Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Hilfe Auslegung low-pass Filter und Verbindung zu ADC


von Ingo S. (logikneuling)


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Hallo!

Ich wuerde gerne ziemlich kleine und zudem sehr verrauschte transiente 
Signale, die auf einem ebenfalls recht verrauschtem Untergrundsignal 
liegen, moeglichst quantitativ festhalten. Die gesuchte Information 
steckt im Wesentlichen im Integral der Peakflaeche (Ladungen eines 
Kondensators, der ueber einen Lastwiderstand entladen wird -> I/U 
Konvertierung) des Ereignisses. Besondere Charakteristika wie etwa 
Anomalien im zeitlichen Verlauf des Signals (ansteigende/abfallende 
Flanke deutlich flacher/steiler als erwartet, Signal sprengt den 
rail-to-rail Bereich des OpAmps und ist abgeschnitten, ...) sollten 
dabei so gut wie moeglich erhalten bleiben. Also: OpAmp + ADC, und 
Oversampling jedes Signals um diese Features mit festzuhalten.

Ich scheitere aber schon ein bisschen bei der richtigen Auslegegung des 
Filters. Die Signale sind aperiodisch, tauchen vielleicht alle paar 
hundert Millisekunden auf, und dauern etwa zwischen 0.2 und 0.8 
Millisekunden an). Idealerweise sehen sie in etwa gaussfoermig aus, sie 
koennen aber auch mal mehr oder weniger stark deformiert sein.

Ist meine Grenzfrequenz fuer den low-pass Filter nun in der 
Groessenordnung der Dauer des Ereignisses (0.2-0.8 Millisekunden -> 
1.25kHz-5kHz), oder des kuerzesten „Features“ (sagen wir ich will eine 
0.01ms Schulter noch originalgetreu erkennen -> 100kHz), oder noch mal 
ein Vielfaches davon, ... oder sollte ich ueberhaupt keinen Filter zum 
Glaetten des Signals benutzen, und lediglich den low-pass an die 
Sampling Frequenz des ADCs anpassen?

Ich habe mal ein bisschen ausprobiert mit dem, was ich so in der 
Schublade finden konnte: Einen OPA350 als Sallen-Key mit 10.5kHz 
Grenzfrequenz, und (da dies mein einziger High-Speed RailtoRail OpAmp 
mit passendem GBWP war), die Verstaerkung anschliessend mittels LM324 
realisiert – siehe Schaltplan.

Fuer den ersten Versuch war ich positiv ueberrascht, wie gut das schon 
funktioniert. Obwohl mir im Fall B das Ausgangssignal vom LM324 schon zu 
stark vereinfacht vorkommt, verglichen mit dem geglaetteten 
Eingangssignal. Aber ist das dem niedrigen GBWP (1MHz) des LM324 
geschuldet, oder dem Sallen-Key Filter (Erhoehen der Grenzfrequenz hat 
nur das Rauschen verstaerkt, aber nicht die transieten Features besser 
wiedergegeben). Meine Idee waere hier, einen weiteren OPA350 (habe ein 
paar mehr bestellt) statt des langsamen LM324 fuer die 
nicht-invertierende Verstaerkung zu nehmen und noch einmal 
auszuprobieren.

Und angenommen, ich wuerde das Signal jetzt nicht meinem Oszilloskop 
aufnehmen, sondern mit einem ADC wie dem MCP3008. Maximale 
Sampling-Frequenz waere hier 200kHz. Das hiesse, selbst wenn ich auf 
einen low-pass zur Signalglaettung verzichten (und spaeter vielleicht in 
Software machen wuerde), ich braeuchte immer noch einen 100kHz low-pass 
wegen dem Nyquist Theorem?

Vorletzte Frage: Kann ich das verstaerkte Ausgangssignal (sagen wir, 
entweder LM324 oder OPA350) direkt an den MCP3008 geben, oder sollte ich 
dort noch einen Buffer-OpAmp zwischen setzen? Welche Werte aus dem 
Datenblatt sind da entscheidend?

Last but not least: Kann ich an einen Sallen-Key low-pass wie oben 
gezeigt in gleicher weise direkt mehrere weitere OpAmps mit 
unterschiedlichen Gain Faktoren haengen, oder wuerden die sich 
gegenseitig beeinflussen (da ja immer Ausgang und Eingang irgendwie 
gekoppelt sind). Wie wuerde man das sonst machen koennen, wenn man sagen 
wir, Gain Faktor 5, 25, und 125 parallel an mehreren ADC Eingaengen 
aufnehmen will?

