Hallo zusammen, Für ein Projekt (Modellbau) benötige ich möglichst kleine Bauteile, konkret geht es um die Pufferung nach der Gleichrichtung einer Rechteckspannung (etwa 20 Volt, 300 mA) also überhaupt nichts komplexes. Wenn man die Werbung von MLCC-Herstellern (Taiyo Yuden, TDK usw.) liest, könnte man glauben, die haben "geschnitten Brot" neu erfunden. Jetzt habe ich schon stundenlang Datenblätter durchforstet, aber es stellt sich immer mehr Ernüchterung bei mir ein! Konkret suche ich einen Kondensator in der Bauform 0603 mit 35V Spannungsfestigkeit (damit etwas Reserve ist) und möglichst großer Kapazität. Jetzt habe ich einen 4,7µF/35V gefunden, welcher laut Datenblatt bei DC etwa 0,7µF Kapazität aufweist. Der größte MLCC, den ich mit 35V in 0603 finden konnte, hat nominell 10µF, was in etwa ziemlich genau 1,0µF laut Datenblatt im DC-Betrieb bedeuten würde. Ich wäre ja mit 2,2µF (in "echt") schon zufrieden, also habe ich gesucht, ob MLCC mit höherer Spannungsfestigkeit aber geringerer nomineller Kapazität besser wären, aber die Kurve (DC-Bias) fällt genau so schnell ab, lediglich der flache Bereich wird hinten etwas länger, je höher die Spannungsfestigkeit ist. Meine Fragen: 1. Wir schreiben das Jahr 2020. Ist es wirklich so, dass 1,0µF/35V/0603 schon das Ende der Fahnenstange sind? Oder stelle ich mich bloß zu doof bei der Suche an? 2. Kondensatoren mit besseren Materialien (also nicht X5R/X7R) sind bei diesen Bedingungen schon bei 0,15µF am Ende. Das ist doch lächerlich wenig. Wieso ist das so? Wieso führt selbst eine Verdoppelung der nominellen Kapazität zu so geringen Zuwächsen bei der "echten" DC-Kapazität? 3. Welche Alternativen hätte ich in Bauform 0603? Tantal kann ich aufgrund des Ripple-Stromes nicht einsetzen, die fackeln mir doch ab... 4. Ist es vertretbar einen MLCC deutlich über seiner Nennspannung zu betreiben? Also einen 16V MLCC beispielsweise mit 30V zu betreiben? (Dann hätte ich vermutlich einige Möglichkeiten.) Wie fallen diese Teile bei Überlastung üblicherweise aus? Fackeln die auch wie Tantal ab? (Wüsste aber nicht, was im MLCC brennbar wäre.) Wenn ich Platz hätte, würde ich am liebsten einen SMD-Alu-Elko einsetzen - das scheint mir das sinnvollste zu sein. Wie geht ihr mit solchen Aufgabenstellungen um? Dankeschön im Voraus. Liebe Grüße, Fritz
Warum keine Normalen Aluminium-Elkos? Die gibts auch schon verdammt klein. Im GameBoy Anfang der 90-er waren Elkos drin, die waren vielleicht nur 3 im Durchmesser bei 5 mm Länge oder so. Fritz R. schrieb: > Pufferung nach der Gleichrichtung einer > Rechteckspannung (etwa 20 Volt, 300 mA) Welche Frequenz? Welcher Spannungsrippel ist zulässig? Tantals wurden Mitte der 90-er gehyped, weil sie eben kleine Schaltregler in den Handys ermöglichten. Rippelstrom im Datenblatt beachten, dann fackeln sie nicht ab. Sonst schau dir mal Polymer-Caps an. Fritz R. schrieb: > Also einen 16V MLCC beispielsweise mit 30V zu betreiben? Aber dann hast du doch noch weniger Kapazität! Die Physik lässt sich eben nicht überlisten. Vielleicht den Strom mit einer Drossel glätten?
Marek N. schrieb: > Aber dann hast du doch noch weniger Kapazität! Mein Gedanke wäre ein 22µF/16V gewesen. Ich denke, dass der bei 20V durchaus noch 2µF hätte. Meinst du nicht? Den gäbe es nämlich beispielsweise von Samsung im 0603.
Fritz R. schrieb: > Wieso ist das so? Vermutung: weil auch all diese Hersteller nicht zaubern können und einfach nur innerhalb der physikalischen Grenzen agieren müssen.
