Forum: HF, Funk und Felder theoretische Frage: Zaun als Blitzableiter


von Mike B. (mike_b97) Benutzerseite


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nur mal als Auflockerung eine theoretische Frage

Ein Maschendrahtzaun (Stahldraht) umzäunt elektrisch durchgängig ein 
Grundstück an 3 Seiten, Länge vlt. 100+50+100m. Höhe 2m.
Die Pfosten sind einbetonierte verzinkte Stahlrohre, der komplette Zaun 
ist über Stahlspanndrähte verzurrt, also rundrum elektrisch leitend.

Das hintere Ende steht relativ frei auf einer Anhöhe, keine Bäume, 
Masten o.ä.

Wenn jetzt bei einem Gewitter ein Blitz in einen der Pfosten einschlägt, 
fungiert der gesamte Zaun dann als Sende-Antenne für einen EMP?
Zumindest der Teil, der nicht sofort durch den einbetonierten 
Pfosten-Fuß abfliesst?

von Ben B. (Firma: Funkenflug Industries) (stromkraft)


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Ich denke eher nicht, der Blitz selbst erzeugt das größte 
elektromagnetische Feld. Auf dem Boden bildet sich dabei ein 
Spannungskegel aus, den der Zaun etwas verzerren dürfte. Dabei entstehen 
bestimmt auch elektromagnetische Felder, aber wenn das immer gleich 
einem EMP gleichkäme, hätten wir hier in der Gegend dauernd damit zu 
kämpfen - so oft wie die Masten der 110kV Überlandleitung hier am 
Umspannwerk von Blitzen getroffen werden.

von jemand anderes (Gast)


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Denk dir den Zaun ehr als Verteiler der die punktuelle Energie von dem 
Blitz über eine große Fläche aufteilt und damit abschwächt

von Mike B. (mike_b97) Benutzerseite


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naja, Abschwächen bei 1000A und einigen hunderttausend Volt ?

Selbst wenn nur 0,1% der Energie des Blitzes in den Maschendraht-Zaun 
geht hätte ich doch zumindest noch mehrere 250m lange Langdraht-Antennen 
(hoziontale Spanndrähte).

Aber es ist richtig, der EMP des Blitzes selbst dürfte weitaus höher 
sein.
Inwieweit solche "Langdraht-Antennen" den EMP gesondert auf bestimmten 
Frequenzen aussenden wird sich schwer ermitteln lassen.

von Ben B. (Firma: Funkenflug Industries) (stromkraft)


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Die Spannung am Zaun dürfte ziemlich minimal sein (abgesehen von 
parasitären Effekten durch die Stromanstiegsgeschwindigkeit und den 
hohen Absolutwert von bis zu 20.000A).

Mir stellt sich da die Frage, ob ein einzelner Stab nicht ein stärkeres 
Feld erzeugen würde als wenn man den Strom über eine weitere Fläche 
verteilt. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Stromes im Zaun ist ja 
auch nicht unendlich hoch. Der Großteil wird in unmittelbarer Nähe des 
Einschlages in den Boden gehen.

: Bearbeitet durch User
von pegel (Gast)


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jemand anderes schrieb:
> Denk dir den Zaun ehr als Verteiler der die punktuelle Energie von dem
> Blitz über eine große Fläche aufteilt und damit abschwächt

Stimmt!
Mit meinem Hund war ich auf einer Kuh Weide (ohne Kühe) unterwegs, als 
ein Blitz in den Weidezaun einschlug.

Ich kann bestätigen, dass der Blitz sich ringsum gleichmässig verteilt 
und abschwächt. Der Donner kam von allen Seiten gleichmässig.
Die Wiese war etwa 100x400m gross.

von oszi40 (Gast)


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Man hat schon dicke Blitzableiter während des Einschlags glühen sehen, 
sodass auch die Wahrscheinlichkeit besteht, daß ein gut geerdeter 
Maschendraht einfach wegschmelzen könnte. Andererseits wird sich die 
Energie etwas über den Zaun verteilen. Es entstehen auf jeden Fall 
zeitweise größere Potentialunterschiede im Gelände! Wenn Leitungen in 
der Nähe parallel liegen, wird es interessanter.

