Forum: Ausbildung, Studium & Beruf Kumulative Dissertation


von Milo (Gast)


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Man kann auch eine Dissertation machen, die nicht aus einer Monographie 
am Ende besteht. Dabei veröffentlicht man mehrere Artikel und schreibt 
am Ende eine Zusammenfassung und verteidigt das Gesamtwerk.

Hat jemand Erfahrungen mit der Qualität solcher Promotionen? Mir ist 
nämlich im Vergleich zu Universitäten schleierhaft wie man ohne eine 
Anstellung vernünftig forschen will. Die annahmeregeln und peer review 
verfahren schwanken nämlich in der Qualität auch ganz stark je nach 
journal.

Mir ist zumindest eine Abschlussarbeit untergekommen die auf 30 Seiten 
zusammengefasst hat aber die Veröffentlichungen dazu waren nicht 
sonderlich einladend etwas reproduzierbar nachzustellen. Darum geht es 
aber in der Wissenschaft.

Von wem werden solche Möglichkeiten zum Doktor genutzt? Meine Vermutung: 
Das sind Leute mit kleiner Firma wo sich der Dr. Ing. in der E-Mail 
Signatur gut macht.

von Sebastian B. (sfreak) Benutzerseite


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Kumulativ oder Monographie hat überhaupt nix mit der Form der Anstellung 
zu tun. Eher damit was im jeweiligen Fachgebiet üblich ist.

von Gert (Gast)


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Im Elektrotechnik-Bereich habe ich sowas noch nie gesehen

von Milo (Gast)


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Gert schrieb:
> Im Elektrotechnik-Bereich habe ich sowas noch nie gesehen

Ist zwar selten aber besonders in der Elektrotechnik Informatik 
Kombination. Die Uni Bremen bietet sowas zum Beispiel.

von meckerziege (Gast)


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Du vermischt hier einiges, aber kein Problem, gehen wir das mal an. Ich 
bin selbst mitten drin.

Milo schrieb:
> Man kann auch eine Dissertation machen, die nicht aus einer
> Monographie
> am Ende besteht. Dabei veröffentlicht man mehrere Artikel und schreibt
> am Ende eine Zusammenfassung und verteidigt das Gesamtwerk.
So hart ist der Unterschied zwischen Monographie und kumulativer 
Dissertation nicht. Die Promotionsordnung schreibt meist vor, dass auch 
eine Monographie auf peer-reviewed Veröffentlichungen/Papern basieren 
muss. In beiden Fällen ist also das Publizieren zwingend notwendig. Auch 
bei der Anzahl der notwendigen Paper wird es kaum einen Unterschied 
geben, da sowohl für eine kumulative Dissertation wie für eine 
Monographie einfach ein wissenschaftlicher Beitrag und Inhalt vorhanden 
sein muss.

Übrigens werden im Falle einer Monographie auch große Teile von Papern, 
teils unverändert, übernommen. Im besten Fall, wenn mehr als eine Hand 
voll Paper vorliegen, reicht das schon für um die 3/4 einer Monographie 
(ganz grob geschätzt). Das wird natürlich noch überarbeitet aber ich 
kenne KAUM jemanden, der das Ding komplett von 0 nochmal geschrieben 
hat.
In einer Monographie ist also ein bisschen mehr Fülltext außen herum 
notwendig und es werden auch Ergebnisse teils ausgebaut.
In einer kumulativen Dissertation brauchst du aber ebenso eine extra 
Einleitung, Zusammenfassung usw.
Das nimmt sich im Endeffekt nicht sonderlich viel. Beides ist RICHTIG 
aufwändig, die Monographie allerdings nochmal ein kleines Stück 
aufwändiger.


> Hat jemand Erfahrungen mit der Qualität solcher Promotionen? Mir ist
> nämlich im Vergleich zu Universitäten schleierhaft wie man ohne eine
> Anstellung vernünftig forschen will.
Du kannst an einer Uni beide Arten der Promotion verfolgen. Das gleiche 
kannst du auch außerhalb einer Uni tun (privat, in der Industrie, in 
einem Forschungsinstitut, ...). Das hat nichts miteinander zu tun.

DEIN PROF und die Promotionsordnung bestimmt, ob du kumulativ schreiben 
darfst oder eine Monographie anfertigen musst. In der E-Technik und 
Informatik ist meines Wissens nach eine kumulative Promotion SEHR 
selten.

> Die annahmeregeln und peer review
> verfahren schwanken nämlich in der Qualität auch ganz stark je nach
> journal.
Auch hier: Für eine Monographie brauchst du auch Veröffentlichungen. Es 
gibt sehr gute Konferenzen bzw. Journals und dann gibt es auch das 
Gegenteil. Üblicherweise achtet aber dein betreuender Prof darauf, dass 
du auf renommierten Konferenzen oder Journals einreichst.
Wenn du alle 5 Paper auf billig-99%-acceptance-rate "wissenschaftlichen" 
Konferenzen einreichst, dann wird er dich ggf. einfach nicht fertig 
machen lassen.


