Forum: HF, Funk und Felder Abschirmung von NF (50 – 4000 Hz) EM-Feldern


von malte (Gast)


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Hallo!

Für einen neurophysiologischen Versuchsaufbau möchten wir 
elektromagnetische Felder im Bereich von ca. 50 Hz bis 4 kHz möglichst 
effektiv durch einen Faradaykäfig abschirmen. Es werden relativ kleine 
elektrische Signale an Nervenzellen (wenige 100 µV) mit relativ hoher 
Impedanz (1 MOhm) gemessen. Der Messvorgang ist dadurch anfällig für 
Störungen durch äußere Felder. Solcherart Versuchsaufbauten werden 
deswegen typischerweise in Faradaykäfigen realisiert. Für einen 
speziellen Anwendungsfall konstruieren wir gerade einen solchen 
Faradaykäfig und stehen vor der Frage, welches Materialien (Stahl, Alu, 
Kupfer) das beste Abschirmverhalten im genannten Frequenzbereich 
aufweist.

Für die Abschirmung ist der Skin-Effekt verantwortlich 
(https://en.wikipedia.org/wiki/Skin_effect). Wenn wir unter Annahme der 
entsprechenden Materialparameter Permeabilität und spez. Widerstand die 
Skin-Tiefe für verschiedene Materialien berechnen, kommen wir zu dem 
Schluss, das Stahlblech eine deutlich bessere Abschirmung erzielt als zB 
Alu, gemessen als Eindringtiefe des Feldes ins Material. Man müsste also 
deutlich (eine Größenordnung) dickere Alubleche als Eisenbleche für die 
gleiche Abschirmwirkung verwenden, was umgekehrt für die Verwendung von 
Stahl spricht. Diesen Effekt sieht man auch in diesem Diagramm aus dem 
o.g. Wikipedia-Artikel: 
https://en.wikipedia.org/wiki/File:Skin_depth_by_Zureks.png Es kommt 
offenbar die höhere Permeabilität von Eisen gegenüber zB Aluminium zum 
tragen (wobei es augenscheinlich schwer ist, verlässliche Werte für die 
Permeabilität von konkreten Stahlsorten zu bekommen).

Ist diese Argumentation so grundsätzlich korrekt? Wir sind da leider 
keine Fachleute und haben uns das alles nur oberflächlich angelesen ...

Eine zweite Frage die sich uns stellt, ist die nach der Reflexion. Wenn 
die EM-Felder des o.g. Frequenzbereiches auf leitende Oberflächen 
treffen, werden sie in einem gewissen Maße reflektiert, was sie uns 
ebenfalls vom Versuchsobjekt fernhält. Kann man eine prozentuale 
Größenordnung für die Reflexion an einem Stahl- bzw Aluminiumkäfig 
nennen? Weil die Reflexion von der Leitfähigkeit des Materials abhängt, 
wäre Alu hier theoretisch im Vorteil. Wenn eh >90% der EM-Felder an der 
Oberfläche des Faradaykäfigs reflektiert würden (im fraglichen 
Frequenzbereich), müssten wir uns weniger um das Material in Bezeug auf 
die Eindringtiefe sorgen ...

Sorry für den langen Text, vielleicht weiß jemand was dazu, ich wäre 
sehr dankbar!

Viele Grüße
Malte

von Test (Gast)


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- Eindringtiefe: Schaut genau, was ihr da ausrechnet. Also welches 
Kriterium ist bei der gegebenen Eindringtiefe in um erfüllt?
- Reflexionen: Hast du dir mal die Wellenlänge ausgerechnet bei 4kHz? 
75km. Mach dir da keine Sorgen du bekommst keine stehende Wellle in 
deinen Faradayschen Käfig.

von Purzel H. (hacky)


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Man muss erst mal anschauen, wie eine Stoerung einkoppelt. Ein Faraday 
wirkt gegen elektrische Felder.
Nebenbei ist ein guter Farady mit hoher Schirmwirkung doppelt, an der 
Signaldurchfuehrung verbunden und geerdet.

