Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Rauschbandbreite Oszilloskop


von SGE (Gast)


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Hallo zusammen,

ich habe ein Frage bezüglich der Rauschbandbreite eines Oszilloskops.
Es geht darum den Effektivwert der Rauschspannung, den der 
Eingangswiderstands eines Oszis erzeugt zu berechnen.
Formel:
U_rausch = Wurzel(4*k_b*T*R*B)
Die Bandbreite des Oszis ist 200 MHz. Die Info die ich bekommen habe 
ist, das B um pi/2 größer ist als die Bandbreite des Oszis. 200 MHz 
bezeichnet wohl die -3dB Bandbreite und nicht die Rauschbandbreite.
Kann mir jemand den Unterschied erklären und wie der Faktor pi/2 
zustande kommt?

Viele Grüße

: Verschoben durch Moderator
von Lass Glimmen (Gast)


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Das Rauschen eines Oszilloskopes ist natuerlich nicht das 
Widerstandsrauschen. Das waere der Fall, wenn es ohne weitergehende 
Elektronik ginge, mit virtuellen Verstaerkern und so.
Und da gibt es Hersteller, welche sich Muehe geben, wo das Thema 
Rauschen existiert, und andere, welche nur eine maximale Anzahl an 
qualitativ billigsten Teilen raushauen moechte.

von Achim S. (Gast)


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der Faktor pi/2 gilt für einen Tiefpass erster Ordnung (was für den 
Eingang eines Oszis wohl nur eine recht mäßige Näherung ist). Bei einem 
Tiefpass zweiter Ordnung würde z.B. der Faktor 1,22 gelten.

Der Faktor ergibt sich daraus, dass das Rauschen nicht bei der 
Eckfrequenz der Signalbandbreite plötzlich aufhört (der Tiefpass am 
Eingang ist kein ideales Rechteckfilter). Auch bei höheren Frequenz gibt 
es Rauschen, wobei dies um so stärker gedämpft wird, je höher die 
Rauschfrequenz über der Bandbreite des Oszis liegt.

Wenn man über diesen zunehmend gedämpften Anteil des Rauschspektrums mit 
integriert kommt man (bei TP erster Ordnung) auf den Faktor pi/2.

von Christian B. (casandro)


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Du könntest natürlich auch die experimentell bestimmen. Bei gegebenen 
Einstellungen machst Du eine Aufzeichnung damit, dann bestimmst Du von 
der gesamten Aufzeichnung den Effektivwert des Rauschens. Dann nimmst 
Du, zum Beispiel, sox her um einen nahezu perfekten Bandpassfilter zu 
simulieren und bestimmst den Effektivwert des Ergebnisses. Immer 
bedenken, dass die Rauschleistung proportional zur Bandbreite ist, und 
Du bekommst die effektive Rauschbandbreite des Oszis. (unter Annahme von 
weissem Rauschen)

Das thermische Rauschen nutzt Dir hier nichts, denn das Rauschen des 
Oszis ist vermutlich um Größenordnungen größer.

von Christoph db1uq K. (christoph_kessler)


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Für die übliche Absolut-Methode zur Bestimmung der Rauschzahl legt man 
weißes Rauschen bekannter (einstellbarer) Leistung an den Eingang an und 
misst die Eingangsleistung, bei der die Ausgangsleistung um 3 dB über 
das Grundrauschen ansteigt. Dann ist die eingespeiste Leistung gleich 
der Rauschleistung des Gerätes.
Leider sind absolute Rauschquellen selten. Es gab von Rohde & Schwarz 
eine mit Rauschröhre, die das konnte, das sind immer noch sehr gefragte 
Geräte unter Funkamateuren.

Die andere Methode ist die "heiß/kalt"-Messung. Dazu braucht man eine 
kalibrierte Rauschdiode, die meistens das Rauschen eines auf einer 
Temperatur von 10000K (?) befindlichen Widerstands simuliert. Diese 
Diode wird periodisch ein/ausgeschaltet und die Änderung der 
Ausgangsleistung des Gerätes gemessen und in eine Rauschzahl 
umgerechnet.

Die natürliche Rauschleistung bei Zimmertemperatur für eine Bandbreite 
von 1 Hz beträgt -174 dBm, zur Umrechnung in eine gesamte 
Eingangsleistung muss man die Rauschbandbreite wie eingangs gefragt 
wissen.

Wie Christian schon schrieb dürfte das Rauschen des Oszilloskops 
deutlich höher sein als die kleinen Feinheiten der Bandbreitebestimmung, 
an Fehlern verursachen - ich würde einfach die angegebene 3dB-Bandbreite 
annehmen.

Zum Vergleich: ältere Spektrumanalysatoren haben Rauschzahlen um 30dB, 
also das 1000-fache der Eingangsrauschleistung.

