Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik TVS-Diode als Schutz bei einem nahen Blitzschlag


von banega (Gast)


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Hallo,

im Anhang findet man 3 Bilder. Am Bild 1 sind 3 Fälle dargestellt.
Es geht um das Schalten der induktiven Last. Hier wird beim Öffnen des 
Schalters eine hohe Spannungsspitze entstehen.

Ich will Relais von HONGFA steuern.
Laut Datenblatt ist die Überspannung(surge voltage) 10kV mit Dauer des 
Impulses von 50us. Der maximale Wert tritt genau in Zeit von 1.2us.

Ganz links im Bild ist das Entstehen und Verlauf der Überspannung
beschrieben. Um diese unerwünschten Überspannungen zu vermeiden wird die 
Freilaufdiode verwendet. Eine solche Diode findet man auch im 
Stromtreiber-Baustein von Toshiba(TBD604). Also, die Freilaufdiode wird 
hier intern eingesetzt. Wenn der Transistor leitend ist, die 
Freilaufdiode leitet nicht. Über der Diode liegt die Versorgungsspannung 
in Sperrrichtung.
Im Datenblatt steht, dass max. reverse voltaga 50V ist. Der maximale 
Strom
in Durchlassrichtung ist 500mA.

Die Freilaufdiode kommt erst dann zum Einsatz, wenn Transistor sperrend 
ist.
Nun fließt der Strom über der Diode weiter, solange bis das Magnetfeld 
abgebaut ist. Spulenspannung wird nach dem Lenzsche Regel so gerichtet, 
dass sie ihrehr Ursache entgegenwirkt.

Der Strom fließt durch Diode in Durchlassrichtung. Über Diode liegt dann 
0.7V.
Das heißt, es ensteht keine Spannungsspitze, welche die hinterliegenden 
Elektronik beschädigen kann.

Ich hoffe, dass ich Funktionsprinzip gut verstanden und beschrieben 
habe.

Bei einer Freilaufdiode ist die Strombelastung ein Problem.
Obwohl sie im Vergleich zur Zener-Diode mehrere Vorteile aufweist, 
leider sind die Freilaufdioden kein Bauteil um dauerhaft die 
Überspannungen abzuleiten(laut google).

Jetzt komme ich zur ersten Frage.
1.) Also, wenn ich die Relais mittels des obengennanten 
Stromtreibers(TBD604) dauerhaft schalten will, kann die interne 
Freilaufdiode die Spannungsspitzen dauerhaft aushalten?  Ich bekomme 
folgende Angaben aus der Datenblätter: surge voltage von Relais, 
maximale reverse Spannung, max. Strom in Durchlassrichtung.

Der zweite Fall(siehe Anhang_Bild2)
Hier geht es um die Rückmeldung wenn eine Taste betätigt wird. Taste 
kann bis zu 10m von Leiterplatte entfernt sein. Wenn die Taste betätigt 
wird, der Pull-Up Widerstand zieht die Spannung der Leitung zu 5V hoch. 
Das Signal wird mit einem Entwicklungsboard ausgewertet. Hier muss ich 
ebenso eine Schutzschaltung gegen Überspannungen aufbauen(nahe 
Blitzschläge, ESD).
Wenn ich hier eine Freilaufdiode einsetzen will, müsste ich eigentlich 
die Angaben über der bei einem nahem Blitzschlag enstehenden 
Überpspannung kennen. Wichtig ist die Strombelastbarkeit der 
Freilaufdiode.
Ich habe im Internet gefunden, dass eine Freilaufdiode maximal 100A 
aushalten kann.
2.) Genug für meine Schutzschaltung?

Eine solche Diode wird von Firma Littelfuse hergestellt: SM Series 400W 
TVS Diode Array. Im Datenblatt steht:

• ESD, IEC 61000-4-2,
±30kV contact, ±30kV air
• EFT, IEC 61000-4-4, 50A
(5/50ns)
• Lightning, IEC 61000-
4-5, 2nd Edition, 24A
(tP=8/20μs, SM05)


3.) Wäre meine Schaltung auch dann bei einem nahen Blitzschlag mit 
dieser Diode sicher?

Wenn ich einen Trennbaustein zwischen Entwicklungsboard und Signalen, 
die nach außen gehen, zur Isolation einsetze, dann hätte ich
Überspannungsschutz durch den Trennbaustein(Si8663). Siehe Anhang_Bild3.
Eine Freilaufdiode wäre in diesem Fall unnötig.
4.) Oder trotzdem wäre hier der zusätzliche Schutz benötigt?


