Forum: Ausbildung, Studium & Beruf Angebot: Beförderung zum Technical Lead im chaotischen Unternehmen


von Alexander (Gast)


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Hi,

Ich habe nach meinem Doktor nun knapp 2 Jahre Berufserfahrung (1 Jahr in 
einem vorigen Unternehmen und nun 9 Monate im jetzigen Unternehmen).
Seit 9 Monaten bin ich als Entwicklungsingenieur in einem Unternehmen 
tätig, das im Moment ein Startprojekt fährt, in dem ein Produkt für die 
Luftfahrt an dem Kunden geliefert wird.
Startprojekt im Sinne, dass es das erste Projekt in dieser Größenordnung 
mit dem Kunden ist. Dieses Projekt läuft mittlerweile seit über 4 Jahren 
und wir sind nach wie vor weit davon entfernt, etwas Handfestes und 
Funktionstüchtiges abzuliefern.
Das Unternehmen hat damals den (Verwaltungs)aufwand für dieses Produkt 
erheblich unterschätzt, so dass wir direkt mit der Entwicklung 
angefangen haben, ohne zu wissen, was wir eigentlich entwickeln. 
Essenzielle Dokumente für den Kunden sind unvollständig oder fehlen 
ganz. Die nötigen Normen und Standards für die Luftfahrt, die auf unser 
Produkt zutreffen, sind nicht klar definiert, so dass wir 
Entwicklungsingenieure in der untersten Ebene in der Entwicklung 
eigentlich gar nicht wissen, was wir entwickeln. Das so genannte 
V-Modell, das uns bei der Entwicklung helfen soll, hat erhebliche 
Lücken. Eine Hand weiß nicht, was die andere macht. Wir hinken allem 
hinterher, können die Termine nicht einhalten, und erhalten vom Kunden 
sehr negatives Feedback bezüglich unserer Ergebnisse/Resultate, dass 
sowohl Qualität und Quantität sehr zu wünschen übrig lassen.

Das ist die Ausgangssituation.

Meine Abteilung (Stromversorgung) besteht aus 3 jungen Ingenieuren (Mit 
ca. 2-5 Jahren Berufserfahrung in der Hardwareentwicklung), hat KEINEN 
technischen Leiter und einen hektischen und impulsiven Projektmanager, 
der zwar einen technischen Abschluss hat, aber in einem anderen 
Berufszweig tätig war.

In meinem Mitarbeitergespräch vor 2 Wochen habe ich angemerkt, dass mir 
in diesem Projekt der technische Leiter (technical Lead) fehlt, der 
sowohl von der eigentlichen Hardwareentwicklung Ahnung hat, aber auch im 
Bereich der nötigen Normen und Standards, dem V-Modell etc. Ahnung hat, 
um so die Anforderungen an UNSERE Hardware einschätzen und definieren zu 
können.
Management stimmt meiner Sichtweise definitiv zu und wünscht sich 
ebenfalls diese Position in unserer Abteilung, um mehr Struktur und Ruhe 
zu bekommen - und letztendlich um in Zukunft zu vermeiden, dass unser 
Abgabetermin mehrere Jahre in Verzug gerät.

Entsprechend wurde mir angeboten, dass diese Position in Zukunft (wenn 
dieses Projekt überstanden ist) geschaffen wird, und ich ein geeigneter 
Kandidat dafür wäre.

Grundsätzlich fände ich diese Rolle spannend, da es ebenfalls ein guter 
Karrieresprung ist. Bei diesen chaotischen Strukturen in dieser Firma 
(und entsprechend im jetzigen Projekt) klingt das jedoch sehr 
gefährlich, da ich die Befürchtung habe, dass das nächste Projekt genau 
so chaotisch laufen wird. Dieses Chaos von mir und unserer Abteilung 
fern zu halten halte ich für eine sehr große Herausforderung. Außerdem 
habe ich keinen wirklichen Betreuer (oder wie man das auch immer nennen 
mag), von dem ich JETZT lernen kann. Ich werde also nicht auf diese 
Rolle hingearbeitet.

