Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Overshoot und Ground Bouncing in H-Brücke


von Maxim W. (maxim_w)



Lesenswert?

Hallo, ich versuche ein closed loop DC-Motortreiber zu bauen. Blöd ist 
nur, dass der Encoder selbst im Stillstand zählt. Das Problem konnte ich 
schnell auf meine H-Brücke zurückführen, die echt heftige Überschwinger 
hatte. Bei etwas mehr Leistung haben diese Spannungsspitzen auch schon 
ein paar mal die OPAmps für die Strommessung zerstört. Die 
Schaltfrequenz liegt bei 20 kHz.

Dieses Überschwinger sind leider überall zu sehen, auf sämtlichen Ground 
Leitungen und auch in der Versorgung vom Mikrocontroller oder Encoder. 
Folgende Dinge habe ich bereits versucht:

- 33 Ohm Gatewiderstände hinzugefügt
- Kondensatorbank hinzugefügt aus: 1 x 1000 uF Elko; 5 x 47 uF Elkos; 3 
x 4,7 uF Keramik; 2 x 0,47 uF Keramik
- Die 30 cm langen Kabel von Labornetzteil durch etwa 3 cm kurze Drähte 
ersetzt
- Zusätzliche flyback Schottky Dioden zu den MOSFETs hinzugefügt

All diese Dinge haben es teilweise verbessert, aber das Problem nicht 
gelöst, wie man im Bild sieht. Im Bild ist eine 7,2 mH Last, aber auch 
ohne Last bekomme ich dieses Bild.

Die MOSFETs auf dem Schaltplan sind auch schon alle gestorben, deswegen 
sind da jetzt 6N80 MOSFETs. Die Versorgung für den Mikrokontroller kommt 
vom Laptop, Encoder und Brücke speise ich vom Netzteil. Alle Grounds 
sind natürlich verbunden.

Jetzt bin ich schon am Ende meines Lateins. Mein Board ist auch schon so 
verunstaltet, dass ich eventuell noch mal mit einem neuen anfangen 
sollte. Die Einzige Idee die ich noch hätte, wäre eine Erhöhung des 
Gatewiderstands. Was meint ihr?

: Bearbeitet durch User
von Ingo Less (Gast)


Lesenswert?

Zeig mal das Layout. Hier kann mm sehr viel falsch machen!

von Sven S. (schrecklicher_sven)


Lesenswert?

Maxim W. schrieb:
> Mein Board ist auch schon so
> verunstaltet...

Steckbrett???

von Matthias S. (Firma: matzetronics) (mschoeldgen)


Lesenswert?

Mir ist nicht ganz klar, wie du auf 91nF Bootstrap C kommst. Die einzige 
dimensionierte Beispielschaltung im DB benutzt da 1µF, also zehnmal so 
groß. Dieser Kondensator wird nämlich ins Gate umgeladen und kann ruhig 
ein wenig Reserve haben.

von Maxim W. (maxim_w)


Angehängte Dateien:

Lesenswert?

Das Layout ist nicht mehr sehr repräsentativ. Ich habe schon ein paar 
Bahnen durchtrennt, z.B. für die Gatewiderstände. Außerdem ist nicht 
alles bestückt. Im Grunde nur die Transistoren und die Treiber für die 
H-Brücken. Der Mikrocontroller ist extern.

von Maxim W. (maxim_w)


Lesenswert?

Matthias S. schrieb:
> Mir ist nicht ganz klar, wie du auf 91nF Bootstrap C kommst. Die einzige
> dimensionierte Beispielschaltung im DB benutzt da 1µF, also zehnmal so
> groß. Dieser Kondensator wird nämlich ins Gate umgeladen und kann ruhig
> ein wenig Reserve haben.

Gute Frage, ich weiß auch nicht mehr warum es 91 nF sind. Ist schon eine 
weile her, seit ich das erstellt habe. Bei solchen Sachen halte ich mich 
eigentlich immer an die Beispiele.

