Forum: Mikrocontroller und Digitale Elektronik Aufbau einer Industrieanlage


von Michael P. (freakonaleash121)


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Hallo zusammen,

Ich mache derzeit ein Studium im Bereich Werkstoffswissenschaften und 
interessiere mich nebenbei auch sehr für Automatisierungstechnik. Ich 
habe vor kurzem ein Praktikum in einer Firma gemacht, wo mit einer 
Anlage gearbeitet wurde, welche Bauteile über ein Kamerasystem erkannt 
und mittels Greifer  (pneumatisch gesteuert) in unterschiedliche 
Behälter sortiert hat. Der Greifer hing an einem magnetisch 
angetriebenen Achsensystem (x, y, z-achse).
Ich würde nun gerne wissen, wie eine solche Maschine prinzipiell 
aufgebaut ist.
Das ist natürlich eine sehr allgemeine Frage, daher noch einige 
Erläuterungen, worum es mir speziell geht.
Ich weiß zum Beispiel wie ein Mikrokontroller funktioniert. Man hat 
einen kleinen Controller mit Ein und Ausgängen und mit dem Computer kann 
man per USB ein Programm drauf spielen, welches sagt, was der Controller 
machen soll.
Ich vermute mal, dass in einer größeren Anlage kein Mikrocontroller zur 
zentralen Steuerung verbaut ist, oder?
Was ich nun von der Industrieanlage sicher weiß, dass da ein Computer 
mit Linuxsystem verbaut ist, auf welchem eine Software installiert ist, 
über welche man verschiedene Parameter einstellen konnte (zB 
achsengeschwindigkeit). Ich vermute mal, dass dieser "normale" Computer 
das Äquivalent zum Mikrokontroller ist, kann das sein? Aber wie wird von 
so einem Computer das achsensystem angesprochen bzw. hardwaretechnisch 
verbunden? Ich denke mal, dass man da nicht einfach die achse mit USB 
verbinden kann....
Außerdem weiß ich, dass sämtliche aktoren und Sensoren über ein CanBus 
kommunizieren. Aber auch da die Frage: woher wissen die Sensoren, dass 
sie in einem canbus Netz sind? Muss da jeder Sensor schon darauf 
ausgelegt sein und schon seinen eigenen kleinen Controller zur 
Kommunikation besitzen?

Also um das zusammenzufassen: was bräuchte ich grundlegend, um so eine 
Maschine zu bauen (neben dem Linux Computer(mit selbst programmierter 
Software) und den Sensoren und aktoren (wie z.B. Die Achsen)?

Mir ist klar, dass ich sowas nicht selbst bauen kann, da normalerweise 
mehrere Teams daran arbeiten. Ich möchte nur wissen, was dazu nötig wäre 
(hardware), rein aus Interesse. Ich programmiere privat gelegentlich 
Software (Qt, c++) und vermute, dass auch die maschinensoftware mit c++ 
programmiert wurde. Mir würde da komplett der Ansatz fehlen, z.B. eine 
Achsensteuerung zu programmieren....

Vielen Dank

Grüße

: Bearbeitet durch User
von Pandur S. (jetztnicht)


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Nun. PC's dienen der Parametrisierung und Visualisierung von Prozessen. 
Aber eine Anlage steuert man damit nicht. Weil sie schlicht nicht die 
Zuverlaessigkeit und das Zeitverhalten bringen. Bei jedem Prozessschritt 
muss man sich ueberlegen, was waere wenn...

Was oft verwendet wird sind SPS, Speicher Programmierbare Steuerungen. 
Viele lassen sich sogar waehrend des Betriebes neu programmieren.

Eine Sprache besagt gar nichts. Ausser dass welche die Zuverlaessigkeit 
untergraben. Meiner Meinung nach geht ohne stark typisierte Sprache gar 
nichts. Also mit Typen- und Variablendeklaration.

Praktische Features wie eine Variable existiert wenn ich sie benutze ist 
Quatsch. Dann sind eben

MeineVariable & MeineVaiable nicht dasselbe, es wird mir aber nicht 
gesagt, und ich kann tagelang suchen, oder glauben es sei schon gut so.

