944 erste Testflüge!

Jaaha... Testflüge!
Sie wurde aber nicht in Dienst gestellt!

Das Ding was die Amis gefunden hatten 45 war unlackiert!!

von Matthias S. (Firma: matzetronics) (mschoeldgen)


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Walter K. schrieb:
> Leutnant Erwin Zeller machte 1944 erste Testflüge!

So ist es. Es gehen Gerüchte, das mindestens 3 Machinen flugfähig gebaut 
wurden. Die letzte Überlebende ist im National Air&Space Museum in 
Washington, D.C. zu sehen. Dabei ist nur der Mittelteil mit Cockpit und 
den Triebwerken original, der Rest wurde 'dazu restauriert'.

von Kilo K. (kilo81)


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Matthias S. schrieb:
> Die beanspruchten 'Stealth' Fähigkeiten der Horten sind vermutlich ein
> Nachkriegsmythos, den Reimar Horten selber initiiert hat:
> https://en.wikipedia.org/wiki/Horten_Ho_229

Richtig!

Max M. schrieb:
> Im Video baut man in den USA bei nem namhaften Flugzeughersteller ein
> Model nach und testet dann die Radasignatur.

Auch Richtig!

Man lackierte das Modell in einer speziellen Farbe, welche aber nichts 
mit dem Original zu tun hatte!

Auftrag war es, ein Flugzeug zu bauen das mind. Mach 1 fliegt und mind. 
1000 Km Reichweite hat.

Tarnung gegenüber dem Radar war gar nicht Hauptziel, weil, wie hätte man 
es denn testen sollen?

von Matthias S. (Firma: matzetronics) (mschoeldgen)


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Dominik K. schrieb:
> Tarnung gegenüber dem Radar war gar nicht Hauptziel, weil, wie hätte man
> es denn testen sollen?

Es wird gerne vergessen, das die 'Funkmesstechnik', heute Radar genannt, 
in Deutschland auch benutzt wurde, wenn auch durch die Entscheider immer 
wieder behindert. Dabei gab es Geräte wie 'Würzburg' und 'Würzburg 
Riese', die von Telefunken und Konsorten entwickelt wurden. Die 
Nachtjagd wurde später mit einem Gerät ausgestattet, das den Namen 
'Lichtenstein' und 'Lichtenstein 2' trug, und war praktisch ein Bugradar 
für den Einbau im Flugzeug.

Im Gegensatz zu den Würzburgs mutete die britische Chain Home fast 
vorsintflutlich an, aber der entscheidende Vorteil war die gute 
Organisation derselben und - das ihre Messergebnisse ernst genommen 
wurden und sofort zu den Staffeln weitergeleitet wurden, was in 
Deutschland praktisch nur dem 'Himmelbett' Abwehrsystem und der 
angeschlossenen Nachtjagd zugestanden wurde.

von (prx) A. K. (prx)


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Max M. schrieb:
> Dominik K. liegt da nicht ganz falsch. Es gab dazu auch mal ne Reportage
> auf n24 oder n tv. Ich weiß, sind nicht die besten Quellen aber es war
> trotzdem mal nett zu sehen.

Mein Vertrauen ins Smithsonian und Northrop Grumman ist etwas höher ...
https://airandspace.si.edu/collections/horten-ho-229-v3/about/is-it-stealth.cfm
... als in die aufgeblasen wirkende Reportage von N24/Welt:
https://www.welt.de/geschichte/zweiter-weltkrieg/article132972389/Hitlers-geheimer-Stealth-Jaeger-war-flugfaehig.html

: Bearbeitet durch User
von Kilo K. (kilo81)


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Matthias S. schrieb:
> Die letzte Überlebende ist im National Air&Space Museum in
> Washington, D.C. zu sehen. Dabei ist nur der Mittelteil mit Cockpit und
> den Triebwerken original, der Rest wurde 'dazu restauriert'.

