Hallo zusammen, ich hatte mal beruflich mit dem Produktmanager eines Zulieferers zu tun, und war von seiner Fachkompetenz positiv überrascht. Im weiteren Verlauf der Zusammenarbeit stellte sich heraus, dass er jahrelang als Entwickler tätig war, bevor er in das Produktmanagement wechselte. Hat einer von euch diesen Schritt gemacht und kann ggf. über seine Erfahrungen berichten? LG newie
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Ich habe früher viele Jahre bei SIEMENS als Produktmanager gearbeitet. Viele Kollegen waren ebenfalls zuerst Forscher oder Entwickler gewesen. Aber wie der Name schon sagt: das ist ein Manager-Job! D.h. nichts mit selber löten oder programmieren (das habe ich als Hobby gemacht). Man muß dafür sorgen dass Leute zusammenarbeiten und das heißt 90% des Tages: kommunizieren. Also reden, Vorträge halten, telefonieren, E-Mails, Marktberichte studieren, Kundenbefragungen... Man muß auch nicht mehr alle Bits, Bauteile und Leitungen verstehen, sondern das Gesamtsystem, den Betrieb incl. wirtschaftlicher Aspekte und möglichst alle relevanten Leute kennen(lernen wollen). Und in der Lage sein, das Produkt (nicht die Technik!) anderen Leuten die von Technik keine Ahnung haben, so zu erklären, so dass sie es verstehen und kaufen. Und muß man auch über noch ungelöste technische "Probleme" schweigen können. Man sitzt also quasi zwischen den Entwicklern und dem Vertrieb. Den Entwicklern muß man sagen (= verhandeln, aufschreiben) was sie tun sollen und was vor allem nicht (weil es sonst zu viel Geld kostet), so dass der Vertrieb und dessen Kunden die Stückzahlen und Umsätze optimieren. Also ein kaufmännisches Geschick oder zumindest Interesse ist schon hilfreich... Ein typischer Spruch unter Produktmanagern: "man ist Chefkoch und Tellerwäscher in einer Person". Weil man zwar bestimmen kann wo es hingeht (Roadmap) aber ab und zu selber die letzten Schritte und Details erledigen muß, damit der Termin eingehalten wird. Z.B. 1 Stunde vor Messebeginn noch die neuesten Prototypen abholen und selber aufstellen. Gleich danach spricht man mit potenziellen Kunden und überarbeitet mit dem was man von ihnen gehört hat die Roadmap. Nochwas: für einen guten Produktmanager ist es egal, ob er für Elektronik, Software, Autos, Papier, Joghurtbecher oder Bier zuständig ist. Die Arbeitsmethoden sind die gleichen und die Produkte sind eigentlich austauschbar... Daher ist ein häufiger Ausbildungshintergrund MBA, Kaufmann oder Wirtschaftsingenieur. Natürlich spezialisiert man sich auf eine bestimmte Produktkategorie und den zugehörigen Markt und Wettbewerb und lernt dabei vieles der zugrundeliegenden Technik und kann sie gut erklären. Wenn der Betrieb sog. erklärungsbedürftige Produkte baut (Bier und Kaffee gehören da nicht dazu) ist das aber auch die Chance für einen Entwickler, zum Produktmanager zu werden. Dann hilft das technische Know-How sehr viel für die neue Rolle. Und für die kaufmännischen Grundlagen, die man unbedingt braucht, gibt es Kurse. Also Kernpunkt für einen Wechsel: man muß an der wirtschaftlichen Seite des Betriebs und der Produkte interessiert sein, Know-How aufbauen und kommunikationsfreudig sein.
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Nikolaus S. schrieb: > Man sitzt also quasi zwischen den Entwicklern und dem Vertrieb. Eher zwischen Vertrieb und Kunde. Ist jedenfalls bei uns so.
Mein jetziger Chef hat das gemacht, und der in der Firma davor auch. Fand ich ganz angenehm. Ich hätte keine Lust, mich in diese Richtung weiter zu entwickeln - zu viel Politik und Papierkram. Ich bin eher ein Techniker, mit dem Werkzeug in der Hand.
Stefanus F. schrieb: > Ich hätte keine Lust, mich in diese Richtung weiter zu entwickeln - zu > viel Politik und Papierkram. Sehe ich ähnlich. Wozu 50% mehr Arbeit für 30% mehr Gehalt, wenn man die 100k auch als Entwickler knacken kann.