: Bearbeitet durch User
von John Doe (Gast)


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Joggel E. schrieb:
> Nun. PC's dienen der Parametrisierung und Visualisierung von Prozessen.
> Aber eine Anlage steuert man damit nicht. Weil sie schlicht nicht die
> Zuverlaessigkeit und das Zeitverhalten bringen. Bei jedem Prozessschritt
> muss man sich ueberlegen, was waere wenn...


Ist doch Bullshit. Schau einfach mal auf die Seiten von Festo & Co.
Nennt sich bei denen dann Industrie-PC oder embedded PC.
Codesys gibt es auch als Soft-SPS für eben jene Industrie-/embedded PC.

von oszi40 (Gast)


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Joggel E. schrieb:
> Zuverlaessigkeit

Nicht jede Erfindung verträgt die böse Umgebung in einer Werkhalle.
Schwingungen, EMV? https://www.mikrocontroller.net/articles/EMV

von Michael P. (freakonaleash121)


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OK vielen Dank erstmal. SPS habe ich nun in diesem Zusammenhang schon 
öfter gelesen.
Was ich allerdings interessant finde: über die linux-software kann man 
die Anlage auch manuell steuern. D.h. über einen joystick alle Achsen 
manuell verfahren, sofern die Anlage nicht im Produktionsbetrieb ist. 
Wird dann von der linux-software der Befehl zur sps geschickt und dort 
weiter verarbeitet?

Ich habe unter sps immer so verstanden, dass da "einfach" die Abläufe 
einprogrammiert werden. D.h. z.B. "verfahre achse x an POS 1 -> prüfe ob 
achse x an POS 1 ist-> greifen auf -> prüfe ob Greifer geöffnet ist -> 
usw.

von Michael P. (freakonaleash121)


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John Doe schrieb:
> Nennt sich bei denen dann Industrie-PC oder embedded PC.
> Codesys gibt es auch als Soft-SPS für eben jene Industrie-/embedded PC.

Tatsächlich. Die Dinger sehen sehr ähnlich aus zu dem System aus der 
Maschine. Vermute das wird sowas sein.

OK nochmal zur Eingangsfrage: auch diese Systeme habe ja eher 
konventionelle Anschlüsse. Wie werden darüber jetzt die ganzen Sensoren 
und aktoren angesprochen? So ne achse kann man doch nicht einfach mit 
USB oder rs32 anschließen oder?

von Dergute W. (derguteweka)


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Moin,

Michael P. schrieb:
> Wie werden darüber jetzt die ganzen Sensoren
> und aktoren angesprochen?
Du hast doch selber den Namen CAN-Bus in die Runde geworfen.

Michael P. schrieb:
> So ne achse kann man doch nicht einfach mit
> USB oder rs32 anschließen oder?
Wieso denn nicht, wenns sein muss?

Gruss
WK

von Michael P. (freakonaleash121)


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Dergute W. schrieb:
> Moin,
>
> Michael P. schrieb:
> Wie werden darüber jetzt die ganzen Sensoren
> und aktoren angesprochen?
>
> Du hast doch selber den Namen CAN-Bus in die Runde geworfen.
>

Ja, in der Theorie verstehe ich das. Aber wie dort sowas in der Praxis 
aus? Woher wissen die aktoren und Sensoren, dass sie in einem canbus 
Netzwerk sind? Müssen die schon vorkonfiguriert sein? Oder muss man dass 
in der Software, die für das embedded System programmiert wird, selbst 
implrmentieren?

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


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Joggel E. schrieb:
> Nun. PC's dienen der Parametrisierung und Visualisierung von Prozessen.
> Aber eine Anlage steuert man damit nicht.
Man kann auch mit PCs Echtzeit mit weniger als 50us Jitter und 
Zykluszeiten unter 1ms hinbekommen. Man darf nur nicht irgendein OS aus 
der Mediamarkt-Theke einsetzen. Da muss man schon ein wenig mehr 
Gehirnschmalz reinstecken. Ich würde da mal bei Beckhoff anfragen...