Haben solche "theoretischen" Fragen einen ernsten Hintergrund? Meist 
schlägt der Blitz nicht dort ein wo man es gern möchte. Bei mir war es 
der Edelstahlschornstein. Anschließend war reichlich viel Elektronik im 
Haus und Nachbarhäusern betroffen, besonders Schaltnetzteile.

von ~Mercedes~ (Gast)


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Solche theoretischen Fragen haben schon Relevanz
für den Bauern, der dann ein neues Weidezaungerät
kaufen muß.

Da ist dann nämlich wirklich alles "durch"
ein EMP 1. Güteklasse.  ;-P

mfg

von Ben B. (Firma: Funkenflug Industries) (stromkraft)


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Wenn der Zaun oder Blitzableiter wegschmilzt passiert das erst, wenn der 
eigentliche Stromfluß bereits vorbei ist. Dünne "Leiter" verdampfen im 
Stromfluß.

Die Schäden durch Blitzschläge an elektronischen Geräten entstehen 
entweder bei großer Nähe an den Stromfluß durch das elektromagnetische 
Feld oder wenn der Strom aus dem Blitz den Weg ins Stromnetz findet. Das 
kann auch "rückwärts" durch die Erdung bzw. PEN passieren. Die 
Möglichkeiten dafür sind vielfältig und der Strom extrem hoch, so daß 
die Schäden auch ein paar Häuser entfernt vom eigentlichen Blitzschlag 
auftreten können.

Edit:
Für Weidezaungeräte gibt es Blitzschutzspulen, ähnlich wie man Sender an 
ihren Antennenmasten schützt. Der Blitzschlag zerstört dann zwar den 
Zaun, aber das Weidezaungerät sollte überleben.

: Bearbeitet durch User
von pegel (Gast)


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~Mercedes~ schrieb:
> ein neues Weidezaungerät

Davon gehe ich auch aus.
Allerdings war der doppelte Weidezaun Draht nicht beschädigt, so weit 
ich gesehen habe.

von MaWin (Gast)


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Ben B. schrieb:
> Die Spannung am Zaun dürfte ziemlich minimal sein

Also ich würde am anderen Ende vom Zaun nicht anfassen, wenn am Ende auf 
dem Hügel der Blitz einschlägt.

Aber EMP würde ich das nicht nennen.

oszi40 schrieb:
> Bei mir war es der Edelstahlschornstein. Anschließend war reichlich viel
> Elektronik im Haus und Nachbarhäusern betroffen, besonders
> Schaltnetzteile.

Interessant, so einen hab ich auch, bisher aber noch kein Treffer. Kein 
Ringerder. Vorschrift wäre, ihn an den Potentialausgleich 
anzuschliessen, also die Wasserleitung/Heizung an der auch der 
Schutzleiter hängt. Empfehlung war, ihn gar nicht anzuschliessen (am 
Ofen ist aber ein Temperatursensor der 230V~ steuert). Meine Vermutung 
ist, es wäre schlau, ihm mehrere Staberder zu verpassen.

von Ben B. (Firma: Funkenflug Industries) (stromkraft)


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> Also ich würde am anderen Ende vom Zaun nicht anfassen,
> wenn am Ende auf dem Hügel der Blitz einschlägt.
Ich habe auch nicht gesagt, daß man das tun sollte. Durch die 
Induktivität, den ohmischen Widerstand bei extrem hohen Strömen und die 
nicht perfekte Erdung könnten da durchaus einige kV "übrig bleiben". 
Außerdem wird sich der Spannungskegel am Boden und im Zaun verschieden 
ausbreiten, wodurch ebenfalls Potentialunterschiede entstehen.

von Oszilloskop (Gast)


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koronapegel schrieb:
> Ich kann bestätigen, dass der Blitz sich ringsum gleichmässig verteilt
> und abschwächt.

Wie schnell + was sahst Du bei dieser Blitzverteilung, Farben, 
Koronaentladungen um den Zaun  oder was denn genau?

von J. V. (janvi)


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> Mit meinem Hund war ich auf einer Kuh Weide

das macht man grundsätzlich nicht denn die Hunde scheissen auf die Weide 
und die Kühe kriegen davon später Würmer. Abgesehen davon ist es 
ziemlich gefährlich wenn die Kühe mal doch da sind und vielleicht auch 
noch Kälber dazu

von RuckZuck Kabelbruch (Gast)


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pegel schrieb:

> Stimmt!
> Mit meinem Grubenhund war ich auf einer Weide (ohne Kühe) unterwegs, als
> ein Blitz in den Weidezaun einschlug.


