Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Welche Ursache passt zu diesem Schadensbild. Spannungsüberschlag an C


von Martin S. (m-a-r-t-i-n)


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Von einem Kunden habe ich eine Elektronik zurückerhalten. Diese hat 
angeblich direkt beim ersten Einbau keine Funktion.

2-Leiter-Gerät 4-20mA, 24V Versorgung.
Parallel zu den Anschlussklemmen (24V) liegt ein 1nF (50V) Kondensator 
0603 und eine Supressordiode SMBJ28CA.
Dahinter dann in Serie eine stromkompensierte Drossel WE-SL1 mit 2x51µH 
(max 300mA).
Dahinter folgt die restliche Elektronik: XTR zur Stromregelung, 
Spannungsregler, µC usw.

Anbei ein Bild von dem Kondensator. Die Leiterbahn ist durchgeschmort.
Ich habe folgendes gemessen:
Kondensator ist einwandfrei, 1nF ist messbar.
Supressordiode ist einwandfrei, sie wird leitfähig ab ca. 32V
Stromkompensierte Drossel: ein Zweig (GND) ist unterbrochen, der andere 
hat normalen Durchgang.
Der µC hat auch irgendwas abbekommen und zeigt kein korrektes Verhalten 
mehr.

Diese Geräteserie hat damals den EMV Test problemlos bestanden. Keine 
Probleme bei Transienten 2,2kV sowie Surge 1kV (Über 0,5µF/40V 
Koppelnetzwerk) auf Versorgungsleitungen.

Warum hat die Supressordiode den Funkenüberschlag am C nicht verhindert?
Welche Spannung muss hier angelegen haben, damit sowas passiert?

von oszi40 (Gast)


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Martin S. schrieb:
> Stromkompensierte Drossel: ein Zweig (GND) ist unterbrochen

Masseproblem?

von Karl M. (Gast)


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Evtl. Flussmittel, dass über die Zeit, durch Wasser, leitend wurde.

Bei uns in HF Anwendungen nicht gerne gesehen.

Du könntest mal mit Aceton und einem Wattestäbchen eine Probe nehmen.

von Martin S. (m-a-r-t-i-n)


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Karl M. schrieb:
> Evtl. Flussmittel, dass über die Zeit, durch Wasser, leitend wurde.

Der Kunde hat diese Elektronik vor ca. 2 Monaten erhalten. Ging in den 
Süden, wo es eh warm ist.
Wenn das so wäre, würden 24V ausreichen für einen solchen Überschlag an 
einem 0603 Kondensator?

von dings (Gast)


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vlt hat dein Kondensator ein knacks. Vlt bilden die einzelnen schichten 
des Kondensator bei bestimmter mechanichen Belastung (Temperatur) einen 
kurzschluss. => Hoher Strom => Leiterbahn kaputt.

Oft sind bei Verwendung von MLCC zwei in reihe um einen kurtzschluss zu 
verhindern.

von jemand (Gast)


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Möglicherweise ein Problem beim Hot-Pluggen.

Um zu verifizieren, ob du so ein Problem hast:
Oszi an den 1nF dran, und mit langer Versorgungsleitung ans 
eingeschaltete Netzteil anstecken. Das Netzteil muss dabei an sein 
(Wichtig).

Dabei fließt ein dicker Batzen Strom. Hundet Ampere habe ich schon 
gesehen, bei 24V. Umladeströme Kapazitäten...

Mit den ganzen Induktivitäten (Streuinduktivität Gleichtaktdrossel, 
Kabel, und so weiter) können dann Spannungsspitzen auftreten. Die können 
einen kleinen Kerko schon mal überfordern.

Können, nicht müssen.
Daher messen.

Ist nur EIN mögliches Problem.

von Andreas S. (Firma: Schweigstill IT) (schweigstill) Benutzerseite


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Karl M. schrieb:
> Evtl. Flussmittel, dass über die Zeit, durch Wasser, leitend wurde.

Man sieht ziemlich deutlich, dass der Kondensator geklebt wurde. Bei der 
roten Pampe handelt es sich also nicht um Flussmittelreste. Und in den 
Lötstoppmaskenaussparungen rund um die Pads ist auch kein Flussmittel zu 
erkennen. Es ist auch ein riesiger Unterschied, ob durch Rückstände 
irgendeine Oszillator oder hochohmiger Spannungsteiler verstimmt wird 
oder ein so großer Strom fließt, dass die Leiterbahn weggesprengt wird. 
Da die Leiterplatte und der Lötstopplack nicht verfärbt sind, gab es 
auch keine lange andauernde Erwärmung der Stele, sondern eher einen 
Kurzschluss.

Möglicherweise hat der Kondensator einen Riss, durch den benachbarte 
Schichten kurzgeschlossen wurden. Dieser Kurzschluss wurde anschließend 
(zusammen mit der Leiterbahn) gleich wieder weggebrannt. Eventuell 
zerbröselt der Kondensator, wenn man versucht, ihn auszulöten.

von Olaf (Gast)


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> Diese hat angeblich direkt beim ersten Einbau keine Funktion.

