Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Sauerstoffsensor Nachbau?


von Jemin K. (jkam)


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Hallo,

momentan besteht ja eine riesige Nachfrage nach Beatmungsgeräten. Viele 
ältere Modelle nutzen dazu einen Dräger Sauerstoffsensor. Der ist nach 
Jahrzehnten jetzt abgekündigt, was zu irren Preissteigerungen geführt 
hat.
Es handelt sich um dieses Modell:
https://www.drwmuellergmbh.de/de/shop/monitoring/accessories-for-monitors/1002381/draeger-o2-sensor-s-quick-cells-type-6850930-suitable-for-draeger-pm-8050-8060-cicero

Das ist ein einfacher, alter amperometrischer Sensor. Kostete bis zur 
Abkündigung 30 Euro, jetzt 150 aufwärts. Resultat: viele alte Beatmungs- 
und Anästhesiegeräte sind auf einen Schlag nutzlos geworden.

Seht Ihr eine Möglichkeit, die Dinger nachzubauen / wieder 
aufzuarbeiten?

von MaWin (Gast)


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Jemin K. schrieb:
> Seht Ihr eine Möglichkeit, die Dinger nachzubauen

Ja und Nein.

Die Patente werden abgelaufen sein, wer Sauerstoffsensoren mit der von 
Draeger verwendeten Technik produzieren kann, kann jetzt also Ersatz 
anbieten.

Bloss das know how muss man erst mal haben.

Daher erscheint es sinnvoller, existierende Sensoren anderer Hersteller 
zu adaptieren, also mechanisch verwendbar und von der Elektronik genau 
so auswertbar zu machen wie die Draeger-Sensoren.

Bloss damit mit so einem reparierten Gerät jemand beatmet werden kann, 
muss man wohl mindestens die medizinische Zertifizierung durchlaufen, 
inklusive der Zertifizierung der Produktionsstätte.

von Jemin K. (jkam)


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Richtig. Nur werden die alten geräte in großer Zahl in der 
Veterinärmedizin eingesetzt, wo solch eine Zertifizierung nicht 
notwendig ist. Kalibirieren kann man die Sonde ja direkt im Gerät mit 
Testgas. Aber Du wirst schon Recht haben, lohnt den Aufwand nicht. Das 
besondere an der Zelle war, dass sie eine Ansprechzeit von einer halben 
Sekunde hat. Was es sonst so gibt ist alles langsamer. Basieren tut das 
Ding auf einem Gold/Blei System...

von Jemin K. (jkam)


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Falls jemand das Patent zu dem Ding findet, wäre großartig. Ich finde 
nichts. Das muss aus den 70er Jahren sein...

von Hp M. (nachtmix)


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Jemin K. schrieb:
> Basieren tut das
> Ding auf einem Gold/Blei System...

Wird also eine Clark-Zelle sein.
https://de.wikipedia.org/wiki/Clark-Elektrode

Bleielektrode, KOH als Elektrolyt und Sauerstoff durchlässige 
Teflonmembran. Kalibrieren mittels Umgebungsluft.

https://de.wikipedia.org/wiki/Sauerstoffsensor

: Bearbeitet durch User
von Flip (Gast)


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Es heißt, dass eine messung des ausatem-co2 ausreicht. Der 
Sauerstoffgehalt in der Einatemluft wird volumetrisch über die 
zuflussmessung luft und o2 gerechnet. CO2-Sensoren sind einfach und 
günstig. Die o2 Adsorption wird über die co2-menge in der ausatemluft 
berechnet.

von Jemin K. (jkam)


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Hp M. schrieb:
> Bleielektrode, KOH als Elektrolyt und Sauerstoff durchlässige
> Teflonmembran. Kalibrieren mittels Umgebungsluft.

Super! 3N KOH?

von Hp M. (nachtmix)


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Jemin K. schrieb:
> 3N KOH?

Ja, "konz." Sogar noch höher bis 6M.
Hier eine Weiterentwicklung, die statt Blei Cadmium verwendet und statt 
Gold eine billige Cu-Ni-Legierung ähnlich der für manche Münzen 
verwendeten
https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/092540059501754J
https://de.wikipedia.org/wiki/Kupfernickel

von Olaf (Gast)


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> CO2-Sensoren sind einfach und günstig.

Hm..welcher CO2 Sensor mit einer T90 von 0.5s ist denn einfach und 
guenstig? Zeig doch mal ein Beispiel.