Fritz R. schrieb: > Wenn ich Platz hätte, würde ich am liebsten einen SMD-Alu-Elko einsetzen Es gibt Hybrid-Elkos, die Schichtkondensatoren- und Elkoeigenschaften vereinen. Vielleicht gibt es da ja was für dich. mfg mf
Fritz R. schrieb: > Für ein Projekt (Modellbau) benötige ich möglichst kleine Bauteile, > konkret geht es um die Pufferung nach der Gleichrichtung einer > Rechteckspannung (etwa 20 Volt, 300 mA) also überhaupt nichts komplexes. Wieso bekommst du beim Gleichrichten einer Rechteckspannung überhaupt Ripple?
Fritz R. schrieb: > Für ein Projekt (Modellbau) benötige ich möglichst kleine Bauteile, > konkret geht es um die Pufferung nach der Gleichrichtung einer > Rechteckspannung (etwa 20 Volt, 300 mA) also überhaupt nichts komplexes. Komplex nicht. Anspruchsvoll möglicherweise schon. > Konkret suche ich einen Kondensator in der Bauform 0603 mit 35V > Spannungsfestigkeit (damit etwas Reserve ist) und möglichst großer > Kapazität. Jetzt habe ich einen 4,7µF/35V gefunden, welcher laut > Datenblatt bei DC etwa 0,7µF Kapazität aufweist. "Bei DC"? Bahnhof. Bei welcher Spannung? Bei Nennspannung von 35V? Oder bei den 20V, die du wirklich brauchst? > Meine Fragen: > > 1. Wir schreiben das Jahr 2020. Ist es wirklich so, dass 1,0µF/35V/0603 > schon das Ende der Fahnenstange sind? Kann schon sein. 1µF/35V ist ne Menge Holz. Und 0603 ist mächtig klein. > 2. Kondensatoren mit besseren Materialien (also nicht X5R/X7R) sind bei > diesen Bedingungen schon bei 0,15µF am Ende. "Bessere Materialien?" Bahnhof. Schon wieder. Rede Klartext! Besser als was? X5R/X7R sind von der Dielektrizitätszahl her schon ganz vorn. Welches Material hast du denn angesehen? Und ja, das ist genau der Pferdefuß bei diesen ferroelektrischen Dielektrika. Sie haben einen ausgeprägten Sättigungseffekt. Was bedeutet, daß die effektive Kapazität mit steigender Spannung abnimmt. Oder anders ausgedrückt: die Fähigkeit zur Energiespeicherung ist begrenzt und wächst in der Praxis deutlich langsamer als in der Theorie (mit dem Quadrat der Spannung). > Das ist doch lächerlich wenig. Nein, das ist viel. Rechne einfach mal die Energiedichte in J/mm³ aus: (U²·C/2) ÷ (l·b·h). Und dann vergleiche. > Wieso ist das so? Weil es Physik ist und kein Wunschkonzert. > 3. Welche Alternativen hätte ich in Bauform 0603? Keine. Energiespeicherung braucht Volumen. > 4. Ist es vertretbar einen MLCC deutlich über seiner Nennspannung zu > betreiben? Also einen 16V MLCC beispielsweise mit 30V zu betreiben? Nein. Hast du nicht gerade selber herausgefunden, daß bereits beim Betrieb bei Nennspannung eine deutliche Sättigung einsetzt? Was versprichst du dir davon, den Kondensator noch hinter dem Arbeitspunkt betreiben zu wollen, den das Marketing(!) als grenzwertig betrachtet? > Wie fallen diese Teile > bei Überlastung üblicherweise aus? Fackeln die auch wie Tantal ab? Sie schlagen durch. Und platzen. Wenn du Glück hast, sind sie nachher hochohmig. Wenn du Pech hast, ein Kurzschluß. > Wenn ich Platz hätte, würde ich am liebsten einen SMD-Alu-Elko einsetzen Tantal ist besser, was die Leistungsdichte angeht. Aber auch teurer.