Aber es scheint ja auch mit den 91 nF zu schalten, auch wenn es etwas 
stark schaltet. Oder sehe ich da was falsch?

: Bearbeitet durch User
Beitrag #6063613 wurde von einem Moderator gelöscht.
von Maxim W. (maxim_w)



Lesenswert?

Hab mir mal die Gates angeschaut. Ch1 ist High, Ch2 ist Low. Beim 
auschalten vom High-Transistor geht die Spannung komischerweise kurz 
hoch. Sollte so nicht sein, oder?

von Maxim W. (maxim_w)


Lesenswert?

Dennis schrieb im Beitrag #6063613:
> Sieht nach scheiße aus.

Danke für deine konstruktive Kritik.

von Karsten B. (kastenhq2010)


Lesenswert?

Hast du dir schonmal das Kapitel "Grounding, Component Placement and 
Circuit Layout" im Datenblatt durchgelesen?

Dein Treiber lädt in Nanosekunden die Gates um. Das heißt da fließt ein 
Strom im Amperebereich. Der Stromkreis ist im Datenblatt sogar vermerkt. 
Dein Treiberground ist über eine hauchdünne Strippe irgendwo an einer 
Groundwurst angebunden, die sich wild über dein ganzes Board schlängelt.

von Achim S. (Gast)


Angehängte Dateien:

Lesenswert?

Maxim W. schrieb:
> Dennis schrieb:
>> Sieht nach scheiße aus.
>
> Danke für deine konstruktive Kritik.

Die Kritik von Dennis ist zwar ziemlich knapp zusammengefasst, aber 
leider trifft sie zu. Ich versuche, dir ein Beispiel für die 
Layoutkatastrophe zu beschreiben (leider gibt es noch weitere 
Beispiele).

Im Anhang habe ich eingezeichnet, welchen Weg der Strom nimmt, wenn er 
über T5 und T2 fließt (blaue Schleife) und wie er dann umkommutiert 
wird, wenn auf T5 und T1 umgeschaltet wird (grüne Schleife). Die 
Differenzfläche dieser beidden Schleifen muss möglichst klein sein. Je 
größer sie ist, desto mehr parasitäre Induktivität muss umkommutiert 
werden, was zu Spannungsspitzen führt. Bei dir ist die Differenz beider 
Flächen riesig. Und die Streuinduktivität wird auch noch von allen drei 
Phasen gleichzeitig gesehen (so dass das Umschalten einer Phase dir 
Spannungsspitzen in die andere Phase induziert). Das geht so gar nicht.

Der Stützkondensator (C22) muss viel näher an die Brücke ran, die 
GND-Verbindung muss sehr viel direkter werden. Schau dir z.B. folgende 
Seite an 
http://www.lothar-miller.de/s9y/categories/40-Layout-Schaltregler, 
versuche die Grundprinzipien zu verstehen, und dann entwirf die ganze 
Schaltung noch mal neu.

Und stell den Neuentwurf hier zur Diskussion - wenn mal insgesamt 
weniger Fehler drin sind, dann lohnt es sich, alle verbleibenden Fehler 
zu diskutieren.

von Arnonym (Gast)


Lesenswert?

Hallo,
ich vermute, dass es die Masse der Gatetreiber im Ausschaltmoment der 
low side FET zu stark unter 0V zieht, so dass der Low-Pegel am Eingang 
des Treibers plötzlich wieder temporär als high erkannt wird. Der so 
"verschluckt" sich der Gatereiber kurzzeitig.

Das Layout ist wirklich nicht so toll - optimistisch formuliert. Die 
Streuinduktivitäten sind groß, die Pufferkondensatoren schlecht 
plaziert. Die Masseführung ist eine Katastrophe (Hast du Masseflächen 
ausgeblendet, oder fehlen die wirklich?).

Auf deinen Oszi-Messungen taucht das Gate des Low-Side-Fets im 
Schaltmoment auf fast -5V ab...

