Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik 50V MLCC-Kondensator mit 48V betreiben


von Justin (Gast)


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Hi zusammen,

wie weit sollte die Spannungsfestigkeit eines X7R Kondensators von der 
Nennsystemspannung entfernt sein?

Eine Sicherheitsmarge von 2V ist vermutlich zu wenig? Oder kann ich ein 
48V System mit 50V Kondensatoren versehen?

Danke und Gruß
Justin

von Huibuh (Gast)


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50V X7R mit 48V betreiben erscheint mutig:

50V Typen sind dort keine dabei aber weshalb sollte es denen anders 
ergehen.
https://www.maximintegrated.com/en/app-notes/index.mvp/id/5527

---

von Mani W. (e-doc)


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In Urzeiten (tm) der Elektronik hat man meist den nächst höheren Wert
genommen, also statt 50 V dann eben 63 V...

von Huibuh (Gast)


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Huibuh schrieb:
> 50V X7R mit 48V betreiben erscheint mutig:
>
> 50V Typen sind dort keine dabei aber weshalb sollte es denen anders
> ergehen.  https://www.maximintegrated.com/en/app-notes/index.mvp/id/5527
>
> ---

unten auf der Seite ist ein Link
Application note 6014,
"How to Measure Capacity Versus Bias Voltage on MLCCs."

Der dort getestete 2.2µF/16V zeigt bei 16V gerade noch
20% des Nominalwertes.

>> kann ich ein 48V System mit 50V Kondensatoren versehen?

Im Prinzip schon aaaber...


Manche Hersteller AVX, TDK, .. haben gute Tools um geignetes zu finden.

von H. (Gast)


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Wenn Dir der Kapazitätsverlust bei höheren Spannungen bewusst ist und du 
eine vernünftige Reserve einplanen willst, gehe auf 100V

z.B. 10µ/100V, wird aber etwas größer:

https://lcsc.com/product-detail/High-Voltage-Capacitors_10uF-106-10-100V_C153035.html

von Marco K. (fuerst-rene)


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Kann mich nur H. anschließen.
Schau mal bei der https://katalog.we-online.de/de/ vorbei.
wenn du nur 2 V Reserve hast hat der Kondensator höchstens noch 1-2µF.
Die neuen Polymer sind da viel verträglicher.

von MiWi (Gast)


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Justin schrieb:
> Hi zusammen,
>
> wie weit sollte die Spannungsfestigkeit eines X7R Kondensators von der
> Nennsystemspannung entfernt sein?
>
> Eine Sicherheitsmarge von 2V ist vermutlich zu wenig? Oder kann ich ein
> 48V System mit 50V Kondensatoren versehen?
>
> Danke und Gruß
> Justin

Das hängt davon ab. Normalerweise und bei ordentlich verlöteten Teilen 
(also keine mech. Vorbeschädigung durch falsches Löten) passiert nix, da 
kannst Du so einem Kerko auch kurzzeitig (us - ms) problemlos die 
3-4fache Nennspannung zumuten, jeder brauchbare ESD-Schutz macht das so 
bis das System eingeschwungen ist.

Für ein Bastelprojekt mit einer Lebensdauer im 2stelligen Stundenbereich 
und weil die Teile in der Kiste herumliegen - kein Problem. Für ein 
Serienprodukt oder etwas, das länger als ein erfreuliches WE arbeiten 
soll ist das zu wenig Spannungsreserve.

Und wie bereits hingewiesen wurde: die Kapazität des Kerkos gilt nur bei 
einer Spannung von annähernd 0V. Bei 100% Nennspannung mußt Du mit einem 
Bruchteil der Nennkapazität rechnen...

Wenn Du die Spannungsfestigkeit durch Serienschaltung vervielfachen 
willst - beachte die Kapazitätstoleranzen und damit auch die 
unterschiedlichen Spannungen an den Cs.

von Harald W. (wilhelms)


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MiWi schrieb:

> Und wie bereits hingewiesen wurde: die Kapazität des Kerkos gilt nur bei
> einer Spannung von annähernd 0V. Bei 100% Nennspannung mußt Du mit einem
> Bruchteil der Nennkapazität rechnen...