Wenn das Thema "Tech Lead" im nächsten Mitarbeitergespräch (6 Monate) 
wieder im Raum steht, möchte ich definitiv die Aufgaben / Verantwortung 
/ Erwartungen klar definieren, damit es am Ende nicht zu bösen 
Überraschungen von beiden Seiten kommt.

Frage an euch:
Seht ihr grundsätzlich Schwarz für diese Rolle in dieser 
Ausgangssituation, oder besteht die Möglichkeit, die Anforderungen / 
Erwartungen so zu definieren, dass es alles überschaubarer ist? Wenn ja, 
wie könnte man Eckpfeiler geschickt definieren?


Vielen Dank,

von Markus (Gast)


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Wenn du so klare/detaillierte Rahmenbedingungen brauchst, würde ich die 
"Lead-Rolle" mal ganz stark überdenken. Falls du es doch machen willst, 
musst du lernen, auch mit unklaren Rahmenbedingungen arbeiten zu können 
und eben diese Strukturen selbst mit zu schaffen. Leader wird man nicht, 
in dem man haargenau gesagt bekommt, was man machen soll.

von Jan H. (j_hansen)


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Alexander schrieb:
> Entsprechend wurde mir angeboten, dass diese Position in Zukunft (wenn
> dieses Projekt überstanden ist) geschaffen wird, und ich ein geeigneter
> Kandidat dafür wäre.

Hört sich ja eher danach an, als wärt ihr mit dem jetzigen Projekt noch 
ein paar Jahre beschäftigt. Wenn das derzeitige Projekt so schlecht 
läuft, dann sollte man doch schon jetzt etwas machen.

Ob das nur die Karotte ist, damit du dich jetzt ordentlich reintigerst, 
kannst du am besten beurteilen. Aber wenn du sowieso in die Richtung 
möchtest, dann kannst du ja schon mal versuchen etwas mehr Verantwortung 
zu übernehmen.

von HBich (Gast)


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Nun ja, ich hätte an deiner Stelle dem Management gesagt, dass da mehr 
Kompetenz von außen nötig wäre, die zeitlich befristet wieder die 
Entwicklung und die Kundenbetreuung in die Spur bringt.

Offensichtlich wird auch mir dir selbst in der Firma das Projekt nicht 
richtig vorankommen, da ihr wahrscheinlich Probleme habt, für euer 
Produkt die nötigen, Gutachten, Abnahmen und Zertifikate zu bekommen, 
weil die Anforderungen sicherheitskritisch sind, stichwort Luftfahrt.
Projekte, die eine Anforderungen an ein besonders fehlerarmes und 
sicherheitskrisches System haben, sind bei kleineren Unternehmen 
aufgrund mangelnder Expertise und Manpower nicht gut aufgehoben.
Es kommt nicht von ungefähr, dass es nur eine Handvoll Auto- und 
Zügeproduzenten in Deutschland gibt.
In der Luftfahrt sogar nur ein europäisches Schwergewicht.

Da gibt es die Expertise und Fähigkeiten, so ein Zulasssungsverfahrung 
gut über die Bühne zu bekommen, weil eben sehr große Abteilungen mit 
sehr erfahrenen Leuten darin arbeiten.

Bei euch scheint daher das Problem struktureller Natur zu sein.

Du könntest schreiben, wie das früher gehandhabt wurde mit solchen 
Projekten, denn die Firma muss ja schon einige erfolgreiche Produkte 
haben, sonst wäre sie gar nicht mehr existent.

von Dergute W. (derguteweka)


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Moin,

Alexander schrieb:
> Grundsätzlich fände ich diese Rolle spannend, da es ebenfalls ein guter
> Karrieresprung ist.

Aha. Also wegen dem Karrieresprung. Nicht wegen der damit verbundenen, 
"spannenden" Aufgaben? Nicht so prickelnde Voraussetzungen, find' ich.

Alexander schrieb:
> Entsprechend wurde mir angeboten, dass diese Position in Zukunft (wenn
> dieses Projekt überstanden ist) geschaffen wird, und ich ein geeigneter
> Kandidat dafür wäre.

Bewährtes Vorgehen ist:
1.) Baer erlegen
2.) Fell aufteilen.

Insbesondere die zeitliche Abfolge von 1.) und 2.) sollte eingehalten 
werden, damit das klappt.

