Forum: HF, Funk und Felder Relative EMV Emissionsbewertung mit Nahfeldsonden


von Sebastian K. (sek)


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Hallo zusammen,

ich komme eher aus dem Bereich der Leistungselektronik. Bei HF/RF bin 
ich noch ziemlich grün und muss mich noch eine ordentliche Portion 
Wissen aufbauen.
Aktuell lautet meine Zielstellung, die EMV einer Motorsteuerung nach 
EN61000-6-3 zu bewerten, speziell die Störstrahlung (Leitungsgebundene 
Störungen sind für mich nicht relevant). Prinzipiell kann das nur in 
einem entsprechend ausgestatteten Labor unter Normbedingungen 
durchgeführt werden.

Bei mir gestaltet sich die Sache nun aber folgendermaßen: Ich vermesse 
meine Elektronik mit Spektrumanalysator und Nahfeldsonden und suche die 
größten Störquellen. Als Ergebnis erhalte ich, dass ein Großteil der 
Störer unterhalb der 30MHz liegt, bei welcher die Norm erst beginnt. 
Weiterhin stelle ich fest, dass wenn die Nahfeldsonden nur wenige 
Zentimeter von der Leiterplatte weg bewegt werden, keine Störquellen 
mehr sichtbar sind. Das Spektrum besteht dann nur noch ausschließlich 
aus dem Grundrauschen und den Peaks, die durch den "Dreck" der Umgebung 
erzeugt werden.

Ich komme mit diesem Ergebnis zu dem Schluss, dass ich im für die Norm 
relevanten Fernfeld mit keinem Störanteil zu rechnen habe und mir den 
kostspieligen Gang ins Labor damit sparen könnte.

Frage an die Experten: Ist diese Annahme korrekt bzw. wo liegt mein 
Denkfehler?

Vielen Dank!

Gruß Sebastian

von Uwe M. (uwe_mettmann)


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Hallo Sebastian


Sebastian K. schrieb:
> Ich komme mit diesem Ergebnis zu dem Schluss, dass ich im für die Norm
> relevanten Fernfeld mit keinem Störanteil zu rechnen habe und mir den
> kostspieligen Gang ins Labor damit sparen könnte.[/quote]

Falsch, die für ein Motorsteuergerät relevanten Störungen liegen meist 
unter 100 MHz, somit in einem Wellenlängenbereich von einigen Metern. 
Mit der Sonde kann man aber nur einen Bereich von wenigen cm testen und 
bekommt somit keine oder nur sehr schwer eine Aussage über die 
Abstrahlung in dem Frequenzbereich unter 100 MHz. Was man mit einer 
Sonde gut finden kann, ist die Quelle der Störung.

Tatsächlich werden die Störungen unter 100 MHz meist über die 
angeschlossenen Kabel abgestrahlt. Wenn man nun mit einer Absorberzange 
die Störleistung oder mit einer Stromzange den Störstrom misst, kann man 
besser auf die Abstrahlung schließen. Als Notlösung kann man aber auch 
mit einer Sonde die Leitungen abtasten.

Jedenfalls wirst du wohl um eine Messung in einem EMV-Labor nicht 
herumkommen. Sollte das Gerät die Anforderungen der Norm nicht 
einhalten, kannst du dann das Gerät mit der Absorber- oder der 
Stromzangemessung optimieren, so dass du beim nächsten Gang ins Labor 
ziemlich sicher bist, dass es passt.

Man geht wie folgt vor:
Zuerst kommt die Messung der Feldstärke im EMV Labor. Nehmen wir mal an, 
bei 55 MHz gibt es eine Grenzwertüberschreitung von 5 dB. Als nächsten 
Schritt misst man mit der Absorber- oder der Stromzange auf dieser 
Frequenz die Störungen auf den Leitungen und merkt sich den Wert. Nun 
modifiziert man das Gerät, dass die man einen um sagen wir mal 10 dB 
geringeren Wert misst (5 dB Grenzwertüberschreitung und 5 dB 
Sicherheitspuffer). Wenn jetzt die zweite Messung im Labor erfolgt, ist 
man ziemlich sicher, dass der Grenzwert eingehalten wird. Bei der 
Optimierung sollte man aber nicht nur auf die eine Frequenz schauen, 
denn oft ist es so, dass sich die Aussendung bei der einen Frequenz 
verbessert dafür aber auf einer anderen Frequenz verschlechtert.