Interessant. Kapazitätsdioden im µF-Bereich...

von Udo K. (Gast)


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MiWi schrieb:
> Das hängt davon ab. Normalerweise und bei ordentlich verlöteten Teilen
> (also keine mech. Vorbeschädigung durch falsches Löten) passiert nix, da
> kannst Du so einem Kerko auch kurzzeitig (us - ms) problemlos die
> 3-4fache Nennspannung zumuten, jeder brauchbare ESD-Schutz macht das so
> bis das System eingeschwungen ist.

Da gibt es aber ganz lustige Effekte:  Die Kerkos halten
die Überspannung zwar aus, aber die Kapazität ändert sich
bei hoher Überspannung dauerhaft.  Wie Hysterese bei Trafos.

von Soul E. (Gast)


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Udo K. schrieb:

> Da gibt es aber ganz lustige Effekte:  Die Kerkos halten
> die Überspannung zwar aus, aber die Kapazität ändert sich
> bei hoher Überspannung dauerhaft.  Wie Hysterese bei Trafos.

Dann muss man einmal löten. Die Temperatur hebt den Effekt wieder auf.

von MLCC (Gast)


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soul e. schrieb:
> Dann muss man einmal löten. Die Temperatur hebt den Effekt wieder auf.

Cool.
Jährliche Wartung:
Der Kunde schickt die Platine zurück an den Hersteller. 1x Reflow, 
wieder zurück zum Kunden, schon ist alles wieder paletti.

Klingt sinnvoll ;-)

Vielleicht könnte man bezeizbare Kerkos bauen. Man baut parallel eine 
Z-Diode ein, integriert in den Kerko. Dann kann man ihn in der Schaltung 
"ausheizen".

PS:
Den Effekt scheint es wirklich zu geben. Ich hatte das schon mit sehr 
alten (>20Jahr) Kerkos aus einem MLCC-Sortiment. Die Kapazität stieg mit 
dem Einlöten um >20%. Das ist sogar reproduzierbar..

von Soul E. (Gast)


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Ja, die Curietemperatur ist bereits erfunden, und die ferroelektrische 
Polarisation ebenfalls.

von Olaf (Gast)


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> kannst Du so einem Kerko auch kurzzeitig (us - ms) problemlos die
> 3-4fache Nennspannung zumuten, jeder brauchbare ESD-Schutz macht das so
> bis das System eingeschwungen ist.

Ich hab eine Rolle 4.7uF/6.3V. Da hab ich mal testweise 30V drangehangen 
(mehr konnte mein Netzteil nicht) weil ich probieren wollte was passiert 
wenn sie kaputt gehen. Ist aber nicht passiert. Haben sie ausgehalten. 
Die haben sogar die Spannung nach dem abklemmen gehalten.
Nicht das ich sowas verbauen wuerde, aber sie scheinen mir recht robust 
zu sein.

Probiert es doch selber mal aus. :)

Olaf

von Axel S. (a-za-z0-9)


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Olaf schrieb:

> Ich hab eine Rolle 4.7uF/6.3V. Da hab ich mal testweise 30V drangehangen
> (mehr konnte mein Netzteil nicht) weil ich probieren wollte was passiert
> wenn sie kaputt gehen. Ist aber nicht passiert. Haben sie ausgehalten.

Nett. Eine Kapazitätsmessung wäre interessant gewesen. Am besten 
vorher-nachher.

von MLCC (Gast)


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Olaf schrieb:
>> kannst Du so einem Kerko auch kurzzeitig (us - ms) problemlos
> die
>> 3-4fache Nennspannung zumuten, jeder brauchbare ESD-Schutz macht das so
>> bis das System eingeschwungen ist.
>
> Ich hab eine Rolle 4.7uF/6.3V. Da hab ich mal testweise 30V drangehangen
> (mehr konnte mein Netzteil nicht) weil ich probieren wollte was passiert
> wenn sie kaputt gehen. Ist aber nicht passiert. Haben sie ausgehalten.
> Die haben sogar die Spannung nach dem abklemmen gehalten.
> Nicht das ich sowas verbauen wuerde, aber sie scheinen mir recht robust
> zu sein.

