Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Frequenzumrichter - Netzbelastung - Scheinleistung


von C.K. (Gast)


Lesenswert?

Hallo zusammen!

Ich bin Maschinenbauer mit einer (etwas länger zurückliegenden) 
Ausbildung zum Energieelektroniker und habe eine Frage zum Thema 
Frequenzumrichterbetrieb und der Belastung des Stromnetzes.

Wir betreiben an einer Forschungseinrichtung einen etwas größeren Motor 
(Nennleistung 1800 kW) an einem Frequenzumrichter.
Der Umrichter wird versorgt über einen Trafo über ein 690 V-Netz. Der 
Trafo wiederum wird eingangsseitig über eine 6 kV-Leitung bestromt. 
Nennleistung des Trafos sind 2000 kVA. Abgesichert ist dieser mit 195 A.

Das Problem ist nun, dass wir nicht die volle Leistung des Motors 
erreichen können. Im Betrieb löst die Sicherung des Trafo bei einer 
angezeigten Leistung des Motors von 1650 kW aus.

Ich habe nun verschiedene Berechnungen angestellt und komme zu dem 
Ergebnis, dass das eigentlich nicht passieren sollte.

Folgende Angaben zu den Geräten:
Motor: cos(phi) = 0.82, Nennleistung 1800 kW, Wirkungsgrad (im 
Sinusbetrieb) 97,4%
Umrichter: Anschlussleistung 2200 kVA, Ausgangsleistung 2366 kVA, 
Nennwirkungsgrad 97,7%, lambda(Netz) 0,997

Für mein Verständnis belastet die Blindleistung des Motors lediglich das 
Netz zwischen Motor und FU und führt dazu, dass ich dort größere 
Leitungsquerschnitte benötige als am FU-Eingang, da die Blindleistung 
zwischen Motor und FU pendelt. Das lambda(Netz) des FU gibt mir an, wie 
stark der FU das Netz mit Blindleistung belastet wobei die 0,3% fast zu 
vernachlässigen sind.

Wenn ich nun also von der abgegebenen Wirkleistung des Motors auf die 
dem Netz entnommene Leistung zurückrechne und dabei die angegebenen 
Wirkungsgrade sowie das lambda(Netz) ansetze komme ich auf folgenden 
Zusammenhang:

1650kW/(0,974*0,977*0,997) = 1739 kVA

Selbst wenn ich die Wirkungsgrade von Motor und FU etwas schlechter 
(95%) annehme, weil wir uns nicht im Nenn-Betriebspunkt bewegt haben, 
komme ich auf eine Leistung von lediglich 1833 kVA.

Meine Frage ist nun, ob meine Überlegungen so korrekt sind, oder ob ich 
die Blindleistung des Motors auf die Netzbelastung anrechnen muss. Dann 
würde natürlich die Rechnung aufgrund des cos(phi) des Motors schon ganz 
anders aussehen und die Abschaltung des Trafos wäre gerechtfertigt.

Leider konnte ich mich jetzt intern sowie mit dem Hersteller noch nicht 
definitv dazu abstimmen, weshalb ich jetzt auch noch eine neutrale 
Meinung dazu einholen wollte.

Grüße!

von Purzel H. (hacky)


Lesenswert?

Der Cos phi von 0.82 zeigt, dass der Phasenwinkel des motors 30 Grad 
ist. Bedeutet der sin phi ist 0.5, der motor zieht noch 50% 
Blindleistung. Das sollte der FU aber koennen, dh kompensieren koennen. 
Kann der FU das ?

Und dann wuerd ich nachmessen, ob die Spannungen auch stimmen. Denn wenn 
die Spannung absackt zieht der FU mehr Strom.

: Bearbeitet durch User
von gunsi (Gast)


Lesenswert?

Merkwürdig,
2000kVA bei 6kV =!195A

gunsi

von hinz (Gast)


Lesenswert?

gunsi schrieb:
> Merkwürdig,
> 2000kVA bei 6kV =!195A

Hint: Drehstrom.

von hinz (Gast)


Lesenswert?

C.K. schrieb:
> Das Problem ist nun, dass wir nicht die volle Leistung des Motors
> erreichen können. Im Betrieb löst die Sicherung des Trafo bei einer
> angezeigten Leistung des Motors von 1650 kW aus.

Verzerrungsblindleistung?

Messt mal den Strom mit Stromzange und Oszi.

von Dieter (Gast)


Lesenswert?

Beides Drehstrom?

von gunsi (Gast)


Lesenswert?

Hint: Drehstrom.

 Sorry, das stimmt natürlich


Gunsi

von Dieter (Gast)


Lesenswert?

Ungleiche Belastung der Phasen?

von C.K. (Gast)


Lesenswert?

