Forum: Fahrzeugelektronik BMS- und Ladestrategie bei selbstgebautem Pedelec-Akku


von TomH (Gast)


Lesenswert?

Hallo zusammen,

wohl habe ich mich durch diverse Threads mit dem Stichwort "BMS" 
gelesen, aber meine Fragen wurden darin nicht beantwortet. Entweder es 
ging um proprietäre käufliche Akkus und deren "zu knackende" 
intelligente BMS, oder darum, ob überhaupt eins nötig ist...

Ich will ein Fahrrad selbst zum eBike umrüsten und auch den Akku selbst 
zusammenstellen: 16S LiFePo4 mit 10Ah
Auch das Ladegerät dazu will ich selbst auf die Beine stellen.

Ich bin also noch frei in der Entscheidung, wo das BMS sitzt: Im Akku, 
am Fahrrad, im Ladegerät...

Ich kann das BMS nicht selbst entwickeln, dazu fehlen mir Zeit und 
Kenntnisse. Zu kaufen gibt es chinesische "BMS" zu teils aberwitzig 
niedrigen Preisen, ungefähr die gleiche Machart von deutschen Händlern 
zu ca. 40-70€ in der gewünschten Strombelastbarkeit und dann noch 
richtige prozessorgestützte mit deutlich besserem Balancerströmen, 
Diagnosemöglichkeiten und einem stolzen Preis von 300€ aufwärts.

Bei den billigen BMS in Verbindung mit einem Ladegerät, das seinen Strom 
nur anhand der Akku-Gesamtspannung steuert, sehe ich folgendes Problem: 
Das Ladegerät müßte sehr früh, vielleicht schon bei 3,4V pro Zelle auf 
den lächerlich geringen Ladestrom zurückgehen, den so ein billiges BMS 
an einer Zelle vorbeileiten kann. Die anschließende Volladung dauert 
dann ewig.

Jetzt meine Idee, mit halbwegs geringem Aufwand davonzukommen. 
(Natürlich liegt das im Auge des Betrachters, und hängt davon ab, was 
man schon so herumliegen hat)

1. Akku "nackt" ohne BMS, aber Balanceranschluß. Der Balanceranschluß 
muß auch 2A Ladestrom abkönnen. Z.B. ein 37poliger Sub-D-Stecker könnte 
GND, Plus und die 15 Abgriffe mit je zwei Pins parallel anbieten.

2. Billiges BMS am Fahrrad, das nur den Lastabwurf bei Unterspannung von 
einer oder mehrerer Zellen kann.


3. Ladegerät, das mit 16 billigen Schaltnetzteilen und 16 billigen 
Regelmodulen in einem Gehäuse vereint, gleichzeitig jede Zelle einzeln 
über den Balancer-Anschluß vollädt. Ein Netzteil und 16 potentialfreie 
DC-DC-Wandler ginge auch, scheint aber nicht so billig zu beschaffen zu 
sein.

Meine Fragen an Euch:
1. Gute Idee?
2. Wie ist das denn genau mit den billigen BMS? Können die wirklich von 
jeder einzelnen Zelle aus das Kommando zum Lastabschalten ableiten? Auf 
diesen Platinen ist so wenig Zeug drauf... nicht daß die das nur von der 
Gesamtspannung ableiten, während eine einzelne Zelle längst tot sein 
kann..

von A-Freak (Gast)


Lesenswert?

Ich finde die Balancerfunktion überbewertet bzw. mißverstanden.

Wenn ein neu zusammengebautes Akkupack einmal ausbalanciert ist dann 
haben alle Zellen praktisch den gleichen Ladestand, vielleicht 1% 
Differenz oder so. Das Ladegerät kann also in die Serienschaltung 
gemeinsam mit vollem Strom auf 99% oder so aufladen.

Nur das restliche Prozent muß dann der Balancer von den zufällig etwas 
volleren Zellen einschreiten, an diesen den Balancerstrom vorbeileiten 
und das Ladegerät passend herunterdrosseln.

Wenn ein BMS regelmäßig längere Zeit aktiv werden müßte dann läuft was 
anderes grundlegend schief.

Btw: ich fahre mit 24 LiFePO4 zu je 180Ah im Auto

von Volle (Gast)


Lesenswert?

wenn über viele Jahre  die volle Kapazität erhalten werden soll
ist Balancing sehr sinnvoll

es reicht aber so 1-5% pro Monat an Balancing möglichkeit
Die Selbstentladung ist auch nicht größer oder die Zellen sind eh 
defekt.

Der Ladestom fliesst übrigens nicht über den Balancer

von TomH (Gast)


Lesenswert?