Bring mal Kapazität näher an die Leistungs-FET ran. Ein paar µF 
keramisch von Drain des T1 nach source von T2 nach GND.

Außerdem sind 100nF an der Versorgung des Gatetreibers Pflicht. Ganz 
nah, wie bei einem Prozessor.

von Maxim W. (maxim_w)


Lesenswert?

Karsten B. schrieb:
> Hast du dir schonmal das Kapitel "Grounding, Component Placement and
> Circuit Layout" im Datenblatt durchgelesen?
>
> Dein Treiber lädt in Nanosekunden die Gates um. Das heißt da fließt ein
> Strom im Amperebereich. Der Stromkreis ist im Datenblatt sogar vermerkt.
> Dein Treiberground ist über eine hauchdünne Strippe irgendwo an einer
> Groundwurst angebunden, die sich wild über dein ganzes Board schlängelt.

Stimmt hast recht, das muss wohl überarbeitet werden! Finde dein 
Beschreibung der Bahnen übrigens sehr amüsant :D

Achim S. schrieb:
> Die Kritik von Dennis ist zwar ziemlich knapp zusammengefasst, aber
> leider trifft sie zu. Ich versuche, dir ein Beispiel für die
> Layoutkatastrophe zu beschreiben (leider gibt es noch weitere
> Beispiele).
>
> Im Anhang habe ich eingezeichnet, welchen Weg der Strom nimmt, wenn er
> über T5 und T2 fließt (blaue Schleife) und wie er dann umkommutiert
> wird, wenn auf T5 und T1 umgeschaltet wird (grüne Schleife). Die
> Differenzfläche dieser beidden Schleifen muss möglichst klein sein. Je
> größer sie ist, desto mehr parasitäre Induktivität muss umkommutiert
> werden, was zu Spannungsspitzen führt. Bei dir ist die Differenz beider
> Flächen riesig. Und die Streuinduktivität wird auch noch von allen drei
> Phasen gleichzeitig gesehen (so dass das Umschalten einer Phase dir
> Spannungsspitzen in die andere Phase induziert). Das geht so gar nicht.
>
> Der Stützkondensator (C22) muss viel näher an die Brücke ran, die
> GND-Verbindung muss sehr viel direkter werden. Schau dir z.B. folgende
> Seite an
> http://www.lothar-miller.de/s9y/categories/40-Layout-Schaltregler,
> versuche die Grundprinzipien zu verstehen, und dann entwirf die ganze
> Schaltung noch mal neu.
>
> Und stell den Neuentwurf hier zur Diskussion - wenn mal insgesamt
> weniger Fehler drin sind, dann lohnt es sich, alle verbleibenden Fehler
> zu diskutieren.

Danke, das hat mir schon viel mehr weiter geholfen! Dann werde ich mich 
noch mal an die Sache ran setzen :)

von Karsten B. (kastenhq2010)


Lesenswert?

Arnonym schrieb:
> Außerdem sind 100nF an der Versorgung des Gatetreibers Pflicht. Ganz
> nah, wie bei einem Prozessor.

Das und auch der 100µ Elko bringt so gut wie gar nichts. Mit den dünnen 
Strippchen angebunden sind da locker mehrere nH Induktivität zwischen 
dem Kondensator und dem Versorgungspin des Chips. Bei den 
Schaltfrequenzen ist das tödlich. Lieber ein ~10µ Keramik dicht ran.

von Asaf (Gast)


Lesenswert?

Achim S. schrieb:
> Im Anhang habe ich eingezeichnet, welchen Weg der Strom nimmt, wenn er
> über T5 und T2 fließt (blaue Schleife) und wie er dann umkommutiert
> wird, wenn auf T5 und T1 umgeschaltet wird (grüne Schleife). Die
> Differenzfläche dieser beidden Schleifen muss möglichst klein sein.

