Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Komplizierte Frage bei KerKo: Kapazität im Einschaltmoment unter Strombegrenzung


von Harry (Gast)


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Hi Leute,

ich muss für meine Frage etwas ausholen ;)

Wenn ich einen KerKo (oder genauer ein Array aus diversen parallel) habe 
und der bei meiner Versorgungsspannungslage gut -70% seiner 
ursprünglichen Kapazität hat (er selbst kann doppelt so viel vertragen) 
was ja normal ist, wie ist dann seine Kapazität, wenn ich ihn mit einer 
Einschaltstrombegrenzung einschalte? Die Einschaltstrombegrenzung sorgt 
ja im Endeffekt dafür, das die Spannung langsam ansteigen wird.

Meine Vermutung: Seine Kapazität ist die "maximale" und dann fallend, da 
ja erst mit fallendem Strom seine Spannung steigen wird.

Ich frage, da ich die Gesamtkapazität so auslegen muss, das ich die 
Kapazität binnen 10ms durch den Einschaltstrombegrenzer nahezu 
vollständig laden muss.

Lässt sich das irgendwie mathematisch ermitteln?

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


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Harry schrieb:
> Lässt sich das irgendwie mathematisch ermitteln?
Geh schlimmstenfalls davon aus, dass der Kondensator über die gesamte 
Spannung seinen Wert (ggfs. plus die im Datenblatt angegebene positive 
Toleranz) hat. Denn sonst könnte es sein, dass der Hersteller seinen 
Prozess "verbessert" und deshalb die Kapazität über den Spannungsbereich 
konstanter wird. Damit würde deine "Berechnung" zunichte gemacht.

> da ich die Gesamtkapazität so auslegen muss, das ich die Kapazität
> binnen 10ms durch den Einschaltstrombegrenzer nahezu vollständig laden
> muss.
Warum das?

von Harry (Gast)


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Lothar M. schrieb:
>> da ich die Gesamtkapazität so auslegen muss, das ich die Kapazität
>> binnen 10ms durch den Einschaltstrombegrenzer nahezu vollständig laden
>> muss.
> Warum das?

Weil diese beigestellt wird und relativ schwachbrüstig ist. Laut 
Hersteller kann diese die "maximale" Leistung nur 10ms bei maximaler 
Umgebungstemperatur.

von Pandur S. (jetztnicht)


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Keramische Kapazitaeten koennen viel schneller geladen werden. 
Zumindest, diewelchen mir bekannt sind. Sie dienen deshalb ja auch als 
sehr schnelle speicher. Ich wuerd sagen Nonosekunden bis Mikrosekunden. 
zumindest die bis 100uF und bis 500V.

Die Kapazitaet ist allerdings nicht konstant mit der Spannung, sondern 
nimmt mit der spannung ab.

Kapazitaet bedeutet Ladung pro Spannung. Und die nimmt ab. Der Nennwert 
ist bei Spannung gleich Null

: Bearbeitet durch User
von Harry (Gast)


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Zitronen F. schrieb:
> Die Kapazitaet ist allerdings nicht konstant mit der Spannung, sondern
> nimmt mit der spannung ab.

Das beinhaltet ja auch meine Frage!

von Bernd K. (prof7bit)


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Harry schrieb:
> binnen 10ms

legs einfach für 100% aus (worst case), dann ists auf jeden Fall <10ms.

Du kannst es auch einfach mal mit real existierenden Bauteilen aufbauen 
und messen was wirklich passiert bevor Du anfängst 
Differentialgleichungen aufzustellen und am Ende doch was anderes 
rauskommt.

Hast Du noch etwas Luft nach oben mit dem maximal erlaubten Strom? Denn 
dann machts ja auch nichts wenns schon in 5ms voll ist, Hauptsache 
überhaupt eine Begrenzung. In der Praxis gibts meist erst dann Probleme 
wenn gar keine Begrenzung drin ist weil dann vergleichsweise irrsinnige 
Ströme fließen und im Zusammenspiel mit der Leitungsinduktivität auch 
noch Überschwinger von bis zur doppelten Versorgungsspannung auftreten 
können die Dir die nachfolgenden Schaltungsteile grillen können.

von soso... (Gast)


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Vermutung:
Das Prblem ist, dass der Verlauf der Kapazität vom physikalischem Aufbau 
des Kerkos abhängt.
Einige Bereiche (dort, wo das Dielektrikum dünner ist) sättigen 
schneller als andere.