Olaf

von Skyper (Gast)


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Hp M. schrieb:
> Hier eine Weiterentwicklung, die statt Blei Cadmium verwendet und statt
> Gold eine billige Cu-Ni-Legierung ähnlich der für manche Münzen
> verwendeten

Sind Blei und Cadmium nicht beides Materialien die aus der Fertigung von 
Sensoren / Bauteilen "verschwinden" sollen? Vielleicht ist die Fertigung 
deshalb eingestellt worden ... und auch die eingesetzten Geräte sind 
"irgendwann" zu alt.

von Pandur S. (jetztnicht)


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Kann man nicht Sauerstoff mit einem inhomogenen Magnetfeld detekieren ?

"oxygen detection magnetic field"
"yokogawa paramagnetic oxygen analyzer"
"paramagnetic oxygen sensor working principle"

http://vakratoond.com/instrumentation/paramagnetic-o2-oxygen-analyzer/

: Bearbeitet durch User
von Werner H. (werner45)


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Es gibt noch weitere Verfahren:
Die Lambdasonde in Autos.

Ehemals Hartmann & Braun Magnos - Magnetischer Wind in einer teilweise 
beheizten Meßzelle, für die Prozeßkontrolle im Chemiewerk.

Eine magnetische Drehwaage mit optischer Winkelabtastung (sehr genau).

Diese setzen aber richtige Präzisionsmechanik voraus und sind teuer in 
der Fertigung.

Nachtrag:
Eine defekte Clarkzelle hat zuviel CO2 absorbiert. Sie kann repariert 
werden, wenn man die Elektroden reinigt und frische Kalilauge einfüllt.
Aber eine einfach zerlegbare habe ich noch nicht gefunden, vielleicht 
die ganz alten.

Gruß - Werner

: Bearbeitet durch User
von Ben S. (bensch123)


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Noch einer, der in Panik gerät und meint, sich so ein Ding bauen zu 
können.

von Werner H. (werner45)


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Quatschkopp!

Ich hab schon lange eine Drehwaage und einen Sensor im 
Sauerstoffkonzentrator zum Autogenschweißen und einen Testo für die 
Heizung.

Gruß - Werner

: Bearbeitet durch User
von Stefan F. (Gast)


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Wenn sich der Nachbau lohnen würde, würde es dann nicht Dräger selbst 
längst tun?

von Dieter W. (dds5)


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Werner H. schrieb:
> Ehemals Hartmann & Braun Magnos - Magnetischer Wind in einer teilweise
> beheizten Meßzelle, für die Prozeßkontrolle im Chemiewerk.


Yep, und dann gab es noch den Rapox - rapid oxygen analyser für 
medizinische Zwecke.

Da wurde das Messgas durch eine Düse in den Luftspalt eines mit AC 
angesteuerten Elektromagneten geleitet und mit einem Kondensatormikrofon 
die entstehenden Druckschwankungen gemessen.
Wurde Anfang der 70er entwickelt aber ob der je gebaut und verkauft 
wurde?

Der Magnos mit seinen in Glas gekapselten ringförmigen Messwiderständen 
aus Platin ist sogar noch um einiges älter.

von B e r n d W. (smiley46)


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Die bleihaltigen elektrochemischen Sauerstoffsensoren sind wegen Rohs 
abgekündigt.

Einige Hersteller haben bleifreie Nachfolgetypen:
City, Figaro, Alphasense und ITG

Diese sind jedoch nicht kompatibel, das Ausgangssignal ist viel 
geringer. Wichtig ist die schnelle Ansprechzeit, denn man möchte den 
Unterschied zwischen Ein- und Ausatmen detektieren.

von Christoph db1uq K. (christoph_kessler)


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von Jemin K. (jkam)


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Toll, Danke! Das sind viele hilfreiche Antworten.
Dräger ist der Support für 20 Jahre alte Geräte wohl ziemlich egal. Ein 
Händler meinte jetzt auch, es gäbe Alternativen von anderen Herstellern, 
aber ich bezweifle es, dass da was sinnvolles dabei ist.
Mit Panik hat das nichts zu tun, sondern mit der Tatsache, dass 
plötzliche nur noch gebrauchte Dräger Narkosegeräte verwendbar sind, wo 
der Preis bei 10k im Gebrauchtmarkt losgeht.

von Harald W. (wilhelms)


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Stefan ⛄ F. schrieb:

> Wenn sich der Nachbau lohnen würde, würde es dann nicht Dräger selbst
> längst tun?

Vielleicht verkauft Dräger lieber komplette Beatmungsgeräte?

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