> Mir ist zumindest eine Abschlussarbeit untergekommen die auf 30 Seiten
> zusammengefasst hat aber die Veröffentlichungen dazu waren nicht
> sonderlich einladend etwas reproduzierbar nachzustellen. Darum geht es
> aber in der Wissenschaft.
Das dachte ich Anfangs auch. Reproduzierbar ist leider vieles nicht, da 
oft z.B. Code nicht publiziert wird (Professoren wollen sich den 
Vorsprung sichern, die vorgeschlagene Methode ist doch nicht so gut wie 
behauptet, ...).


> Von wem werden solche Möglichkeiten zum Doktor genutzt? Meine Vermutung:
> Das sind Leute mit kleiner Firma wo sich der Dr. Ing. in der E-Mail
> Signatur gut macht.

Du brauchst zum Promovieren IMMER einen Prof der dein Vorhaben 
unterstützt und dich betreut. Man kann nicht einfach so sagen "ach jetzt 
promovier ich mal schnell und schreib was zusammen in ein paar Wochen".
Generell KÖNNTE aber da schon was dran sein, Monographien werden 
tendenziell eher von den "jungen" Wissenschaftlern geschrieben während 
höhere Tiere auch mal kumulativ promovieren dürfen, weil das den Aufwand 
angeblich ein wenig reduziert. (Wir sprechen hier von ein paar Prozent. 
Das wird oft vollkommen überschätzt!).

Fazit: Das richtig aufwändige an einer Promotion ist nicht das Finale, 
das Zusammenschreiben (Monographie) bzw. Zusammenkopieren (kumulativ). 
Die ganze Forschung die du zuvor machen musst zieht sich über JAHRE hin. 
Da steckst du richtig viel Zeit rein. Darauf kommts an, diese letzten 
Schritte dass dann ein Dokument rausfällt sind da nur noch die Krönung 
davon und fallen weniger ins Gewicht. Da spielt der Unterschied 
kumulativ oder Monographie kaum eine Rolle.

von Al3ko -. (al3ko)


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Milo schrieb:
> Hat jemand Erfahrungen mit der Qualität solcher Promotionen? Mir ist
> nämlich im Vergleich zu Universitäten schleierhaft wie man ohne eine
> Anstellung vernünftig forschen will. Die annahmeregeln und peer review
> verfahren schwanken nämlich in der Qualität auch ganz stark je nach
> journal.
>
> Mir ist zumindest eine Abschlussarbeit untergekommen die auf 30 Seiten
> zusammengefasst hat aber die Veröffentlichungen dazu waren nicht
> sonderlich einladend etwas reproduzierbar nachzustellen. Darum geht es
> aber in der Wissenschaft.
>
> Von wem werden solche Möglichkeiten zum Doktor genutzt? Meine Vermutung:
> Das sind Leute mit kleiner Firma wo sich der Dr. Ing. in der E-Mail
> Signatur gut macht.

Ich persönlich habe beide Arten von Dissertationen gelesen, und sehe auf 
beiden Seiten Vor- und Nachteile. Fazit vorweg: Es kommt auf den Inhalt 
drauf an.

Die traditionelle Dissertation, in der mehrere 100 Seiten geschrieben 
werden, beinhalten die ersten 50 Seiten reines Hintergrund- und 
Textbuchwissen, das m.E. ebenfalls keine Forschung ist, sondern 
lediglich eine Zusammenfassung aus Bekanntem. Überspitzt formuliert wird 
das Ohmsche Gesetz bis ins kleinste Detail beschrieben.

Die eigentliche Arbeit mit entsprechenden Resultaten finden dann auf den 
letzten 50 Seiten statt.

Bei den Dissertationen, die aus einer Zusammenfassung von Papern 
bestehen, wird das ganze Hintergrund- und Textbuchwissen wesentlich 
verkürzt, um so Platz für die eigentliche Arbeit zu schaffen.

Die Qualität der Dissertation hängt dann von der Qualität der 
Publikationen ab. Und da hilft es dann, in hochwertigen Journals und 
Konferenzen zu veröffentlichen. Die Veröffentlichung von Journals und 
Konferenz Papern ist oftmals auch eine Bemessungsgrundlage für IEEE 
Fellowship, das Ansehen des Instituts, KPI für die wissenschaftlichen 
Mitarbeiter etc. Der Doktorvater bzw. die Universität versucht also, 
über diesen Weg den Doktoranden zum Veröffentlichen zu "motivieren", um 
so letztendlich den eigenen Vorteil daraus zu gewinnen.

Milo schrieb:
> Von wem werden solche Möglichkeiten zum Doktor genutzt? Meine Vermutung:
> Das sind Leute mit kleiner Firma wo sich der Dr. Ing. in der E-Mail
> Signatur gut macht.

Glaube ich nicht, weil das von der Universität bzw. dem Doktorvater 
verlangt wird.

