Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Woran ist meine H-Brücke gestorben?


von student (Gast)


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Ein kleiner Testlauf, plötzlich springt die Strombegrenzung des Labor-NT 
an.
Opfer ist folgendes Modul: 
https://www.handsontec.com/dataspecs/module/BTS7960%20Motor%20Driver.pdf

Angeschlossen war ein 24V 250W e-Bike Getriebe-Bürstenmotor, der zwei 
Bollerwagenräder antreibt. (Das Gefährt ist aber im Moment aufgebockt, 
Schwungmasse ist also gering).
Die Aktion die den Tod gebracht hat war zunächst langsam auf volle 
Geschwindigkeit vorwärts beschleunigen (L_EN, R_EN und LPWM auf high, 
RPWM auf low), dann in den Leerlauf schalten (LPWM auf low). Der Motor 
hat sich dann noch einige Sekunden langsam rückwärts (!) gedreht, dann 
war Ruhe.

Bei der BTS7960 Halbbrücke die für "rückwärts" zuständig ist besteht nun 
Durchgang zwischen den Pins 1-4, sowie 7 (GND, IN, INH, OUT, VCC).
(https://www.openimpulse.com/blog/wp-content/uploads/wpsc/downloadables/BTS7960-Datasheet.pdf)

Was habe ich falsch gemacht? Nach meinem Verständnis hätte sich der 
Motor ausdrehen müssen und fertig, stattdessen sind anscheinend beide 
FETs durchlegiert. Der Kühlkörper wurde bestenfalls lauwarm, der 
Leerlaufstrom war auch nur knapp 2A.

von Christoph Z. (rayelec)


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Auf dem Foto sind keinerlei Entstör- und Schutzelemente zu sehen. Auch 
kleine Motoren eignen so sich ummer wieder gut, Halbleiter effizient zu 
zerstören!
Drosselspulen in Serie zum Motor und ev. sogar (bidirektionale!) 
TVS-Dioden über den Brücken-FETs sind u.U. absolut notwendig!

Ausserdem, wenn der Motor ausläuft, gibt er Energie ab und die kann 
nirgends hin, also steigt die Spannung irgendwo an. Das kann dann auch 
ohne Weiteres die zulässige Versorgungsspannung überschreiten. Ein 
250W-Motor ist schon ein ziemlicher Brocken!

: Bearbeitet durch User
von student (Gast)


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student schrieb:
> dann in den Leerlauf schalten (LPWM auf low)

Ich muss mich korrigieren, das ist kein Leerlauf, sondern bremsen.

Christoph Z. schrieb:
> Auf dem Foto sind keinerlei Entstör- und Schutzelemente zu sehen.

Welche denn zum Beipiel?

von Carsten S. (dg3ycs)


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Hi,

student schrieb:
> Was habe ich falsch gemacht? Nach meinem Verständnis hätte sich der
> Motor ausdrehen müssen und fertig, stattdessen sind anscheinend beide
> FETs durchlegiert. Der Kühlkörper wurde bestenfalls lauwarm, der
> Leerlaufstrom war auch nur knapp 2A.

Man kann ohne Messung nur vermuten...
Ich würde jetzt einmal darauf tippen das der Tod eine Folge der beim 
Abschalten auftretenden Induktion war.
Zwar verfügt der Baustein BTS7960 über gewisse Schutzmechanismen, aber 
es ist dennoch möglich das die Energie größer war als diese 
Schutzmechanismen in der vorliegenden Konfiguration "ableiten" konnten.
Möglicherweise auch größer als die reverse-Diode selbst aushalten 
konnte.

Im Datenblatt findet sich beim Eintrag zu der Reverse Diode dann auch 
ein Hinweis auf die Fußnote 1, die besagt das die Reverse Diode im Falle 
eines Falles nur für wenige Sekunden leitent ist um Freilauf zu 
ermöglichen.

Die Zeit für welche diese Diode leitet wird wird (neben der 
Flankensteilheit der Schaltvorgänge) durch den am Anschluss SR 
angeschlossenen Widerstand bestimmt.
ICh habe das Datenblatt jetzt nur Überflogen, dabei ist mir das ins Auge 
gesprungen. Wenn es tatsächlich so ist das die Reverse-diode nach einer 
gewissen Zeit "abgetrennt" wird, aber die hohe Iduktionsspannung länger 
als diese Zeit anlag, dann könnte das ein Durchlegieren der Transistoren 
erklären.