Alexander schrieb:
> Seht ihr grundsätzlich Schwarz für diese Rolle in dieser
> Ausgangssituation, oder besteht die Möglichkeit, die Anforderungen /
> Erwartungen so zu definieren, dass es alles überschaubarer ist?

Naja, warum nicht. Das kann schon klappen. Warum sollten die Jungs vom 
Management eine Stelle schaffen, von der sie glauben, dass sie sie 
brauchen und wenn sie von dir glauben, dass du sie ausfuellen kannst, 
dich dann doch nicht dafuer haben wollen?


> Wenn ja,
> wie könnte man Eckpfeiler geschickt definieren?
Wenn du fuer so eine Stelle geeignet sein willst - sollte dann sowas 
nicht genau dein Job sein? Sowas zu definieren und es "dem Management" 
so vorzutragen, dass sich alle ein Loch in den Bauch freuen, was sie da 
fuer ein Diplom-Kaepsele auf die neue Stelle gehievt haben/wollen?

Gruss
WK

von Alexander (Gast)


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Hi,
Markus schrieb:
> Wenn du so klare/detaillierte Rahmenbedingungen brauchst, würde ich die
> "Lead-Rolle" mal ganz stark überdenken.

vielen Dank für deinen Input. Ich stimme dir teilweise zu. 
Wahrscheinlich bin ich aufgrund der Erfahrung im jetzigen Projekt extrem 
vorsichtig, eben weil jeder für alles zuständig ist, und niemand für 
nichts die Verantwortung trägt. Unser Projektmanager mit anderem 
Background gilt seit 2 Monaten ebenfalls als Ressource in der 
Entwicklung unserer Komponente :D
Gewisse Rahmenbedingungen sind für mich notwendig, damit ich weiß, 
worauf ich mich einlasse, und es am Ende nicht zu bösen Überraschungen 
auf beide Seiten kommt. Als du dich auf deine jetzige Stelle beworben 
hast, gab es ja auch eine Stellenausschreibung mit den Schwerpunkten 
deiner Tätigkeit :)
Aber grundsätzlich hast du recht, dass ich es auch als Chance betrachten 
kann, dem Chaos entgegenzuwirken.

Jan H. schrieb:
> Hört sich ja eher danach an, als wärt ihr mit dem jetzigen Projekt noch
> ein paar Jahre beschäftigt. Wenn das derzeitige Projekt so schlecht
> läuft, dann sollte man doch schon jetzt etwas machen.
Management glaubt, dass das Projekt Anfang 2019 spätestens abgeschlossen 
ist. Wie realistisch das ist, hängt sicherlich davon ab, wen du fragst. 
Ich glaube, dass es min. das ganze 2019 in Anspruch nehmen wird - kann 
mich aber auch irren.
> Ob das nur die Karotte ist, damit du dich jetzt ordentlich reintigerst,
> kannst du am besten beurteilen. Aber wenn du sowieso in die Richtung
> möchtest, dann kannst du ja schon mal versuchen etwas mehr Verantwortung
> zu übernehmen.
Habe ich bereits nach bestem Wissen und Gewissen gemacht, und dafür vom 
Management auch Lob erhalten. Das war u.A. der Grund, weshalb die mich 
in Zukunft auf diesem Posten sehen können/wollen. Aber ja, dieses 
Projekt hat viele "Lesson learnt", die das Management ebenfalls 
einräumt. Entsprechend hoffe ich, dass das nächste Projekt 
strukturierter Ablaufen wird.