Damit ist der Verlauf weder linear, noch gleich über alle Hersteller, 
weil der innere Aufbau der Kerkos dürfte sich ja unterscheiden.

Das berechnen zu wollen ist sinnlos.

Du kannst es aber messen: Bei Ladung mit Konstantstrom is die erste 
Ableitung der gemessenen Kurve nach der Zeit die Kapazität.

Wie andere schon schrieben
Geh für die Auslegung einfach davon aus, dass die Kapazität immer 100 + 
Toleranz ist, das ist der worst case. Dann klappts immer.

von Achim S. (Gast)


Angehängte Dateien:

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Harry schrieb:
> Lässt sich das irgendwie mathematisch ermitteln?

sicher kann man das. Ob es sinnvoll ist, ist eine andere Frage.

Startpunkt ist i=C*du/dt

Umgeformt wird daraus: i*dt=C*du und man integriert beide Seiten auf.

Wären i und C konstant, dann ergibt sich daraus das Gewohnte i*t=C*u 
(wenn das Laden zum Zeitpunkt t=0 mit einer Spannung U=0 startet)

Da C nicht konstant ist, musst du eine entsprechende Formel C(u) 
ansetzen und ernsthaft integrieren:

Jetzt brauchst du eine Formel für C(u). Die oben angehängte 
Kapazitätskurve für einen Murata-Kondensator kann man in erster Näherung 
linear beschreiben mit
mit C0=100µF und alpha=-0,08/v

Drüber integriert bekommst du

Jetzt kannst du dir deine Werte einsetzen. Für tE=10ms und UE=5V 
bekommst du den benötigten Gesamtstrom 40mA. Hättest du stattdessen mit 
konstanten 100µF gerechnet, wären das Ergebnis 50mA - die Einsparung 
liegt also im Bereich dessen, was du als wahrscheinlich ohnehin als 
Sicherheitsreserve vorhalten würdest. Die Rechnung hat sich also nicht 
wirklich gelohnt.

soso... schrieb:
> Einige Bereiche (dort, wo das Dielektrikum dünner ist) sättigen
> schneller als andere.

ich gehe mal davon aus, dass bei einem gegebenen KerKo die 
Dielektrikumsdicke überall gleich ist (bei einem anderen Kondensator 
oder einem anderen Hersteller ist sie natürlich anders).

von Marcus H. (Firma: www.harerod.de) (lungfish) Benutzerseite


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Harry schrieb:
> Lothar M. schrieb:
>>> da ich die Gesamtkapazität so auslegen muss, das ich die Kapazität
>>> binnen 10ms durch den Einschaltstrombegrenzer nahezu vollständig laden
>>> muss.
>> Warum das?
>
> Weil diese beigestellt wird und relativ schwachbrüstig ist. Laut
> Hersteller kann diese die "maximale" Leistung nur 10ms bei maximaler
> Umgebungstemperatur.

Bei entsprechenden Anforderungen an Kapazität und Spannungsfestigkeit 
kann diese Auslegung der Vorstufe u.U. teuer werden.

Wenn die Vorgabe bestehen bleibt, würde ich empfehlen, vorausgewählte 
Bausteine unter verschiedenen Last- und Umweltbedingungen zu messen.
Eine Einschaltrampe kann man per DSO messen, noch mehr Details verrät 
ein Spectrumanalyzer mit Trackinggenerator. Hier sind ein paar 
Beispiele, wie passende Boards aussehen könnten.
http://www.harerod.de/applications_ger.html#EmiFilTest
Neben den HF-Anschlüssen kann man diverse Filterstrukturen und z.B. auch 
DC-Einspeisungen vornehmen (um z.B. Kappas und Induktivitäten in 
verschiedenen Betriebspunkten zu untersuchen).
Das geht natürlich bis zu einem gewissen Punkt auch auf Lochraster.

