Hallo, als Absolvent der Regelungstechnik stehe ich nun vor meiner ersten Aufgabe und möchte mich gerne mal mit Fachkundigen austauschen, wie ihr die Situation beurteilt. Ausgangssituation: Produkte sind verschiedene Positionersysteme (im Prinzip bewegte Massen auf X-und Y-Achse) betrieben mit hauseigenen 2-Phasen-Linearmotoren, hauseigenen inkrementellen AMR-Messsystemen und hauseigener Steuerung. Dokumente sind generell kaum vorhanden..um die Regelung hatte sich vor Jahren mal jemand beschäftigt, der schon lange nicht mehr dabei ist. Alle Parametrierungen erfolgen rein auf Basis von Erfahrungswerten.. Grobe Anforderungen an die Regelung (Durchschnittsmodell): max. Geschwindigkeiten ca. 1 m/s, Beschleunigung 15 m/s^2, max. zulässiges Peak to Peak-Rauschen ca. 800 nm, maximale Einschwingzeit ca. 2s Zu den Motoren: 2-Phasen-Linearmotoren. Sie werden so angesteuert, dass immer maximale Kraftumsetzung erfolgt (Somit kann nur Amplitude gestellt werden und Phasenwinkel ist immer +- 90 Grad). Der Kommutierungswinkel-Offset wird über ein Testverfahren automatisiert ermittelt. Zum Messsystem: AMR-Messsystem mit magnetisch beschriebenen Masstäben. Auflösung 5 nm Steuerung: Ausgangsspannung 2x24 V, Abtastfrequenz: 4 kHz Vorhandene Regelung und Vorsteuerung: Derzeit wird eine Solltrakjektorie draufgegeben (klassisches trapezförmiges Geschwindigkeitsprofil, wahlweise auch Algorithmus mit reduziertem Ruck vorhanden, aber KEINE modellbasierte Trajektorieplanung). Somit stehen zu jedem Abtastschritt theoretisch aktuelle Sollposition, Geschwindigkeit-und Beschleunigung zur Verfügung. Geregelt wird aber nur die Differenz zwischen Soll-und Ist-Position und das erfolgt über einen einfachen PID-Regler, dessen Parameter nach Erfahrungswerten eingestellt werden. Für Geschwindigkeit und Beschleunigung existiert allerdings eine Vorsteuerung, dessen Parameter über Testverfahren ermittelt werden und je nach aktuellem Sollwert von Geschwindigkeit und Beschleunigung dann im Betrieb linear verändert werden. Also eine adaptive Vorsteuerung. (Hat sich ein Physiker ausgedacht, der nicht mehr dabei ist) Der Regler selbst hat auch adaptive Einstellmöglichkeiten. Für jeden Anteil P,I und D können Ruhe-und Bewegungsparameter definiert werden. Bis zu einer einstellbaren Grenzgeschwindigkeit erfolgt zwischen diesen Werten ebenfalls eine lineare Veränderung und ab der Grenzgeschwindigkeit bleiben sie konstant. Das wird im Moment aber praktisch nur als Schalter benutzt, da die Grenzgeschwindigkeit einen sehr kleinen Wert hat (nach den Erfahrungswerten)... Problem ist, dass der Regler bisher überhaupt nicht robust gegenüber kleinen Änderungen ist. Sogar kleine Modellabweichungen bei Geräten desselben Typs bewirken ein anderes Bewegungsverhalten. Erstes Ziel wird sein, die vorhandene Struktur systematisch zu nutzen und modellbasiert und nicht rein empirisch zu parametrieren. Das langfristige Ziel wird eine neue Reglerstruktur sein. Ich dachte da an eine Zustandsreglung von mindestens den Zuständen Position und Geschwindigkeit. Die gegebene Solltrajektorie ist ja im Prinzip schon sehr gut um einen scharfen Regler für Störausreglungen zu generieren. (Später evtl. ja noch eine LQ-Folgetrajektorie denkbar, wenn ein Modell steht) Von der vorhandenen Vorsteuerung erhoffe ich mir ebenfalls, dass sie mir das Leben vereinfacht und ich sie weiter nutzen kann... Bei der Vorgehensweise der Modellbildung bin ich mir aber sehr unsicher, da ja Linearmotoren bekannt für ihre Kraftwelligkeit und somit Nichtlinearitäten sind. Wenn ich das resultierende System also linearisiere, um welche Ruhelage(n) dann? Im Prinzip kann jede Position angefahren werden und eine Ruhelage sein.. auf der anderen Seite ist die Auslenkung ja nur ganz klein, wenn man die Abweichung zum Sollwert regeln will... ist so etwas wie Gain-Scheduling sinnvoll? Oder könnte ich evtl. von Anfang an von einem linearen Modell ausgehen? Wären experimentelle Modellbildungen evtl. auch sinnvoll?