 Dann sicher nicht in Vorarlberg, denn dort werden die Viecher mit 
fernzündbaren Sprenggürteln ausgerüstet, um nach dem natürlichen Exitus 
die Kadaver leicht und schnell zu entsorgen. Blöd wenn ein Blitz die 
Ladung vorher auslöst:

https://de.wikipedia.org/wiki/Sprengung_verendeter_Rinder

von Dipol (Gast)


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oszi40 schrieb:
> Man hat schon dicke Blitzableiter während des Einschlags glühen sehen,

Wer ist "man", Mythenerzähler?

Es dürfte nur seeehr wenige Augenzeugen geben, die das zweifelhafte 
Vergnügen von extrem seltenen Monsterblitzen wie z. B. den in 
Menden-Bösperde hatten, welcher "dicke" Blitzableiter kurzzeitig zum 
Glühen bringen können.

oszi40 schrieb:
> sodass auch die Wahrscheinlichkeit besteht, daß ein gut geerdeter
> Maschendraht einfach wegschmelzen könnte.

Stahldrähte für Maschendrahtzäune sind dünn und können insbesondere an 
den Verbindungsstellen durchschmelzen. Daran ändert keine noch so gute 
Erdung etwas, ganz im Gegenteil.

Blitz ist nicht gleich Blitz und ab welcher spezifischen Energie bzw. 
Blitzstromstärke mit 10/350 µs Impulsform Leiter schmelzen, kann man 
ausrechnen. In D haben die häufigsten Blitze Medianwerte mit 
Stromstärken um 25 kA, in A um 13 kA.

Für Ableitungen von Blitzschutzanlagen sind 8 mm Durchmesser = 50 mm² 
Querschnitt üblich. Nach Tabelle D.3 der IEC 62305-1 ergeben sich 
ausgehend von 20° C für Hausrüttler (Kachelmannjargon) mit 100, 150 und 
200 kA bei 10/350 µs folgende Erwärmungen:

Kupfer: 5, 12, 22 K
Alu: 12, 28, 52 K
St/tZn: 37, 96, 211 K

Literatur:
IEC 62305-1, Tabelle D.1
Hasse & Wiesinger: Handbuch für Blitzschutz und Erdung
Heidler & Stimper: Blitz und Blitzschutz

von oszi40 (Gast)


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Dipol schrieb:
> Literatur:

Ob mein Augenzeuge die Literatur kennt weiß ich nicht, geglüht hat der 
dicke Blitzableiter trotzdem. Wenn Deine Theorie richtig wäre, brauchte 
man nie die Blitzableiter mit Beton-Dachleitungshalter auf der Dachpappe 
zu verlegen.

von Dipol (Gast)


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oszi40 schrieb:

> Ob mein Augenzeuge die Literatur kennt weiß ich nicht, geglüht hat der
> dicke Blitzableiter trotzdem.

Damit reduziert sich die Vielzahl von Augenzeugen vom ursprünglichen 
"man" auf immerhin nur noch einen.


Dieser angebliche Augenzeuge kennt m. E. weder die Literatur noch die 
entsprechenden Tabellen 2.5.1 und 5.2.2.1 im online frei zugänglichen 
DEHN Blitzplaner kennt.

oszi40 schrieb:

> Wenn Deine Theorie richtig wäre, brauchte man nie die Blitzableiter mit 
Beton-Dachleitungshalter auf der Dachpappe zu verlegen.

Keine Theorie sondern physikalische Fakten: Der Schmelzpunkt von Stahl 
beträgt ca. 1080°C und bei ca 525°C beginnt er zu glühen. Bei nur einer 
Ableitung aus St/tZn mit 50 mm² Querschnitt wäre zum sichbaren Glühen 
ein äußerst seltener aber auch nicht auszuschließender LEMP mit > 265 kA 
bzw. eine spezifische Energie von 17,6 MJ/Ω erforderlich. Bei 
Blitzschutzanlagen mit min. zwei Ableitungen jedoch noch weit mehr.