Gruß

Uwe

: Bearbeitet durch User
von Soul E. (Gast)


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Sebastian K. schrieb:

> Frage an die Experten: Ist diese Annahme korrekt bzw. wo liegt mein
> Denkfehler?

Der liegt darin, dass die Nahfeldsonden, wie der Name vermuten lässt, 
relativ trennscharf im Nahfeld auflösen. Die Dinger sind dasfür da, um 
auf der Leiterplatte die störende Leitung zu finden. Nennenswerte 
Reichweite haben die nicht.

Besorg Dir eine Emco Stabantenne und häng Deinen Spectrumanalyzer dran. 
Dann machst Du nach Feierabend wenn alle weg sind eine Messung ohne 
Deine Baugruppe und eine mit. Die Differenz sind Deine Störungen, bzw 
wenn Du keinen Unterschied siehst ist die Störaussendung nicht 
signifikant.

von Sebastian K. (sek)


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Uwe M. schrieb:
> Falsch, die für ein Motorsteuergerät relevanten Störungen liegen meist
> unter 100 MHz, somit in einem Wellenlängenbereich von einigen Metern.
> Mit der Sonde kann man aber nur einen Bereich von wenigen cm testen und
> bekommt somit keine oder nur sehr schwer eine Aussage über die
> Abstrahlung in dem Frequenzbereich unter 100 MHz. Was man mit einer
> Sonde gut finden kann, ist die Quelle der Störung.

Für Messungen im unteren Frequenzbereich habe ich zwei verschiedene 
Sondentypen von Langer im Einsatz, neben den RF noch die LF. Die LF 
reichen runter bis 100kHz.

Uwe M. schrieb:
> Tatsächlich werden die Störungen unter 100 MHz meist über die
> angeschlossenen Kabel abgestrahlt. Wenn man nun mit einer Absorberzange
> die Störleistung oder mit einer Stromzange den Störstrom misst, kann man
> besser auf die Abstrahlung schließen. Als Notlösung kann man aber auch
> mit einer Sonde die Leitungen abtasten.

Der Tatsache, dass die Kabel die Hauptursache der Störungen sind, bin 
ich mir bewusst. Um die Sache hier nicht zu kompliziert zu machen, habe 
ich nicht erwähnt, dass die Verkabelung dem Anwender in gewissem Rahmen 
frei überlassen ist. Auf die Kabellänge und die in Bezug auf EMV 
sinnvolle Verlegung der Kabel habe ich also praktisch keinen Einfluss.

von Ralph B. (rberres)


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Sebastian K. schrieb:
> Der Tatsache, dass die Kabel die Hauptursache der Störungen sind, bin
> ich mir bewusst. Um die Sache hier nicht zu kompliziert zu machen, habe
> ich nicht erwähnt, dass die Verkabelung dem Anwender in gewissem Rahmen
> frei überlassen ist. Auf die Kabellänge und die in Bezug auf EMV
> sinnvolle Verlegung der Kabel habe ich also praktisch keinen Einfluss.

Dann must du auch konstruktiv mit Hilfe von Filtern dafür sorgen, das an 
den Kabelanschlüssen keine Störpegel mehr ankommt.

Stichwort leitungsgebundene Messung.

von Sebastian K. (sek)


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soul e. schrieb:
> Besorg Dir eine Emco Stabantenne und häng Deinen Spectrumanalyzer dran.
> Dann machst Du nach Feierabend wenn alle weg sind eine Messung ohne
> Deine Baugruppe und eine mit. Die Differenz sind Deine Störungen, bzw
> wenn Du keinen Unterschied siehst ist die Störaussendung nicht
> signifikant.

Hast du hier konkret eine Empfehlung bzw. einen Link auf eine 
Produktseite? Ich habe bei Emco mal die Webseite durchforstet, finde 
aber nur diese meist extrem hochpreisigen Spezialantennen. Jedoch keine 
Stabantenne.

Danke!

von Meister E. (edson)


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Sebastian K. schrieb:
> Der Tatsache, dass die Kabel die Hauptursache der Störungen sind, bin
> ich mir bewusst. Um die Sache hier nicht zu kompliziert zu machen, habe
> ich nicht erwähnt, dass die Verkabelung dem Anwender in gewissem Rahmen
> frei überlassen ist. Auf die Kabellänge und die in Bezug auf EMV
> sinnvolle Verlegung der Kabel habe ich also praktisch keinen Einfluss.