Genug der Worte, und viele Gruesse
Ingo

von Possetitjel (Gast)


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Ingo S. schrieb:

> Ist meine Grenzfrequenz fuer den low-pass Filter nun
> in der Groessenordnung der Dauer des Ereignisses
> (0.2-0.8 Millisekunden -> 1.25kHz-5kHz),

Nein.

> oder des kuerzesten „Features“ (sagen wir ich will eine
> 0.01ms Schulter noch originalgetreu erkennen -> 100kHz),

Jein...

> oder noch mal ein Vielfaches davon, ...

Jein: Ein Impuls von z.B. 10µs Länge ist gewissermaßen die
positive Halbwelle; bei einer periodischen Schwingung käme
nochmal eine negative Halbwellen von 10µs Länge dazu -->
50kHz.
Nun wird aber die Grenzfrequenz selbst schon 3dB gedämpft;
100kHz Filtergrenzfrequenz ist also schon nicht schlecht in
Deinem Beispiel.

> oder sollte ich ueberhaupt keinen Filter zum Glaetten des
> Signals benutzen, und lediglich den low-pass an die
> Sampling Frequenz des ADCs anpassen?

Der Unterschied wird nicht sonderlich groß sein; das Filter
sollte so steil sein, dass alles Rauschen oberhalb der
Nyquist-Frequenz so stark gedämpft wird, dass es keine Rolle
mehr spielt.

> Ich habe mal ein bisschen ausprobiert mit dem, was ich so
> in der Schublade finden konnte: Einen OPA350 als Sallen-Key
> mit 10.5kHz Grenzfrequenz, und (da dies mein einziger
> High-Speed RailtoRail OpAmp mit passendem GBWP war),

???

Für einen Spannungsfolger brauchst Du kein GBP von 40MHZ.
3MHz tun's in Deinem Falle auch.

> die Verstaerkung anschliessend mittels LM324 realisiert –
> siehe Schaltplan.

Naja, dass das nicht sehr clever war, hast Du ja schon
gemerkt... :)

> Und angenommen, ich wuerde das Signal jetzt nicht meinem
> Oszilloskop aufnehmen, sondern mit einem ADC wie dem MCP3008.
> Maximale Sampling-Frequenz waere hier 200kHz. Das hiesse,
> selbst wenn ich auf einen low-pass zur Signalglaettung
> verzichten (und spaeter vielleicht in Software machen
> wuerde), ich braeuchte immer noch einen 100kHz low-pass
> wegen dem Nyquist Theorem?

Tiefpass wegen Nyquist: Ja, unbedingt.

100kHz: Vorsicht. 100kHz Grenzfrequenz ist viel zu hoch;
im Idealfall müsste die Dämpfung oberhalb 100kHz so hoch
sein, dass die Signalreste vom ADC nicht mehr erfasst
werden können. Fg = 30kHz; Butterworth-Filter 4. Ordnung
wäre schonmal ein Anfang.

> Vorletzte Frage: Kann ich das verstaerkte Ausgangssignal
> (sagen wir, entweder LM324 oder OPA350) direkt an den
> MCP3008 geben,

Das sollte gehen.

> oder sollte ich dort noch einen Buffer-OpAmp zwischen
> setzen?

Der ADC sollte nicht direkt an eine hochohmige Quelle
angeschlossen werden, aber da Du ohnehin einige OPVs in
Deiner Schaltung hast, wird noch ein zusätzlicher OPV
nicht notwendig sein.

> Welche Werte aus dem Datenblatt sind da entscheidend?

(Dynamische) Ausgangsimpedenz. Das DaBla hilft hierbei
aber nur in Maßen, weil die auch von der Dimensionierung
der gesamten Verstärkerstufe abhängt.
Wichtig ist, wie hoch die Ausgangsimpedanz der
vorhergehenden und die Eingangsimpedanz der folgenden
Stufe ist --> Lehrbuch OPV-Schaltungstechnik.