Niederfrequente Felder koppeln aber magnetisch. Daher ist die 
Schirmwirkung bei tiefen Frequenzen von Eisen besser, wie die von zB 
Kupfer, oder Silber. Das Eisen wird wegen der Permeabilitaet verwendet, 
nicht wegen der Festigkeit. Also nicht legiertes Eisen, sprich Stahl 
verwenden, sondern am Liebsten Weicheisen, oder Buechsenblech.

Nun sollte man aber nicht nur auf die niederfrequenten Stoerungen 
schauen. Gepulste RF, wie zB von einem Mobiltelephon, koppelt sehr gut 
radiativ auf Elektronik, wird dort an scheinbar trivialen Bauteilen, wie 
einem OpAmp am Eingang gleichgerichtet und erscheint als modulierte 
Offsetspannung. Moduliert mit den Pulsen. Die sind dann wieder im 
50Hz-4kHz Spektrum.

: Bearbeitet durch User
von Malte (Gast)


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Hallo,

Test schrieb:
> - Eindringtiefe: Schaut genau, was ihr da ausrechnet. Also welches
> Kriterium ist bei der gegebenen Eindringtiefe in um erfüllt?

so weit ich es verstanden habe, wird die Skintiefe in Einheiten von e^-1 
angegeben, sodass eine Skintiefe eine Minderung des Feldes auf 37% 
bedeutet. So ist auch das oben verlinkte Diagramm zu lesen. Wir haben 
für unsere Zwecke mal eine Mindestanforderung von drei Skintiefen 
zugrundegelegt.

> - Reflexionen: Hast du dir mal die Wellenlänge ausgerechnet bei 4kHz?
> 75km. Mach dir da keine Sorgen du bekommst keine stehende Wellle in
> deinen Faradayschen Käfig.

Schon klar, es ging nicht im Resonanz im Käfig, denn innen haben wir 
(idealerweise) keine störenden EMF Quellen. Es ging um die Reflexion von 
Störfeldern, die außen auf den Käfig treffen. Da wäre interessant, in 
welchem Umfang die Störfelder - je nach Material - reflektiert werden 
und welchem Maße sie eindringen. Es wäre praktisch, wenn man da konkrete 
Größenordnungen für den fraglichen Frequenzbereich und die fraglichen 
Materialien (Eisen und Alu) angeben könnte.

Vielen Dank fürs Mitdenken!
Malte

von Malte (Gast)


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Jetzt ist G. schrieb:
> Niederfrequente Felder koppeln aber magnetisch. Daher ist die
> Schirmwirkung bei tiefen Frequenzen von Eisen besser, wie die von zB
> Kupfer, oder Silber. Das Eisen wird wegen der Permeabilitaet verwendet,
> nicht wegen der Festigkeit. Also nicht legiertes Eisen, sprich Stahl
> verwenden, sondern am Liebsten Weicheisen, oder Buechsenblech.

Ja, das ist soweit halbwegs klar, wir haben es ja selbst auf Grundlage 
von Permeabiilität und spezifischer Leitfähigkeit ausgerechnet. Das 
Problem scheint mir eher zu sein, für konkrete Stahltypen verlässliche 
Daten zur Permeabilität zu bekommen. Für S235JR habe ich irgendwo ein 
µ_r von ca. 2000 aufgegebelt, keine Ahnung wie verlässlich das ist ...

Jetzt ist G. schrieb:
> Nun sollte man aber nicht nur auf die niederfrequenten Stoerungen
> schauen. Gepulste RF, wie zB von einem Mobiltelephon, koppelt sehr gut
> radiativ auf Elektronik, wird dort an scheinbar trivialen Bauteilen, wie
> einem OpAmp am Eingang gleichgerichtet und erscheint als modulierte
> Offsetspannung. Moduliert mit den Pulsen. Die sind dann wieder im
> 50Hz-4kHz Spektrum.

Für höhere Frequenzen wird's ja augenscheinlich eher wieder einfacher, 
die Skintiefe nimmt ja mit steigender Frequenz ab ...

Danke für die Hinweise!