Ein Artikel zum Thema aus UKW-Berichte 3/1991, die englische Version von 
1992:
https://mirror.thelifeofkenneth.com/lib/electronics_archive/Absolute_Calibration_of_a_Noise_Source.pdf

: Bearbeitet durch User
von SGE (Gast)


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Achim S. schrieb:
> Wenn man über diesen zunehmend gedämpften Anteil des Rauschspektrums mit
> integriert kommt man (bei TP erster Ordnung) auf den Faktor pi/2.

Danke! Deine Antwort hat mir bisher am meisten geholfen. Hast du 
zufällig was parat, wo man sich dazu einlesen kann?

von Achim S. (Gast)


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SGE schrieb:
> Deine Antwort hat mir bisher am meisten geholfen.

Das hilft dir bei theoretischen Betrachtungen zur Berechnung von 
Rausch-Effektivwerte aus den Rauschspektren.

Wie die anderen schon geschrieben haben: das Rauschen des Oszis kommt 
primär aus anderen Quellen (nicht vom Eingangswiderstand). Und: der 
Eingangswiderstand des Oszis sieht zwar von außen aus wie 1MOhm || 20pF. 
D.h. von außen könnte man dort das entsprechende Rauschen messen. Aus 
Sicht des Oszi ist das aber ein Abgriff an einem Spannungteilernetzwerk. 
D.h. ins Oszi rein wirkt ein anderes Rauschspektrum als man von außen am 
Oszieingang messen würde.

SGE schrieb:
> Hast du
> zufällig was parat, wo man sich dazu einlesen kann?

siehe den Abschnitt "ENB Brick-Wall Equivalent" von 
http://www.ti.com/lit/an/slva043b/slva043b.pdf

von Hp M. (nachtmix)


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Achim S. schrieb:
> Wie die anderen schon geschrieben haben: das Rauschen des Oszis kommt
> primär aus anderen Quellen (nicht vom Eingangswiderstand).

Außerdem geht der Frequenzgang der Scopes gewöhnlich bis zu sehr tiefen 
Frequenzen oder gar DC.
Dann kommt als Rauschquelle noch eine andere Gemeinheit hinzu: 
https://de.wikipedia.org/wiki/1/f-Rauschen

Evtl. sogar noch Popcorn Noise.
https://en.wikipedia.org/wiki/Burst_noise

: Bearbeitet durch User
von Seb E. (ihreismaen)


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> Wie die anderen schon geschrieben haben: das Rauschen des Oszis kommt
> primär aus anderen Quellen (nicht vom Eingangswiderstand). Und: der
> Eingangswiderstand des Oszis sieht zwar von außen aus wie 1MOhm || 20pF.
> D.h. von außen könnte man dort das entsprechende Rauschen messen. Aus
> Sicht des Oszi ist das aber ein Abgriff an einem Spannungteilernetzwerk.
> D.h. ins Oszi rein wirkt ein anderes Rauschspektrum als man von außen am
> Oszieingang messen würde.
Wo das Thema schon angeschnitten ist: Von welchen Rauschquellen reden 
wir denn? Und welche Art Rauschen erzeugen die?
Das mit dem Eingangswiderstand ist mir bewusst.
>
> siehe den Abschnitt "ENB Brick-Wall Equivalent" von
> http://www.ti.com/lit/an/slva043b/slva043b.pdf

Danke für die Quelle

von Achim S. (Gast)


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Seb E. schrieb:
> Von welchen Rauschquellen reden
> wir denn? Und welche Art Rauschen erzeugen die?

Für eine konkrete Rauschanalyse musst du dir schon ein konkretes Oszi 
vornehmen - unterschiedliche Oszis rauschen unterschiedlich.

Ein wesentlicher Faktor, der bei Digitaloszis immer auftritt, dürfte das 
Quantisierungsrauschen der (oft 8-Bit) ADCs sein. Das wird vor allem 
dann interessant, wenn mehrere ADCs verwendet und zeitversetzt 
angesteuert werden, um eine höhere Realtime-Abtastrate zu erreichen. Die 
unterschiedlichen systematischen Fehler der einzelnen ADCs werden 
dadurch in einen hochfrequenten Rauschanteil hochgemischt.

Diese schnellen ADCs müssen zumindest mal von breitbandigen ADC Treibern 
angesteuert werden, die ein eigenes Rauschen beitragen. Für konkretere 
Angaben sollten wir uns den Schaltplan eines konkreten Oszis anschauen.

Seb E. schrieb:
> Und welche Art Rauschen erzeugen die?
> Das mit dem Eingangswiderstand ist mir bewusst.

Was mit dem Eingangswiderstand ist dir bewusst? Dass das Oszi nicht die 
Rauschspannung des 1MOhm Eingangswiderstandes sieht? Dann ist es ok.

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