halDK schrieb: > Sogar kleine Modellabweichungen bei Geräten > desselben Typs bewirken ein anderes Bewegungsverhalten. Ich meinte hier Materialabweichungen... ein Modell existiert ja leider nicht ;)
Was wird mit 4kHz abgetastet, die Maßstäbe? Wie ist die Reglerfrequenz? Du schreibst der Regler, gibt es nur einen, keine Kaskadenregelung für Strom, Geschwindigkeit und Position? Mit freundlichen Grüßen Thorsten Ostermann
Es gibt tatsächlich nur einen Regler und der regelt lediglich die Positionsabweichung, ja... 4 kHz ist der Maschinenzyklus, Messsystemauslesung und Regelschritt erfolgen innerhalb dessen. Ich muss allerdings auch noch in den Code reinschauen, hierzu kann ich noch keine ganz präzisen Angaben machen... mir geht es hier um den groben Plan. Ich habe Angst, dass ich in eine völlig falsche Richtung laufe
Kleines Update: Ich habe mittlerweile an einem Testobjekt die Einstellregeln von Ziegler/Nichols angewendet. Also P-Anteil bis zur kritischen Verstärkung erhöht und Periode der Dauerschwingung gemessen. Es hat erfreulich gut funktioniert und das Objekt bestand auch die abschließenden Testdurchläufe mit verschiedenen Geschwindigkeiten und Beschleunigungen. Wäre halt auch die Frage, ob man so etwas erst mal automatisiert an jedem Produkt durchführt und evtl. über den gesamten Verfahrweg Mittelwerte bildet...
Das Ganze soll nun als Produkt in Stueckzahlen raus ? Nun solange du das Gefuehl hast der Regler mache das nun alles Richtig und auch in Zukunft, wenn etwas Staub drauf ist, es die Umgebung etwas ablagert, ist doch gut. Falls nicht, versuch das system zu verschlechtern. zB mit Reibung. Kann eine verbesserte Version der Regelung nachgeliefert werden ?
die Geräte werden in nicht ganz so großen Stückzahlen gefertigt und verhalten sich wie gesagt sehr individuell. Zur Zeit kann der Kunde über die Software die Parameter selbst beeinflussen, ja. Wenn die Umstrukturierung auf eine Zustandsregelung erfolgt, wird das wohl nicht mehr so einfach möglich sein.. also irgendwelche Matrizeneinträge nach Gefühl umzustellen... allerdings werden durch die aktuelle Regelung Geschwindigkeits-und Beschleunigungs-Solwerte sehr schlecht eingehalten
ManuelR schrieb: > die Geräte werden in nicht ganz so großen Stückzahlen gefertigt und > verhalten sich wie gesagt sehr individuell. Bist du der TO? Dann halte dich doch bitte an die Regel ein Nickname pro Thread.
Ja, Verzeihung! Ich habe von einem anderen Rechner geschrieben und da war noch ein anderer Nick vorgemerkt^^
Bei den größeren Systemen ist leider bei Anwendung der Einstellregeln von Ziegler-Nichols das Problem, dass der kritische Punkt nicht ganz so gut ermittelt werden kann wie bei den kleinen. Also die Großen werden ziemlich schnell laut und es lösen Motorschutzabschaltungen aus. Evtl. könnte man die Schleppfehlertoleranz erhöhen... Ich weiß auch nicht, in welcher Größenordnung es ideal wäre, das Experiment zu unterbrechen und die Schwingung anzunehmen... denn das Messsystem selbst hat ja ein hochfrequentes Grundrauschen. Wo sollte man da die Grenze ziehen?
Ein Zustandsregler ist nicht so verschieden zu einem PID. Einfach etwas verallgemeindert, aufgebohrt. Die Matrixglieder sind einfach Koeffizienten welcher Sensor an welche Groesse koppelt. Mit hinreichend Nullen in die Matrix eingefuellt bist du wieder beim PID.
ja, wobei man eine Zustandsregelung z.B. noch mit der LQR-Methode optimieren kann, mehr Zustände als messbare Größen definieren und diese beobachten kann und und...etc. Ich möchte schon so viele Dinge wie möglich probieren um hinterher auch Erfahrungen sammeln und nachweisen zu können^^
Joggel E. schrieb: > Mit hinreichend > Nullen in die Matrix eingefuellt bist du wieder beim PID. Genau. halDK schrieb: > Ich dachte da an > eine Zustandsreglung von mindestens den Zuständen Position und > Geschwindigkeit. Man wird die Geschwindigkeit durch Ableitung (Differentiation) aus der gemessenen Position bestimmen, dann bist du also genau bei einem PD-Regler. Ein Zustandsregler beruecksichtigt allerdings per Definition alle Systemzustaende und nicht nur die, die gut zu messen sind. Der Strom/Beschleunigung muss sicher mit rein. Ich wuerde es mit einer Kaskade versuchen und die Parameter per Polvorgabe bestimmen. Ein Modell braucht man dazu, ist aber beim Motor bekannt, bei der Mechanik kommts halt darauf an.. > Bei der Vorgehensweise der Modellbildung bin ich mir aber sehr unsicher, > da ja Linearmotoren bekannt für ihre Kraftwelligkeit und somit > Nichtlinearitäten sind. Da wuerde ich mir keinen Kopf machen, erstmal den Mittelwert der Kraft annehmen. Wenns Probleme gibt, kann man immernoch die Trajektorie aufnehmen und eine phasenabhaengige Stromkorrektur einfuegen. Die muss dann halt in Echtzeit mitlaufen, dein Regler aber ja auch.
Ich würde für die Positionsregelung erst mal pro System eine Sprungantwort aufnehmen und daraus die Werte eines IT1-Glieds für die Strecke ermitteln. Das sollte eine gute Annäherung sein
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