Volle schrieb:
> Der Ladestom fliesst übrigens nicht über den Balancer

Nach meinem Verständnis schickt ein "dummes" Ladegerät den Ladestrom 
über die ganze serielle Kette der Einzelzellen.
Die bei den billigen BMS-Boards eingesetzten Balancer-Einheiten sitzen 
zwar auch seriell übereinander, aber jedes sieht nur seine einzelne 
Zelle. Wenn die Zellenspannung über den Höchstwert steigt, fängt sie an, 
den Ladestrom seitlich an der Zelle vorbei zu leiten. Leider nur 
lächerliche 40-80mA.
Wenn das Ladegerät zu diesem Zeitpunkt immer noch z.B. mit 1A lädt, 
fließen gut 900mA immer noch durch die Zelle und jagen deren Spannung 
weiter rauf.

Das scheint die Crux zu sein: Entweder früh den Strom drastisch 
reduzieren und ewig auf die Volladung warten, oder riskieren, daß 
einzelne Zellen doch überladen werden.

von Volle (Gast)


Lesenswert?

Die schwächste Zelle beendet das Entladen
die stärkste Zelle beendet das Laden

Die Differenz dazwischen ist die nutzbare Kapazität.
Die Abweichung der Zellen reduziert die nutzbare Kapazität
 wenn du die starke Zelle weniger Lädst gleicht sich das aus.

und genau das passiert  900mA in die starke 1 A in die schwache Zelle.
Klar dauert das Laden dann länger, es wird aber auch mehr geladen.

Balancen kann man übrigens nicht nur beim laden sondern jederzeit.
deswegen auch mit geringem Strom.

Ohne Belastung lässt sich der SOC auch genauer bestimmen.


Es gibt auch Schaltungen die die Ladung zwischen den Zellen 
transportieren können.  Dann hat man aber neben jeder Zelle ein kleinen 
DC/DC Wandler.
So schlecht können die Zellen aber gar nicht sein das es sich das lohnt.

von Armin X. (werweiswas)


Lesenswert?

Volle schrieb:
> und genau das passiert  900mA in die starke 1 A in die schwache Zelle.
> Klar dauert das Laden dann länger, es wird aber auch mehr geladen.

Und woher weiß der Balancer welcher Zelle er 900mA und welcher 1000mA 
zukommen lassen soll?

Mit dieser Vorgehensweise würde die schwächste Zelle immer randvoll 
geladen während die starken Zellen immer nur auf eine moderate 
Endspannung kommen welche weniger schädigt. Also wäre auch das im Sinne 
einer Lebensdauerverlängerung wurscht.

von Walta S. (walta)


Lesenswert?

Mit lifepo kenn ich mich nicht aus. Für meine Akkupack hab ich 13s3p 
(für die Fahrt in die Arbeit reicht es). Genommen habe ich Akkus welche 
nicht balanziert werden müssen (lt Hersteller). Dazu ein einfaches 
Ladegerät (2A glaub ich), eingestellt auf 4,150V pro Zelle.
Unterspannung regelt der Controller am Fahrrad.
Alle paar Monate, zur Kontrolle, die Zellenspannung nachmessen reicht.

Walta

von TomH (Gast)


Lesenswert?

Also um das mal abzurunden.

Einfach nicht balancieren und selbst von Zeit zu Zeit kontrollieren ist 
sicher auch ok, aber: Ich kenne mich und Murphy. Irgendwann gehts nicht 
mehr so richtig und ich denke mir, ups, schon wieder ein halbes Jahr 
vergangen...

Was machst Du übrigens, wenn bei der Kontrolle eine schwache Zelle 
auffällt? Nachbalancieren, den Wackelkandidat markieren, oder gleich 
austauschen? Oder ist bis jetzt nie der Fall aufgetreten?

von TomH (Gast)


Lesenswert?

Nun noch zur Funktion der BMS.
Fast zeitgleich ist ein Thread zu einem BMS "CF-4S30A" aufgetaucht, in 
dem dann auch Schaltplan und Datenblätter der beteiligten Bauteile 
gezeigt wurden. Seitdem blicke ich etwas besser durch. Die dort gezeigte 
Schaltung nehme ich exemplarisch für alle derartigen BMS, ob mehr oder 
weniger Zellen, ob LiPo oder LiFePo4.

Da gibt es zwei Schaltungsteile.

Zum einen die Über- und Unterspannungserkennung. Diese kann von jeder 
Einzelzelle aus auf den großen Leistungs-Mosfet-Schalter durchgreifen 
und den  Entlade- oder Ladestrom unterbrechen. Im Falle des 
superbilligen BMS, das ich mir für meinen Akku jetzt bestellt habe, sind 
das 2,1V und 3,75V.

Zum anderen Balancierung. Hier ist eine kleine Schaltung pro Zelle, die 
ab 3,6V satte 42mA an der Zelle vorbeileitet. Jede der 
Balancer-Schaltungen arbeitet nur für sich, sieht nur die eigene Zelle.