Das kann bzw. sollte so gar nicht sein. Die maximale Läge einer 
Anschlussleitung ist durch den Hersteller festzulegen und in die 
Bedienungsanleitung zu schreiben, denn es leiten sich auch Prüfszenarien 
und Prüfschärfegrade daraus ab. Zu sagen, der Nutzer kann machen was er 
will bedeutet in der Regel, dass der Hersteller für Fehlanwendungen 
durch den Benutzer gerade steht - willst Du Dir den Schuh anziehen?

Auch leitungsgebundene Störaussendung wird überprüft und zwar mindestens 
von 150kHz bis 30MHz. Die Leitungen, die jetzt schon in diesem 
Frequenzbereich abstrahlen, werden diese Störungen auch ins Netz 
zurückspeisen, was im EMV-Labor dann auch gemessen wird.

Ferner wäre ich mir nicht so sicher, dass Deine Komponente "nur" nach 
Fachgrundnorm DIN EN 61000-6-3 bewertet werden muss. Wie kommst Du denn 
zu der Annahme?

von Sebastian K. (sek)


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Meister E. schrieb:
> Auch leitungsgebundene Störaussendung wird überprüft und zwar mindestens
> von 150kHz bis 30MHz. Die Leitungen, die jetzt schon in diesem
> Frequenzbereich abstrahlen, werden diese Störungen auch ins Netz
> zurückspeisen, was im EMV-Labor dann auch gemessen wird.
>
> Ferner wäre ich mir nicht so sicher, dass Deine Komponente "nur" nach
> Fachgrundnorm DIN EN 61000-6-3 bewertet werden muss. Wie kommst Du denn
> zu der Annahme?

Die Steuerung ist ausschließlich für den Betrieb an einem Akku 
vorgesehen. Also kein Netzbetrieb und auch kein Netzteilbetrieb. Daher 
entfällt der leitungsgebundene Teil innerhalb der EN61000-6-3 für mich 
nach meinem Verständnis. Das „nur“ diese Norm für mich zuftrifft, habe 
ich hier nicht vorausgesetzt. Ferner ist auf jeden Fall auch die 
Störfestigkeit EN61000-6-3 relevant.

Dies sollte aber nicht Thema dieses Beitrags werden. Meine Ausgangsfrage 
war die Bewertung der „relativen“ Störstrahlung mit Nahfeldsonden. Oben 
wurden schon die Hinweise gegeben, dass Nahfeldsonden sehr trennscharf 
sind und die für mich relevanten Frequenzen unter 100MHz nicht erfassen 
können. Beim ersten Punkt spricht für mich dagegen, dass mit 
Nahfeldsonden auch Fernfelder wie (bspw. WLAN) erfasst werden können. 
Punkt zwei könnte mit entsprechenden LF Sonden erschlagen werden. Oder 
liege ich falsch? Wäre über eine technische Erläuterung dankbar.

von Ralph B. (rberres)


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Sebastian K. schrieb:
> Also kein Netzbetrieb und auch kein Netzteilbetrieb. Daher
> entfällt der leitungsgebundene Teil innerhalb der EN61000-6-3 für mich
> nach meinem Verständnis.

Leitungsgebundene Störungen treten nicht nur auf 
Netzversorgungsleitungen auf.

Diese müssen an sämtliche Leitungen gemesen werden.

Dein EMV Dienstleister ( den ich dir dringend empfehlen würde zu
kontaktieren ) wird dir die entsprechende Normen und was zu messen ist 
veraten.

Ralph Berres

von Uwe M. (uwe_mettmann)


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Sebastian K. schrieb:
> Für Messungen im unteren Frequenzbereich habe ich zwei verschiedene
> Sondentypen von Langer im Einsatz, neben den RF noch die LF. Die LF
> reichen runter bis 100kHz.
>

Das Problem ist, dass für 100 MHz ein Kabel ca. 75 cm lang sein muss, um 
als optimale Antenne zu fungieren und bei 30 MHz sind es dann schon 2,5 
m. Mit deiner Sonde kannst du halt nur einen geringen Teil dieser langen 
Antenne abtasten und entsprechend gering wird das sein, was du misst.

Das ist ähnlich wie einen kräftigen Regenguss und du hältst einen offene 
Cola-Flasche hin. Durch die schmale Öffnung wird es seeehr lange dauern, 
bis die Flasche bei oben hin gefüllt ist.