Praxistipp: Wenn Du dann Dein Traumfilter zusammengestellt hast, musst 
Du nur noch dafür sorgen, dass der Einkauf nach dem nächsten Besuch der 
sympathischen Außendienstmitarbeiterin vom Eisenfeilspänegrosshändler 
das überteuerte Japanteil nicht durch ein "genau gleichwertiges" 
ersetzt.
Alternativbauteil heißt neu messen, mindestens in-house, im Zweifelsfall 
bei einer benannten Stelle.

In kritischen Komponenten verwende ich bevorzugt bewährte Designs. 
Bauteiledefinitionen bis runter zur Herstellerartikelnummer, Änderungen 
nur nach schriftlicher Freigabe. Also Prozesse die in bestimmten 
Branchen ganz selbstverständlich sind.

von Bernd K. (prof7bit)


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Marcus H. schrieb:
> Harry schrieb:
>> Lothar M. schrieb:
>>>> da ich die Gesamtkapazität so auslegen muss, das ich die Kapazität
>>>> binnen 10ms durch den Einschaltstrombegrenzer nahezu vollständig laden
>>>> muss.
>>> Warum das?
>>
>> Weil diese beigestellt wird und relativ schwachbrüstig ist. Laut
>> Hersteller kann diese die "maximale" Leistung nur 10ms bei maximaler
>> Umgebungstemperatur.
>
> Bei entsprechenden Anforderungen an Kapazität und Spannungsfestigkeit
> kann diese Auslegung der Vorstufe u.U. teuer werden.

Hat er überhaupt schon erwähnt um welche Spannungen, Ströme und 
Kapazitäten wir überhaupt sprechen? Wenn das alles noch unter der 
Kategorie "schwachbrüstig" läuft reichen vielleicht auch schon 2 
Transistoren als Strombegrenzung.

Den Einschaltstrom kann er mit einem Shunt und einem DSO messen, kein 
Grund da schwere Geschütze aufzufahren und von HF und aufwendigen 
Filtern hat er auch nichts gesagt, bis jetzt hab ich nur was von nem 
schwachbrüstigen Netzteil und Einschaltstrombegrenzung bei der 
Versorgungsspannung gelesen. Das ist halbwegs trivial und überhaupt 
nicht teuer.

von Harry (Gast)


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Bernd K. schrieb:
> Hat er überhaupt schon erwähnt um welche Spannungen, Ströme und
> Kapazitäten wir überhaupt sprechen?

Nein, habe ich nicht! Es ging mir erst einmal um die Theorie!

Um Konkreter zu werden (nicht geschockt sein, du hast ja gefragt :-P):
Es geht um 48V System das im Inrush nur mit 10A belastet werden darf.
Die KerKos sind 4,7µF oder ggf. 2,2µ/100V/X7S/1210 mit 
Kurzschlussgeschützte Bauart und einer Art Gullwing-Füßen. Benötigt wird 
eine Gesamtkapazität >= 300µF (also mind. 65 Stück der 4,7µ bzw ~150x 
2,2µF), verteilt auf zwei Dickkupfer Europlatinen.

Entladen wird mit Pulsen (einstellige µs-Bereich) von bis zu 150A (darum 
auch so viele kleine parallel). Die Pulsbelastung ist je Cap nur etwa 
30-50% des Zulässigen bei einer Erwärmung bis 25°C.
Die Kapazität wird so hoch angesetzt, da es mehrere Pulsfolgen 
hintereinander geben kann, die nicht lang genug auseinander sind, als 
das man die Cap-Bank nachladen könnte.

Folienkondensatoren hätte ich gerne eingesetzt, aber der Bauraum ließ 
nur ein sehr flachen aufbau (<10mm höhe) zu, was ich arg doof finde.

von Bernd K. (prof7bit)


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Da hast Du ja noch ordentlich Luft für Toleranzen und Ungenauigkeiten in 
alle Richtungen, wenn Du den Strom auf 10A begrenzt ist es schon nach 
1.44ms voll, bei 5A nach 2.88ms, bei 2A nach 7.2ms.

Ich würde die übliche Schaltung mit 2 Bipolartransistoren nehmen und für 
ungefähr 2 oder 3 Ampere dimensionieren.

: Bearbeitet durch User
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