Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Treiber eines Vakuum-Magnetventils von Leybold


von Physikant (Gast)


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Hallo,

ich habe vor einigen Wochen ein paar Ebay-Auktionen zu 
Vakuum-Komponenten gewonnen, darunter auch drei Magnetventile.
Alle drei Ventile haben den gleichen "Treiber" angeschlossen, ein 
Leybold-Heraeus 59181224 (laut Typenschild). Ein Baujahr ist nicht 
verzeichnet, aber da "Made in Germany" draufsteht, denke ich, er ist aus 
den 90gern.
Im Internet findet man nichts dazu.
Auf der anderen Seite ist zu lesen: 220V, 50Hz, I 0,082A, Imax 6,0A, 70 
ms, 100% ED.
Alle drei Treiber sind unterschiedlich kaputt, beim ersten fliegt sofort 
die Sicherung, der zweite macht nichts, der dritte lässt die Spule es 
Ventils binnen 10 Minuten auf 95°C heiß werden, schaltet diese aber 
zuverlässig.
Also hab ich den ersten mal aufgemacht, um festzustellen, dass er ein 
einziger Block Epoxy ist, sauber vergossen.

Meine Frage nun: hat jemand Erfahrung mit dem Ansteuern solcher 
Magnetventile? Eine Idee, wie ich den Treiber ersetzen könnte? Lohnt es 
sich, das Epoxy zu lösen und zu versuchen, einen Treiber auf Basis des 
Alten neu zu entwickeln?

Im Anhang ein Bild des Outputs des dritten, "funktionierenden" Treibers. 
Leider hatte ich die beiden Leitungen vertauscht, darum ist das Signal 
invertiert. Achtung, ist ein 10:1 Tastkopf, daher ist Vpp 240V.

Grüße,
   Nikolas

von Dieter (Gast)


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Das sieht nach Phasenanschnitt mit Thyristoren oder Triac aus.

Gibt es ein Photo von der vergossenen Schaltung (Lineal dazu legen, 
wegen Größe und Platz)?

Das Teil könnte mit 24V-Pegeln angesteuert worden sein.

von Physikant (Gast)


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Ich habe den Treiber schon angefangen gehabt, freizulegen.
Das Prozedere ist unangenehm und zeitaufwändig; einen Tag in Aceton 
anlösen lassen, gelöste Schicht runterschaben. Insgesamt hat es etwa 
eine Woche vom Klotz bis zur "freien" Platine gedauert.
Etwa nach 4 Tagen habe ich die zwei Leistungswiderstände und den 
Thyri/Triac runtergelötet, bei den letzten Bildern fehlen daher die drei 
Teile. Ich habe von jedem Zwischenschritt viele Bilder gemacht, hier ein 
paar Interessante.

von Physikant (Gast)


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Man verzeihe den Doppelpost, ich habe keine Möglichkeit gefunden, den 
vorherigen Beitrag zu editieren.
Leider kann man auf dem IC kaum etwas lesen, was das direkte Nachbauen 
der Schaltung schwierig gestaltet.
Die beiden Drähte, die an der Unterseite zur Kamera zeigen (Rosa und 
Weiß) waren an die Spule angeschlossen, an den Schraubklemmen war der 
Netzanschluss.
Alle Werte (Caps und Widerstände) lassen sich noch ablesen, bis auf die 
kleineren Dioden, der IC und das orangene Kästchen, von dem ich nicht 
genau weiß, was es sein soll, ein C vielleicht?
Jemand ne Idee, wie ich die Schaltung ersetzen könnte?
Lohnt es sich, alles auszumessen/runterzulöten?

von Martin S. (sirnails)


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Die Schaltung sieht sehr einfach aus.

Probiere doch mal, einen Schaltplan aufzuzeichne (würdest DU dann eh 
brauchen). Oftmals ergibt sich sinn/Unsin aus einem Schaltplan und die 
Bauteilkategorie lässt sich eingrenzen (z.B. Operationsverstärker, 
Schaltregler IC (was ich hier bei diesem 70ger Jahre Layout nicht 
glaube).

Wie ich die Leute hier kenne, können die schon sehr gut Kaffeesatz 
lesen.

von Georg A. (georga)


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Wenn da was oszillieren soll, kommt das vermutlich vom IC. Aufgrund des 
rustikalen Aufbaus (sieht eher nach 70er aus...) tippe ich da eher auf 
was Gebräuchliches. Also 4fach-Opamp (LM324, TL074, etc.), NE556 oder 
74121, evtl. auch noch was aus der CMOS-Ecke (CD4xxx). Man müsste 
erstmal rausfinden, wo da überhaupt sowas ähnliches wie eine 
Versorgungsspannung hinkommt...

von Peter D. (peda)


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Ich vermute mal, die Schaltung läßt für 70ms einen hohen Anzugsstrom 
fließen und danach einen deutlich kleineren Haltestrom.

