Forum: Mikrocontroller und Digitale Elektronik HCMOS statischer Leckstrom vs. uC Schlafbetrieb


von Gerhard O. (gerhard_)


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Wieso lassen sich viele Mikrocontroller um 1uA oder weniger schlafen
legen, mit zig tausend Transistoren, und im Gegensatz haben typische
vergleichsweise lächerliche HCMOS wie z.B ein 74HC164 mit nur wenigen
Transistorstufen +10uA Leckstrom im statischen Betrieb bei 5V? Gibt es
zugängliche Literatur zum Thema? Irgendwie finde ich das interessant.
Ein uC wie ein AVR ist doch prinzipiell auch HCMOS, oder nicht? Wie
schafft der Hersteller es mit den vielen zusätzlichen Schaltstufen
diesbezüglich fertig zu werden?

Wer weiß was darüber?

Mfg,
Gerhard

von Jim M. (turboj)


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Bei modernen µC baut man auch Power Gates mit ein.

Außerdem sind Transistoren relativ oft größer als "minimal", damit z.B. 
das dickere Gateoxyd die Leckströme minimiert.

von Gerhard O. (gerhard_)


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Jim M. schrieb:
> Bei modernen µC baut man auch Power Gates mit ein.
>
> Außerdem sind Transistoren relativ oft größer als "minimal", damit z.B.
> das dickere Gateoxyd die Leckströme minimiert.

Verstehe ich da rictig, daß große Teile der Schaltung stromlos werden? 
Wenn ich z.B den ADC vor dem Schlaf abschalte, daß da die zugehörigen 
Schaltungsteile alle stromlos werden und nicht nur den Systemtakt 
abschalten?

Aber wenn ein HC164 mit seinen paar armseligen Transistoren drin schon 
so viel Strom braucht wie schaffen die das bei der vergleichsweisen sehr 
viel komplizierteren uC Architektur? Auch mit Abschaltung dürfte noch 
genug Schaltungsteile aktiv sein. Die ganze I/O Pin Beschaltung bleibt 
ja weiterhin aktiv um ggf. Den uC durch Pin Yinterrupt wieder zum Leben 
zu erwecken.

Eine App note die das beschreibt wäre super faszinierend und lesenswert 
für mich.

Jedenfalls danke Dir für den Hinweis.

von Jens G. (jensig)


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>Wieso lassen sich viele Mikrocontroller um 1uA oder weniger schlafen
>legen, mit zig tausend Transistoren, und im Gegensatz haben typische
>vergleichsweise lächerliche HCMOS wie z.B ein 74HC164 mit nur wenigen
>Transistorstufen +10uA Leckstrom im statischen Betrieb bei 5V? Gibt es

Vielleicht, weil Du Max-Werte bei 125°C bei CMOS mit typ. Werten bei 
25°C bei µC vergleichst?
Zumindest ein 4093 hatte mal bei einer Stichprobenmessung meinerseits 
weniger als 100nA gezogen, wenn ich mich noch recht entsinne, obwohl 
dessen angegebener max. Reststrom unter ungünstigsten Bedingungen mit 
über dem 1000fachen angegeben wird.

von (prx) A. K. (prx)


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Es ist nicht ganz fair, ICs aus den 70ern und 80ern mit aktuellen µCs zu 
vergleichen. Neben den Unterschieden in der Fabrikationstechnik damals 
und heute werden Mikrocontroller heute auch über die Angabe des 
Stromverbrauchs im Datasheet verkauft. CD4000 und 74HC hingegen hatten 
damals praktisch nur die Stromfresser 74LS als Konkurrenz, und ob im 
Datasheet nun 10µA oder 100nA stand war ziemlich egal.

: Bearbeitet durch User
von Gerhard O. (gerhard_)


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Jens G. schrieb:
>>Wieso lassen sich viele Mikrocontroller um 1uA oder weniger
> schlafen
>>legen, mit zig tausend Transistoren, und im Gegensatz haben typische
>>vergleichsweise lächerliche HCMOS wie z.B ein 74HC164 mit nur wenigen
>>Transistorstufen +10uA Leckstrom im statischen Betrieb bei 5V? Gibt es
>
> Vielleicht, weil Du Max-Werte bei 125°C bei CMOS mit typ. Werten bei
> 25°C bei µC vergleichst?
> Zumindest ein 4093 hatte mal bei einer Stichprobenmessung meinerseits
> weniger als 100nA gezogen, wenn ich mich noch recht entsinne, obwohl
> dessen angegebener max. Reststrom unter ungünstigsten Bedingungen mit
> über dem 1000fachen angegeben wird.

Im T.I Datenblatt für den 164er, bei 25 Grad und 6V Icc=8uA.

Im Bereich von -55 bis +85 werden bis zu 160uA angegeben.

Die 4000er sind da schon wesentlich günstiger.