Gruß,

HBich schrieb:
> Nun ja, ich hätte an deiner Stelle dem Management gesagt, dass da mehr
> Kompetenz von außen nötig wäre, die zeitlich befristet wieder die
> Entwicklung und die Kundenbetreuung in die Spur bringt.
Dieser Schritt wurde eingeleitet - es gab eine große Umstrukturierung.
Das Unternehmen war einst ein mittelständischer Betrieb mit ähnlichem 
Produkt, aber für Land und Seefahrt. Das Unternehmen wurde vor einigen 
Jahren von einem ausländischen Konzern aufgekauft, der eine Außenstelle 
in Frankreich hat, die seit mehreren Jahrzehnten Produkte für die 
Luftfahrt herstellt. Die neueste Umstrukturierung (seit ein paar 
Monaten) ist nun, dass wir eine Tochterstelle der französischen 
Außenstelle sind. Da dieser Schritt allerdings sehr spät im Projekt 
getan wurde, ist es nicht so einfach, das Chaos zu beseitigen - 
Unterstützung aus Frankreich ist aber so gut es geht vorhanden. Ich bin 
mir sicher, dass im nächsten Projekt unsere franz. Kollegen von Beginn 
an deren Input geben werden, wie man solch ein Projekt überhaupt 
aufstellt, und welche Schritte am Anfang nötig sind, damit es am Ende 
nicht zur Katastrophe wird.

Dergute W. schrieb:
> Aha. Also wegen dem Karrieresprung. Nicht wegen der damit verbundenen,
> "spannenden" Aufgaben? Nicht so prickelnde Voraussetzungen, find' ich.

Deine Meinung ist angekommen und geschätzt :) Definitiv fände ich es 
interessant, die Rolle des Tech Lead am eigenen Leib zu erfahren, und 
dann im Nachhinein beurteilen zu können, ob diese Aufgaben spannend sind 
oder nicht. Und grundsätzlich finde ich es auch gut, mehr Verantwortung 
zu bekommen und Aufgaben, an denen ich wachsen kann.
Ich finde jedoch die Hardwareentwicklung interessant, und möchte 
grundsätzlich in der Entwicklung bleiben und diese mit Technologien und 
Wissen vorantreiben. In meinem vorigen Job habe ich jedoch die Erfahrung 
gemacht, dass der Tech Lead von der eigentlichen Entwicklung einen 
großen Schritt zurück getreten ist, weil die administrativen Aufgaben 
überwogen haben. Insofern würde ich gerne die Balance halten, dass ich 
in der Entwicklung bleibe, und trotzdem Tech Lead bin (falls sowas 
überhaupt möglich ist :). Ist aber vielleicht in meiner jetzigen Firma 
durchaus möglich, da wir insgesamt nur 3 Mann sind und 2 Mann alleine 
die ganze Entwicklung zu groß ist.

Dergute W. schrieb:
> Naja, warum nicht. Das kann schon klappen. Warum sollten die Jungs vom
> Management eine Stelle schaffen, von der sie glauben, dass sie sie
> brauchen und wenn sie von dir glauben, dass du sie ausfuellen kannst,
> dich dann doch nicht dafuer haben wollen?

Weil Management auch geglaubt hat, dass das Projekt ein Selbstgänger 
ist, und man nicht von Außen Spezialisten aus der Luftfahrt ins Boot 
holen sollte (vielleicht sogar zu Beginn ein Konsulent aus dem Bereich 
Luftfahrt, der von Anfang an beim Aufsatteln hilft). Stattdessen hat man 
geglaubt, dass man es auch alleine geregelt bekommt.

Gruß,

von FADEC (Gast)


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HBich schrieb:
> Da gibt es die Expertise und Fähigkeiten, so ein Zulasssungsverfahrung
> gut über die Bühne zu bekommen, weil eben sehr große Abteilungen mit
> sehr erfahrenen Leuten darin arbeiten.

ATA und Airworthiness sind zwei Zauberworte.

von Maier (Gast)


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Das ist doch eine gute Ausgangslage.

Tu so wie wenn du schon in der Position waerst, frag deine Kollegen nach 
ihrem Stand, sag, sie sollen dich immer auf dem Laufenden halten. Schau 
wo es klemmt und intervenier (nat. innerhalb der Aufgaben der Gruppe). 
Du bist wie mir scheint sowieso der "Ranghoechste" in der Gruppe, die 
anderen werden es dir also nicht uebel nehmen. Wenn doch, wirds auch mit 
offiziellem Auftrag schwierig.

von Blechbieger (Gast)


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Wenn du tatsächlich wie gesagt von den französischen Kollegen Mentoring 
bekommst ist das eine sehr interessante Aufgabe. Falls du dich alleine 
einarbeiten musst würde ich es nicht machen.