Eine Stromzange habe ich mir schon organisiert, das wird jetzt der 
nächste Schritt sein. Die 6kV-Zuleitung zum Trafo ist auch in 
Einzeladern verlegt, d.h. ich sollte da relativ gut rankommen. Einziges 
Problem könnte noch sein, dass die Leitungen wahrscheinlich geschirmt 
sind :-/

Meine Frage bezog sich jetzt hauptsächlich darauf, ob ich die 
Blindleistung des Motors bei der Leistungsaufnahme des Umrichters 
berücksichtigen muss. Mir ist eben nicht so ganz klar, wie sich ein 
Phasenversatz zwischen Strom und Spannung auf der Motorseite, angegeben 
durch den cos(phi), durch den Zwischenkreis (Gleichspannung) auf der 
Netzseite bemerkbar machen sollte.

Wenn ich natürlich die komplette Scheinleistung des Motors 1650 kW/0,82 
= 1875 kVA ansetze, bin ich, die Wirkungsgrade von Motor und FU noch 
eingerechnet, schon fast bei den 2000 kVA für den Trafo.

Die Kernfrage lautet nun also: muss ich die Wirk- oder Scheinleistung 
des Motors bei der Berechnung der Netzlast ansetzen?

von hinz (Gast)


Lesenswert?

C.K. schrieb:
> ob ich die
> Blindleistung des Motors bei der Leistungsaufnahme des Umrichters
> berücksichtigen muss.

Nein, du hast ja einen Zwischenkreis.

von hinz (Gast)


Lesenswert?

C.K. schrieb:
> Die 6kV-Zuleitung zum Trafo ist auch in
> Einzeladern verlegt, d.h. ich sollte da relativ gut rankommen. Einziges
> Problem könnte noch sein, dass die Leitungen wahrscheinlich geschirmt
> sind :-/

Dann miss doch nach dem Ortstrafo.

von C.K. (Gast)


Lesenswert?

hinz schrieb:
> Dann miss doch nach dem Ortstrafo.

Ja, wäre eine Alternative, aber aus zwei Gründen etwas unpraktikabel:

1. ich möchte ja herausfinden, ob der Trafo eingangsseitig die benötigte 
Leistung zugeführt bekommt oder ob die Sicherung zu früh auslöst.
2. der Trafo hat zwei Sekundärwicklungen (Schaltgruppen Dyn5 und Dd0) 
und somit auch unterschiedliche Leiterspannungen und -ströme auf den 
einzelnen Abgängen.

hinz schrieb:
> Nein, du hast ja einen Zwischenkreis.

Das bestätigt ja meine Meinung. Werde das dann mal mit dem Hersteller 
diskutieren...

Danke schon einmal für die Rückmeldungen.

von hinz (Gast)


Lesenswert?

C.K. schrieb:
> 2. der Trafo hat zwei Sekundärwicklungen (Schaltgruppen Dyn5 und Dd0)
> und somit auch unterschiedliche Leiterspannungen und -ströme auf den
> einzelnen Abgängen.

Es geht doch zunächst um die mögliche Verzerrungsblindleistung der 
Verbraucher, das kannst du doch auch bei mehreren Abgängen messen.

von hca (Gast)


Lesenswert?

hinz schrieb:
> Nein, du hast ja einen Zwischenkreis.

Normalerweise ja.

Zumindest kommerzielle Matrix-VFDs gibt es (noch) nicht oberhalb
ca. 0,6MW. Falls nicht zufällig VFD-Forschungseinrichtung gemeint,
wird wohl ein (i.A. als Spannungs-) Zwischenkreis vorhanden sein.

von C.K. (Gast)


Lesenswert?

hca schrieb:
> Normalerweise ja.
>
> Zumindest kommerzielle Matrix-VFDs gibt es (noch) nicht oberhalb
> ca. 0,6MW. Falls nicht zufällig VFD-Forschungseinrichtung gemeint,
> wird wohl ein (i.A. als Spannungs-) Zwischenkreis vorhanden sein.

Also das ist ein kommerzieller Umrichter und ein Zwischenkreis ist 
vorhanden.

von J... (Gast)


Lesenswert?

Wie ist denn der fu angeschlossen. Hängt da eine ausreichende 
Eingangsdrossel und Filter vor? Wenn nicht, würde ich auf Blindleistung 
vom FU Eingang / Gleichrichter tippen. Allerdings gehen meine 
Erfahrungen nur bis 200kVA.

Was zeigt der FU denn für Ausgangsstrome und Spannungen an? Ist der 
Motor korrekt parametriert, sprich stimmt Wirkleistungsanzeige des FU?

Beste Grüße

von C.K. (Gast)


Lesenswert?

J... schrieb:
> Wie ist denn der fu angeschlossen. Hängt da eine ausreichende
> Eingangsdrossel und Filter vor?

Eine Eingangsdrossel gibt es aber keinen separaten Eingangsfilter.