> Last but not least: Kann ich an einen Sallen-Key low-pass
> wie oben gezeigt in gleicher weise direkt mehrere weitere
> OpAmps mit unterschiedlichen Gain Faktoren haengen,

Ungünstig, aber -- ja, das geht.

> oder wuerden die sich gegenseitig beeinflussen (da ja immer
> Ausgang und Eingang irgendwie gekoppelt sind).

???

Der vorhergehende Ausgang SOLL ja den nachfolgenden Eingang
beeinflussen.
Ansonsten: OPV-Schaltungen sind in der Theorie rückwirkungsfrei
und in der Praxis rückwirkungsarm --> Lehrbuch. Bei halbwegs
sinnvoller Auslegung und niedrigen Frequenzen (wie in Deinem
Fall) klappt das auch.

> Wie wuerde man das sonst machen koennen, wenn man sagen
> wir, Gain Faktor 5, 25, und 125 parallel an mehreren
> ADC Eingaengen aufnehmen will?

Drei Stufen mit je Faktor 5 kaskadieren; alle Ausgänge an
den ADC führen. Du musst natürlich absichern, dass die
u.U. übersteuerten OPVs keinen Ärger machen.

von Ingo S. (logikneuling)


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Vielen Dank, Possetitjel, für deine detaillierten Antworten!

An das Kaskadieren von mehreren OpAmps mit jeweils 5x Gain hatte ich 
überhaupt nicht gedacht - ich bin von mehreren parallel an den Ausgang 
angehängten Opamps mit unterschiedlichen R1/R2 Verhältnissen 
ausgegangen, aber das ist natürlich Quatsch, und mit einer Kaskade 
erübrigt sich dann auch die etwas irreführende Frage nach der 
gegenseitigen Beeinflussung.  Danke fürs in die richtige Richtung weisen 
hier!

Bezüglich des Nyquist-Tiefpasses: Habe ich das richtig verstanden, dass 
ich bei 200kHz Samplingrate
maximal 30kHz@3db dorthin durchlassen kann, sprich:ich also niemals die 
10us 'Features' der Signale unverfälscht aufzeichnen kann? Also, 
entweder ich geh mit der Samplingrate noch eine Größenordnung höher, 
oder 'glätte' das Signal so weit, dass es mit der 200kHz Samplingrate 
kompatibel ist.

Angenommen, anstatt einer schön gleichmäßig ansteigenden und wieder 
abfallenden Kurve wären dieser ein paar deutlich kürzere positive 
'Spikes' überlagert, die ich nun filter um kompatibel zu den 
30kHz/200kHz zu werden... Diese wären im Endeffekt nun aber nicht 
entfernt, sondern würden sich schon im Integral/der Fläche unter der 
Kurve wiederfinden lassen, oder?

Ich sollte mir vielleicht wirklich mal ein Buch für die tiefergehende 
Materie zulegen, bin sonst mehr im Bereich Mikrocontroller beheimatet.

Ingo

von X4U (Gast)


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Ingo S. schrieb:
> Fuer den ersten Versuch war ich positiv ueberrascht, wie gut das schon
> funktioniert.

Bin in dem Bereich nur Laie deshalb vielleicht eine etwas blöde 
Bemerkung: Für mich sieht das wie die Summe (bzw. Mittelwert oder 
gleitender Durchschnitt) des "Rauschsignals" aus.

Wie ist den das Rauschen ohne Signal?


> Die Signale sind aperiodisch, tauchen vielleicht alle paar
> hundert Millisekunden auf, und dauern etwa zwischen 0.2 und 0.8
> Millisekunden an).

und wie stark sind Sie im Verhältnis zu rauschen?

von Ingo S. (logikneuling)


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X4U schrieb:
> Wie ist den das Rauschen ohne Signal?

Richtig, das ist vielleicht nicht so offensichtlich, wie ich annahm: Was 
in beiden Plots im Hintergrund (hellgrau, -40mV bis 40mV) zwischen 0.4ms 
und 0.7ms zu erkennen ist, entspricht bereits in etwa dem zu erwartenden 
Noise worst-case.

> und wie stark sind Sie im Verhältnis zu rauschen?