Es ist auf jeden Fall eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe die mit 
entsprechenden Entscheidungsbefugnissen verbunden sein muss. Du musst 
die Befugnis gegenüber dem Projektleiter und die Rückendeckung dafür vom 
Management haben die Notbremse zu ziehen und Termine platzen zu lassen. 
Wenn du Glück hast lernen sie es schon beim ersten Mal wenn der 
Zertifizierer ihnen das ganze um die Ohren haut. Wenn du Pech hast 
lernen sie es nie und du bist der Sündenbock.

Durch die hohen Anforderungen im Luftfahrtbereich gehe aber trotz des 
kleinen Teams davon aus das du kaum noch direkt Implementierungsarbeit 
machen wirst. Du wirst hauptsächlich Dokumente verfassen, in 
Besprechungen sitzen und die Arbeit deiner Kollegen reviewen.

von Purzel (Gast)


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Da waere jetzt eine berufliche Vernetzung im Sinne einer Alumni 
hilfreich. Technical Lead bedeutet das Projekt zu machen, nicht 
rumzudiskutieren. Also :
Normen fehlen - suchen. Wer kann sie suchen ? Und dabei das Management 
ueber laufende und prognositizierte Kosten updaten.

Projekte sind immer mit einem sich bewegenden Ziel.

Wie auch immer ... such dir einen erfahrenen Kollegen, oder lasst einen 
externen zur Beratung kommen.

von Hannes J. (Firma: _⌨_) (pnuebergang)


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Alexander schrieb:
> Entsprechend wurde mir angeboten, dass diese Position in Zukunft (wenn
> dieses Projekt überstanden ist) geschaffen wird, und ich ein geeigneter
> Kandidat dafür wäre.

Für mich ist das kein Angebot einer Position. Das ist bestenfalls eine 
unverbindliche Absichtserklärung vielleicht so eine Position zu 
schaffen. Sollte die Position wirklich geschaffen werden darf sich 
jeder, auch du, auf sie bewerben.

Ich würde auf die Aussage des Managements keinen Furz geben und es als 
Zeitverschwendung ansehen darüber weiter nachzudenken oder gar in der 
Hoffnung auf die Position zu planen. Wie du selber sagst, die Zukunft 
liegt in weiter Ferne:

> wir sind nach wie vor weit davon entfernt, etwas Handfestes und
> Funktionstüchtiges abzuliefern.

Viel wichtiger fände ich daran zu arbeiten das aktuelle Projekt zu 
überleben, ohne dass dich Scheiße trifft, wenn selbige in den Ventilator 
fliegt.

Übrigens bist du der erste von dem ich eine solche Beschwerde über das 
V-Modell höre:
> Das so genannte V-Modell, das uns bei der Entwicklung helfen soll,
> hat erhebliche Lücken.

Lücken? Das V-Modell ist für kleinkarierte, verbeamtete Erbsenzähler 
geschaffen. Es muss für das jeweilige Projekt angepasst werden. Ich 
frage mich daher, ob ihr diese Anpassung je durchgeführt habt? Ob die 
Dokumententemplates (so ca. 50 Stück) bei euch angekommen sind und ob 
jemand je die V-Modell Projektassistenz-Software oder sogar den V-Modell 
Editor zur Anpassung des Modells bemüht hat? Sind die rund 20 bis 30 
Rollen im Projekt zugewiesen und werden ausgefüllt? Wann ist denn das 
Projekthandbuch zum letzten Mal aktualisiert worden und kennen alle das 
Projekthandbuch?

von Realist (Gast)


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Hannes J. schrieb:
> Sind die rund 20 bis 30 Rollen im Projekt zugewiesen und werden
> ausgefüllt? Wann ist denn das Projekthandbuch zum letzten Mal
> aktualisiert worden und kennen alle das Projekthandbuch?

Als ob das so gelebt werden würde. Die meisten Projekte, die ich bisher 
gesehen habe, mussten aus Zeitmangel entsprechend der Implementierung 
nachdokumentiert werden. Das haben sich die Entwickler gewöhnlich nicht 
selbst ausgedacht.

von Peter (Gast)


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Ich war auch mal kurz in so einem Verein ohne Prozesse und Führung. Der 
Kunde wird euch im besten Fall nur durch ein gescheites anderes 
Unternehmen ersetzen. Denke klagen kommen auch.
Hoffe ihr habt einen indischen Investor der trotzdem in euch reinpumpt 
ansonsten biste bald weg vom fenster.