Derartige Blitzstromstärken übersteigen auch mit aktuellem Inneren 
Blitzschutzpotenzialausgleich mit ÜSE aller Energie- und TK-Leitungen 
die üblichen 100 kA Blitzschutzklasse normaler Wohngebäude erheblich. 
Bei den damit verbundenen Schäden sollte Ort und Einschlagzeitpunkt noch 
in Erinnerung und die von SIEMENS-Blids registrierte Blitzstromstärke 
bei den Versicherungen dokumentiert sein.


Wenn die Werte der Tabelle D.3 der IEC 62305-1 auf falschen Formeln 
basieren würden, hätte es dagegen schon längst im TC 109 oder von sonst 
wem heftigsten Widerspruch gegeben. Nach dem Knall braucht man 
vermutlich ein Hörgerät und um das kurzzeitige Glimmen von 
Blitzableiterdraht ungeblendet sehen zu können, mussten die Augen im 
Einschlagmoment zufällig geschlossen gewesen sein.


Ich würde es gewiss nicht riskieren ob man mit direkt aufliegenden 
Fangleitungen als Zündschnur per Monsterblitz Bitumenpappe entflammen 
kann. Als blitzschutzkundiger RFT schüttle ich schon über Antennenkabel 
den Kopf, die als Blitzfänger über Flachdächer verlegt wurden. Aber auch 
das sieht fern der Physik nicht jeder so eng.

von Ben B. (Firma: Funkenflug Industries) (stromkraft)


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Antennenkabel als Blitzfang? Sehr lustig, davon bleibt nach einem 
Treffer nichts übrig bzw. wenn der Blitz sich daran austobt würde es 
mich nicht wundern, wenn das zu brennen anfängt.

Ansonsten ist die Frage wie definiert man Glühen? Also wenn der 
Blitzableiter in ganzer Länge glüht, Respekt. Das muß dann schon ein 
verdammt starker Blitz gewesen sein, ich halte das aber nicht für 
ausgeschlossen, oder bei mehrfachen Entladungen kommt evtl. genug Wärme 
dafür zusammen.

Nur die Spitze aufglühen zu lassen ist evtl. einfacher, da der Blitz an 
der Einschlagstelle extrem heiß ist.

Dagegen spricht, daß hierzulande oft Aluminium für den Blitzschutz 
verwendet wurde. Aluminium schmilzt bevor man das Glühen gut sehen kann.

Bei Flugzeugen sind Blitzeinschläge und ihre Schäden recht gut 
dokumentiert. Bei starken Treffern entstehen kleine Löcher in der Hülle, 
die für die Flugsicherheit unbedenklich sind. Das spricht gegen eine 
großflächige Erwärmung durch den Stromfluß, sondern eher für eine sehr 
punktuelle Erwärmung durch den Lichtbogen.

von Manuel X. (vophatec)


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"Halte ich nicht für ausgeschlossen" ,"kann ich mir vorstellen" ,"ich 
kenn da jemanden der hat gesehen" ...

Tja so is das eben.

Jeder kann was dazu sagen weil er wen kennt der Ahnung hat oder (meint) 
was gesehen hat, oder weil er es einfach besser weiß weil im Fernsehen 
haben sie gesagt.

Demgegenüber stehen die "ausgebildeten" die jede Tabelle runterbeten 
können (Die ja aber von anderen erarbeitet wurde, die sicher auch mal 
Fehler machen können).

Die Wahrheit liegt wie immer irgendwo dazwischen, mit der größten 
Wahrscheinlichkeit aber näher bei den "ausgebildeten" als bei den ... 
anderen halt.

Andererseits gibts aber auch Fulgurit ...

von Ben B. (Firma: Funkenflug Industries) (stromkraft)


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Das entsteht aber weil der Boden nicht so gut leitet wie ein 
Blitzableiter. Also da wird viel mehr Wärme frei weil der Blitzkanal 
sozusagen im Boden weitergeht und das Gestein dabei aufschmilzt.

Bei starken Blitzen gibts da auch den Effekt, daß Feuchtigkeit im Boden 
schlagartig verdampft. Die Folge davon ist eine zuweilen recht kräftige 
Explosion, die auch Schaden machen kann. Sowas wie getroffene Pfähle aus 
dem Boden reißen oder Steine durch die Gegend fliegen lassen ist 
durchaus möglich.

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