Genauso hab ich hier bereits in etwa die schwächsten zu erwartenden 
Signale ausgewählt (allerdings ist die Amplitude des hellgrauen, nicht 
gemittelten Signals abgeschnitten: Maximum bei ~350mV, bestimmt auch 
etwas beeinflusst durch die Tastköpfe während der Messung). Da die 
Spannbreite recht hoch ist und auch deutlich stärkere Signale erfasst 
werden können sollen die Idee, mit (kaskadierten) OpAmps und 
unterschiedlichen Verstärkungsfaktoren einen möglichst großen linearen 
Bereich aufzuspannen.

Im Messsystem steht eine zweite, von diesem Signal unabhängige Messgröße 
zur Verfügung, das um mehrere Größenordnungen empfindlicher ist 
(vereinfacht gesagt: Einzel-Photonen-Zähler versus Fototransistor). 
Beide Signale korrelieren zeitlich - ich bin daher sicher, es handelt 
sich bei den abgebildeten Signalen um das erwartete Ereignis, nicht um 
nur zufälligerweise erhöhtes Rauschen.

Ingo S. schrieb:
> Diese wären im Endeffekt nun aber nicht
> entfernt, sondern würden sich schon im Integral/der Fläche unter der
> Kurve wiederfinden lassen, oder?

Was ich hier meinte, ist: Der Hochfrequenz-Anteil würde durch das Filter 
zwar entfernt, aber so etwas wie der "gemittelte DC-Anteil" würde 
trotzdem zum Gesamtintegral beitragen? Ich habe heute einige Zeit und 
Gedanken in die Frequenz- und Zeit-Domäne, die Funktionsweise von 
RC-Filtern, ... gesteckt, aber so richtig klar ist mir das immer noch 
nicht. Vielleicht kann mir jemand die Erleuchtung in einfachen Worten 
bringen.

: Bearbeitet durch User
von Possetitjel (Gast)


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Ingo S. schrieb:

> Bezüglich des Nyquist-Tiefpasses: Habe ich das richtig
> verstanden, dass ich bei 200kHz Samplingrate maximal
> 30kHz@3db dorthin durchlassen kann, sprich:ich also
> niemals die 10us 'Features' der Signale unverfälscht
> aufzeichnen kann?

Das kannst Du sowieso nicht -- 10µs entsprechen bei
200kHz Abtastrate einem oder zwei Abtastpunkten (!!).
Unverfälscht ist anders...

Das ist aber nicht direkt die Schuld des Filters;
Deine höchste Nutzfrequenz ist halt zu nahe an der
Nyquist-Frequenz dran.


> Also, entweder ich geh mit der Samplingrate noch eine
> Größenordnung höher,

Eine Größenordnung ist stark übertrieben, das ist nicht
notwendig. Eine Verdopplung tut's auch.

> oder 'glätte' das Signal so weit,  dass es mit der
> 200kHz Samplingrate kompatibel ist.

Ja.
Oder Du wählst die dritte Möglichkeit: Ein steileres Filter.


> Angenommen, anstatt einer schön gleichmäßig ansteigenden
> und wieder abfallenden Kurve wären dieser ein paar
> deutlich kürzere positive 'Spikes' überlagert,

Naja, was heißt "kürzer" in Zahlen?

Impulse von 25µs Länge werden noch nahezu nicht verändert
(wenige Prozent), bei 20µs liegt der Amplitudenfehler bei
etwa 10%, und Impulse von 15µs Länge werden schon 30% zu
klein.
(Annahme: Butterworth-Filter 4. Ordnung, fg = 30kHz.)

Höhere Filterordnung = mehr Aufwand = besseres Ergebnis.

Wenn Du sowieso nur die Fläche und nicht die korrekte
Kurvenform brauchst, kann man vielleicht auch ein Filter
mit schlechterer Impulsantwort wählen; Tschebyschow oder
gar Cauer sind hier die Klassiker.

> die ich nun filter um kompatibel zu den 30kHz/200kHz
> zu werden...
> Diese wären im Endeffekt nun aber nicht entfernt,

Nicht komplett entfernt -- aber in der Amplitude etwas
verfälscht.

> sondern würden sich schon im Integral/der Fläche unter
> der Kurve wiederfinden lassen, oder?

Naja, mit dem oben angegebenen Fehler.

Du solltest Dir aber klarmachen, dass Du Dich mit dem
Wunsch, 10µs-Impulse bei 200kHz Abtastfrequenz zu sehen,
extrem hart an der Grenze des Machbaren bewegst -- das
ist nämlich mit etwas Pech genau EIN EINZIGER Abtastpunkt,
und mit Glück sind es deren zwei (!).
Da ändert auch das beste Filter der Welt nichts dran.

