Forum: Mikrocontroller und Digitale Elektronik Junction-to-Case


von Martin (Gast)


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Hallo,

mir bereitet die Junction-to-Case Angabe im Datenblatt 
Verständnissprobleme:
Wenn ich einen Prozessor mit einem Wärmewiderstand R_JC von 5 °C/W habe 
und der Prozessor 1W aufnimmt und im Prozessor 80°C gemessen werden, 
sollte ich dann nicht auf dem Gehäuse ohne Kühlkörper 75°C messen 
können?

Allerdings gibt es in dem Datenblatt bzgl. R_JC den Hinweis: cold plate 
MIL SPEC-883 Method 1012.1.

Heißt das die 5 °C/W gelten nur bei Verwendung eines Kühlkörpers?

Viele Grüße und Danke
Martin

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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Martin schrieb:
> Heißt das die 5 °C/W gelten nur bei Verwendung eines Kühlkörpers?

Streng genommen gelten sie erstmal nur für genau die genannte 
Messmethode. Außerdem ist mit "Case" hier natürlich der Übergang vom IC 
zum Kühlkörper genannt, nicht etwa die Oberfläche des Kühlkörpers.

Die Idee mit diesen thermischen Widerständen ist, dass du einfach Rthjc 
+ Rth des Kühlkörpers addieren kannst, dann weißt du, bei welcher 
Verlustleistung welche Temperaturdifferenz zur Umgebung auftritt. Dass 
das insgesamt eine vereinfachte Rechnung ist, die ein paar (nicht so 
schön lineare) Randbedingungen weglässt, ist klar, aber es genügt in der 
Praxis für vieles.

von Martin (Gast)


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Ok, danke schon mal!
Aber dieser Rthjc Wert ist für die (vereinfachte) Kühlköperberechnungen 
besser als beispielsweise selbst gemessene Werte, oder?
In meinem Fall messe statt der erwarteten 5°C Differenz für 1W, zwischen 
dem internen und externen (auf das Gehäuse geklebten) Temperatursensor 
eine Differenz von 25°C ohne Kühlkörper.

von Thomas (Gast)


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Martin schrieb:
> Ok, danke schon mal!
> Aber dieser Rthjc Wert ist für die (vereinfachte) Kühlköperberechnungen
> besser als beispielsweise selbst gemessene Werte, oder?
> In meinem Fall messe statt der erwarteten 5°C Differenz für 1W, zwischen
> dem internen und externen (auf das Gehäuse geklebten) Temperatursensor
> eine Differenz von 25°C ohne Kühlkörper.

Das hängt von 2 Dingen ab.
Kannst du mit deinem Messverfahren denn besser messen als der 
Hersteller?
Kannst du die Temperatur am Die überhaupt bestimmen? D.h. weißt du was 
genau der interne Temperatursensor misst, wo er sich befindet im Bezug 
auf die Hitzespots am Silizium, ob der Punkt an dem er misst genau die 
Durchschnittstemperatur darstellt und wie genau der getrimmt wurde?

Ich tippe bei beiden Fragen auf nein.

von Manfred (Gast)


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Martin schrieb:
> In meinem Fall messe statt der erwarteten 5°C Differenz für 1W, zwischen
> dem internen und externen (auf das Gehäuse geklebten) Temperatursensor
> eine Differenz von 25°C ohne Kühlkörper.

