Forum: Platinen Wie kann eine Leiterkarte beidseitig in einer Dampfphase gelötet werden?


von Kevin (Gast)


Lesenswert?

Hallo zusammen,

ich möchte an unserer FH eine Leiterkarte in der Dampfphaseanlage löten. 
Die Bestückung mache ich selber. Die Karte wird von oben und unten 
bestückt. Leider weiß ich nicht, wie ich das ganze beidseitig machen 
soll. Ich habe das noch nie gemacht und weiß nicht, wie ich da vorgehen 
soll. Wenn ich eine Seite fertig gemacht habe und zur nächsten gehe, 
dann besteht doch die Gefahr, dass in der Anlage die Bauteile unterhalb 
der Platine bei 230°C herunterfallen. Wie kann ich denn eine Seite 
befestigen, sodass die anderen Seite gelötet werden kann?

MfG

von Als Gast hier (Gast)


Lesenswert?

Ganz einfach, in dem man die Bauteile der Unterseite mit Kleber 
plaziert.
Der muss natürlich die Dampfphase überleben!

von Kevin (Gast)


Lesenswert?

Als Gast hier schrieb:
> Ganz einfach, in dem man die Bauteile der Unterseite mit Kleber
> plaziert.
> Der muss natürlich die Dampfphase überleben!

Sind das Spezialkleber?

von Kevin (Gast)


Lesenswert?

Ich frage nur, weil ich nicht weiß, nach welchen Begriffen ich online 
suchen muss.

MfG

von René F. (Gast)


Lesenswert?

Naja es kommt auf die Bauteile an, wenn du auf der Unterseite nur 
Hühnerfutter hast, dann ist kleben wahrscheinlich nicht mal notwendig, 
unser Bestücker arbeitet auch mit Dampfphase und fertigt unser Produkt 
ohne zu kleben, auf der Unterseite befindet sich aber nur Kleinzeug, 
Widerstände, Keramikkondensatoren, Dioden, Chips der GRöße SO8 und 
kleiner und ein μSD Kartenhalter.

von Nikolaus S. (Firma: Golden Delicious Computers) (hns)


Lesenswert?

Große Bauteile sollte man kleben, kleine kleben von selbst 
(Oberflächenspannung). Selbst bei geschmolzenem Zinn.

D.h Stecker, Batteriehalter oder LGAs & große BGA sind etwas im Risiko.

Was man daher überlegen sollte ist welche Seite man zuerst bestückt. Und 
falls man das Layout beeinflussen kann, schon dabei.

Notfalls baut man sich eine temperaturfeste "Stütze" (z.B. M8-Mutter 
oder irgendwie sowas) und legt die Platine so auf das Gitter dass ein 
Teil vom Gewicht der Leiterplatte auf dem kritischen Bauteil liegt. 
Prinzip "Dolmen".

Im übrigen ist das Problem unabhängig von Dampfphase oder nicht.

von HildeK (Gast)


Lesenswert?

Kevin schrieb:
> Wenn ich eine Seite fertig gemacht habe und zur nächsten gehe,
> dann besteht doch die Gefahr, dass in der Anlage die Bauteile unterhalb
> der Platine bei 230°C herunterfallen.

Nicht, wenn du beim Layout ein paar Dinge berücksichtigst:
- es gibt einen Verhältniswert von Bauteilgewicht zu gesamter Padfläche. 
Zahlen weiß ich nicht auswendig, aber solange eine Grenze nicht 
überschritten wird, fallen die BE nicht ab.
- man achtet beim Layout darauf, dass BE, die zu schwer sind und den 
o.g. Wert überschreiten, auf der zweiten Lötseite angeordnet werden 
(große Elkos und Spulen, manche Steckverbinder)
- übliche SMD Bauteile (R, C, Transistoren, Dioden, DIL-Gehäuse in SMD, 
auch viele BGAs) fallen bei erneutem Erwärmen auf der Unterseite nicht 
ab.
- bei sinnvoll angelegten Bauteilbibliotheken ist dort schon ein Flag 
gesetzt, wenn man es nicht auf beiden Seiten platzieren darf
- professionell vermeidet man Kleben, weil das als zusätzlichen 
Arbeitsschritt Geld kostet
- manche BE könnten gar nicht geklebt werden, so z.B. BGAs mit Balls auf 
der ganzen Fläche oder ICs mit Exposed Pad

von Andreas S. (Firma: Schweigstill IT) (schweigstill) Benutzerseite


Lesenswert?

Ich stimme voll und ganz HildeKs Äußerungen zu, gehe aber bei einem 
Punkt sogar noch weiter:

BGA darf auf keinen Fall geklebt werden, weil es exakt so ausgelegt ist, 
dass durch das aufgeschmolzene Lot eine Zentrierung des Gehäuses in 
allen sechs Freiheitsgraden erfolgt. Dieser Vorgang sollte nicht gestört 
werden.

von Georg (Gast)


Lesenswert?