Nicht ganz!
Der fertiggestellte Rumpf wurde von den Amis gefunden, während die 
unfertigen Tragflächen in Sonneberg mitgenommen worden sind.
So gelangte die unfertige V3 als Prototyp und unlackiert in das Musuem.

Dort wurde sie zu Austellungszwecken erst lackiert!

von Kilo K. (kilo81)


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A. K. schrieb:
> Mein Vertrauen ins Smithsonian und Northrop Grumman ist etwas höher ...
> https://airandspace.si.edu/collections/horten-ho-229-v3/about/is-it-stealth.cfm
> ... als in die aufgeblasen wirkende Reportage von N24/Welt:
> 
https://www.welt.de/geschichte/zweiter-weltkrieg/article132972389/Hitlers-geheimer-Stealth-Jaeger-war-flugfaehig.html

Die sagen aber nichts anderes!

"A production model was never fabricated, and the prototype does not 
show any clear evidence of charcoal as a stealth ingredient."

Unter anderem!

von Walter K. (Gast)


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Matthias S. schrieb:
> das ihre Messergebnisse ernst genommen
> wurden und sofort zu den Staffeln weitergeleitet wurden, was in
> Deutschland praktisch nur dem 'Himmelbett' Abwehrsystem und der
> angeschlossenen Nachtjagd zugestanden wurde.

Eine noch lebende über 90jährige Verwandte war damals als Gymnasiastin 
vom BDM in Holland eingesetzt, musste trigonometrische Berechnungen 
machen - um die Nachtjäger der Luftwaffe den anfliegenden Bomberstaffeln 
entgegenzuschicken.

von Matthias S. (Firma: matzetronics) (mschoeldgen)


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Walter K. schrieb:
> Eine noch lebende über 90jährige Verwandte war damals als Gymnasiastin
> vom BDM in Holland eingesetzt

Vllt. erinnert sie sich also noch an die Worte 'Himmelbett' und den 
Tiernamen, den ihre Station trug. Die hatten Namen wie 'Kolibri', 
'Spatz' oder 'Tiger'.

von Max M. (zbmax)


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Manchmal überlege ich mir ja was technologisch drin gewesen wäre wenn 
nochmal 10 oder 20 Jahre im selben Tempo voran gegangen wären.

Wenn man bedenkt das Juri Gagarin bereits 1961 im All war hätte es gut 
sein können das man das vielleicht schon 10 Jahre früher hätte erreichen 
können.

von (prx) A. K. (prx)


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Max M. schrieb:
> Manchmal überlege ich mir ja was technologisch drin gewesen wäre wenn
> nochmal 10 oder 20 Jahre im selben Tempo voran gegangen wären.

Ging es ja auch, nur eben ohne D. Der kalte Krieg war in den ersten 
Jahrzehnten eine technologisch ziemlich heisse Phase.

> Wenn man bedenkt das Juri Gagarin bereits 1961 im All war

Man hätte zwar vorher schon Menschen hoch schicken können, aber das wäre 
drauf rausgelaufen, so lange welche hoch zu schicken, bis irgendwann 
einer lebend wieder runter kommt. Das ist ungefähr der Unterschied 
zwischen echtem Krieg und dem Rüstungswettlauf nach dem 2. Weltkrieg. Im 
Krieg zählen Leben weniger. Ganz besonders im Deutschland von damals, 
denn man hätte wohl nicht vorsichtig mit Hund oder Affe angefangen, da 
gabs andere sprachlich versiertere Möglichkeiten.

: Bearbeitet durch User
von Walter K. (Gast)


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Max M. schrieb:
> Wenn man bedenkt das Juri Gagarin bereits 1961 im All war hätte es gut
> sein können das man das vielleicht schon 10 Jahre früher hätte erreichen
> können.

Immerhin waren die ersten von Menschenhand gebauten Objekte, die auch 
durch den Weltraum flogen, die deutsche A4 ( V2 ).