Warum das so ist, ist eigentlich schnell erklärt:
Die Spannung wird durch die Sättigung des Dielektrikums begrenzt, nicht 
die Isolation. Weil soch hochkapazitive Kerkos immer KLasse-II-Kerkos 
mit Ferroelektrika sind.
Da ist es kein Wunder, dass sie mehr Spannung verkraften.

Ich habe einen 4µ7 mit 6,3V mal mit 100V beaufschlagt, den hats auch 
nicht durchgehauen. Kapazität habe ich nicht gemessen.

Was nicht heißt, dass man die Kerkos mit höheren Spannungen nutzen kann. 
Weil sie dann halt keine Kapazität mehr haben. Also nutzt dir das 
nichts.
Und darauf verlassen würde ich mich schon dreimal nicht. Wenn der 
Hersteller 6,3V sagt, dann bleibt man da auch drunter.

von Harald W. (wilhelms)


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Olaf schrieb:

> Ich hab eine Rolle 4.7uF/6.3V. Da hab ich mal testweise 30V drangehangen
> (mehr konnte mein Netzteil nicht) weil ich probieren wollte was passiert
> wenn sie kaputt gehen.

Warte mal ein paar Stunden...

von Udo K. (Gast)


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Mit den neuen hochgezüchteten Kerkos muss man mit Überspannung
schon mehr aufpassen... die gehen mit der Feldstärke in
der Keramikschicht schon sehr hoch rauf.
In der Spezifikation beim Testen steht auch nur mehr was von Test
bei 2 facher Überspannung...

von Mani W. (e-doc)


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Marco K. schrieb:
> wenn du nur 2 V Reserve hast hat der Kondensator höchstens noch 1-2µF.

Blödsinn

von Mani W. (e-doc)


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Harald W. schrieb:
> Olaf schrieb:
>
>> Ich hab eine Rolle 4.7uF/6.3V. Da hab ich mal testweise 30V drangehangen
>> (mehr konnte mein Netzteil nicht) weil ich probieren wollte was passiert
>> wenn sie kaputt gehen.
>
> Warte mal ein paar Stunden...

Ein paar Stunden?

Bei 5-facher Überspannung und unbegrenztem Strom?

Es wird eher knapp unter oder über einer Minute - geschätzt durch
frühere (tm) Versuche...


;-)

von MLCC (Gast)


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Mani W. schrieb:
> Marco K. schrieb:
>> wenn du nur 2 V Reserve hast hat der Kondensator höchstens noch 1-2µF.
>
> Blödsinn

Aha, ein komplett Ahnungsloser, der seine Ahnungslosigkeit auch noch 
laut hinausplärrt.

Dann kuckst du bitte mal nach, was der Hersteller dazu sagt.

Ein Beispiel:
Murata, GRJ32ER71H106KE11L 10µF, 50V X7R:
Murata ist Marktführer bei MLCC.

Hat 2,7µF bei 48V.

Kuckt man hiermit:
https://ds.murata.co.jp/simsurfing/mlcc.html?lcid=en-us

Das ist nicht unüblich, sondern normal.

von Purzel H. (hacky)


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Ganz nebenbei... bei Keramikkondensatoren bezieht sich die spezifizierte 
Kapazitaet auf Spannung gleich Null.

Die Kapazitaet eines Materials kommt von seiner Polarisierbarkeit. 
Bedeutet die Molekuele, resp Gitterzellen werden geometrisch verzogen. 
Das ist ein nichtlinearer Prozess, und irgendwann ist Schluss, Bedeutet 
mehr Spannung polarisiert nicht mehr. Gleich wie die Magnetisierbarkeit 
von Ferroelektrika. Ab einer gewissen Durchflutung H erhoeht sich das 
Magnetfeld B nicht mehr, das Material ist gesaettigt, man erhaelt die 
B(H) Hysterese Kurve.