Fritz R. schrieb: > 2. Kondensatoren mit besseren Materialien (also nicht > X5R/X7R) sind bei diesen Bedingungen schon bei 0,15µF > am Ende. Das ist doch lächerlich wenig. Nee. Umgekehrt: Du hast komplett die physikalische Bodenhaftung verloren. > Wieso ist das so? Rechnen wir: Nehmen wir mal an, der 0603-MLCC sei 0.5mm dick, und jede Schicht habe eine Dicke von 10µm, dann sind dort 50 Schichten enthalten. (Die Dicke der Metall- elektroden vernachlässige ich mal.) Die Grundfläche von 0603 ist 1.6mm x 0.8mm; das ergibt 1.28mm^2; 1.28mm^2 * 50 Schichten = 64mm^2. Ein Plattenkondensator in Luft mit 8mm x 8mm Plattenfläche und 0.01mm Plattenabstand hat C = 8.86pF/m * 64*10^-6m^2 / 10*10^-6m ~= 57pF. Um auf 150nF zu kommen, muss eps_r = 150'000pF/57pF = 2'630 gelten. Das ist für einen ferroelektrischen keramischen Werkstoff realistisch. Nur zum Vergleich: - Luft hat ein eps_r von 1.0 - viele Kunststoffe liegen so im Bereich 2...5 - Al2O3 (das Dielektrikum von Elkos) hat 8.6 - Wasser hat ein eps_r von 81 - Titanoxid (aus dem früher die NDK-KerKos waren) hat 111...257 - Ferroelektrika (Bariumtitanat, Bleizirkonat-Titanat etc.) erreichen Werte über 1'000 bis zu 100'000; allerdings wird mit steigender Dk die Hysterese immer ausgeprägter. Sprich: Die Verluste bei AC steigen, die Abhängigkeit von Spannung und Temperatur wird schlechter, und die Sättigungseffekte bei höheren Gleichspannungen werden stärker. > Wieso führt selbst eine Verdoppelung der nominellen > Kapazität zu so geringen Zuwächsen bei der "echten" > DC-Kapazität? Sättigung. Genauso, wie ferromagnetische Stoffe bei hohen magnetischen Feldstärken in die Sättigung gehen, gehen ferroelektrische Stoffe bei hohen elektrischen Feldstärken in die Sättigung. Die hohe Dk bei AC kommt dadurch zustande, dass sich "ineinander verschachtelte" Kristallgitter gegeneinander verschieben. Irgendwann ist aber die Endlage erreicht, und genau dort knickt die Kurve ab --> Sättigung.
Axel S. schrieb: >> Das ist doch lächerlich wenig. > > Nein, das ist viel. Rechne einfach mal die Energiedichte > in J/mm³ aus: [...] Man kann auch spaßeshalber mal die Feldstärke abschätzen. Bei 10µm Schichtdicke und 35V Nennspannung ergeben sich sportliche 3.5kV/mm. In Luft kracht es schon.
Allerdings habe ich den Eindruck, dass die mit hohen Spannungen zumindest teurer und schwerer erhältlich wurden. Vor ~zehn Jahren habe ich bei Reichelt X5R/X7R-Kondensatoren 22µF/25V in 0805 gekauft. Heute gibts die dort nicht mehr. Dafür bei TME 100µF/4V. MfG, Arno
Fritz R. schrieb: > 1. Wir schreiben das Jahr 2020. Ist es wirklich so, dass 1,0µF/35V/0603 > schon das Ende der Fahnenstange sind? Oder stelle ich mich bloß zu doof > bei der Suche an? Für diesen "Hochspannungsbereich" werden eben keine kleinen Bauteile gefertigt oder gar entwickelt, weil da keine Stückzahlen laufen. So richtige Stückzahlen laufen bei Bauteilen kleiner 5V. Dort wird Entwicklungskapazität eingebracht. Deine "Hochspannungskondensatoren" sind nur ein Abfallprodukt dieser Entwicklung.
Arno schrieb: > Vor ~zehn Jahren habe ich bei Reichelt X5R/X7R-Kondensatoren 22µF/25V in > 0805 gekauft. Heute gibts die dort nicht mehr. Dafür bei TME 100µF/4V. Digi-Key hat derzeit allein verschiedene Typen von SMD-Keramikkondensatoren mit 22µF/25V auf Lager, ohne Berücksichtigung verschiedener Verpackungen: https://www.digikey.de/products/de/capacitors/ceramic-capacitors/60?k=&pkeyword=&sv=0&sf=0&FV=mu22%C2%B5F%7C2049%2C-8%7C60%2C14%7C159247&quantity=&ColumnSort=0&page=1&stock=1&pageSize=25 Davon sind 23 Typen in 0805; das scheint auch heute noch die kleinste Bauform für den gewünschten Energieinhalt zu sein. Die größte Auswahl gibt es in 1210. Aber in der Tat gibt es mittlerweile von sehr vielen Herstellern Roadmaps, in denen die größeren Bauformen mehr und mehr ausgelistet werden, sobald es kleinere Bauformen mit ansonsten gleichen Paramtern gibt.