Sebastian K. schrieb:
> Der Tatsache, dass die Kabel die Hauptursache der Störungen sind, bin
> ich mir bewusst. Um die Sache hier nicht zu kompliziert zu machen, habe
> ich nicht erwähnt, dass die Verkabelung dem Anwender in gewissem Rahmen
> frei überlassen ist. Auf die Kabellänge und die in Bezug auf EMV
> sinnvolle Verlegung der Kabel habe ich also praktisch keinen Einfluss.

Bei der Messung der Störabstrahlung wird aber ein Motor über ein Kabel 
an die Steuerung angeschlossen und die Abstrahlung des Kabels wird also 
mit erfasst.

Daher ein Bitte, befasse dich doch im Vorfeld etwas mit der Thematik, 
denn, wie so eine Messung durchgeführt wird, inklusive Bilder, 
Zeichnungen und gar Prüfberichte, lässt sich leicht im Internet 
recherchieren, so dass wir dir hier nicht auch noch die Basics erklären 
müssen. Weiterhin ist es auch sinnvoll, im Ausgangsbeitrag so viele 
Infos wie möglich zu liefern. Es ruft ja auch keiner in einer 
Autowerkstatt an, sagt nur das sein Auto kaputt ist und fragt, was die 
Reparatur kostet. Jeder weiß, wenn er so wenig Infos gibt, dass man ihm 
keinen Preis nennen kann. Genauso ist es mit deinen dürftigen Infos in 
diesem Thread hier.

Sebastian K. schrieb:
> Beim ersten Punkt spricht für mich dagegen, dass mit
> Nahfeldsonden auch Fernfelder wie (bspw. WLAN) erfasst werden können.

Das WLAN erfasst werden kann, liegt schon daran, dass die Wellenlänge 
bei WLAN wesentlich kürzer ist, also auch eine ideale Antenne. Somit 
tastet eine Sonde wesentlich mehr ab, wenn diese fast so groß ist, wie 
de WLAN-Antenne. Der ausschlaggebende Hauptgrund ist aber, dass das 
WLAN-Signal um ca. 100000000-fach stärker ist, als das, was deine 
Motorsteuerung aussenden darf. Logisch, dass du bei so einem starken 
Signal auch etwas messen tust.


Gruß

Uwe

: Bearbeitet durch User
von Sebastian K. (sek)


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Uwe M. schrieb:
> Das Problem ist, dass für 100 MHz ein Kabel ca. 75 cm lang sein muss, um
> als optimale Antenne zu fungieren und bei 30 MHz sind es dann schon 2,5
> m. Mit deiner Sonde kannst du halt nur einen geringen Teil dieser langen
> Antenne abtasten und entsprechend gering wird das sein, was du misst.


Hallo Uwe,

ohje, jetzt hat es bei mir Klick gemacht, warum das mit den Sonden nicht 
funktioniert. Thema optimale Antennenlänge, Lambda/2... Physik 7te 
Klasse... Da habe ich mich von den Bandbreitenangaben der Sonden blenden 
lassen und stand auf dem Schlauch.

Meine Frage wäre damit beantwortet. Mehr wollte ich nicht wissen. Vielen 
Dank an alle für eure Beiträge!

von Meister E. (edson)


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Sebastian K. schrieb:
> Dies sollte aber nicht Thema dieses Beitrags werden. Meine Ausgangsfrage
> war die Bewertung der „relativen“ Störstrahlung mit Nahfeldsonden.

Das stimmt natürlich. Tut mir leid dass ich abgeschweift bin.

> Meine Frage wäre damit beantwortet. Mehr wollte ich nicht wissen. Vielen
> Dank an alle für eure Beiträge!

Na, jetzt hat es sich eh erledigt. Viel Erfolg weiterhin.

von my2ct (Gast)


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Sebastian K. schrieb:
> Bei HF/RF bin ich noch ziemlich grün und muss mich noch eine ordentliche
> Portion Wissen aufbauen.

Den Eindruck habe ich auch.
Akronyme falsch zu verwenden, macht sich selten gut, insbesondere, wenn 
der Gegenüber eine Spur von Ahnung hat.
"Relative Elektro Magnetische Verträglichkeit Emissionsbewertung mit 
Nahfeldsonden" stellt nicht einmal einen halbwegs sinnvollen Satz, 
geschweige denn Titel, dar.

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