Weitere Gedanken sind nach wie vor willkommen :-)

Malte

von KI-Besitzer (Gast)


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von Anja (Gast)


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Hallo,

wenn es nur eine Kabine ist würde ich die von jemandem kaufen der Ahnung 
hat:

https://www.vacuumschmelze.de/de/forschung-innovation/anwendungskompetenz/magnetische-schirmung.html

Wobei: wenn ihr hochohmig arbeitet dominiert eher die kapazitive 
Kopplung.
Eventuell reicht eine "normale" (EMV-)Schirmkabine.

Auf Reflektionen würde ich mich bei niedrigen Frequenzen (= Nahfeld) 
nicht verlassen.
Und: Abstand ist die beste Schirmung gegen magnetische Felder.
Vielleicht habt ihr ja irgendwo einen verlassenen Stollen in der Nähe.

Wie macht ihr das eigentlich mit der Stromversorgung/Beleuchtung?

Gruß Anja

Beitrag #5520573 wurde von einem Moderator gelöscht.
von nachtmix (Gast)


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malte schrieb:
> Es kommt
> offenbar die höhere Permeabilität von Eisen gegenüber zB Aluminium zum
> tragen (wobei es augenscheinlich schwer ist, verlässliche Werte für die
> Permeabilität von konkreten Stahlsorten zu bekommen).

Wie bereits geschrieben, sind hier Speziallegierungen wie Mumetall oder 
Supermalloy das Material der Wahl.
Nicht nur dass man mit solchem Material extreme Permeabilitäten 
erreichen kann*), sondern es ist auch magnetisch besonders weich.
Gewöhnliche Stahlsorten, Dynamoblech, Baustahl, Konservendosen sind im 
Bereich geringster Magnetfeldstärken nämlich magnetisch ziemlich hart, 
wodurch ihr µ erheblich geringer ist, als die tabellierten Werte, die 
bei höheren Feldstärken gemessen werden.

Ausserdem daran denken, dass die Magnetfeldlinien an Kanten und Ecken 
konzentriert sind.
Vergleichbares gilt für Schlitze in Abschirmungen, aus gut leitenden 
Materialien wie Cu oder Al, weil dort die Wirbelströme unterbrochen 
werden und um das Loch herum fliessen müssen.



*) Man kann, aber man kann es auch verderben.
Auf die Verarbeitungsvorschriften achten!
Das teure MuMetall z.B. ist gegen mechanische Misshandlung wie Bohren, 
Schläge, Biegen, sehr empfindlich und danach ist seine Abschirmwirkung 
evtl. schlechter als eine Bierdose.
Man kann die guten Eigenschaften aber durch eine Schlußglühung im Vakuum 
oder Wasserstoff wieder herstellen. Es gibt mittlerweise andere 
Legierungen, die in dieser Hinsicht toleranter sind. Vacuumschmelze 
fragen!
https://www.vacuumschmelze.de/de/produkte/halbzeug-teile.html

von HF-Werkler (Gast)


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Schau mal bei cfw-trading.ch , die bieten magnetische Abschirmlösungen 
ohne teures Mu-Metall.

von Michael D. (sirs)


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Anja schrieb:
> Eventuell reicht eine "normale" (EMV-)Schirmkabine.
Normal ist für dich die Schirmkammer (nur Metall) oder die 
Absorberkammer (mit Ferrit an der Wand um Freifeldmessungen 
nachzubilden)?

> Wie macht ihr das eigentlich mit der Stromversorgung/Beleuchtung?

Sehr wichtig für solche Anwendungen: Alle Kabel, die das Innenleben der 
Kammer mit der Außenwelt verbinden, dürfen nicht als Antennen wirken. 
Deshalb steckt man viele Ferrit-Absorber rum. Oder man verlegt 
Lichtwellenleiter statt Kabel (und nutzt batteriebetriebene Messgeräte).

https://www.hundh-mk.com/download/schirmkabinen.pdf

https://www.eco-messtechnik.com/portfolio.html

von Tim S. (Firma: tsx89) (freak_ts) Benutzerseite


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Es gibt Rigips-Platten mit Blei- oder Graphit-Anteile bzw. -Kern. 
(Rigips Strahlenschutzplatte) Aber frag mich nicht wie das geerdet wird. 
Vielleicht hilf das ja trotzdem weiter.

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