Vielen Dank für eure Antworten! Wolfgang schrieb: > Wieso bekommst du beim Gleichrichten einer Rechteckspannung überhaupt > Ripple? Das Signal ist moduliert, die Zeitabstände zwischen den Umpolungen geben den Informationsgehalt wieder. Da die Flanken nicht rabenscharf sind, "Slew rate limited" würde man heute sagen, müssen die "Trapeze" ausgefüllt werden. Arno schrieb: > Vor ~zehn Jahren habe ich bei Reichelt X5R/X7R-Kondensatoren 22µF/25V in > 0805 gekauft. Heute gibts die dort nicht mehr. Dafür bei TME 100µF/4V. Die habe ich auch im Einsatz, aber als 35V/0805/22µF - es bleiben etwa 4µF über bei 20V... Egon D. schrieb: > Um auf 150nF zu kommen, muss > eps_r = 150'000pF/57pF = 2'630 gelten. Das ist für einen > ferroelektrischen keramischen Werkstoff realistisch. Nun, 1µF schaffen sie ja - mit dem X5R/X7R. Murata hat übrigens eine schöne Website, gibt man den gewünschten "DC-Bias" an, wird sogar die "echte" Kapazität angezeigt. Lothar M. schrieb: > Für diesen "Hochspannungsbereich" werden eben keine kleinen Bauteile > gefertigt oder gar entwickelt, weil da keine Stückzahlen laufen. So > richtige Stückzahlen laufen bei Bauteilen kleiner 5V. Dort wird > Entwicklungskapazität eingebracht. Deine "Hochspannungskondensatoren" > sind nur ein Abfallprodukt dieser Entwicklung. Das wird wohl das Problem sein, sehr bedauerlich. Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass es einfacher sein soll, hohe Kapazitäten bei winzigen Spannungen als mäßige Kapazitäten bei höherer Spannung herzustellen. Aber in einem Smartphone wird man keine 35V antreffen... Axel S. schrieb: > Bei welcher Spannung? Bei Nennspannung von 35V? Oder bei den 20V, die du > wirklich brauchst? 20V und (wirkliche) 2,2µF (bei DC) in Baugröße 0603 und ich wäre glücklich. Axel S. schrieb: > Sie schlagen durch. Und platzen. Wenn du Glück hast, sind sie nachher > hochohmig. Wenn du Pech hast, ein Kurzschluß. Das ist natürlich übel. Wenn die Dinger wenigstens garantiert hochohmig würden... Ich werde wohl das Mistding mit angeblichen 10µF nehmen müssen und hoffen, dass 1µF übrig bleibt. Dort wo der Platz ausreicht, werde ich auf 0805 gehen und einen Tantal-Poly nehmen.
Fritz R. schrieb: > Ich kann mir nämlich > nicht vorstellen, dass es einfacher sein soll, hohe Kapazitäten bei > winzigen Spannungen als mäßige Kapazitäten bei höherer Spannung > herzustellen. Es wurde jetzt schon mehrfach gesagt: das Maß ist die gespeicherte Energie. Und da geht die Spannung nun mal quadratisch ein. 100µF @ 4V speichert genausoviel Energie wie 4µF @ 20V
Axel S. schrieb: > 100µF @ 4V speichert genausoviel Energie wie 4µF @ 20V ... und ist dehalb dank annähernd gleicher Technologie eben genauso groß. In einen Bezintank für ein Verbrennerauto mit 70l ist Energie in Form von Benzin für 1000km. Solange die Technik (Benzin und Verbrennermotor) gleich bleibt, werde ich deshalb für 2000km Reichweite einen annähernd doppelt so großen Tank brauchen. Ich werfe z.B. bei Schaltreglern gleich mal einen Blick auf das Größenverhältnis von Eingangs- zu Ausgangskondensatoren. Die sollten annähernd gleich groß sein, weil ja auf beiden Seiten gleich viel Energie unterwegs ist. Und lustigerweise kann man das sogar auf die Spule extrapolieren: wenn sich die Spule größenmäßig signifikant von den Kondensatoren unterscheidet, dann sollte man sich das Design nochmal durchrechnen.
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