Falls jemand mir auf diesen 4 Fragen beantworten könnte, würde ihm sehr 
dankbar. Danke!

Liebe Grüße,
Banega

von Falk B. (falk)


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@banega (Gast)

>im Anhang findet man 3 Bilder. Am Bild 1 sind 3 Fälle dargestellt.
>Es geht um das Schalten der induktiven Last. Hier wird beim Öffnen des
>Schalters eine hohe Spannungsspitze entstehen.

Wenn man keine Freilaufdiode hat, der Transistor wirklich schnell 
abschaltet und der Rest der Schaltung so spannungsfest wäre.

>Ich will Relais von HONGFA steuern.

Trivial.

>Laut Datenblatt ist die Überspannung(surge voltage) 10kV mit Dauer des
>Impulses von 50us. Der maximale Wert tritt genau in Zeit von 1.2us.

Das ist die Definition des Prüfpulses. Diese Spezifikation hat aber nix 
mit der Spule zu tun sondern mit der Spannungsfestigkeit der 
Relaiskontakte bzw. der Spannungsfestigkeit zwischen Relaiskontakten und 
Spule. Der Schalttransistor sieht diesen Puls niemals.

>Ich hoffe, dass ich Funktionsprinzip gut verstanden und beschrieben
>habe.

So weit, so gut.

>Bei einer Freilaufdiode ist die Strombelastung ein Problem.

Nö.

https://www.mikrocontroller.net/articles/Relais_mit_Logik_ansteuern#Freilaufdiode

>Obwohl sie im Vergleich zur Zener-Diode mehrere Vorteile aufweist,
>leider sind die Freilaufdioden kein Bauteil um dauerhaft die
>Überspannungen abzuleiten(laut google).

Blödsinn! Freilaufdioden sind millionenfach bewährte Bauteile.

>1.) Also, wenn ich die Relais mittels des obengennanten
>Stromtreibers(TBD604) dauerhaft schalten will, kann die interne
>Freilaufdiode die Spannungsspitzen dauerhaft aushalten?

Ja. Außerdem gibt es keine Spannungsspitzen, eben WEIL die Freilaufdiode 
da ist.

> Ich bekomme
>folgende Angaben aus der Datenblätter: surge voltage von Relais,

Siehe oben, das hat mit der Spulenansteuerung NICHTS zu tun.

>Hier geht es um die Rückmeldung wenn eine Taste betätigt wird. Taste
>kann bis zu 10m von Leiterplatte entfernt sein. Wenn die Taste betätigt
>wird, der Pull-Up Widerstand zieht die Spannung der Leitung zu 5V hoch.
>Das Signal wird mit einem Entwicklungsboard ausgewertet. Hier muss ich
>ebenso eine Schutzschaltung gegen Überspannungen aufbauen(nahe
>Blitzschläge, ESD).

Jain. in den meisten Fällen reicht ein Tiefpaß vor dem uC-Eingang, der 
filtert Störungen und schluckt auch ESD und Störpulse. In härteren 
Fällen nimmt man noch 2 Klemmdioden am Eingang oder eine TVS-Diode.

>Wenn ich hier eine Freilaufdiode einsetzen will, müsste ich eigentlich
>die Angaben über der bei einem nahem Blitzschlag enstehenden
>Überpspannung kennen. Wichtig ist die Strombelastbarkeit der
>Freilaufdiode.

Hier spricht man nicht von Freilaufdioden sondern Klemmdioden bzw. 
Schutzdioden.

>Ich habe im Internet gefunden, dass eine Freilaufdiode maximal 100A
>aushalten kann.

Unsinn. Es gibt hunderte verschiedener Typen von Dioden. Es gibt auch 
welche die 1000A Pulsstrom aushalten, nur sind die dann "etwas" größer.

>2.) Genug für meine Schutzschaltung?

Bist du paranoid? Glaubst du, für dein bissel Draht und Taster den 
Mercedes der Schutzschaltrungen zu brauchen?

>Eine solche Diode wird von Firma Littelfuse hergestellt: SM Series 400W
>TVS Diode Array. Im Datenblatt steht:

Kann man nehmen. Aber damit die auch so funktioniert wie man es sich 
wünscht, muss auch das Layout dazu passen. Denn ESD ist ein SEHR 
schneller Vorgang.

>3.) Wäre meine Schaltung auch dann bei einem nahen Blitzschlag mit
>dieser Diode sicher?