Ps: LUFTFAHRT hat wohl die härtesten FuSi/Sicherheits Anforderungen, die 
es gibt. Die wird eure Frickelbude ohne Prozesse und Projekthandbuch 
auch in 10 Jahren nicht stemmen.

Das Projekt ist verloren. Bewirb dich weg.

von Alexander (Gast)


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Hi all,
Blechbieger schrieb:
> Wenn du tatsächlich wie gesagt von den französischen Kollegen Mentoring
> bekommst ist das eine sehr interessante Aufgabe. Falls du dich alleine
> einarbeiten musst würde ich es nicht machen.
Sehe ich auch so.

Blechbieger schrieb:
> Es ist auf jeden Fall eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe die mit
> entsprechenden Entscheidungsbefugnissen verbunden sein muss. Du musst
> die Befugnis gegenüber dem Projektleiter und die Rückendeckung dafür vom
> Management haben die Notbremse zu ziehen und Termine platzen zu lassen.
> Wenn du Glück hast lernen sie es schon beim ersten Mal wenn der
> Zertifizierer ihnen das ganze um die Ohren haut. Wenn du Pech hast
> lernen sie es nie und du bist der Sündenbock.

Und genau diese Diskussion haben wir unter den Kollegen oft gehabt. 
Notbremsen gibt es im jetzigen Projekt nicht - alle Zeitpläne wurden 
eingehalten, egal ob wir Resultate haben oder nicht. Im Notfall haben 
wir die Qualität gesenkt, und entsprechend Kritik vom Kunden in Kauf 
genommen.

Hannes J. schrieb:
> Für mich ist das kein Angebot einer Position. Das ist bestenfalls eine
> unverbindliche Absichtserklärung vielleicht so eine Position zu
> schaffen. Sollte die Position wirklich geschaffen werden darf sich
> jeder, auch du, auf sie bewerben.
Natürlich kann viel passieren, und die entscheiden sich für einen 
anderen in dieser Position. So wie ich die beiden Kollegen einschätze, 
sehe ich keinen der beiden in dieser Position.

> Ich würde auf die Aussage des Managements keinen Furz geben und es als
> Zeitverschwendung ansehen darüber weiter nachzudenken oder gar in der
> Hoffnung auf die Position zu planen. Wie du selber sagst, die Zukunft
> liegt in weiter Ferne:
Ja
> Viel wichtiger fände ich daran zu arbeiten das aktuelle Projekt zu
> überleben, ohne dass dich Scheiße trifft, wenn selbige in den Ventilator
> fliegt.
Daran arbeiten wir intensiv.
>
> Lücken? Das V-Modell ist für kleinkarierte, verbeamtete Erbsenzähler
> geschaffen. Es muss für das jeweilige Projekt angepasst werden. Ich
> frage mich daher, ob ihr diese Anpassung je durchgeführt habt?
Für mich ist das V Modell im Hinblick auf die Regularien / Standards 
mehr als etwas für kleinkarierte, verbeamtete Erbsenzähler - es ergibt 
für mich Sinn, wie die Normen bis ins kleinste Detail runtergebrochen 
werden. Wir in der Entwicklung sind in der untersten Ebene in diesem V 
Modell. In den letzten 4 Jahren gab es so viele Änderungen bezüglich 
V-Modell und Regularien für unsere Komponente, dass wir jetzt an dem 
Punk angekommen sind, nicht mehr zu wissen, ob wir alle Punkte abgedeckt 
haben. Das bezeichne ich als Lücke in unserem Modell.

> Wann ist denn das
> Projekthandbuch zum letzten Mal aktualisiert worden und kennen alle das
> Projekthandbuch?
Wir in der Entwicklung kennen das Projekthandbuch sicherlich nicht! Kann 
gut sein, dass wir sowas haben, bezweifle aber, dass es auf dem neuesten 
Stand ist. Viele Dokumente, die wir zu Beginn haben sollten (Dokumente 
über Regularien, Dokument über unser Design etc.) fangen wir jetzt nach 
4 Jahren an daran zu arbeiten, und haben effektiv vielleicht 3 Wochen 
Vollzeit daran gearbeitet - nebenher zur eigentlichen Entwicklung und 
Verifikation.