Steht denn auf den Ventilen keinerlei Bezeichnung?

von Dieter (Gast)


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Das IC mußte aus der 74xxxxx oder CD4xxx Serie entstammen. Das sind 
Gatter, FlipFlops, SchmidtTrigger, Zähler usw, einfache Logikbausteine, 
oder vierfach OP.

Wie bereits peda schon schrieb, höherer Anzugstrom und dann niedrigerer 
Haltestrom. Dazu wird der Phasenanschnitt des Thyristors geändert. Bei 
der Schaltung mit der heißen Wendel, versagt die Umschaltung auf den 
niedrigeren Haltestrom. Es ist durchaus möglich, dass der Haltestrom 
1/10 betragen könnte.

von Physikant (Gast)


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Auf den Ventilen ist zu lesen:
64,8 Ohm
0/40016
GABY035D43D04
220V 50-60 Hz
ANSTEUERGERÄT
I = 3/0.42 A
900 1/h 100%ED

Ich habe mal das Einschaltverhalten der Ventile abgebildet. Siehe 
Anhang.
Also Schaltplan machen und hoffen, dass ich die unbekannten Teile 
irgendwie erraten kriege?

von Mani W. (e-doc)


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Physikant schrieb:
> I = 3/0.42 A


Könnte sein, dass der Strom durch das Magnetventil kurz nach dem
Anziehen vermindert wird, um Dauerbetrieb ohne Abbrennen zu
gewährleisten...


Schließe ein Magnetventil mal DIREKT an 230 VAC und kontrolliere
die Wärmeabgabe...

von Gerald B. (gerald_b)


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Das ist ein Kondensatornetzteil, um die Elektronik zu versorgen. Unten 
rechts der Gleichrichter, links daneben die 2 FoKos bilden das 
Kondensatornetzteil. Oben der FoKo wird zum Snubber des Thyristors 
gehören.
Links neben dem Kondensatornetzteil sind noch ein paar Zenerdioden als 
Spannungsstabis.
Ist denn das Magnetventil beschriftet? Ich vermute mal, es benötigt 230V 
oder damals halt 220V Wechselspannung. Wenn jetzt ein Teil der 
Gleichrichterbrücke tot ist, das da nur noch eine Halbwelle auf das 
Magnetventil kommt, dann steigt der Strom an und es wird heiß.
Wenn meine Vermutung zutrifft, würde ich ein SSR nehmen und dieses mit 
einem µC, oder was auch immer ansteuern. Diese museeumsreife Technik 
nachzuentwickeln ist unnötiger Aufwand. Ansonsten hängt es dann 
vielleicht an der Beschaffbarkeit des ICs. Es gab da mal ein 
Phasenanschnittsteuer-IC, das mit einer Analogspannung den Phasenwinkel 
steuern konnte. Ist seit Jahrzehnten abgekündigt und wird inzwischen mit 
Gold aufgewogen. In so eine Sackgasse muß man sich ja nicht 
reinmanövrieren ;-)

von Dieter (Gast)


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Eine solche Schaltung war nicht besonders schwer. In einer Elo, Elektor, 
Eltad war mal sowas mit Standardbauteilen anstelle eines Spezial IC. 
Erkennung Nulldurchgang, Fallende Flanke und Unterschreiten 
Spannungslimit wurden verknuepft zur Zuendung.

von Dieter (Gast)


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Einfachste Dimmerschaltungen lassen sich nicht verwenden, da diese beim 
Phasenanschnitt kurz vor dem Nulldurchgang zu ungenau werden.

Ein paar Grundlagen ließen sich hier entnehmen zu Schaltungsteilen:
www.eventpower-austria.com/_dl/DIMMER_mit_PHASENANSCHNITT.pdf

Da LED-Lasten besonders in der Nähe vom Nulldurchgang gedimmt durch 
diese Ungenauigkeiten flimmern, gibt es dafür besondere Ansteuerungen:
http://www.elektroniknet.de/led-beleuchtungen-an-triac-dimmer-anschliessen-1605.html

Benötigte Ansteuerschaltung:

1. Überschreiten der Mindestspannung (steigende Flanke des Sinus) 
aktiviert die Ansteuerschaltung.

2. Es wird gewartet, bis eine bestimmte Schwellenspannung unterschritten 
wird.

3. Diese löst ein Monoflop aus, dass den Zündimpuls des Triac erzeugt.

4. Triac löscht wieder im Nulldurchgang.

Für den höheren Anzugsstrom von 30..70ms folgende Adaption:
5. Ein weiteres Monoflop reagiert auf den Steuerimpuls des Einganges und 
erhöht für dieses Zeitfenster die Schwellenspannung bei Punkt 2.


Angemerkt sei noch, dass mich die Schaltung an Ventile erinnert, die mit 
24V DC (heruntergeregelt über PWM mit NE555) und auch mit 60V AC 
(heruntergeregelt mit Triac) direkt betrieben werden konnten und es 
Thyristorschaltungen gab für 110/120V und 220V.
Die Spulen waren bei allen Modellen gleich, nur die Ansteuerschaltung 
für die verschiedenen Betriebsspannungen unterschiedlich.