Dann schaue mal, ob es im Datenblatt einen Wert "Junction to ambient" 
gibt.

von Martin (Gast)


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Ja,

Junction to Ambient ist mit knapp 25°C angegeben. Klar meine Messung 
entspricht nicht der des Herstellers und wo der interne Sensor im 
Package sitzt ist mir auch nicht bekannt.
Leider habe ich es dennoch noch nicht ganz verstanden bzw. irgendetwas 
passt nicht ganz:
Ich habe jetzt mal meinen Temperatursensor zwischen Prozessor und 
Kühlkörper in die Wärmeleitpaste geklemmt und erhalte folgende Messung:
Prozessor intern: 80°C
Temperatursensor in Paste: 55°C
Kühlkörper: 53°C
Umgebung: 22°C

Berechnen würde ich:
T_amb+Q*(R_thcool+R_thpaste+R_thjc)=T_j
22°C+1W*(23°C/W+1,25°C/W+5°C/W)=51,25°C

Oder ist es normal, dass die Rechnung aufgrund der Vereinfachungen fast 
30°C abweicht?

Danke!

von Hp M. (nachtmix)


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Martin schrieb:
> Wenn ich einen Prozessor mit einem Wärmewiderstand R_JC von 5 °C/W habe
> und der Prozessor 1W aufnimmt und im Prozessor 80°C gemessen werden,
> sollte ich dann nicht auf dem Gehäuse ohne Kühlkörper 75°C messen
> können?

Aber nur, wenn du statische Verhältnisse hast, die Temperatur sich also 
nicht mehr ändert.
Ausserdem wird die Gehäusetemperatur an einer definierten Stelle 
gemessen, die in den Herstellerunterlagen zu finden ist.

Vorsicht auch bei der Verwendung von IR-Strahlungsthermometern!
Bei metallischen Oberflächen zeigen diese Dinger regelmäßig deutlich zu 
wenig an.
Abhilfe schafft z.B. ein Stück Tesafilm, das man auf die zu messende 
Fläche aufklebt.  Damit kommt dann der Emissionskoeffizient der 
Oberfläche wieder in die Nähe des voreingestellten Wertes.



Martin schrieb:
> Ich habe jetzt mal meinen Temperatursensor zwischen Prozessor und
> Kühlkörper in die Wärmeleitpaste geklemmt und erhalte folgende Messung:
> Prozessor intern: 80°C
> Temperatursensor in Paste: 55°C
> Kühlkörper: 53°C
> Umgebung: 22°C

Bei welcher elektrischen Leistung?

Ausserdem solltest du mal die Genauigkeit der internen Temperaturmessung 
überprüfen und ggfs kalibrieren.
Z.B indem du den Prozessor ohne nennenswerte Leistungsaufnahme in ein 
temperiertes Ölbad hängst und bei mindestens zwei verschiedenen 
Temperaturen seine eigene Temperaturanzeige mit dem "wahren" Wert 
vergleichst.

von Irgend W. (Firma: egal) (irgendwer)


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Martin schrieb:
> Temperatursensor in Paste: 55°C

Mal die doofe Frage. Du hast die Paste aber schon nur ganz hauch dünn 
aufgetragen?
Oder was ist das für ein Temperatursensor den nur eine paar µ dick ist 
und noch dazu sehr gut Wärmleitende ist?

von Antoni Stolenkov (Gast)


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Martin schrieb:
> Ich habe jetzt mal meinen Temperatursensor zwischen Prozessor und
> Kühlkörper in die Wärmeleitpaste geklemmt

Du hast R_thpaste erhöht, der idealerweise gegen Null geht, und Deine 
Messung verfälscht.

Martin schrieb:
> R_thpaste (=1,25°C/W)

Woher hast Du DAS überhaupt???

Dehr Kühlkörper muß LÜCKENLOS auf dem Prozessor aufliegen. Die Paste 
dient nur dazu Unebenheiten auszugleichen. Auch der winzigste Luft- oder 
"Pastenspalt" ist kontraproduktiv.

von Antoni Stolenkov (Gast)


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Hp M. schrieb:
> Aber nur, wenn du statische Verhältnisse hast, die Temperatur sich also
> nicht mehr ändert.

Man kann behelfsmäßig einen "Wärmekondensator" zwischen R_thcase und 
T_amb schalten. Die Wärmekapazität hängt von Gewicht und Material des 
Kühlkörpers ab.

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