In 2015 entwickelte ich einen AVR1284 Datenlogger. Bei Raumtemperatur 
und 4.5V brachte ich die Schaltung lediglich auf 15uA Schlafstrom. Da 
waren allerdings an die 10 Stück HC MSI verbaut. Also in Anbetracht der 
Spezifikation noch tolerierbar. Bei hohen Temperaturen werden die Dinge 
häßlich... zum Glück wird drr Datenlogger hauptsächlich in 
Gletschergebieten eingesetzt wo der Stromverbrauch noch niedriger ist.

Das nächste Mal würde ich lieber alles abschalten was machbar wäre.

Die Natur scheint dafür zu sorgen, daß die Bäume nicht in den Himmel 
wachsen.

von Gerhard O. (gerhard_)


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A. K. schrieb:
> Es ist nicht ganz fair, ICs aus den 70ern und 80ern mit aktuellen
> µCs zu
> vergleichen. Neben den Unterschieden in der Fabrikationstechnik damals
> und heute werden Mikrocontroller heute auch über die Angabe des
> Stromverbrauchs im Datasheet verkauft. CD4000 und 74HC hingegen hatten
> damals praktisch nur die Stromfresser 74LS als Konkurrenz, und ob im
> Datasheet nun 10µA oder 100nA stand war ziemlich egal.

Das stimmt. Mit den 4000ern konnte man allerdings wirklich Flohleistungs 
Schaltungen realisieren.

von Jens G. (jensig)


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>Im T.I Datenblatt für den 164er, bei 25 Grad und 6V Icc=8uA.

>Im Bereich von -55 bis +85 werden bis zu 160uA angegeben.

Ja, aber das sind Max-Werte. Sind die von Dir betrachteten µC-Werte auch 
Max-Werte, oder nur typ.?

von Gerhard O. (gerhard_)


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Jens G. schrieb:
>>Im T.I Datenblatt für den 164er, bei 25 Grad und 6V Icc=8uA.
>
>>Im Bereich von -55 bis +85 werden bis zu 160uA angegeben.
>
> Ja, aber das sind Max-Werte. Sind die von Dir betrachteten µC-Werte auch
> Max-Werte, oder nur typ.?

Beim Datenlogger waren es tatsächliche Werte, weit unterhalb de 
gegebenen typischen Werte bei Raumtemperatur. Bei -50 Grad waren es für 
die Gesamtschaltung nur noch um die 2uA. Bei 60 Grad waren es um die 
70uA.

Nachtrag: da waren noch an die 10 HCMOS Bausteine eingebaut.

: Bearbeitet durch User
von Falk B. (falk)


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@Gerhard O. (gerhard_)

>vergleichsweise lächerliche HCMOS wie z.B ein 74HC164 mit nur wenigen
>Transistorstufen +10uA Leckstrom im statischen Betrieb bei 5V?

Wer sagt das? Das Datenblatt? Als max. Wert?

Da sind die GARANTIERTEN Werte, welche auch gemessen werden müssen. 10uA 
lassen sich noch relativ einfach und vor allem schnell messen. 10nA sind 
deutlich aufwändiger. Also läßt man es. Viele Maximal/Minialwerte von 
Bauteilen entstehen so.

von Falk B. (falk)


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@Gerhard O. (gerhard_)

>Beim Datenlogger waren es tatsächliche Werte, weit unterhalb de
>gegebenen typischen Werte bei Raumtemperatur. Bei -50 Grad waren es für
>die Gesamtschaltung nur noch um die 2uA.

Ein Pinguinzähler in Nordkanada? ;-)

von Gerhard O. (gerhard_)


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Falk B. schrieb:
> @Gerhard O. (gerhard_)
>
>>Beim Datenlogger waren es tatsächliche Werte, weit unterhalb de
>>gegebenen typischen Werte bei Raumtemperatur. Bei -50 Grad waren es für
>>die Gesamtschaltung nur noch um die 2uA.
>
> Ein Pinguinzähler in Nordkanada? ;-)

Die gibt es doch bei uns nicht:-)

Dieser Datenlogger wird viel in Südamerika in den Anden in 
Gletschergebieten eingesetzt. In Kanada bei uns noch nicht. Dort in den 
Anden ist es teilweise scheusslich kalt. Die -50 Grad hatte ich im 
Klimaschrank. Gut zu wissen, daß es auch da noch funktioniert.

Die 10uA waren Datenblatt garantierte Werte. Die aktuellen Werte für 10 
HCMOS Bausteine plus uC war mit 15uA bei Raumtemperatur eigentlich 
sowieso weit unterhalb der garantierten Werte. Sons hätten es ja über 
100+ uA sein können. Nein, ich bin in Anbetracht der Realität durchaus 
zufrieden.

von Clemens L. (c_l)


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Den größten Anteil am Leckstrom haben nicht die Transistoren, sondern 
die ESD-Schutz-Dioden. Und die kann man heutzutage besser konstruieren; 
vergleiche mal 74HC mit 74AUP.

von Wolfgang (Gast)


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Gerhard O. schrieb:
> Im Bereich von -55 bis +85 werden bis zu 160uA angegeben.