J... schrieb:
> Was zeigt der FU denn für Ausgangsstrome und Spannungen an? Ist der
> Motor korrekt parametriert, sprich stimmt Wirkleistungsanzeige des FU?

Die Ströme und Spannungen aus dem FU kann ich leider nicht auslesen 
(kein SPS-Fachmann). Der Motor wurde vom Inbetriebsetzer des Herstellers 
parametriert, ich gehe also davon aus, dass das alles in Ordnung ist. 
Wir messen Drehmoment und Drehzahl am Ausgang eines Getriebes das der 
Motor antreibt. Die daraus berechnete Leistung stimmt bis auf ein paar 
kW, die wahrscheinlich im Getriebe liegen bleiben, mit der Wirkleistung 
überein.

von J... (Gast)


Lesenswert?

Falls es kein Zugang zum FU gibt einfach den Hersteller fragen wie die 
Zuleitung Abgesichert werden sollte. Falls Stromzange vorhanden diese 
mal einen Eingang der Vordrossel hängen und schauen wie weit die 
Kurvenform vom Sinus abweicht.

Wenn die Trafosicherung auslöst und mechanisch die Leistung gemessen 
wird spricht das für eine Auslösung der Sicherung aufgrund von 
Blindstrom -leistung.

Das Getriebe wird wohl einen Wirkungsgrad von weit über 90% haben, eher 
im Bereich 99%. Wenn sonst irgendwo so viel Wirkleistung abgehen würde, 
würde das zu einem großen Kuhlaufwand führen.

von Dieter (Gast)


Lesenswert?

Auch Sicherungen mit Magnetschalter koennen bei Alterung dazu neigen 
frueher auszuloesen. Bitte daran erst wieder erinnern, wenn die 
Stroememessung nichts auffaelliges ergab.

von hinz (Gast)


Lesenswert?

Dieter schrieb:
> Auch Sicherungen mit Magnetschalter koennen bei Alterung dazu neigen
> frueher auszuloesen.

Er redet sicherlich von HH-Sicherungen.

von C.K. (Gast)


Lesenswert?

hinz schrieb:
> Dieter schrieb:
>> Auch Sicherungen mit Magnetschalter koennen bei Alterung dazu neigen
>> frueher auszuloesen.
>
> Er redet sicherlich von HH-Sicherungen.

Die "Sicherungen" sind wohl irgendwelche Trenner die sowohl eine 
kurzzeitige Auslösung als auch einen thermischen Überlastschutz haben. 
Also Kurzschluss wird sofort abgeschaltet, Überlast je nach Höhe erst ab 
ca. 20 Minuten.

Nächste Woche werden wir versuchen mal den Strom auf der 
Trafo-Eingangsseite zu messen, evtl. ergibt sich dadurch schon etwas.

von hinz (Gast)


Lesenswert?

C.K. schrieb:
> Die "Sicherungen" sind wohl irgendwelche Trenner die sowohl eine
> kurzzeitige Auslösung als auch einen thermischen Überlastschutz haben.
> Also Kurzschluss wird sofort abgeschaltet, Überlast je nach Höhe erst ab
> ca. 20 Minuten.

Auf der 6kV Ebene?

von C.K. (Gast)


Lesenswert?

hinz schrieb:

> Auf der 6kV Ebene?

Genau. Der Trafo wird also eingangsseitig abgesichert.

von Brocki (Gast)


Lesenswert?

Guten Tag,

Mich interessiert das Ergebniss dieses Problems: schon gelöst?

von C.K. (Gast)


Lesenswert?

Hab gerade mal wieder hier reingeschaut und die Nachfrage gesehen.

Das Problem ist gelöst, bzw. mittlerweile verstanden. Die Blindleistung 
des Motors belastet den Trafo nicht, eingangsseitig des Umrichters wird 
nur Wirkleistung aus dem Netz entnommen.
Die Blindleistung pendelt also nur zwischen Motor und Umrichter und 
belastet das Netz zwischen diesen beiden Komponenten.

Unser Problem lag in der Einstellung der Sicherung des Trafos. Was die 
netten Herren von der Elektroversorgung verschwiegen (oder vergessen) 
hatten war, dass die Sicherung so eingestellt ist, dass bereits bei 90% 
des angegebenen Stroms nach 20 Minuten abgeschaltet wird. Es standen 
also effektiv nicht 195A dauerhaft sondern nur 175,5A zur Verfügung. Wir 
konnten die Einstellung anpassen und im Anschluss den Motor voll 
belasten. Auch dauerhaft.

Grüße!

Bitte melde dich an um einen Beitrag zu schreiben. Anmeldung ist kostenlos und dauert nur eine Minute.
Bestehender Account
Schon ein Account bei Google/GoogleMail? Keine Anmeldung erforderlich!
Mit Google-Account einloggen
Noch kein Account? Hier anmelden.