Definiere nah. 10m? 100m? Kann sein, muss nicht. Es kommt auf die 
Einkopplung an.

>Wenn ich einen Trennbaustein zwischen Entwicklungsboard und Signalen,
>die nach außen gehen, zur Isolation einsetze, dann hätte ich
>Überspannungsschutz durch den Trennbaustein(Si8663). Siehe Anhang_Bild3.
>Eine Freilaufdiode wäre in diesem Fall unnötig.

Im Prinzip ja, ist aber reichlich aufwändig.

>4.) Oder trotzdem wäre hier der zusätzliche Schutz benötigt?

Nein. Aber auch hier muss das Layout stimmen, sonst schützt dein 
Baustein nicht optimal.

von MiWi (Gast)


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banega schrieb:

>
> 3.) Wäre meine Schaltung auch dann bei einem nahen Blitzschlag mit
> dieser Diode sicher?
>

kurze Geschichte dazu: Volltreffer in die Telefonleitung, ca. 200m 
entfernt. Blitz zerstört die Verteilermuffe in der Erde(!), das war nur 
noch ein Klumpen Metall, Sand und Platik. Die Verbinung von der Muffe zu 
mir geht über mehrere Ecken. In meiner Hausanschlußdose ist ein Grob & 
Feinschutz angebracht, PE-Schiene dazu ist ca 30cm entfernt.

Dennoch hat es den Splitter zerrissen (30m vom Feinschutz entfernt, der 
Deckel ist etliche m weit geflogen), weil das Cu der Platine schlagartig 
verdampft ist.... Wenn Du dir die Splitter in AT anschaust und 
überlegst, wie wenig Cu da drauf ist, wie fest die Deckel verklipst sind 
und wie viel Luftlöcher für einen Druckausgleich vorhanden sind... da 
muß sehr viel Plasma in sehr kurzer Zeit entstanden sien....

Die angeschlossene Telefonanlage hat weiter funktioniert, ebenso das 
ADSL-Modem. Es waren "nur" sowohl USB an der Telefonanlage als auch am 
PC defekt. PC hat - abgesehen davon auch noch funktioniert, wurde aber 
asap ersetzt.

Wenn also diese Diode Dein einziger Schutz ist dann ist die klare 
Antwort:

Nein, die schützt per default vor keinem nahen Blitztreffer.

Denn das, was bei einem Blitz auch in den umgebenden Leitungen passiert 
ist dermaßen gewalttätig das sich so ein Spuckerl von Diode in der Nähe 
in Dampf auflöst.
Und - es ist vor allem für einen Laien wie Dich nicht abschätzbar wo und 
wie sich leitungsbeundene und eingekoppelte Störungen verteilen und dann 
in Deiner Schaltung treffen.


Daher: was ist in Deiner Definition ein naher Blitzschlag?

Und - hast Du schon einmal von den Blitzschutzkonzepten gehört, die 
versuchen die Elektroniken vor dem, was da daherkommt zu schützen? Und 
hast Du nach Statistiken gesucht, wie oft die das auch schaffen?


MiWi

von MaWin (Gast)


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banega schrieb:
> Laut Datenblatt ist die Überspannung(surge voltage) 10kV mit Dauer des
> Impulses von 50us

Das hat sicher nichts mit der Relaisspule beim Abschalten und der 
Freilaufdiode zu tun, sondern sagt, was der offene Kontakt aushält.

banega schrieb:
> Wenn ich hier eine Freilaufdiode einsetzen will, müsste ich eigentlich
> die Angaben über der bei einem nahem Blitzschlag enstehenden
> Überpspannung kennen

Richtig, das schwankt aber von gerade mit empfindlichen Verstärker 
wahrnehmbaren Störungen im Radio bis hin zu 100000A bei direktem 
Treffer.

Eine VERDRILLTE Leitung zum Taster hat nur kapazitive Kopplung, die 
wiederum nach Masse abgeleitet wird, und Imperfektionen der Verdrillung. 
Da reicht es, den Eingang gegen schnelle Spannungsänderungen durch einen 
niederinduktiven Kondensator zu Masse (Sternpunkt, Fläche, Gehäuse, dort 
wo die Masseleitung der Leitung angeschlossen wurde) abzublocken. Die 
Leitung darf sicher auch davor einen hochohmigen Serienwiderstand 
bekommen, das schützt die Elektronik weiter. Die TVS ist nicht nötig, 
aber wer Angst hat, nimmt Gürtel und Hosenträger.