Eine andere Möglichkeit wäre das der Stromfluss durch die Diode im 
Abschaltmoment so stark war das die Reverse-Diode selbst durchlegiert 
ist.

Aber wie geschrieben: Reine Vermutung!

Gruß
Carsten

von Carsten S. (dg3ycs)


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student schrieb:
> student schrieb:
>> dann in den Leerlauf schalten (LPWM auf low)
>
> Ich muss mich korrigieren, das ist kein Leerlauf, sondern bremsen.

Bremsen ist natürlich ein ganz anderer Fall!
Beim aktiven Bremsen wird der Motor entweder Kurzgeschlossen (Wenn man 
sanfter Bremsen will und bei großen Motoren über Widerstand, bei kleinen 
durchaus direkt) oder er wird sogar kuzzeitig mit entgegengesetzter 
Polarität bestromt.

Die dabei fließenden Ströme sind dabei kurzzeitig ein Vielfaches des 
normalen Betriebsstromes.
Daher war der Stromfluss in diesem Moment vielleicht deutlich höher als 
die erlaubten 43A Peak und das hat zum durchlegieren der Fet geführt.

Gruß
Carsten

: Bearbeitet durch User
von student (Gast)


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Carsten S. schrieb:
> Beim aktiven Bremsen wird der Motor entweder Kurzgeschlossen

Ja, das ist hier der Fall, beide Low-side FETs waren so weit ich das 
verstehe durchgeschaltet. Dann ist mir aber immernoch schleierhaft, wie 
auch der High-side FET durchlegieren konnte und viel wichtiger: Wie ich 
das in Zukunft verhindern kann.

Das eine H-Brücke noch weitere Schutzbeschaltung braucht war mir neu, 
ich dachte die Body-Dioden reichen, solang die kinetische Energie nicht 
so groß wird, dass diese heiß werden.

Ich finde allerdings auch keine Beispiele, wie man das richtig macht, 
dieses Modul ist mMn ganz offensichtlich explizit dazu gedacht direkt an 
einen Motor angeschlossen zu werden.

von oszi40 (Gast)


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student schrieb:
> hat sich dann noch einige Sekunden langsam rückwärts (!) gedreht, dann
> war Ruhe.

Überlast und Abschaltspannung sind übliche Krankheiten.

a)Wenn der Motor noch einige Sekunden gedreht hat und als Generator lief 
könnte Überlastung die Ursache sein.
b)Wenn es nach dem Anschalten nicht mehr ging war es eine böse induktive 
Spannungsspitze. Schutzdioden vergessen?
c)Es gibt auch H-Brücken wo irrtümlich kurz ALLE Transistoren mal 
gleichzeitig leitend sind...
d)Zwischen Vor-und Rücklauf gehört eine kleine Pause, um Stromspitzen zu 
vermeiden.
e)Digitale Schaltstufen zu langsaaam umgeschaltet ist Analogbetrieb und 
heizt die Transistoren/MOSFETs.

Elektronik funktioniert nur mit Rauch. Wenn der Rauch schon entwichen 
ist, dann ist was kaputt.

von eProfi (Gast)


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Meine Vermutung ist nicht Überstrom, sondern Überspannung.
1. Bei schnell schaltenden FETs wirkt jeder Millimeter Leitung als 
Induktivität, da kommen flott einige Dutzend Volt zusammen.
Die wichtigste Schutzschaltung ist das mechanisch kurz angebundene 
Abblocken der Brückenspeisespannung.  Kompakter Aufbau, kurze 
Zuleitungen.