Michael P. schrieb:
> So ne achse kann man doch nicht einfach mit USB
USB macht in der Industrie keiner. Auf jeden Fall keiner, der mal mit 
USB im EMV Labor war und gesehen hat, dass der aussteigt, weit vor 
irgendwas anderes irgendwelche Regungen zeigt.
> oder rs32 anschließen
Kann man, aber das ist Technik aus dem letzten Jahrtausend. Genau wie 
CAN. Heute nimmt man Ethernet-basierte Busse: EtherCAT, PROFINET, SERCOS 
III...

Michael P. schrieb:
> Woher wissen die aktoren und Sensoren, dass sie in einem canbus Netzwerk
> sind?
Sie haben eine CAN-Bus-Schnittstelle. Wenn darauf passender Traffic ist, 
dann tun sie was ihr Datenblatt verspricht.
> Müssen die schon vorkonfiguriert sein?
Kann sein. Kann aber auch sein, dass man sie am Bus konfigurieren kann. 
Das Datenblatt sagt mehr dazu.
> Oder muss man dass in der Software, die für das embedded System
> programmiert wird, selbst implrmentieren?
Ja, wenn du die Software komplett selber schreibst, dann musst du das. 
Oder du kaufst eine Bibliothek und bindest sie dann ein. Oder du kaust 
eine SPS, die schon Module zur Ansteuerung der Teilnehmer hat. Oder, 
oder, oder...

Du solltest vermutlich einfach mal (irgend) ein Buch über 
Automatisierungstechnik zur Hand nehmen.

: Bearbeitet durch Moderator
von Pandur S. (jetztnicht)


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> So ne achse kann man doch nicht einfach mit USB oder rs32 anschließen oder?


Nun, USB eher nicht. USB ist nur bis 5m max spezifiziert, und somit nur 
Office und Labor tauglich. Anstelle von RS232 bevorzugt man RS485, wel 
das wenier stoerungsempfindlich ist. Es gibt aber Umsetzer von RS232 
nach RS485

von Stefan H. (Firma: dm2sh) (stefan_helmert)


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Joggel E. schrieb:
> Nun. PC's dienen der Parametrisierung und Visualisierung von Prozessen.
> Aber eine Anlage steuert man damit nicht.

Ich habe auch schon eine CNC mit PentiumII und Echtzeit-Windows98 für 
die Steuerung gesehen.

von Egon D. (Gast)


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John Doe schrieb:

> Codesys gibt es auch als Soft-SPS für eben jene
> Industrie-/embedded PC.

Es GIBT auch Wasserwerke und Heizkraftwerke, die man
über das Internet sabotieren kann, weil niemand das
Standard-Passwort (!) geändert hat.

Nur weil irgend etwas verkauft wird, heisst das noch
nicht, dass es technisch sinnvoll ist.

von Egon D. (Gast)


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Stefan H. schrieb:

> Joggel E. schrieb:
>> Nun. PC's dienen der Parametrisierung und Visualisierung
>> von Prozessen. Aber eine Anlage steuert man damit nicht.
>
> Ich habe auch schon eine CNC mit PentiumII und
> Echtzeit-Windows98 für die Steuerung gesehen.

Nicht alles, was technisch MÖGLICH ist, ist auch technisch
SINNVOLL.

Eine ganz alte Generation spezieller Partikelmessgeräte
verwendete ein Einschubsystem, an das ein PC mit RS232
angeschlossen war.
Jahre später wurde der Nachfolger als ISA-Steckkarte auf
den Markt gebracht.

Frage: Welche Geräte sind heutzutage schrottreif, und
welche könnte man weiterhin betreiben?

von Egon D. (Gast)


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Michael P. schrieb:

> Ja, in der Theorie verstehe ich das. Aber wie dort sowas
> in der Praxis aus? Woher wissen die aktoren und Sensoren,
> dass sie in einem canbus Netzwerk sind? Müssen die schon
> vorkonfiguriert sein? Oder muss man dass in der Software,
> die für das embedded System programmiert wird, selbst
> implrmentieren?

