Hallo geschätzte Forengemeinde, vorweg, ich bin fachfremd und diesbezüglich ohne Erfahrung. Ich habe eine kleine PLatine gebastelt mit ATTiny, Spannungsregler, LED und ein bisschen Hühnerfutter - alles SMD. Die Einsatzorte sind fahrbare Geräte, Tretbulldog, Kettcar, Roller, u.s.w. Es wird also mit Temperaturschwankungen und Erschütterungen gerechnet. Nun möchte ich eine Kleinserie bestücken lassen und stehe vor der Aufgabe das Hühnerfutter zu spezifizieren. Generell möchte ich hochwertige Bauteile, auf ein paar Cent kommt es dann nicht an. Ich hätte die Bauteile folgendermaßen spezifiziert: #Keramikkondensatoren: 0805, MLCC, X7R, min.35V, max.10%, Soft/Flexi-Terminierung, AEC-Q200, #Widerstände 0805, Leistungsklasse, max.5%, AEC-Q200, Sind diese Bauteile für meinen Einsatz passend, oder gibt es noch etwas worauf ich achten sollte? Macht es Sinn Bauteile nach AEC-Q200 zu nehmen, quasi als Qualitätsmerkmal, oder ist unnötig? Kann ein Bestücker danach ein grobes Angebot abgeben, oder fehlen noch Angaben bezüglich der Bauteilqualität? Das die dataillierte Bauteilauswahl dann mit dem Bestücker ausgehandelt werden muss ist mir klar. Es geht um die Mindestanforderungen um Angebote einzuholen. Auch für weitere Tipps bin ich dankbar. Gruß Daniel
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Daniel B. schrieb: > Macht es Sinn Bauteile nach AEC-Q200 zu nehmen, quasi als > Qualitätsmerkmal, oder ist unnötig? Die AEC-Q200 definiert nicht nur die Prüfanforderungen für die Umwelttests (die eine Größenordnung schärfer sind als für Consumerbauteile), sondern auch Anforderungen an den Herstellprozess. So kann der Lieferant nicht nach Belieben Anlagen, Fertigungsstandorte oder Prozesse ändern, sondern muss das entsprechend (seinen Großkunden) anzeigen und qualifizieren. D.h. Du kannst ein bisschen sicherer sein gleichbleibende Qualität zu bekommen, als bei Lieferanten die komplett nach eigenem Ermessen produzieren. Widerstände: 1% ist nicht wirklich teurer. Der Temperaturkoeffizient (50 oder 100 ppm/K oder so) könnte für Deine Anwendung relevant sein. Und ob Dickschicht oder Dünnschicht hat einen Einfluss auf Impulsüberlastfestigkeit und Drift. MLCC: 50 V ist eigentlich Standard. Flexiterm macht es deutlich teurer, nimmt man nur da wo im Kurzschlußfall eine höhere Verlustleistung (typ. >2,5 W) auftreten kann oder der resultierende Fehler ein Sicherheitsziel verletzt. Bei letzerem kann zweimal die doppelte Kapazität in Reihe die bessere Wahl sein.
soul e. schrieb: > Flexiterm macht es deutlich teurer, > nimmt man nur da wo im Kurzschlußfall eine höhere Verlustleistung > (typ. >>2,5 W) auftreten kann oder der resultierende Fehler ein > Sicherheitsziel verletzt. Die müssten doch auch dort vorteilhaft sein, wo es große Temperaturschwankungen gibt?
@soul e. Vielen Dank für die nützlichen Informationen und du hast mich auf einige Punkte gestoßen über die ich mich noch informieren muss. Deine Erklärung bezüglich Flexiterm habe ich aber nicht ganz verstanden, denn ich war der Meinung Soft/Flexiterm verringert die mechanische Empfindlichkeit. Könntest du mir da bitte nochmal auf die Sprünge helfen? Meine Platine ist zwar nicht groß (kleiner als eine Streichholzschachtel), und somit sollte ein Verbiegen der Platine nur mit Gewalt möglich sein, aber ich möchte auch für auftretende Stöße, Temperaturschwankungen, groben Umgang, u.s.w. gewappnet sein. Du hast recht, die Mehrkosten für Flexiterm sind erheblich, mir fehlt jedoch die Erfahrung zu bewerten, ob es das Wert ist? Wenn man den Werbeversprechen der Hersteller glauben darf, dann ja :-) Gruß Daniel
Daniel B. schrieb: > Du hast recht, die Mehrkosten für Flexiterm sind erheblich, mir fehlt > jedoch die Erfahrung zu bewerten, ob es das Wert ist? Man muss nur richtig rechnen ;) Nicht: ein Flexiterm-C ist sechsmal so teuer wie der billigste, sondern: um wieviel Prozent wird das Gerät teurer und wieviel kostet ein Ausfall. Für mich ist es nicht wichtig, dass die keinen Kurzschluss machen, sondern dass sie möglichst nicht ausfallen. Im Gegenteil, mir ist ein Kurzschluss lieber als ein Kapazitätsverlust mit unübersichtlichen Folgen. Einen Kurzschluss muss das Gerät sowieso wegstecken, andere Bauteile machen auch Kurzschlüsse. Aber ihr macht mich echt nachdenklich. "Normale" Keramik-Cs halten ewig, solange man sie nicht zerbricht. Wie lange lebt die neumodische flexible Chemie in den Flexiterms? Wir werden es (hoffentlich?) nie erfahren.