Realistischer schrieb: > Sehe ich ähnlich. Wozu 50% mehr Arbeit für 30% mehr Gehalt, wenn ... Die Firma gab einen Produktbereich auf, ein paar Entwickler waren damit über. Um den eigenen Arsch zu retten, bot sich ein Wechsel ins Produktmarketing an. Der Kollege hat das jahrelang verdammt gut gemacht, auch deswegen, weil es zu seiner Persönlichkeit passte. Ein anderer Kollege wurde ins Produktmanagement verschoben, Vitamin B, als Vollpfeife wartet er nur auf seine Rente, aber hat für sich persönlich den Hintern im Trockenen. Die böse Welt der Realität: Man will, man kann oder man muß eben.
Realistischer schrieb: > Stefanus F. schrieb: > Ich hätte keine Lust, mich in diese Richtung weiter zu entwickeln - zu > viel Politik und Papierkram. > > Sehe ich ähnlich. Wozu 50% mehr Arbeit für 30% mehr Gehalt, wenn man die > 100k auch als Entwickler knacken kann. Dem kann ich nur zustimmen.
den Schritt habe ich nach 3Jahren Duales Studium + 7 Jahren Embedded Entwickler gemacht. Was tut man? Mit Entwicklern darüber reden, was mal entwickelt werden soll, welchen Aufwand das bedeutet, die Budgets dafür einsammeln und verteidigen ... für die Budgets eine Mark-Story haben (warum bringt es was, Geld in dieses Thema und kein andere zu stecken?) Politik mit Vertrieb: 1) "weil Du keine passenden Produkte hast oder die im Feld defekt sind, erreiche ich meine Vertriebsziele nicht" 2) organisiere Zeit, Interesse und ausreichend Aufmerksamkeit der Vertriebskollegen, die Hauptvoreile Deiner neuen Produkte zu verstehen, sodass sie diese verkaufen können oder zumindest daran denken, den Produktmanager mit hinzuzuziehen, wenn ihnen ein passendes Problem bei einem Kunden auffällt. 3) Du kannst die Produktanforderungen an die Entwicklung nicht so schmieden, dass es allen Kunden gerecht wird ... was nutzt ausreichend vielen Kunden gut genug und kann noch finanziert werden? Politik mit Firmeninternen "Gegenspielern", z.B.: Wirtschaftlichkeits-Diskussionen um "meine Produkte", wobei die Kaufleute Kostenumlagen auf meine Produkte ausrechnen für Ineffizienzen und Unterauslastungen in Bereichen wie Fertigung / Entwicklung. Produkt-Zulassung, Marktzugang (z.B. WLAN-fähige Geräte wollen für viele Länder extra zugelassen werden) Produkt-Sicherheit ... z.B. darf je nach angewandter Norm und betroffenem Personenkreis nur bestimmte Gefahren (wie z.B. heiße Oberflächen) an einem Produkt auftreten, ist das nicht ausreichend gekennzeichnet oder dokumentiert worden, wird es zum Job des Produktmanagers zusammen mit weiteren Rollen über einen Produktrückruf zu entscheiden, Lagerbestand sperren, Kundenlieferungen und abhängige Kundenprojekte absagen, Gegenmaßnahmen finden (wenn sich aktuell laufende Entwicklungsprojekte in der Ressourcen-Planung dafür stören lassen), Produktsicherheitsprüfung bestellen, Lager umrüsten, weiter ausliefern. Normenänderungen ... Auswirkung auf Zulässigkeit des Produkts ... ggfs. Budget für Redesign argumentieren oder Phaseout der Produkte inkl. Kundeneskalation und Resteindeckung von Bauteilen anstoßen. Diskussion mit Personen, die Restbestände verschrottet haben, da es kaufmännische Bilanz-Darstellungsoptionen gibt, in denen ein Lager ohne alte eingelagerte Bauteile besser dasteht. (Dass Dein Produkt von da an nicht mehr gefertigt werden kann,ist solchen Leuten nicht bewusst oder nicht wichtig ... sie verkaufen ihre Story an entsprechende Entscheider) Produktmanagment hängt stark davon ab, aus welchem Hintergrund Du kommst und davon, welche Lücke die Produktmanager im jeweiligen Unternehmen füllen sollen. Ich fühlte mich immer noch als Entwickler, der von nun an lästige aufräumarbeiten machte: - fehlende Dokumentationen, Kennzeichnung - dürftige Designs (die nicht die Bandbreite der geforderten Umweltsituationen sauber abgetestet haben oder Bauteiltoleranzen ignorieren) in Produkt-Limitierungen umwandeln, entsprechend geringere Marktchancen vertreten - Lifecycle von Bauteilen - Probleme ausbaden wegen Design-Schwächen in Serien-Produkten - OwnerShip für die Hinterlassenschaften anderer übernehmen - es ist schwer, nicht als Entwickler zu denken und den zuständigen Entwicklern ihre Fehlerfreiräume, Unverständnis, Drang zu Selbstverwirklichung oder Overengineering zuzugestehen Mein Lessons-Learned für die Entwickler-Rolle: - langfristig gut designen (auch wenn kurzfristig die Projekt-Kosten überschritten werden) ... - Die Total Cost of ownershipes ist oft sträftlich misachtet, da den Kaufleuten (und Entscheidern, denen sie ihre Zahlen vorlegen) oft kein gutes Produkt-Lifecycle-Datenmaterial vorliegt - gute Technologie von verlässlichen Lieferanten wählen (niemand hat was von einer schnellen Entwicklung, die anschließend Redesigns in der Serie braucht) - die wirklich wichtigen in der Firma sind nur die, die auch was Liefern können (gute Entwickler) - achte auf Dein Image als Entwickler, niemand möchte die Paradies-Vögel, Spielkinder oder ergebnislose Diskussionskönige zugewiesen bekommen -- sondern die Sorgfältigen, Kreativen, Macher ... die was robustes fertig kriegen - auch mit etwas weniger Features, dafür funktioniert es aber - immer. Alles in allem sehr heilsam im Blick auf das Bauchgefühl, dass man vorher schon in der Entwickler-Rolle hatte: Qualität
Hallo PRM und Rest der Welt, nach einigen Jahren Entwicklung bin ich auch den Weg als technischer Produktmanager gegangen. Besser als PRM kann ich die Tätigkeiten auch nicht beschreiben. Man ist Mädchen für absolut alles. Es ist eine Mischung aus Politik, Marketing und Technik und wenn man es gut macht, kommt am Ende verkaufbare Qualität heraus. Dann macht das Ganze auch durchaus Spaß. Merke: Bei einem guten Produktmanager kann ein gutes Ergebnis herauskommen, bei einem schlechten Produktmanager ist das Ergebnis immer schlecht. Gruß
Ex-Ing schrieb: > nach einigen Jahren Entwicklung bin ich auch den Weg als technischer > Produktmanager gegangen. Hat sich das auch finanziell gelohnt? Ich vermute mal eher nicht...
Ingenieur schrieb: > Hat sich das auch finanziell gelohnt? Ich vermute mal eher nicht... Ist ja auch nur ein anderes Aufgabenspektrum, die dümpeln genauso im ersten AT-Band rum. Warum sollte man da mehr bezahlen? Am Ende den Bockmist verantworten muss dann doch der disziplinarische Vorgesetzte.
> Hat sich das auch finanziell gelohnt? Vielleicht hab ich schlecht verhandelt .. oder einfach Pech mit der wirtschaftlich angeschlagenen Ziel-Abteilung gemacht, aber: Es gab dadurch keine großen finanziellen sprünge. Ich bin damals keine Tarifstufe aufgestiegen oder gar in AT gewechselt. > Dann macht das Ganze auch durchaus Spaß Funktioniert wohl am besten, wenn ein Entwickler zum Anwender wird. Er sieht die verkauften Produkte (z.b. Bauteile) aus Kundensicht - er entwickelt keine Bauteile selbst. Produktmanager müssen vorallem ihr Produkt und den Markt drumherum verstehen. Ein Hardware-Entwickler könnte z.B. ein gute Produktmanager für Trafos oder CAD-Software werden. Ein erfahrener Anlagen-Inbetriebnehmer ein guter Produktmanager für Elektronik, die in genau solche Anlagen verkauft wird. Jedoch ein Entwickler, der in Zukunft Produktmanager für Produkte ist ähnlich zu seinen eigenen Entwicklungen, hat 2 große Schritte vor sich: - Entwickler war mal - Spaß an "Mädchen für alles" finden - Markt verstehen, damit man drauf kommt, was unsere Produkte besser/schlechter als andere können
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