HildeK schrieb:
> - professionell vermeidet man Kleben, weil das als zusätzlichen
> Arbeitsschritt Geld kostet

Es ist auch sehr hinderlich bei Reparaturen - aber das interessiert ja 
heute kein Schwein mehr.

Georg

von HildeK (Gast)


Lesenswert?

Andreas S. schrieb:
> BGA darf auf keinen Fall geklebt werden, weil es exakt so ausgelegt ist,
> dass durch das aufgeschmolzene Lot eine Zentrierung des Gehäuses in
> allen sechs Freiheitsgraden erfolgt.

Ja, da hast du natürlich recht - daran dachte ich gar nicht.

Die Kleberei kam aus der Zeit, als erste SMD-BE verwendet wurden und man 
noch mit der Schwalllötung gearbeitet hat. Ohne Kleben hätte es die 
SMD-BE alle weg geschwemmt.
Wenn heute noch geklebt wird, dann nur in den großen Ausnahmefällen, wo 
eines der schweren BE unbedingt auf der 1. Lötseite platziert werden 
muss.

von Dr.Who (Gast)


Lesenswert?

Bauteile die Kräfte von außen verkraften müssen, sollten
besonders sorgfältig befestigt werden, weil das Lötzinn der
Pads das zwar eine Weile auch können, aber meist nur temporär,
bis sich Risse und kalte Lötstellen bemerkbar machen.

von Dr.Who (Gast)


Lesenswert?

Kevin schrieb:
> Ich frage nur, weil ich nicht weiß, nach welchen Begriffen ich online
> suchen muss.

"SMD-Kleber" so schwer?

von Christian B. (luckyfu)


Lesenswert?

Dr.Who schrieb:
> Bauteile die Kräfte von außen verkraften müssen, sollten
> besonders sorgfältig befestigt werden, weil das Lötzinn der
> Pads das zwar eine Weile auch können, aber meist nur temporär,
> bis sich Risse und kalte Lötstellen bemerkbar machen.

Aber sicher nicht durch kleben. Solche Bauteile sind zumeist board to 
wire Stecker. Die gibt es dann mit entsprechenden Haltenasen, von 
einfachen Plastestöpseln, die eher der Zentrierung denn der mechanischen 
Haltbarkeit dienen bis hin zu THT Rastnasen am SMD Steckverbinder gibt 
es da alles mögliche. Wenn hier etwas geklebt werden muss hat man 
schlicht beim Design das falsche Bauteil ausgweählt.

von Dr. No (Gast)


Lesenswert?

Dr.Who schrieb:
> "SMD-Kleber" so schwer?

Nee, ist verhältnismäßig leicht.

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


Lesenswert?

Auch auf meinen doppelseitig bestückten Leiterplatten wird nichts 
geklebt. Nur beim Layout wird aufgepasst, dass nicht z.B. ein 
SMD-DCDC-Zuckerwürfel mit seinen kleinen Pads unten platziert wird.
Eine mindestens ebenso schwere Wandler-Spule mit großen Pads ist dagegen 
kein Problem. Und auch größere Mosfets fallen nicht runter...

Wenn du jetzt beim Layout nicht aufgepasst und unten dicke SMD-Bauteile 
hast, dann könntest du mit Reflowlöten für die Prototypen noch den Trick 
mit zwei unterschiedlichen Loten (unten bleifrei und oben verbleit oder 
sogar mit Bismut drin) nehmen.
Bei der Dampfphase funktioniert der Trick aber nicht, weil du da 
schlecht zwischen 2 unterschiedlichen Temperaturen umstellen kannst.

von Frank H. (huene)


Lesenswert?

> Die Kleberei kam aus der Zeit, als erste SMD-BE verwendet wurden und man
> noch mit der Schwalllötung gearbeitet hat. Ohne Kleben hätte es die
> SMD-BE alle weg geschwemmt.
> Wenn heute noch geklebt wird, dann nur in den großen Ausnahmefällen, wo
> eines der schweren BE unbedingt auf der 1. Lötseite platziert werden
> muss.

Das Kleben von Bauteilen auf der Unterseite ist auch heute noch üblich, 
wenn als Prozessschritt das Wellenlöten folgt und die SMD-Bereiche auf 
der  Leiterplattenunterseite nicht durch die Schalllötmaske abgedeckt 
werden.

Im Normalfall läuft es so:
Paste drucken
Bestücken
Löten
LP wenden
Paste drucken
Bestücken
Löten
 Nur sehr schwere Bauteile könnten abfallen, wenn das Lot bein 2. Mal 
aufschmilzt.

: Bearbeitet durch User
von Max (Gast)


Lesenswert?

Ähm,
mal ne Frage Kevin.
Ihr habt ne Dampfphase da stehen.
Frag doch mal die Leute die damit "normalerweise" arbeiten, also die 
Leute aus der E-wekstatt, E-Labor oder wie das bei auch auch immer 
heißen mag.

Die können dir normalerweise genau sagen wie das funktioniert und worauf 
du beim Bestücken achten solltest. Außerdem haben die auch Tips zum 
Layout.
Ggf muß auch das Programm aungpaßt werden.