Das liegt aber nicht an den -55°C ;-)

Was meinst du, warum bei Halbleitern maximale Arbeitstemperaturen weit 
unter des Schmelzpunktes angegeben werden. Das liegt daran, dass sich 
mit Temperaturerhöhung der Bandabstand zwischen Valenz- und Leitungsband 
im Halbleiter verringert, so das Leckströme immer größer werden und der 
Halbleiter dann insgesamt irgendwann nicht mehr richtig funktioniert. 
Wie groß bei geänderter spezifischer Leitfähigkeit die Leckströme sind, 
hängt von der Geometrie ab und die ist bei einem µC erheblich kleiner 
als bei einem simplen HC-irgendwas.
https://de.wikipedia.org/wiki/Bandl%C3%BCcke

von Gerhard O. (gerhard_)


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Wolfgang schrieb:
> Gerhard O. schrieb:
>> Im Bereich von -55 bis +85 werden bis zu 160uA angegeben.
>
> Das liegt aber nicht an den -55°C ;-)
>
> Was meinst du, warum bei Halbleitern maximale Arbeitstemperaturen weit
> unter des Schmelzpunktes angegeben werden. Das liegt daran, dass sich
> mit Temperaturerhöhung der Bandabstand zwischen Valenz- und Leitungsband
> im Halbleiter verringert, so das Leckströme immer größer werden und der
> Halbleiter dann insgesamt irgendwann nicht mehr richtig funktioniert.
> Wie groß bei geänderter spezifischer Leitfähigkeit die Leckströme sind,
> hängt von der Geometrie ab und die ist bei einem µC erheblich kleiner
> als bei einem simplen HC-irgendwas.
> https://de.wikipedia.org/wiki/Bandl%C3%BCcke

Das ist mir schon bekannt und klar. Aber ich hatte mich hier nur etwas 
unglücklich ausgedrückt weil ich damit nur die Spalte im Datenblatt für 
den vollen Temperaturbereich quotieren wollte, wo ja tatsächlich max. 
160uA angegeben ist. In der 25 Grad Spezifikation sind auch nur 10uA 
angegeben.

Abgesehen davon braucht der Datenlogger bei -50 sowieso nur noch 2uA.

Übrigens, ich verwende industrielle SDKarten von Delkin mit solch weiten 
garantierten Temperaturbereich. Allerdings sind die nur 512MB groß.

Trotzdem Danke für die Richtigstellung und Erklärung.

: Bearbeitet durch User
von Bernd K. (bmk)


Angehängte Dateien:

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Ich kann bestätigen, dass die CMOS Bausteine der 4000er Serie extrem 
kleine Ruheströme haben. Nur wenige Hersteller machen hierzu eine Angabe 
im Datenblatt. Hier ein positives Beispiel:
http://www.cmos4000.de/media/cmos/ic-cmos-4093.pdf

Der Ruhestrom (Vdd=5..15V) wid hier mit typisch 20nA angegeben; 
allerdings nur bei 25°C. Ich habe mal versucht das mit meinem Fluke 189 
zu messen. Keine Chance. Das muss noch weniger sein, je nach Baustein.

Voraussetzung ist allerdings, dass alle Eingänge auf Vdd oder Vss gelegt 
und alle Ausgänge frei sind. Denn wenn ein Eingang dazwischen liegendes 
Potential hat, ergibt sich ein deutlich erhöhter Ruhestrom, der bei 
einem BU4S584G2 erschreckende Ausmaß annahm, bis fast in den mA-Bereich.

Die Schaltung im Anhang könnte was für den TO sein. Wenn der Trockenfall 
etwa 99,9% ausmacht, ist der Ruhestrom unmessbar klein. Wenn der Eingang 
über einen Fühler Vdd erhält, geht der Blitzer los und zieht dann im 
Mittel um die 18µA. Ich denke, man kann eingangsmäßig auf eine 
Schutzbeschaltung verzichten. Jedenfalls ist mir noch kein 4000er 
Baustein hopps gegangen.

Als Fühler könnte ich mir Silberdraht vorstellen, da hierbei auch die 
Oxidschicht leitend ist.

von Jens G. (jensig)


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>Der Ruhestrom (Vdd=5..15V) wid hier mit typisch 20nA angegeben;
>allerdings nur bei 25°C. Ich habe mal versucht das mit meinem Fluke 189
>zu messen. Keine Chance. Das muss noch weniger sein, je nach Baustein.

Mißbrauche doch den Spannungsmeßbereich als Strommeßbereich. 1nA über 
den üblichen 10MOhm ergibt 10mV.

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