Jetzt ein Ladevorgang:
Das externe Ladegerät sieht nur die Gesamtspannung des Akkus und hat von 
den Einzelzellen keine Ahnung. Es lädt mit - sagen wir mal - 1000mA bis 
zu einer Spannung von typischerweise 16 x 3,65V = 58,4V.
Der Ladevorgang startet bei leerem Akku mit - sagen wir mal - 3V pro 
Zelle. In jeder Zelle steigt die Spannung langsam an. Wenn eine Zelle 
3,6V erreicht, werden durch den Balancer 42mA vorbeigeleitet, der 
Spannungsanstieg in dieser Zelle verlangsamt sich und andere Zellen, 
welche die 3,6V noch nicht erreicht hatten, können aufholen.
Aber wie MINIMAL müssen die Zellenunterscheide sein, damit sie durch 
diesen winzigen Strom-Unterschied ausgeglichen werden können? Vielleicht 
sind sie so minimal. Vielleicht müssen sie so minimal sein, sonst ist 
der Akku ohnehin Murks. Aber ich glaube nicht so recht daran, ich denke, 
man muß schon stärker/effektiver balancieren.

Immerhin ist mir die Angst genommen, daß beim Entladen eine Zelle bis 
zur Zerstörung ausgelutscht wird. Das kann wohl auch so ein Billig-BMS 
abwenden.

Und der zunächst befürchtete Extremfall, daß im oben beschriebenen 
Ladevorgang eine Zelle sehr früh 3,6V erreicht und dann mit 958mA zu 
Tode gebrutzelt wird, bis das Ladegerät endlich bei 58,4V Gesamtspannung 
abschaltet - der tritt auch nicht auf. Über 3,75V einer Einzelzelle wird 
die gesamte Ladung unterbrochen. Daß man dabei nicht mitbekommt, wie 
wenig Ladung die gesunden Zellen abbekommen haben, ist etwas anderes.

von Walta S. (walta)


Lesenswert?

Ein halbes Jahr sind doch ein paar Monate.
Wie gesagt - meine Zellen muss ich gar nicht balanzieren - die Kontrolle 
ist  nur eine Vorsichtsmassnahme. Bis jetzt hatte ich noch keine 
einzelnen Akkus der schwächer war.

Du kannst aber auch einen einfachen Balancer auf den Akku auflöten. Der 
sorgt dann für gleichmäßiges laden. Vor Unterspannung schützt dann der 
Controller.

Das Pedelec Forum hat übrigens ein sehr gutes Wiki zum Thema.

Walta

von Updater (Gast)


Lesenswert?

A-Freak schrieb:
> Ich finde die Balancerfunktion überbewertet...

Kommt darauf an: Bei guten LiPo bzw. LiIon (z.B. Konion) staunt man in 
der Tat nicht schlecht, wie exakt parallel die Zellenspannungen bei 
jedem Ladezustand (also auch bei voll) sind. Ein angeschlossener 
Balancer kommt im ersten Jahr und den ersten 100 Ladezyklen praktisch 
nicht zum Einsatz. NICHT SO BEI LIFEPO !

TomH schrieb:
> Ich kann das BMS nicht selbst entwickeln, dazu fehlen mir Zeit

Dann hol dir die Zeit oder beerdige das ganze Projekt, denn mit dem 
Balancer steht oder fällt dein Projekt. Was es aus Chinaland für paar 
Euro zu kaufen gibt, kannst du komplett im Lokus runter spülen. Üblich 
sind bei den Platinchen Ausgleichsströme um 50mA, das ist für LiFePo 
nicht zu gebrauchen.

Meine Lösung für 12s LiFePo war: 12 externe Balancer mit je 3A 
Ausgleichsstrom auf ausreichend großer Kühlschiene. Wichtig sind 
hochwertigste (vergoldet) Steckverbinder mit ausreichender 
Strombelastbarkeit und Kabel mit min. 0,75qmm, je nach Länge auch mehr. 
Da ich nur mit 3A lade, kann auch nichts anbrennen. Bei jeder Ladung 
werden übrigens einige Balancer aktiv, die Wärmeentwicklung der 
Kühlschiene ist beachtlich. Dass bei noch knapp 2A die ersten Zellen die 
Ladeschlussspannung erreichen, ist hier die Regel. Bei 0,3A Ladestrom 
(alle Zellen auf 3,6V) ist die Ladung dann beendet.

Für die Bestimmung des Entladeendes ist am Akku eine 
Einzelzellenüberwachung installiert. Selbige pfeift, wenn die schwächste 
Zelle unter Last 3V unterschreitet. Dann kann man entscheiden, ob man 
weiter entläd oder den Antrieb abschaltet.

Bitte melde dich an um einen Beitrag zu schreiben. Anmeldung ist kostenlos und dauert nur eine Minute.
Bestehender Account
Schon ein Account bei Google/GoogleMail? Keine Anmeldung erforderlich!
Mit Google-Account einloggen
Noch kein Account? Hier anmelden.