Die gezeichnet Differenzfläche ist kein brauchnares Kriterium, auch 
spielen die Ausgangsterminals der Brücke für die parasitäre 
Induduktivität keine Rolle. Besser ist die Betrachtung der Fläche des 
Kommutierungsloops. Also die Schleife von VCC, Verbindung von HS nach LS 
Schalter und zurück nach GND. Und die ist in der Tat riesig. Das Layout 
ist so leider unbrauchbar.
Das gleiche gilt auch für die Leiterschleife des Gatepfads, auch hier 
muss die parasitäre Induktivität minimiert werden.

Von welchen Strömen und Spannungen reden wir eigentlich?

von Maxim W. (maxim_w)


Lesenswert?

Arnonym schrieb:
> Hast du Masseflächen
> ausgeblendet, oder fehlen die wirklich?

Die fehlen wirklich. Habe noch einiges zu lernen.

von Maxim W. (maxim_w)


Lesenswert?

Asaf schrieb:
> Von welchen Strömen und Spannungen reden wir eigentlich?

12 V, geplant waren mal so 3 A pro Brücke. So hoch bin ich natürlich nie 
gekommen.

von Achim S. (Gast)


Lesenswert?

Asaf schrieb:
> Die gezeichnet Differenzfläche ist kein brauchnares Kriterium, auch
> spielen die Ausgangsterminals der Brücke für die parasitäre
> Induduktivität keine Rolle. Besser ist die Betrachtung der Fläche des
> Kommutierungsloops.

Kannst du bitte mal einzeichnen, was du selbst für die Kommutierungsloop 
hältst? (Für den Anwendungsfall, dass zwischen T1 und T2 umkommutiert 
wird) Ich wäre überrascht, wenn nicht genau das rauskommt, was ich als 
Differenzfläche gezeichnet habe.

von Stephan (Gast)


Lesenswert?

15V Vcc für den Treiber ist schon etwas grenzwertig. Habe die 
Datenblätter der FET nicht gelesen aber bis zur magischen grenze von 18V 
ist da nicht viel Luft. Da würde ich auf 12V runter gehen. Zumal der 
Treiber ja auch nur für 16V ausgelegt ist. Nicht das die FET über die 
Gates gekillt wurden.

von Matthias S. (Firma: matzetronics) (mschoeldgen)


Lesenswert?

Maxim W. schrieb:
> Beim
> auschalten vom High-Transistor geht die Spannung komischerweise kurz
> hoch. Sollte so nicht sein, oder?

Das ist vermutlich eine Mischung aus schlechter Führung des 
Leistungskreises, zu langen Zuleitungen zum MOSFet und der 
Millerkapazität. Wenn man sowas sieht, ist es ein Zeichen für 
schwächliche Treiber, denn die sollten das Gate zügig auf- und entladen. 
Ein zu grosser Gatewiderstand kann so etwas verursachen, aber auch die 
o.a. Routing Probleme.
Das muss alles kurz und vor allem auf der Leistungsseite auch knackig 
sein - dicke Leiterbahnen, weg vom Kleinsignal und so geroutet, das der 
dicke Strom nicht die Treiber oder den MC berührt.

von Sven S. (schrecklicher_sven)


Lesenswert?

Maxim W. schrieb:
> Die MOSFETs auf dem Schaltplan sind auch schon alle gestorben, deswegen
> sind da jetzt 6N80 MOSFETs.

Auf alle Fälle ist der 6N80 hochohmig genug, um Kurzschlüsse (beide 
übereinanderliegenden Mosfets ein, oder eine gesättigte 
"Lastinduktivität") zu verkraften.

von Sven S. (schrecklicher_sven)


Lesenswert?

Maxim W. schrieb:
> Im Bild ist eine 7,2 mH Last...

Zeig mal her.

Bitte melde dich an um einen Beitrag zu schreiben. Anmeldung ist kostenlos und dauert nur eine Minute.
Bestehender Account
Schon ein Account bei Google/GoogleMail? Keine Anmeldung erforderlich!
Mit Google-Account einloggen
Noch kein Account? Hier anmelden.