Bevor nun wieder irgend jemand Siegerpropaganda nachbetet:
Es war nicht die Grenze zum Weltraum - es war der Weltraum!
Nach Definition der Fédération Aéronautique Internationale liegt die bei 
100km Höhe – und die wurde am 20. Juni 1944 von einer deutschen Rakete 
durchstossen.

von (prx) A. K. (prx)


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Walter K. schrieb:
> Immerhin waren die ersten von Menschenhand gebauten Objekte, die auch
> durch den Weltraum flogen, die deutsche A4 ( V2 ).

Das ist doch völlig unstrittig. Nur wäre Gagarin mit einer A4/V2 zwar 
auch wieder runter gekommen, aber nicht in vorzeigbaren Zustand.

Ausserdem gab es andere Prioritäten: Bomben. Und zwar Atombomben, die so 
gebaut waren, dass sie in die Rakete rein passten. Die musste es auch 
erst einmal geben. Zivile Nutzung war beiderseits eher Prestigefrage und 
Nebensache.

: Bearbeitet durch User
von Walter K. (Gast)


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In Peenemünde auf Usedom steht noch eine V2 im Museum

http://museum-peenemuende.de

von Matthias S. (Firma: matzetronics) (mschoeldgen)


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Walter K. schrieb:
> In Peenemünde auf Usedom steht noch eine V2 im Museum

Oh, die stehen an vielen Stellen, weil es so viele davon gab, im 
Gegensatz zur Horten. Im o.a. National Air & Space Museum steht auch 
eine, die ich schon mal betatscht habe, vor dem White Sands 
Versuchsgelände in New Mexico stehen zumindest V2 Motoren, denn die 
Jungs haben nach dem Krieg dort mindestens 60 von den Dingern gestartet:
https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_V-2_test_launches

: Bearbeitet durch User
von Holm T. (Gast)


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Ich habe mal ne Freundin & Familie nach DD zum Flughafen gefahren vor 
ein paar Jahren, da Stand in der "Schalterhalle" in einer Ecke irgend 
ein Triebwerk rum..näher angeguckt.. ein Triebwerk der A4 mit 
Erklärungen drum herum. Hat mich ziemlich überrascht..und gefreut das 
angucken zu können.

Gruß,

Holm

von Anja Zoe C. (zoe)


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Ein A4 (V2) Triebwerk findet sich interessanterweise auch im 
"Hausmuseum" von ehemals SNECMA / SEP in Vernon, Frankreich.

von Roland E. (roland0815)


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Die Doku hatte ich vor Jahren auch gesehen:
Die wirklich reife Leistung der Horten war ja, dass sie nach Aussage der 
Testpiloten, gute Flugeigenschaften besessen haben soll und einfach zu 
fliegen sei.

Um den B2 in der Luft zu halten brauchen die Amis 50 Jahre später zig 
Computer...

Die Skunkwork-Jungs hatten beim Nachbau für die Radartests sogar 
herausgefunden wieso die Horten stabil in der Luft lag: Die Triebwerke 
waren nicht flugaxial eingebaut.

Das ganze Stealth-Gerede kam erst lange nach dem Krieg auf. Die 
"karbonhaltige Farbe" war wohl eher ein mit (Holz)Kohle gefüllter 
Spachtel für Fehlstellen, so die Skunkworks-Leute in der Doku. Der 
Radarvorteil lag vor allem in der geringen Größe der Metallteile am 
Flugzeug in Verbindung mit rd 1000km/h.

Effektiv als Jagdbomber wäre die Horten allemal geworden. Die 
Vorwarnzeit hätte nicht mehr gereicht um (die damals in England 
verfügbaren) Abfangjäger aufsteigen zu lassen. Der Vorteil hätte wohl 
mindestens ein oder zwei Jahre angehalten.
Für einen engen Dogfight bei den Geschwindigkeiten hätte die 
Holzstruktur wohl schnell Grenzen gesetzt.

: Bearbeitet durch User
von L. H. (holzkopf)


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