Gruß,

Peter schrieb:
> Das Projekt ist verloren. Bewirb dich weg.

Noch habe ich Hoffnung :)

von Peter (Gast)


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Na dann. LOL!

von A. S. (Gast)


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Alexander schrieb:
> Meine Abteilung (Stromversorgung) besteht aus 3 jungen Ingenieuren (Mit
> ca. 2-5 Jahren Berufserfahrung in der Hardwareentwicklung), hat KEINEN
> technischen Leiter und einen hektischen und impulsiven Projektmanager

Wie ist der Anteil am Projekt? Gibt es noch Abteilungen "Analogteil", 
"Digitalteil", etc., oder ist das gesamt-Gerät eine Stromversorgung?

Haben die anderen Abteilungen Leader? Gibt es eine separate 
QM/Zulassung/V-Model-gruppe? Falls ja, kannst Du auch Deinen 
spezifischen Part mit 2-3 Wochen interner und externer 
Schulung/Begleitung deutlich voranbringen.

Also, wie

Maier schrieb:
> Tu so wie wenn du schon in der Position waerst,

Karriere macht man gerade zu Beginn dadurch, dass man führt, nicht 
dadurch, dass einem eine Führungspositiin gegeben wird.

von Alexander (Gast)


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Achim S. schrieb:
> Wie ist der Anteil am Projekt? Gibt es noch Abteilungen "Analogteil",
> "Digitalteil", etc., oder ist das gesamt-Gerät eine Stromversorgung?

Ersteres trifft zu: Es gibt verschiedene Abteilungen, wir sind lediglich 
eine Teilkomponente.

Achim S. schrieb:
> Haben die anderen Abteilungen Leader? Gibt es eine separate
> QM/Zulassung/V-Model-gruppe? Falls ja, kannst Du auch Deinen
> spezifischen Part mit 2-3 Wochen interner und externer
> Schulung/Begleitung deutlich voranbringen.

1. Andere Abteilungen haben Leader
2. Es gibt eine separate QM Gruppe, die das Gesamtprodukt als Einheit 
betrachtet und qualifiziert. Sind also im V-Modell eine Stufe höher 
angesiedelt
3. Das ist ein guter Input. Wir haben guten Kontakt zur QM Gruppe, und 
sind auch oft in Dialog. Es ist aber interessant zu sehen, dass jede 
Gruppe ihr eigenes Süppchen kocht. Die Dokumentation in der QM Gruppe 
ist komplett anders als unsere. Interne Kommunikation / Abstimmung ist 
kaum vorhanden, weil jede Gruppe mit dem Kunden im Kontakt ist und 
eigene Interpretationen zu deren Wünschen / Anforderungen hat.
Das ist unter anderem der Grund, weshalb so viel Chaos herrscht und eine 
Hand nicht weiß, was die andere macht. Einheitlich ist das jedenfalls 
nicht.

Achim S. schrieb:
> Karriere macht man gerade zu Beginn dadurch, dass man führt, nicht
> dadurch, dass einem eine Führungspositiin gegeben wird.

Das ist schön formuliert :)

Gruß,

von Hannes J. (Firma: _⌨_) (pnuebergang)


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Alexander schrieb:
> Daran arbeiten wir intensiv.

Uhhhh... Was du hier schreibst klingt danach, dass man sich auf "Augen 
zu und durch" und "intensiv = härter Arbeiten" zur Lösung des Problems 
geeinigt hat. In Jahrzehnten Berufserfahrung habe ich nie gesehen, dass 
das gut funktioniert hat um ein Chaosprojekt zu retten. Vielleicht kommt 
irgend etwas raus, das der Kunde in seiner Verzweiflung akzeptiert.

Erfolg sieht für mich anders aus. Wer so ein bisschen noch ein Gewissen 
und so etwas wie Ingenieurs-Berufsehre hat wird sich für das Ergebnis 
schämen.