Löse Dich erstmal grundsätzlich von der Vorstellung,
Prozessautomatisierung habe prinzipiell etwas mit
Computern zu tun. (Es ist eher umgekehrt: Computer haben
mit der Automatisierung arithmetischer und logischer
Operationen zu tun.) Die alten Druckluftklaviere und
Musikautomaten sind hervorragende Beispiele, dass sehr
komplexe Abläufe völlig ohne Computer beherrschbar sind.
Als es noch keine Mikrocontroller gab, hat man seine
Fertigung mit Relaisschaltungen, Kugelschrittschaltwerken,
Nockensteuerungen oder DRELOBA-Bausteinen automatisiert.

Weiter: Einige Sensoren sind ANALOGE Messwandler.
Es ist (im Gegensatz zur Behauptung in der Wikipädie)
nicht einmal zwingend notwendig, dass ein Sensor ein
ELEKTRISCHES Ausgangssignal liefert; ein Sensor soll
die interessierende Größe lediglich in eine besser
übertragbare und verarbeitbare Größe umwandeln. (Das
kann im Einzelfall auch eine Länge oder ein Druck sein.)

Manche Sensoren liefern natürlich von Hause aus bereits
("nahezu") digitale Signale (Endlagenschalter, viele
Lichtschranken).

Praktisch alle Prozesssteuerung sind heutzutage digital,
daher muss ein analoges Sensorsignal erstmal digitalisiert
werden, ehe es in der Steuerung verarbeitet werden kann.
Das kann in der Steuerung selbst erfolgen, in Buskopplern
oder unmittelbar im Sensorgehäuse.

Wieviele Hardware-"schichten" ein Steuerungssystem hat,
hängt ganz grob von der Größe der Anlage ab. Sehr kleine
Anlagen kommen mit einer einzigen zentralen SPS aus, die
alle notwendigen analogen und digitalen Schnittstellen hat.
Diese Konfiguration ist strukturell einfach, hat aber den
Nachteil des großen Verkabelungsaufwandes.

Größere Anlagen verwenden für die Kopplung von Sensoren
und Aktoren an die zentrale SPS Feldbussysteme. Hier müssen
die Sensoren und Aktoren nur mit den Buskopplern verbunden
werden; die Datenübertragung zur SPS erfolgt gemeinsam über
den Feldbus.
Noch größere Fertigungslinien können aus mehreren Stationen
aufgebaut werden, die jeweils eine eigene SPS haben.
Über allem thront dann ein Prozessleitsystem aus PCs, die
alle möglichen Sachen aus den SPS abfragen und u.U. auch
aktiv in bestimmte Abläufe eingreifen können.


Um also Deine Fragen konkret zu beantworten: Ein Sensor muss
nicht "wissen", dass er in einem CAN steckt -- entweder, er
hat sowieso nur eine CAN-Schnittstelle, dann ist sowieso klar,
was für ein Netzwerk vorliegt, oder der Sensor ist an einen
Buskoppler angeschlossen, dann interessiert den Sensor nicht
die Bohne, auf welchem Weg sein Signal zur zentralen Steuerung
übertragen wird.
Es ist vielmehr so, dass die STEUERUNG wissen muss, welcher
Sensor sich hinter einem bestimmten Busteilnehmer verbirgt.

Alles, was Busschnittstellen hat, kann in der Regel vom
Anwender konfiguriert werden; mit den Details kenne ich mich
aber nicht aus. -- Bei kleineren Anlagen scheinen mir Sensoren
mit Busschnittstelle nicht die Regel zu sein; ich kenne dort
nur Standardsensoren mit Buskoppler.

Und nein -- niemand muss in einer SPS "Sensoren selbst
implementieren". Ein digitaler Sensor (Schalter) erzeugt in
der SPS einen Wahrheitswert (0 oder 1); Details der Hardware
spielen keine Rolle. Analoge Sensoren haben entweder eine
Normsignalschnittstelle (0-10V, 0-20mA) oder eben nicht; in
beiden Fällen muss die SPS nur wissen, welcher Wert der
Messgröße welchem Eingabewert entspricht.

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