Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Was bringen Ferritröhrchen auf Bauteilanschlüssen im Schaltnetzteil


von Till (Gast)


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In kaufbaren fertigen Schaltnetzteilen findet man Bauteile, auf deren 
Anschlussdrähte Ferritröhrchen gesteckt sind. Man liest oft, dass 
Schaltregler im Gegensatz zu Linearreglern viel mehr Schmutz und 
Störungen durch steile Schaltflanken produzieren.

Inwieweit können die Ferritröhrchen diesen Nachteil wieder wettmachen 
und steile Rechteckflanken abmildern?

Bringt es etwas, in einen selbstgebauten Schaltregler, die drei Beinchen 
des schaltenden Leistungstransistors mit Ferritröhrchen zu versehen?

Muss eventuell der Gate-/Basisanschluss davon ausgenommen werden?

Sind die Ferritröhrchen an weiteren Bauteilen sinnvoll?

Dienen die Ferritröhrchen nur dazu, andere Elektroniken vor 
Störungstrahlung zu schützen oder können sie auch die Ausgangsspannung 
des Schaltreglers, in dem sie verwendet werden, bezüglich der Glätte 
entscheidend verbessern?

: Verschoben durch User
von Rufus Τ. F. (rufus) Benutzerseite


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Die "Ferritröhrchen" (ferrite bead) sind kleine Serieninduktivitäten.

von Falk B. (falk)


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@Till (Gast)

>Anschlussdrähte Ferritröhrchen gesteckt sind. Man liest oft, dass
>Schaltregler im Gegensatz zu Linearreglern viel mehr Schmutz und
>Störungen durch steile Schaltflanken produzieren.

Das ist oft auch so.

>Inwieweit können die Ferritröhrchen diesen Nachteil wieder wettmachen
>und steile Rechteckflanken abmildern?

Nur zum Teil. Die dämpfen parasitäre Schwingungen bei Schaltvorgängen. 
Denn dieser Ferrit ist absichtlich stark verlustbehaftet.

>Bringt es etwas, in einen selbstgebauten Schaltregler, die drei Beinchen
>des schaltenden Leistungstransistors mit Ferritröhrchen zu versehen?

Nö, denn das ist kein Wundermittel, das man kiloweise ohne nachzudenken 
einfach in eine Schaltung kippen kann. Man sollte schon ansatzweise 
wissen was man tut.

>Muss eventuell der Gate-/Basisanschluss davon ausgenommen werden?

Kommt immer auf die Schaltung an. Am Drain ist diese Ferritperle am 
häufigsten anzutreffen, dort dämpft sie beim Step Up bzw. Flyback 
Converter die parasitäre Schwingung beim Ausschalten. Am Gate 
funktioniert es ähnlich. An Source findet man Ferritperlen nur sehr 
selten, in den meisten Standardschaltungen macht sie dort eher Probleme 
als welche zu lösen.

>Sind die Ferritröhrchen an weiteren Bauteilen sinnvoll?

Dioden. Überall dort, wo schnelle, kräftige Schaltvorgänge auftreten.

>Dienen die Ferritröhrchen nur dazu, andere Elektroniken vor
>Störungstrahlung zu schützen

Sie schützen nicht vor Störstrahlung, sie vermindern das Entstehen von 
parasitären Schwingungen, die sich dann über Leitungen ausbreiten 
können.

> oder können sie auch die Ausgangsspannung
>des Schaltreglers, in dem sie verwendet werden, bezüglich der Glätte
>entscheidend verbessern?

Nö. Ferritperlen wirken frühestens im 2-3stelligen MHz Bereich. Der 
Ripple von Schaltreglern liegt aber im kHz Bereich, also deutlich 
darunter. Dort sind Ferritperlen praktisch unwirksam.

Ferritperlen kann man meist nur empirisch einsetzen, sprich, man muss 
sie einbauen und Vergleichsmessungen machen.

von Falk B. (falk)


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@Rufus Τ. Firefly (rufus) (Moderator)

>Die "Ferritröhrchen" (ferrite bead) sind kleine Serieninduktivitäten.

Das ist unvollständig bis falsch! Es sind stark verlustbehaftete 
Induktivitäten, die im optimalen Frequenzbereich deutlich näher am 
ohmschen Widerstand sind als an der Induktivität!