Insofern... ich würde versuchen, die Verhältnisse etwas
zu entspannen: Höchste Nutzfrequenz etwas tiefer wählen,
Abtastrate etwas hochsetzen. Steileres Filter ist technisch
machbar, würde ich Dir aber nicht empfehlen, wenn Du keine
Erfahrung damit hast.

von Possetitjel (Gast)


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Ingo S. schrieb:

> Was ich hier meinte, ist: Der Hochfrequenz-Anteil würde
> durch das Filter zwar entfernt, aber so etwas wie der
> "gemittelte DC-Anteil" würde trotzdem zum Gesamtintegral
> beitragen?

Klar -- nur halt nicht in voller Höhe.

Alle "vernünftigen" Signale sind Energiesignale; bei denen
nimmt die Amplitude der Oberwellen mit steigender Ordnung
ab (wenn auch nicht unbedingt ganz gleichmäßig).

Eine Einzelheit, die z.B. 10% der Dauer des Gesamtsignales
hat, hat vielleicht eine Amplitude von 20%. Es trägt dann
nur 0,1 * 0,2 = 0,02 = 2% zur Gesamtfläche bei.

Wenn die Filterdämpfung bei dieser Frequenz z.B. 3dB
beträgt, werden nur 70% von diesen 2% im Ausgangssignal
berücksichtigt -- das sind 1,4% statt 2%.

Ist das tatsächlich relevant?

Zahlreiche Messanordnungen haben einen mit steigender Frequenz
ansteigenden Messfehler. Du musst halt durch analytische Fehler-
rechnung oder Simulation klären, welcher Fehler in Deiner
Anwendung zulässig ist.

von Ingo S. (logikneuling)


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Possetitjel schrieb:
> Das kannst Du sowieso nicht -- 10µs entsprechen bei
> 200kHz Abtastrate einem oder zwei Abtastpunkten (!!).
> Unverfälscht ist anders...

Der Einwand ist natürlich absolut richtig, und die Frage so zu stellen 
tatsächlich ein Fehler meinerseits. Auf der einen Seite war mir 
natürlich klar: Eine Samplingfrequenz von 200 kHz entspricht einem 
Interval von 5us, auf der anderen Seite hatte ich dies in dem Moment, 
als ich das Beispiel der "kürzeren Features" angebracht hatte, so nicht 
vor Augen.

> Impulse von 25µs Länge werden noch nahezu nicht verändert
> (wenige Prozent), bei 20µs liegt der Amplitudenfehler bei
> etwa 10%, und Impulse von 15µs Länge werden schon 30% zu
> klein.

Vielen Dank für diese anschauliche Erklärung! Der Zusammenhang war exakt 
der Aspekt, der mir bisher am wenigsten klar war.

> Wenn die Filterdämpfung bei dieser Frequenz z.B. 3dB
> beträgt, werden nur 70% von diesen 2% im Ausgangssignal
> berücksichtigt -- das sind 1,4% statt 2%. Ist das tatsächlich relevant?

Es scheint mir auf den ersten Blick für diese Anwendung absolut passend 
zu sein, wenn nicht sogar besser als gedacht. Vermutlich wird sich für 
ein proof-of-concept herausstellen, dass selbst eine 
Gesamt-Minderbestimmung für die Fläche unter der Kurve von >20% (z.B. 
aufgrund der Amplitudenverfälschung höherer Frequenzanteile) noch 
vertretbar ist.

Ich werd mal einen Versuch wagen mit einem Butterworth 4. Ordnung, 
Grenzfrequenz 30kHz, -40db@100kHz. Mit diesen Parametern schien mir der 
Online Generator passable Werte für die Komponenten auszuspucken, und 
dann werde ich mal Scope-Traces mit ADC-Werten vergleichen und schauen, 
wo ich so lande.

Vermutlich wird dieser 200kHz ADC als erstes weichen müssen, er ist nur 
bereits so bequem auf dem EvalBoard untergebracht, dass ich dachte, 
einen Versuch ists wert. Aber 200kHz max. Samplingrate bei Nutzung nur 
noch eines Kanals und auch der Rest der technischen Daten sehen nicht 
gerade nach einem High-End-ADC aus. Das wird der nächste Schritt sein!