Das sagen sie immer. Hat bestimmt der Elektriker versehentlich fuer 1s 
an 230V angeschlossen.

Olaf

von Martin S. (m-a-r-t-i-n)


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Andreas S. schrieb:
> Möglicherweise hat der Kondensator einen Riss, durch den benachbarte
> Schichten kurzgeschlossen wurden.

Wenn ich mein C-Messgerät dran halte (brauche ihn dazu nicht mal 
auszulöten) messe ich exakt 1nF.
Wenn ich eine Spannung von 30V an den Kondensator anlege, fließt kein 
Strom.
Ich kann mit den Prüfspitzen auch etwas am C herumdrücken, ohne einen 
Stromfluss zu erzeugen.

von Martin S. (m-a-r-t-i-n)


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Olaf schrieb:
> Das sagen sie immer. Hat bestimmt der Elektriker versehentlich fuer 1s
> an 230V angeschlossen.

Danke, genau das wollte ich hören.
Spricht da etwas dagegen, dass es so gewesen sein könnte?

von jemand (Gast)


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Martin S. schrieb:
> Olaf schrieb:
>> Das sagen sie immer. Hat bestimmt der Elektriker versehentlich fuer 1s
>> an 230V angeschlossen.
>
> Danke, genau das wollte ich hören.
> Spricht da etwas dagegen, dass es so gewesen sein könnte?

Wenn deine Transzorbdiode noch lebt, ja.
Denn die müsste einen Abflug gemacht haben.

von äxl (Gast)


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Das sieht nicht nach Durchgeschmort, sondern nach weggegammelt aus.
Ich hatte schwimmende Solarlichter, die sahen auch so aus. An der 
Plus-Seite war alles weggegammelt. Auch mit solchen "galvanischen 
Ablagerungskrümelchen"

von Martin S. (m-a-r-t-i-n)


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jemand schrieb:
> Denn die müsste einen Abflug gemacht haben.

Sicher? Die Diode kann kurzzeitig 600W aufnehmen. Die Spannung (Vcl) 
wird auf max 59V begrenzt und es kann durch die Diode ein Strom von bis 
zu 68A fließen.
Da sollte doch irgendein Leitungsschutzschalter vom Kunden recht schnell 
abschalten.

von P. S. (namnyef)


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Martin S. schrieb:
> Karl M. schrieb:
>> Evtl. Flussmittel, dass über die Zeit, durch Wasser, leitend wurde.
>
> Der Kunde hat diese Elektronik vor ca. 2 Monaten erhalten. Ging in den
> Süden, wo es eh warm ist.
> Wenn das so wäre, würden 24V ausreichen für einen solchen Überschlag an
> einem 0603 Kondensator?

Bei entsprechender Flussmittelverunreinigung kann man den 
"Leiterbahnen", die sich dann bilden, beim wachsen zusehen. Das geht 
innerhalb von Sekunden.

von Sven D. (Gast)


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Martin S. schrieb:
> es kann durch die Diode ein Strom von bis
> zu 68A fließen.

Aber nicht durch die Kupferbahn. Die dürfte das schwächste Glied in der 
Kette sein und kan deswegen weggebrannt sein.

von Volker S. (sjv)


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oszi40 schrieb:
> Martin S. schrieb:
>> Stromkompensierte Drossel: ein Zweig (GND) ist unterbrochen
>
> Masseproblem?

Ist auch meine Vermutung.
Ist an der Karte ein externer Sensor angeschlossen?
Wenn ja, 24V Erdschluß in der Anlage und die Masse brennt weg!

von Nischt (Gast)


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oszi40 schrieb:
> Masseproblem?

eher unwahrscheinlich, denn das kurze Stück welches weggebrannt ist geht 
nur zum Kondensator, also ist der Strom auch nur durch den Kondensator 
geflossen.
Ich gehe aber davon aus, dass unter dem Kondensator auch keine 
Durchkontaktierung vorhanden ist. Den Kondensator vorsichtig ablöten und 
drunterschauen ob auch keine leitende Verunreinigung vorhanden war, kann 
auch nicht schaden.

von Michael B. (laberkopp)


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Martin S. schrieb:
> Warum hat die Supressordiode den Funkenüberschlag am C nicht verhindert?

Ich glaube nicht, daß es einen Funkenüberschlag von einem Pad zum 
anderen Pad des C gegeben hat.

Sondern nur von einer Schicht im C zur anderen Schicht, und das 
passiert, wenn der C beim Einlöten solchem Stress ausgesetzt war, daß 
das Keramikmaterial einen Riss bekam.

Auch schon bei Spannungen die die Suppressordiode noch erlaubt.

von Martin S. (m-a-r-t-i-n)


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Volker S. schrieb:
> Ist an der Karte ein externer Sensor angeschlossen?