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


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Till schrieb:
> Man liest oft, dass Schaltregler im Gegensatz zu Linearreglern viel mehr
> Schmutz und Störungen durch steile Schaltflanken produzieren.
Und diese Ferrithülsen bilden Induktivitäten (oder eher: sie erhöhen die 
sowieso vorhandene Induktivität des Anschlussdrahtes), die solche 
steilen Stromanstiege verhindern und in ihrem "Resonanzbereich" wie ein 
Widerstand Energie vernichten. Das reduziert natürlich den Wirkungsgrad 
des Netzteils.

> Muss eventuell der Gate-/Basisanschluss davon ausgenommen werden?
> Sind die Ferritröhrchen an weiteren Bauteilen sinnvoll?
Diese Hülsen sind idR. nur im Leistungspfad sinnvoll. Auf der 
Ansteuer-/Signalseite gibt es andere Methoden um die Steilheit der 
Signalflanken zu reduzieren.

BTW: ich hatte mal ein semioptimales Design, da hat der EMV-Spezi auch 
gesagt "Hülsen dran und fertig". Ich habe dann das Layout korrigiert und 
ohne Hülsen bessere Werte erhalten als mit dem alten Layout und Hülsen 
für fast 3€.
Daran war gut zu sehen, dass das Layout ein wichtiges Bauteil des 
Schaltreglers ist.

: Bearbeitet durch Moderator
von Stefan M. (derwisch)


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Ferritperlen können mehrere Funktionen haben.
Zum einen können sie dazu beitragen das weniger Hochfrequente 
Störstrahlung von der Schaltung abgestrahlt wird ( EMV ), zum anderen 
können sie dazu dienen, dass bestimmte Schaltungsteile nicht von selbst 
im HF Bereich schwingen.

Rufus Τ. F. schrieb:
> Die "Ferritröhrchen" (ferrite bead) sind kleine Serieninduktivitäten.

Genau, die Ferritperlen erhöhen die Induktivität eines 
Anschlussbeinchens erheblich.
Dadurch kann das Beinchen dann als HF Drossel arbeiten.
Wo es nötig ist, wird natürlich eine richtige ( Drossel ) Spule als 
extra Bauteil verwendet.

von pegel (Gast)


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Er zeigt die Wirkung sehr schön:

https://www.youtube.com/watch?v=81C4IfONt3o

von W.S. (Gast)


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Falk B. schrieb:
> @Rufus Τ. Firefly (rufus) (Moderator)
>
>>Die "Ferritröhrchen" (ferrite bead) sind kleine Serieninduktivitäten.
>
> Das ist unvollständig bis falsch! Es sind stark verlustbehaftete
> Induktivitäten,

Ja, eben.

Einigen wir uns doch auf den Satz "Es sind Induktivitäten mit einer Güte 
im unteren einstelligen Bereich." ;-)

Lothar M. schrieb:
> Und diese Ferrithülsen bilden Induktivitäten (oder eher: sie erhöhen die
> sowieso vorhandene Induktivität des Anschlussdrahtes), die solche
> steilen Stromanstiege verhindern und in ihrem "Resonanzbereich" wie ein
> Widerstand Energie vernichten. Das reduziert natürlich den Wirkungsgrad
> des Netzteils.

Da hast du was wesentliches übersehen. Diese "Dämpfungsperlen" sollen 
verhindern, daß der Transistor ungewollt zum getakteten 
UHF-Leistungsgenerator wird. Der Mechanismus dahinter ist nämlich, daß 
das entsprechende Bein (Drain oder Source) zusammen mit einem Teil der 
daran hängenden Leiterzüge ein im UHF-Bereich resonantes Gebilde ist, 
was ohne Bedämpfung im Umschaltmoment einen prima Laufzeit-Oszillator 
abgeben kann.

W.S.

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


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W.S. schrieb:
> was ohne Bedämpfung im Umschaltmoment einen prima Laufzeit-Oszillator
> abgeben kann.
... wenn man mal wieder nicht aufgepasst oder anderweitig den Switchnode 
oder die Stromführung auf der Masse ziemlich ungünstig hinbekommen hat.

> Diese "Dämpfungsperlen" sollen verhindern, daß der Transistor ungewollt
> zum getakteten UHF-Leistungsgenerator wird.
Man designt die Dinger aber nicht vorher ein, sondern pappt sie 
hinterher dran, um sowas im fertigen Design zu verhindern.

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