Vielen Dank noch einmal für die geduldigen Erläuterungen,
Ingo

: Bearbeitet durch User
von Ingo S. (logikneuling)


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Ich habe den Aufbau heute einmal versuchsweise auf dem Breadboard 
ausprobiert, bevor es an eine permanentere Lösung geht:

4 OPA350: zwei davon als Butterworth-Filter 4. Ordnung, fg ~ 30kHz 
(Widerstände auf <5% absolut an den Sollwert angepasst, aber billige 
CerCaps bisher lediglich nach Nominalwert gewählt und nicht vermessen), 
zwei weitere als kaskadierte nicht-invertierende Verstärker (R1 1k, R2 
5.1k, 1% Toleranz, Gain: 6.1 je Stufe). Die beiden verstärkenden Stufen 
wurden alternierend alle 6us gesampled und die höchsten 8bit gespeichert 
(in diesem Fall also nur 83kHz Samplingrate, ich weiß, dafür wurde die 
30kHz Filter-Grenzfrequenz ursprünglich nicht designed, damals waren 
200kHz single-channel Samplingrate im Gespräch...)

Ich habe von dem Breadboard-Aufbau performancemäßig nicht viel erwartet, 
und war dementsprechend erstaunt, wie gut einerseits der Filter 
funktioniert, und wie auch trotz des Sample-Skews die beiden Gain-Kanäle 
einander folgen (auch wenn der Verstärkungsfaktor nicht exakt 6.1x zu 
sein scheint).

Ein Problem, das lediglich auf dem Oszilloskop und nicht in den 
Abbildungen zu sehen ist (ich kann morgen noch einmal ein paar Screen 
Captures davon machen, falls das nicht verständlich ist), ist jedoch 
folgendes: Kurz vor dem eigentlichen Anstieg vieler Transienten 
"schwingen" die beiden verstärkenden OpAmp-Ausgänge für vielleicht 10us, 
und auch ab und an ohne Peak-Signal passiert dies. Meine erste Vermutung 
wäre, das an diesen Stellen das Eingangssignal (was sich ja eh nur um 
max. wenige 100mV über GND bewegt) knapp unter 0V wandert, und dann 
quasi im "Nulldurchgang" diese Schwingungen auftreten.

Wäre das ein möglicher Grund, und falls ja, gäbe es eine einfache 
Möglichkeit dies zu verhindern? Vielleicht ein Diodenpaar, oder das 
Rohsignal über einen Kondensator an den ersten OpAmp einkoppeln? Das 
beeinflusst dann aber vermutlich den Filter?! Vielleicht ist das auch 
ein Nebeneffekt der 10x Tastköpfe, oder des Breadboard-Aufbaus? OpAmps 
besitzen alle 100nF Abblockkondensatoren zwischen VCC und GND, und 
hängen an ein und demselben 5V Linearregler.

Ich bin euch jedenfalls über jeden Tipp dankbar!

Viele Grüße,
Ingo

: Bearbeitet durch User
von Ingo S. (logikneuling)



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Ingo S. schrieb:
> Ein Problem, das lediglich auf dem Oszilloskop und nicht in den
> Abbildungen zu sehen ist (ich kann morgen noch einmal ein paar Screen
> Captures davon machen, falls das nicht verständlich ist), ist jedoch
> folgendes:

Ich hoffe, auf den beiden angehaengten Bildern wird das Problem 
deutlich. Bei naeherer Betrachtung scheint das Problem nicht direkt 
damit zusammenzuhaengen, dass das Eingangssignal manchmal minimal 
negativ wird.

Kann sich jemand einen Reim darauf machen, was potentielle Gruende fuer 
so ein Verhalten sind, und wie man das moeglichst vermeiden kann?

Vielen Dank!

Ingo

von Possetitjel (Gast)


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Ingo S. schrieb:

> aber billige CerCaps

Vorsicht -- das Dielektrikum ist entscheidend für die
Eigenschaften. C0G ist für Filterantwendungen gut; X7R,
Z5U usw. sind Mist.
Geeignete Wickelkondensatoren sind natürlich ideal, aber
die will aufgrund der Baugröße keiner mehr einsetzen.

von Possetitjel (Gast)


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Ingo S. schrieb:

> Ich hoffe, auf den beiden angehaengten Bildern wird
> das Problem deutlich.