Im Gegensatz zu normalen Dimmern, die von 0-100% gesteuert werden 
sollen, wird hier ein Dimmer benötigt, der nur von 0-10% gesteuert 
werden soll. Und genau hier liegt der feine Unterschied.

von Physikant (Gast)


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Zunächst habe ich wie gefordert mal 230V direkt an das Ventil 
angeschlossen. Dies hat daraufhin einen ohrenbetäubenden Lärm erzeugt 
(das Ventil hat mit Netzfrequenz hin- und hergedonnert ...), weswegen 
ich es nicht gewagt habe, die Erwärmung an Netzspannung zu messen. 
Allerdings sagt ja schon das oben beschriebene Typenschild 230V.
Dann habe ich mal die Erwärmung an dem einzigen halbwegs 
funktionierenden Treiber geprüft. Nach 30 Minuten war die Temperatur von 
27°C auf 75,2°C gestiegen, das kann definitv nicht normal sein, 
insbesondere, da die Temperatur stetig weiter gestiegen ist.

Ich habe den Output des Treibers noch einmal mit dem Oszi untersucht.
Zunächst scheint für 65ms lang brückengleichgerichtete Netzspannung am 
Ventil zu liegen (10ms lange, aufeinanderfolgene Pulse von 324V).
Anschließend geht der Treiber in einen Phasenanschnitts-Modus über, in 
dem im 10 ms - Abstand abwechselnd ein 256V und ein 166V - Puls folgen.

Ich sehe nun ein, dass eine Phasenanschnitts-Schaltung selbst zu 
entwerfen für den Treiber wohl das Mittel der Wahl ist. Ich dachte an 
das SSR CPC1966YX6, das ich mit einem Kondensatornetzteil-versorgten 
Microcontroller (hier hatte ich den SAMD20 oder einen beliebigen ATtiny 
im Sinn) schalte. Der Controller misst wie von Dieter vorgeschlagen die 
Spannung und schaltet entsprechend das SSR.

Allerdings habe ich bedenken: warum werden alle drei Ventile so heiß, 
wenn der oben dargestellte Treiber ja offensichtlich ziemlich genau das 
macht, was ich jetzt wieder umzusetzen Suche? Was macht der Treiber hier 
falsch?

Vielen Dank schonmal an Alle für die freundlichen und fundierten 
Antworten!

Grüße,
   Niko

von Werner H. (werner45)


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Das Ventil kennt nur 2 Zustände: auf oder zu.
Nur wenn SEHR SCHNELLES Schalten nötig sein sollte, wären 3 A 
Anzugsstrom (paßt zu den 65 Ohm) und dann ein Phasenanschnitt zur 
Verringerung auf 0,43 A Haltestrom nötig. Das entspricht einer 
Effektivspannung von 28V.
Das wäre auch statt Phasenanschnitt mit einem überbrückten Vorwiderstand 
machbar.
Wenn kein schnelles Schalten zwingend erforderlich ist (warum eigentlich 
bei einem Vauumventil?) kann man das Ventil auch mit 28 V AC (oder 
vielleicht etwas mehr) sauber schalten. Dafür genügt dann ein 
Solidstaterelais mit Snubber.

Gruß   -   Werner

von Dieter (Gast)


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Auf Grund des Experimentes an 230V kamen mir zwei Vermutungen:

1. Vielleicht schaltet die Steuerung entweder nur positive Halbwellen 
oder negative Halbwellen, je nach dem in welche Richtung das Ventil 
bewegt werden soll.

2. Die Ventilansteuerung von extern steuert auch den Übergang von vollem 
Ventilstrom zum niedrigen Haltestrom durch seine Flanken. Allerdings für 
diese Variante, erscheint mir die Schaltung auf der Platine zu 
umfangreich.


Vielleicht läßt es sich auch gut mit DC steuern, wenn zufällig eine 
Spannungsquelle passender Spannung und Leistung bereits vorhanden sein 
sollte. Mit PWM (und Freilaufdiode) wäre der niedrigere Haltestrom 
realisierbar.

von Werner H. (werner45)


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@ Dieter:

Ein Magnetventil hat zu 99,x% einen Eisenkern mit Rückholfeder.

Ein AC-Ventil mit DC zu betreiben gibt wegen des 
Phasenschieber-Kurzschlußrings eine längere Verzögerung des Schaltens 
als mit AC.
Hierfür gibt es Spulen für DC ohne Kurzschlußring. Bei Relais ist das 
auch so.

Gruß   -   Werner

von Dieter (Gast)


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@ Werner
Gute Info. Oft fehlen solche Angaben bei den Teilen, wie 
"Phasenschieber-Kurzschlußring".

von Nase (Gast)


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Werner H. schrieb:
> Ein Magnetventil hat zu 99,x% einen Eisenkern mit Rückholfeder.

Gerade Vakuum-Magnetventile werden aber gerne bistabil ausgeführt.
Das macht man oft, damit man die Spule nicht dauerhaft bestromen muss, 
was wiederum die Temperatur des Magnetventils reduziert. Das ist 
vorteilhaft für die Dichtung.

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