> Wir in der Entwicklung kennen das Projekthandbuch sicherlich nicht! Kann
> gut sein, dass wir sowas haben,

Das ist schlecht. Wie sage ich das jetzt? Du hast uns am Anfang mit der 
Information beglückt, dass du einen Doktortitel hast. Findest du es 
nicht unwissenschaftlich auf Hörensagen und "kann gut sein" Wissen 
aufzubauen? Wie wäre es mal von vorn anzufangen und die 
"Primärliteratur" zu lesen, mal "Nachzuforschen" was wirklich da ist und

> bezweifle aber, dass es auf dem neuesten Stand ist.

in welchem Zustand das Material ist?

Wenn wir schon bei "Primärliteratur" sind, die paar hundert Seiten des 
V-Modell Handbuchs an einem Wochenende zu lesen kann auch nicht schaden.

Ich meine, wenn du unbedingt was tun willst würde ich von vorn anfangen. 
Das Modell zu verstehen wäre für mich von vorn.

Das hat einen ganz tollen Vorteil, du weißt in Diskussionen mit deinen 
Kollegen, Vorgesetzten und dem QM worüber du redest. Hole dir einen 
Wissensvorsprung. Das ist in deinem Fall ziemlich einfach und ungeheuer 
hilfreich, auch wenn es manchmal den Gegenüber verunsichert.

> Viele Dokumente, die wir zu Beginn haben sollten (Dokumente
> über Regularien, Dokument über unser Design etc.) fangen wir jetzt nach
> 4 Jahren an daran zu arbeiten, und haben effektiv vielleicht 3 Wochen
> Vollzeit daran gearbeitet - nebenher zur eigentlichen Entwicklung und
> Verifikation.

Solange sich die Einstellung nicht ändert (in mit, statt trotz, dem 
Modell zu arbeiten) wird das nichts. Ich halte nicht viel von dem 
Modell, aber wenn man nichts anderes hat, wenn die Alternative nur Chaos 
ist, dann kann auch das V-Modell ein Licht in dunkler Nacht sein.

Alexander schrieb:
> 3. Das ist ein guter Input. Wir haben guten Kontakt zur QM Gruppe, und
> sind auch oft in Dialog. Es ist aber interessant zu sehen, dass jede
> Gruppe ihr eigenes Süppchen kocht. Die Dokumentation in der QM Gruppe
> ist komplett anders als unsere.

Und die haut euch nicht auf die Finger? Da sind wir wider bei dem Punkt 
ob die Rollen nicht nur vergeben sind sondern auch ausgefüllt werden.

> Interne Kommunikation / Abstimmung ist
> kaum vorhanden, weil jede Gruppe mit dem Kunden im Kontakt ist und
> eigene Interpretationen zu deren Wünschen / Anforderungen hat.

Was soll man da noch sagen? Unabhängig von Modell oder Methode, das ist 
eine Todsünde in jedem brauchbaren Vorgehen das mir bekannt ist.

Wenn du neben dem Lesen der Grundlagen eine konkrete Aufgabe suchst, 
dann wäre eine im Unternehmen darauf hinzuwirken, dass dieser Wahnsinn 
aufhört. Alles ist besser als das. Es muss nicht mal das 
Änderungsmanagement aus dem V-Modell sein. Auch wenn man mit dem 
V-Modell argumentieren kann, wenn man es denn kennt. Wie schon 
geschrieben, ein Wissensvorsprung hilft.

> Das ist unter anderem der Grund, weshalb so viel Chaos herrscht und eine
> Hand nicht weiß, was die andere macht.

Ach? Was soll denn anderes herauskommen?

Wenn du nicht geschrieben hättest, dass du erst ein paar Monate beim 
jetzigen Unternehmen bist und davor nur ein Jahr bei einem anderen 
warst, würde ich dringend raten die Flucht zu ergreifen und etwas 
anderes zu suchen. So musst du wohl durch und kannst zumindest für dein 
weiteres Berufsleben lernen wie man es nicht macht. Du lernst auf die 
ganz harte Tour, dass ingenieurmäßiges Arbeiten in manchen Bereichen 
nicht selten > 90%  Planen, Koordinieren, Dokumentieren und Bürokratie 
ist.

: Bearbeitet durch User
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