Daniel B. schrieb: > Deine Erklärung bezüglich Flexiterm habe ich aber nicht ganz verstanden, > denn ich war der Meinung Soft/Flexiterm verringert die mechanische > Empfindlichkeit. > Könntest du mir da bitte nochmal auf die Sprünge helfen? So ist es. Keramikkondensatoren fallen bei mechanischer Überlast (Bruch) meistens (lt IEC 62380 zu 70%) mit Kurzschluß aus. Wenn dieser Kurzschluß zu rapider Korrosion Deiner Baugruppe führen kann, ist Flexiterm, Failsafe oder Reihenschaltung angeraten. Hier sind die unterschiedlichen Typen dargestellt: https://www.all-electronics.de/wp-content/uploads/migrated/article-pdf/78066/ei07-09-096.pdf
soul e. schrieb: > oder Reihenschaltung angeraten Im Automotive-Bereich wird für die Reihenschaltung noch eine 90°-Anordnung der beiden Cs genommen. So wird ein mechanischer Stress in die eine Richtung nicht dazu führen, dass womöglich beide ausfallen.
Wegen Vibration brauchst du dir bei Hühnerfutter keine Sorge zu machen. Wenn Land, Pastendruck und Lötprozess passen (IPC-Vorgaben beachten, dein Bestücker kann dich unterstützen), fallen 0603 und 0402 durch Vibration nicht runter. Vorher zerlegt sich vermutlich das Gehäuse oder die Leiterplatte. Kritisch sind ggf. Temperaturwechsel, wobei es schon ziemlich viele ziemlich große und schnelle Temperaturhübe braucht, damit das ein Problem wird - was hast du denn an Anforderungen? Verbiegung ist für Kerkos, wie schon angesprochen, ein Thema. Zwei Stück in Serie im 90°-Winkel ist sicher eine gute Maßnahme. Du kannst auch mal FEM-Simulationen der Leiterplatte machen, FreeCAD kann so was.
Hallo und Danke für die ganzen Informationen und Tipps. Bezüglich AEC-Q200: Das habe ich jetzt zur Einholung der Angebote als Wunsch formuliert, aber nicht als zwingende Vorgabe. Bezüglich Flexiterm: Ich habe Flexiterm geordert. Der Tipp die Kondensatoren 90° versetzt anzuordnen ist gut. Aber erstens steht das Design schon und zweitens hat es meiner Meinung nach einen kleinen Haken: Für den "wahrscheinlicheren" Fall, dass ein defekter MLCC einen Kurzschluss produziert, bringt doch auch der andere Kondensator nix. Oder übersehe ich was? Vielen Dank an Alle, war wieder sehr lehrreich. Gruß Daniel
Bauform B. schrieb: > Wie lange lebt die neumodische flexible > Chemie in den Flexiterms? Die ersten Berichte zu serienreifen Soft/Flexiterm MLCCs finde ich aus dem Jahr 2006. Davor haben die Hersteller ja schon entwickelt und getestet. Ich gehe also von mehr als 15 Jahren Erfahrung aus. Bauform B. schrieb: > Wir werden es (hoffentlich?) nie erfahren. Da hoffe ich fleißig mit :-) Gruß Daniel
Daniel B. schrieb: > Für den "wahrscheinlicheren" Fall, dass ein defekter MLCC einen > Kurzschluss produziert, bringt doch auch der andere Kondensator nix. > Oder übersehe ich was? Deswegen schaltest du sie ja in Serie. Die effektive Kapazität ist also die Hälfte der Einzelkapazitäten. Wenn nun einer kurzgeschlossen ist, steigt sogar die effektive Kapazität. Wenn du auch den Fall abdecken willst, dass ein Kerko hochohmig wird, musst du je noch einen parallel schalten und also vier einsetzen. Habe ich real aber noch nie gesehen.
Max G. schrieb: > Deswegen schaltest du sie ja in Serie. Jetzt hat es Klick gemacht. Das habe ich vorhin irgendwie ganz überlesen. Danke und Gruß Daniel
Du kannst auch Failsafe-Kondensatoren kaufen. Da sind dann intern zwei Systeme in Reihe geschaltet. Sind aber noch teurer als Flexiterm.
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