Bei der elektrischen Polarisierbarkeit ist es gleich, es gibt eine 
Hysterese Kurve D(E). Und vom Material her ist die 
Pielektrizitaetkonstante eigentlich keine Zahl, sodern ein Tensor. 
Identisch zu Suszeptibilitaetskonstante der Magnetmaterialien, welche 
eigentlich auch ein Tensor ist.

Tensor bedeutet, das der Konstante folgende Feld D : D = eps * E ist, 
resp kann gekippt sein gegenueber E. Dasselbe bei B = u * H, das B kann 
gekippt sein gegenueber H. Das bedeutet diese Materialien sind nicht 
isotrop, welch Wunder. Ist eigentlich klar und erwartbar

: Bearbeitet durch User
von MiWi (Gast)


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Mani W. schrieb:
> Marco K. schrieb:
>> wenn du nur 2 V Reserve hast hat der Kondensator höchstens noch 1-2µF.
>
> Blödsinn

Mani W

ich hab schon sinnvollere Beiträge von Dir gesehen.

such mal nach GRM21BD71A226ME44 und schau Dir die 
Spannungsderatingkurven an.

Und dann entschuldigst Du dich bei Marco ihn so angerüpelt zu haben. Als 
Wahlsteirer sollte Dir dabei kein Stein aus der Krone fallen.

von Lurchi (Gast)


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Name H. schrieb:
> Tensor bedeutet, das der Konstante folgende Feld D : D = eps * E ist,
> resp kann gekippt sein gegenueber E. Dasselbe bei B = u * H, das B kann
> gekippt sein gegenueber H. Das bedeutet diese Materialien sind nicht
> isotrop, welch Wunder. Ist eigentlich klar und erwartbar

Das mit dem Tensor ist auch nur gut für lineare Materialien. Die Klasse 
II Keramiken und Ferromagneten sind aber relativ nichtlinear. D.h. die 
Tensor-Formal ist da bestenfalls ein Näherung. Oft passt es skalar und 
dann unter Berücksichtigung der Nichtlinearität besser. Dazu kommt dann 
noch eine Hysterese und Zeitabhängigkeit.

von Purzel H. (hacky)


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Das ist richtig. Der Tensor wird nur bei Elementen mit Wellen, 
Mikrowellen, resp Optik (*) wichtig. Fuer die Elektronik ist nur die 
Aussage, dass die Materialien nicht isotrop sind interessant, fuer die 
Bauer der Komponenten.

(*) Der Tensor zusammen mit der Nichtlinearitet erlaubt die Second 
Harmonic Generation.

: Bearbeitet durch User
von MiWi (Gast)


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Harald W. schrieb:
> MiWi schrieb:
>
>> Und wie bereits hingewiesen wurde: die Kapazität des Kerkos gilt nur bei
>> einer Spannung von annähernd 0V. Bei 100% Nennspannung mußt Du mit einem
>> Bruchteil der Nennkapazität rechnen...
>
> Interessant. Kapazitätsdioden im µF-Bereich...

Ach? Mache Räder werden erschreckend oft neu erfunden.

Y5V hat einen größeren Hub.

von MLCC (Gast)


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MiWi schrieb:
> Ach? Mache Räder werden erschreckend oft neu erfunden.

Meinst du nicht, dass der Mechanismus in einer Kapazitätsdiode sich 
"geringfügig" in dem im MLCC unterscheidet?
Davon zu sprechen, mit MLCC würde man Kapazitätsdioden nachäffen ist 
nicht sinnvoll ;-)

von Mani W. (e-doc)


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MiWi schrieb:
> Mani W
>
> ich hab schon sinnvollere Beiträge von Dir gesehen.

Ich auch! Sorry!

Hatte nur Elko im Kopf...

von Dieter (Gast)


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Bei einigen Schaltungen muss die Funktion auch in den Randfaellen des 
ein und Ausschaltens betrachtet werden. Es gab schon Schaltungen bei 
Kurzunterbrechung gab es unbeabsichtigtes Bootstrapping bis zur 
Spannungsverdoppelung.

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