Ja, es gibt einen Sensor, der bei Auslieferung bereits an einem 
Metallteil des Geräte montiert ist. Der Sensor ist komplett vergossen. 
Isolation wird vor Auslieferung mit 1000V zur Masse geprüft. Der Kunde 
hat mit diesem Sensor nichts zu tun, er ist werksseitig vorverdrahtet.
Die Versorgungsmasse hat in dem Gerät keine Verbindung mit der 
Anlagenmasse, auch keine Kondensatoren gegen das Gehäuse. Was der Kunde 
außen macht, wissen wir nicht.
Und wie schon gesagt: warum brennt die Leiterbahn am C weg? Das liegt 
nicht auf dem Weg den der Strom auf dem GND nehmen würde.

von Dieter (Gast)


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Vermutlich Kurzschluss durch ein Messgeraet. Es gibt Spezialelektroden 
aus weichem Material, das grossflaechig auf SMD-Kontakten aufliegt. Da 
sieht man nichts, wenn einem so ein Missgeschick passiert.

von Sven S. (schrecklicher_sven)


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Martin S. schrieb:
> Die Leiterbahn ist durchgeschmort.

Da ist nichts durchgeschmort.
Keine Brandspuren, kein Schmauch.
Auch keine Überspannung oder dergleichen.
Allerdings muß über den Kondensator ein ordentlicher HF-Strom geflossen 
sein. Soviel, daß der C so heiß wurde, daß das Lötzinn geschmolzen ist. 
Oder die Lötstelle hatte einen erhöhten Übergangswiderstand, was mit dem 
zu großen Klebebatzen zusammenhängen könnte. Oder beides zusammen. Und 
dann hat das flüssige Lot das Kupfer absorbiert.

von Qualikontroller (Gast)


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Einfach mal in der jedes Produktionslos begleitenden Doku nachschauen: 
da stellt sich dann anhand der für jedes Exemplar PCB geknipsten und 
archivierten Fotos heraus dass ausgerechnet dieser Print bei genau 
dieser Leiterbahn einen Belichtungs/Ätzfehler hat der eine 
einschneidende Querschnittsverengung war.
Da hat dann der Nennstrom gereicht um ein "Brandlöchle" zu verursachen.

Ach so: da wird keine rückverfolgbare Qualitätssicherung betrieben...
Weiss das der Kunde?

von Qualikontroller (Gast)


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Martin S. schrieb:
> Karl M. schrieb:
>> Evtl. Flussmittel, dass über die Zeit, durch Wasser, leitend wurde.
>
> Der Kunde hat diese Elektronik vor ca. 2 Monaten erhalten. Ging in den
> Süden, wo es eh warm ist.

Süden ja...
Bayern?
Mittelmeer?

Frühlingsniederschläge + Wärme?
Salz(ionen)haltige Meeresluft?

Tropen?

Südhemisphäre?

Antarktis?


Ok ich beherrsche mich und lass den Freitag wem Freitag gebührt!

von Gerd E. (robberknight)


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Martin S. schrieb:
> jemand schrieb:
>> Denn die müsste einen Abflug gemacht haben.
>
> Sicher? Die Diode kann kurzzeitig 600W aufnehmen. Die Spannung (Vcl)
> wird auf max 59V begrenzt und es kann durch die Diode ein Strom von bis
> zu 68A fließen.
> Da sollte doch irgendein Leitungsschutzschalter vom Kunden recht schnell
> abschalten.

Nein, der LSS braucht Millisekunden zum Abschalten. Bis dahin ist die 
Diode zusammen mit den zu ihr führenden Leiterbahnen schon verdampft. 
Die 600W sind nur im µs-Bereich möglich, z.B. 8/20µs-Impuls.

Ich tippe auch eher auf einen Schaden im Kondensator. Vom Foto her sieht 
es mir so aus, als wäre der zwischen THT-Befestigungslöchern von einem 
Stecker. Wenn da beim Stecken die Platine etwas mechanisch verspannt 
wird, kann es den Kerko intern beschädigen. Normale Kerkos sind dafür 
recht empfindlich.

Es gibt spezielle Kerkos mit flexibel gepufferten Endkappen für solche 
Stellen. Ansonsten Kerkos von Platinenecken mit mechanischer Verspannung 
unbedingt fernhalten. Also vor allem der Bereich um Befestigungslöcher 
und Stecker.

: Bearbeitet durch User
von oszi40 (Gast)


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Gerd E. schrieb:
> kann es den Kerko intern beschädigen

Nach der Messung war der C aber ok, nur die

Martin S. schrieb:
> Stromkompensierte Drossel: ein Zweig (GND) ist unterbrochen

Schaltung=?

von Joe F. (easylife)


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Was befindet sich denn über dem Kondensator (also in Z-Richtung, 
oberhalb der Leiterplatte)?
Kann es sein, dass von dort etwas den Kondensator berührt hat oder es 
einen Überschlag gab?
Das wäre zumindest eine Erklärung dafür, dass der Strom zwar eine 
Leiterbahn zum Kondensator zerstört hat, der Kondensator aber offenbar 
intakt geblieben ist.
Oder geht auf einer Innenlage ein Trace direkt unter dem Kondensator 
durch?
Viele PCBs haben ja nur 0.1mm (und bei entsprechendem Verpressdruck auch 
mal weniger) zwischen Aussenlage und 1. Innenlage, was auch nur eine 
begrenzte Spannungsfestigkeit darstellt.

: Bearbeitet durch User
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