Ja, mehr oder weniger.


> Kann sich jemand einen Reim darauf machen, was
> potentielle Gruende fuer so ein Verhalten sind, und
> wie man das moeglichst vermeiden kann?

Wie immer: Vollständiger Schaltplan (mit Versorgung!)
wäre hilfreich.

Ich vermute, Du versorgst die Schaltung nur mit +5V
gegen Masse; das wird aber deshalb schiefgehen, weil
das Rauschen, das dem Eingangssignal überlagert ist,
auch negative Anteile hat.
Ich habe keine genaue Erklärung für den Ablauf, vermute
aber, dass der OPV erstmal in der Begrenzung ist,
solange das Signal fast Null ist. Irgendwann beginnt
der Regelkreis dann zu greifen, und der Einschwing-
vorgang ergibt dann die Nadel, die man sieht.

An Deiner Stelle würde ich erstmal mit einer bipolaren
Versorgung testen, ob daran liegt. Wenn ja --> umbauen.
Versorgung muss schätzungsweise nicht symmetrisch sein;
-1/+4V o.ä. tun's wahrscheinlich auch.

von Ingo S. (logikneuling)



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Possetitjel schrieb:
> Wie immer: Vollständiger Schaltplan (mit Versorgung!)
> wäre hilfreich.

Okay, wie immer versucht der TO das so lange wie moeglich 
hinauszuzoegern, da er Null Erfahrung mit dem Erstellen von 
Schaltplaenen hat. Ich hoffe, ich habe nichts relevantes vergessen. Mir 
scheint uebrigens, dass alle vier Signale weniger verrauscht aussehen, 
wenn ich die 100nF Caps an der OpAmp versorgung und den 47uF Elko 
weglasse.

Possetitjel schrieb:
> Ich vermute, Du versorgst die Schaltung nur mit +5V
> gegen Masse; das wird aber deshalb schiefgehen, weil
> das Rauschen, das dem Eingangssignal überlagert ist,
> auch negative Anteile hat.

Das ist richtig. Entweder mit GND/+5VUSB aus einem FPGA DevBoard 
(MicroNova Mercury), oder aber wie im Schaltplan gezeigt aus einer 
batteriebetriebenen Quelle. Bei dem aktuellen Breadboard-Verhau sind bei 
Versorgung ueber VUSB je nach Wetterlage und Gemuetszustand die 
Datenuebertragungen mittels FPGA/FT245/USB an den PC alle 6us ansonsten 
auf dem Analogsignal wiederzufinden - aber ich denke, das ist ein 
Aspekt, den ich auf einer spaeteren Platine (hoffentlich) in den Griff 
bekommen kann.

Possetitjel schrieb:
> Ich habe keine genaue Erklärung für den Ablauf, vermute
> aber, dass der OPV erstmal in der Begrenzung ist,
> solange das Signal fast Null ist.

Dann war meine Vermutung vielleicht auch doch nicht so falsch ;)

Possetitjel schrieb:
> An Deiner Stelle würde ich erstmal mit einer bipolaren
> Versorgung testen, ob daran liegt. Wenn ja --> umbauen.
> Versorgung muss schätzungsweise nicht symmetrisch sein;
> -1/+4V o.ä. tun's wahrscheinlich auch.

Okay, den Sinn verstehe ich soweit. Aber funktioniert das mit einem 
single-supply-OpAmp wie dem OPA350 ueberhaupt? Also Analogsignal an den 
Eingang, Masse des Analogsignals dann aber nicht an V- des OpAmps, 
sondern dahin wo die Masse der bipolaren Versorgung ist? Das koennte ich 
(nur um das mal zu testen) auch mittels Batterie realisieren, oder? 
Sagen wir, einfach 5x1.2VAA, und dann asymmetrisch in 4Bat/1Bat teilen?

Ingo

: Bearbeitet durch User
von Ingo S. (logikneuling)


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Possetitjel schrieb:
> An Deiner Stelle würde ich erstmal mit einer bipolaren
> Versorgung testen, ob daran liegt. Wenn ja --> umbauen.
> Versorgung muss schätzungsweise nicht symmetrisch sein;
> -1/+4V o.ä. tun's wahrscheinlich auch.