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


Lesenswert?

Max schrieb:
> Frag doch mal die Leute die damit "normalerweise" arbeiten
Das ist übrigens auch eine schlaue Vorgehensweise später in der 
Industrie: vor dem Beauftragen/Fertigstellen einer Leiterplatte einfach 
mal einen Bestücker/Fertiger drüber schauen lassen.
Und ebenfalls eine gute Idee ist, mit offenen Augen durch die Welt zu 
gehen. Auf Messen und in Zeitschriften kann man da so einiges 
Interessantes sehen.

Man muss ja nicht jeden Fehler und jede Erfahrung selber machen...

von Squeegee (Gast)


Lesenswert?

Frank H. schrieb:
> Im Normalfall läuft es so:
> Paste drucken
> Bestücken
> Löten
> LP wenden
> Paste drucken
> Bestücken
> Löten

Der Ablauf ist nicht richtig. Du hast das Kleben vergessen.

Paste drucken 1. Seite
Bestücken 1. Seite
Löten 1. Seite
LP wenden
Kleber drucken 2. Seite
Bestücken 2. Seite
Kleber aushärten 2. Seite
Wellenlöten 2. Seite.

Der Kleber härtet bei etwa 160 °C aus, er sollte die erste Löttemperatur 
beim Wellenlöten erhalten. Jeder weitere Temperaturbeaufschlagung macht 
ihn spröde, wenn Reparaturen anstehen, läßt sich ein Bauteil leichter 
entfernen, da der spröde Kleber dann einfacher bricht.
Ein Hinweis: Wenn der Kleber mit einer Schablone gedruckt werden soll, 
dann sind unbedingt Passmarken erforderlich.

Gruß
Squeegee
DFM-Engineer
Lacroix Electronics

von Andreas S. (Firma: Schweigstill IT) (schweigstill) Benutzerseite


Lesenswert?

Squeegee schrieb:
> Der Ablauf ist nicht richtig. Du hast das Kleben vergessen.
>
> Paste drucken 1. Seite
> Bestücken 1. Seite
> Löten 1. Seite
> LP wenden
> Kleber drucken 2. Seite
> Bestücken 2. Seite
> Kleber aushärten 2. Seite
> Wellenlöten 2. Seite.

Wäre es nicht sinnvoll, den Kleber für die Bestückung der 1. Seite 
einzusetzen, weil dies die Seite ist, deren Bauteile beim 2. 
Lötdurchgang herabhängen und von der Verklebung profitieren können?

: Bearbeitet durch User
von ich (Gast)


Lesenswert?

Andreas S. schrieb:
> Wäre es nicht sinnvoll, den Kleber für die Bestückung der 1. Seite
> einzusetzen, weil dies die Seite ist, deren Bauteile beim 2.
> Lötdurchgang herabhängen und von der Verklebung profitieren können?

Es muss überhaupt kein Kleber sein.
Der Kleber wird nur eingesetzt, wenn die LP danach ganzflächig über eine 
Lötwelle gezogen werden muss (um THT Bauteile über die kompplette LP 
verteilt zu löten).
Das geht aber nur mit Bauteilen mit größeren Pin Abständen und nicht mit 
BGAs.

Sind kleinere Bauteile oder BGAs auf der Seite, von der die THT Pins 
verlötet werden müssen, wir auf ein Selektiv Löt verfahren 
zurückgegriffen. Bei dem wird die Platine nur mit den THT Pins über die 
Welle gezogen.

SMD Bauteile können beidseitig ohne verkleben gelötet werden. Die 
Platine erwärmt sich durch passende Lötprofile auf der Rückseite nicht 
so weit, dass die Bauteile wieder herunterfallen.

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


Lesenswert?

ich schrieb:
> Die Platine erwärmt sich durch passende Lötprofile auf der Rückseite
> nicht so weit, dass die Bauteile wieder herunterfallen.
Die Bauteile, sofern richtig ausgewählt, halten durch Adhäsion auch auf 
voll aufgeschmolzenem Zinn.

Squeegee schrieb:
> Der Ablauf ist nicht richtig.
Hier mal mit Bildern und Anmerkungen zum Kleben:
https://www.cad-ul.de/faq/zweiseitige-bestueckung.php

ich schrieb:
> wir auf ein Selektiv Löt verfahren zurückgegriffen. Bei dem wird die
> Platine nur mit den THT Pins über die Welle gezogen.
Entweder werden dabei Lötmasken eingesetzt, die dafür sorgen, dass die 
Welle nicht an andere Bauteile kommt, oder es wird dann mit einem 
"Finger" gelötet, der die passenden Koordinaten anfährt:
https://schropp-gmbh.de/selektivloeten/

Bitte melde dich an um einen Beitrag zu schreiben. Anmeldung ist kostenlos und dauert nur eine Minute.
Bestehender Account
Schon ein Account bei Google/GoogleMail? Keine Anmeldung erforderlich!
Mit Google-Account einloggen
Noch kein Account? Hier anmelden.