Genaue BERECHNUNGEN erfolgen mit den standardisierten Surge-Impulsen, 
wobei es vor allem auf korrekte Simulation der Nebenwerte (Induktivität 
einer Leitung, Kapazität einer Diode in Sperrrichtung) ankommt, wie auch 
bei der Berechnung, wie weit die Spannung an einer Relaisspule beim 
abschalten ansteigt, vor allem auf deren Nebenwerte, Wicklungskapazität 
und Güte, ankommt, und da deren Güte kaum über 20 liegen wird, kommen 
sicher keine 10kV bei raus, eher die 20-fache Betriebsspannung.

von banega (Gast)


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Vielen Dank für die umfangreichen Antworten!

Falk B. schrieb:
> Das ist die Definition des Prüfpulses. Diese Spezifikation hat aber nix
> mit der Spule zu tun sondern mit der Spannungsfestigkeit der
> Relaiskontakte bzw. der Spannungsfestigkeit zwischen Relaiskontakten und
> Spule. Der Schalttransistor sieht diesen Puls niemals.

Gut erklärt. Danke!

Falk B. schrieb:
> Oder trotzdem wäre hier der zusätzliche Schutz benötigt?
>
> Nein. Aber auch hier muss das Layout stimmen, sonst schützt dein
> Baustein nicht optimal.

Also, beim Layout müsste ich dann folgendes beachten:

- Stützkondensator(100nF) zwischen VDD und GND
- Stützkondensator möglichst nah zum Baustein platzieren
- Versorgungsleitungen möglichst kurz schaffen
- Signalleitungen mit 0° und 45° Leiterbahnen schaffen, nie mit 90°
- Auf den Abstand zwischen Leiterbahnen achten

Worauf müsste ich noch achten?


Zusammenfassend lässt sich sagen, in meinem Fall wäre eine TVS-Diode 
voll unnötig, wenn ein Trennbaustein(Si8663) in der Schaltung schon 
vorhanden ist.
Laut dem Schaltplan sind mehrere Trennbausteine in Schaltung vorhanden.

MiWi schrieb:
> Daher: was ist in Deiner Definition ein naher Blitzschlag?

Ein indirekter Blitzschlag. Zum Beispiel schlägt der Blitz in den 
Boden(1m von der Elektronik entfernt) ein. Dort trifft er beispielsweise 
auf meine Signalleitung, über die die Spannung zur Elektronik 
weitergeleitet wird.
In diesem Fall, bringt mir was der Schutz, der im Trennbaustein schon 
vorhanden ist?

von Falk B. (falk)


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@banega (Gast)

>- Stützkondensator(100nF) zwischen VDD und GND
>- Stützkondensator möglichst nah zum Baustein platzieren
>- Versorgungsleitungen möglichst kurz schaffen

Ja.

>- Signalleitungen mit 0° und 45° Leiterbahnen schaffen, nie mit 90°

Unsinn.

>- Auf den Abstand zwischen Leiterbahnen achten

Jain.

>Worauf müsste ich noch achten?

Der ESD-Schutz muss so nah wie möglich an den Steckverbinder nach außen 
und sollte ohne Abzweigung der Leitung angeschlossen werden. D.g. die 
Signalleitungen gehen direkt durch die Diodenpads und nicht daran 
vorbei.

>Zusammenfassend lässt sich sagen, in meinem Fall wäre eine TVS-Diode
>voll unnötig, wenn ein Trennbaustein(Si8663) in der Schaltung schon
>vorhanden ist.

Kann sein, muss nicht. Wer schützt den Trennbaustein? Hat der einen 
eingebauten Schutz?

>Ein indirekter Blitzschlag. Zum Beispiel schlägt der Blitz in den
>Boden(1m von der Elektronik entfernt) ein.

Das ist schon eher direkt! Ein indirekter Blitzschlag ist z.B., wenn der 
der Blitz in den Blitzableiter einschlägt und korrekt abgeleitet wird. 
Dabei wird immer noch genug Störenergie in die Hausverdrahtung 
eingekoppelt und kann Geräte beschädigen oder zerstören.

> Dort trifft er beispielsweise
>auf meine Signalleitung, über die die Spannung zur Elektronik
>weitergeleitet wird.

Dann macht es PUFF und deine Schaltung verdampft. Gegen DIREKTEN 
Blitzschlag muss man sich GANZ anders schützen. Das wird groß, teuer und 
aufwändig.

>In diesem Fall, bringt mir was der Schutz, der im Trennbaustein schon
>vorhanden ist?

Die Illusion eines Schutzes ;-)

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