Vielen Dank Possetitjel, ich habe eine asymmetrische Versorgung mit etwa 
-1V/+4V ausprobiert und die "Nadeln" waren sofort verschwunden!

Jetzt wird allerdings auch erst klar, dass das durchschnittliche 
Rauschen des Eingangssignals wohl doch nicht wirklich GND ist... der 
Ausgang der ersten Verstaerkungsstufe zeigt etwa -50mV, der der zweiten 
Stufe etwa -200mV im "Ruhezustand".

Das ist jetzt etwas problematisch, da der ADC (MCP3008) natuerlich nur 
Vss bis Vref (0-4V) an den Eingaengen erwartet. Auf der Suche nach einer 
Moeglichkeit, den Ausgangssignalen eine Art "Bias" zu verpassen, bin ich 
auf diese Uebersicht gestossen...

https://ocw.mit.edu/courses/media-arts-and-sciences/mas-836-sensor-technologies-for-interactive-environments-spring-2011/readings/MITMAS_836S11_read02_bias.pdf

... um dann jedoch zu sehen, dass es nicht ganz trivial scheint, bei 
einer DC-coupled non-inverting Gain OpAmp Schaltung einen DC Offset zu 
addieren. Ist das tatsaechlich so? Was waere denn hier die vermutlich 
einfachste Loesung: Die beiden hinteren Stufen als AC-coupled 
non-inverting Amps auszulegen? Oder gibts da noch einen anderen Trick?

Vielen Dank,
Ingo

von Ingo S. (logikneuling)



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Ingo S. schrieb:
> Was waere denn hier die vermutlich
> einfachste Loesung: Die beiden hinteren Stufen als AC-coupled
> non-inverting Amps auszulegen?

Ich habe das jetzt einfach mal versucht, umzusetzen (siehe 
ueberarbeiteten Schaltplan). Wenn ich mich nicht verrechnet habe, sollte 
die High-Pass Cutoff Frequenz fuer den AC coupled input der beiden 
hinteren OpAmps um 70Hz liegen, so dass auch keine interessanten Anteile 
des Signals verloren gehen. Den negativen DC Offset bin ich auf diese 
Weise erfolgreich losgeworden!

Leider habe ich nun konstant eine Art "Ripple" auf den Ausgaengen der 
beiden Verstaerkerstufen, wie im angehaengten Bild zu sehen (geschaetzte 
Frequenz um 20kHz). Dieser "noise-floor" war im vorherigen Schritt, 
DC-coupled Aufbau nach dem Erweitern um die negative 
Versorgungsspannung, noch nicht zu sehen.

Nun bin ich langsam am Ende meiner Ideen, wie ich hier noch mehr 
herausholen koennte. Habe ich mir dieses Problem nun neu eingefangen, 
oder war das einfach bisher nur weniger sichtbar?

: Bearbeitet durch User
von Harlekin (Gast)



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Neigt eventuell U2 zum Schwingen? Vielleicht hilft ein Widerstand am 
Ausgang siehe Bild.

von Ingo S. (logikneuling)


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Harlekin schrieb:
> Vielleicht hilft ein Widerstand am
> Ausgang siehe Bild.

Ich habs mal anhand deines Vorschlags mit ein paar Widerstandswerten um 
1kOhm herum ausprobiert, aber das aendert das Ausgangssignal nicht im 
geringsten.

Nachdem ich mir eine ganze Reihe Scope Traces, die ich in den letzten 
Tagen aufgenommen habe, noch einmal genauer angesehen habe, scheint 
dieser ~20kHz noise floor dem Signal schon von Beginn an ueberlagert 
gewesen zu sein, mal etwas mehr und mal etwas weniger deutlich 
ueberlagert und auch etwas abhaengig davon, wie genau die Kabelfuehrung 
und Positionierung war...

Da ich vorerst nur eine  begrenzte Genauigkeit benoetige, werde ich mal 
ausprobieren, inwiefern das ueberhaupt stoert! Danke aber fuer den 
Vorschlag (was ich mich dabei jedoch gefragt hab ist, mueste dieser 
zusaetzliche Widerstand an der Stelle nicht eigentlich die 
Filtercharakteristik von U1&U2 aendern?)!

Viele Gruesse,
Ingo

: Bearbeitet durch User
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