Gruß,

von Mark (Gast)


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> Hat jemand Erfahrungen mit der Qualität solcher Promotionen?

Es sind meist Billig-Dissertationen. Drei 
Zeitschriften-Veröffentlichungen und der Rahmen können schon ausreichend 
sein für die Dissertation.

Da wird schon mal eine Veröffentlichung in einer Werbe-Fachzeitschrift 
anerkannt und ignoriert das die nicht peer-reviewed ist, oder der 
Doktorvater steht mit als Autor auf den Veröffentlichungen. Bei 
Letzterem hat der Doktorvater die Artikel vielleicht gleich selbst 
geschrieben (gegen Geld?) oder wird durch die (angebliche) Autorenschaft 
positiv gestimmt oder bestochen. Notfalls schreibt ein Ghostwriter noch 
den Rahmen dazu.

> Von wem werden solche Möglichkeiten zum Doktor genutzt?

Von den gleichen Leuten die sich auf anderen Wegen einen Doktor besorgen 
und aus den selben Gründen, von Eitelkeit bis zur Hoffnung auf eine 
Karrieresprung.

von Jürgen W. (Firma: MED-EL GmbH) (wissenwasserj)


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Unabhängig davon, ob der Betreuer oder die Uni eine kum. Diss. 
akzeptiert, stellt sich auch die Frage, wie die einzelnen Publikationen 
aussehen:

Mein Betreuer hat z.B. 3 Peer-reviewed papers als Erstautor gefordert 
(bei mir waren das dann Arbeiten in Rev. Sci Instrum und IEEE TIM, 
Zweitautor bei Biosens Bioel); dazugekommen sind dann außerdem ein paar 
Konferenz-Publikationen. Die Papers haben allerdings keinen roten Faden, 
sondern ich habe einzelne Aspekte der Gesamtarbeit, die sich jew. in ein 
Paper haben packen lassen, veröffentlicht.

Bei mir hat also nur eine Monographie Sinn ergeben und dazu kommt, daß 
man in einem normalen Paper sehr begrenzt ist, was z.B. Graphiken und 
Veranschaulichungen angeht - einfach aufgrund der begrenzten Seitenzahl.

Ich habe dafür jetzt eine Arbeit, die mit ISBN-Nummer referenziert 
werden kann (zusätzlich zu den einzelnen Papers), die graphisch sauber 
aufbereitet ist und die man auch von A-Z lesen und verstehen kann ohne 
ständig Querverweise zu studieren.

von Arno (Gast)


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Letzlich kann ich nur wiederholen: Es kommt darauf an, was an Inhalt 
dahinter steht. Sinnvollerweise zusammenhängender Inhalt - dann ist es 
vom Arbeitsaufwand und der Qualität der Diss her recht egal, ob der 
Inhalt am Ende in einer Monographie dargestellt oder mit einem Rahmen 
versehen zusammengetackert wird.

Leider läuft es aber immer wieder so, dass ein Doktorand in fünf Jahren 
an fünf verschiedenen Projekten zu fünf verschiedenen Themen arbeitet - 
dann kann er toll veröffentlichen, aber weder eine schöne Monographie 
erstellen, noch einen vernünftigen Rahmen um eine kumulative Diss 
schreiben. Dann bleibt nur, nochmal zwei Jahre eines der fünf Themen 
soweit zu vertiefen, dass eine Monografie daraus werden kann - oder eine 
kumulative Schmalspur-Diss zu veröffentlichen.

MfG, Arno

von Markus (Gast)


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meckerziege schrieb:

> Die Promotionsordnung schreibt meist vor, dass auch
> eine Monographie auf peer-reviewed Veröffentlichungen/Papern basieren
> muss.

Das ist zwar der Regelfall, wird aber nicht durchgängig so strikt 
gehandhabt. Jedenfalls kenne ich Leute, die wurden mit 0 
Veröffentlichungen promoviert.
(in deren Fall stand der Doktorvater kurz vor der Pension und hatte auf 
Konferenzen und Paper schlicht keine Lust mehr, er hatte das ganze noch 
nicht einmal unterstützt. Wer irgendwo hinfahren wollte, tat das quasi 
auf eigene Faust)

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von S. R. (svenska)


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Milo schrieb:
> Von wem werden solche Möglichkeiten zum Doktor genutzt?

In Schweden gibt es zwischen dem Master und dem Doktor noch das 
Licentiat. Die übliche Vorgehensweise meiner ehemaligen Hochschule war, 
dass eine der beiden (etwa gleich großen) Arbeiten eine Monographie sein 
soll.

Sind die Papers angemessen gut, können auch beide Arbeiten kumulativ 
sein, sind die Veröffentlichungen eher schwach (oder sehr speziell), 
oder wurde das Licentiat übersprungen, wird in der Regel zwingend eine 
Monographie verlangt. Diese Entscheidung fällt der Professor (und muss 
vom Forschungsausschuss bestätigt werden).

Im Prinzip ist es egal. Eine Monographie ist schlicht mehr Arbeit.

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