2. Beim sanften aktiven Bremsen wird die rotatorische Energie in die 
Versorgung zurückgespeist. Diese Regler sind eher für den 
Batterie-/Akkubetrieb ausgelegt, welche die Bremsenergie aufnehmen 
können.
Das Labornetzteil wird ja kein Mehrquadrantengerät sein, das auch als 
Stromsenke arbeiten kann.
Die Wirkung der sanften Bremse ist folgende: kurzes "verpoltes" PWM 
bewirkt, dass der Motor (trotz relativ geringer Drehzahl) als Generator 
wirkt.
Die Wicklung wird sozusagen vorgespannt, sodass die Spannung in den 
"PWM-Pausen" höher als die Versorgungsspannung wird und Strom zurück 
fließt.

von Günni (Gast)


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Nach Datenblatt liegen parallel zu den Ausgangs-FETs Dioden, die 
Spannungen ableiten, die den Bereich der Versorgungsspannung über- bzw. 
unterschreiten. Ich habe mich darauf nie verlassen und immer schnelle 
Dioden - die aber den ganzen Strom verkraften müssen - parallel dazu 
geschaltet. Im Datenblatt steht aber auch, dass bei induktiven Lasten 
(und das ist ein Motor ja) ein Kondensator 0,47 uF direkt über die 
Versorgungspins der Brückenendstufe liegen sollten. STM bietet ja 
bipolare und MOS-Brücken in diversen Leistungsklassen an und bei 
induktiven Lasten ist dort meist eine Reihenschaltung von einem 22 Ohm- 
Widerstand mit einem Kondensator (0,1 bis 0,47 uF) zur Löschung 
induktiver Spannungsspitzen und zur Verlangsamung der Flanken parallel 
zur Last vorgesehen.

Generell habe ich bei Bürstenmotoren in Verbindung mit integrierten 
Brückenschaltungen keine besonders guten Erfahrungen gemacht. Auch bei 
gutem Aufbau und sorgfältiger Planung liefen die Motoren selten ganz 
"rund". Ich habe dann meist auf eigene Schaltungen mit "dicken" 
bipolaren Transistoren ähnlich 2N3055 zurückgegriffen und bessere 
Ergebnisse erzielt. Bei Motoren ohne Kollektor hatte ich mit 
integrierten Brücken keine Probleme. Das Bürstenfeuer macht wohl doch 
einige Probleme - und mit steigendem Alter der Motoren wird das 
schlimmer.

von student (Gast)


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oszi40 schrieb:
> a)Wenn der Motor noch einige Sekunden gedreht hat und als Generator lief
> könnte Überlastung die Ursache sein.

Dazu reicht die Masse nicht, für menschliche Maßstäbe stand der Motor 
samt Rädern sofort und hat dann angefangen sich langsam in die andere 
Richtung zu drehen.

oszi40 schrieb:
> b)Wenn es nach dem Anschalten nicht mehr ging war es eine böse induktive
> Spannungsspitze. Schutzdioden vergessen?

Nicht vergessen, ich hatte angenommen die Body-Dioden der FETs in den 
Halbbrücken ICs sind dafür geeignet.

oszi40 schrieb:
> c)Es gibt auch H-Brücken wo irrtümlich kurz ALLE Transistoren mal
> gleichzeitig leitend sind...

> e)Digitale Schaltstufen zu langsaaam umgeschaltet ist Analogbetrieb und
> heizt die Transistoren/MOSFETs.

Das schonmal nicht, das stellt der BTS7960 sicher.


d)Zwischen Vor-und Rücklauf gehört eine kleine Pause, um Stromspitzen zu
vermeiden.

Gerne, derartige Fehler schleichen sich während der Entwicklung halt 
leider ein. Aber wenn das schon zu tödlichen Spitzen führt, ohne dass 
das Ding überhaupt wirklich fährt, wie soll dass dann realen Betrieb 
überleben?

oszi40 schrieb:
> Elektronik funktioniert nur mit Rauch. Wenn der Rauch schon entwichen
> ist, dann ist was kaputt.

Der ist noch drin, optisch kann man keinen Fehler feststellen, dazu 
reichen die 5A des NT wohl nicht.

von student (Gast)


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Günni schrieb:
> Im Datenblatt steht aber auch, dass bei induktiven Lasten
> (und das ist ein Motor ja) ein Kondensator 0,47 uF direkt über die
> Versorgungspins der Brückenendstufe liegen sollten.

Das Modul hat einen 330µF Elko über der Spannungsversorgung.

von student (Gast)


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Günni schrieb:
> Ich habe mich darauf nie verlassen und immer schnelle
> Dioden - die aber den ganzen Strom verkraften müssen - parallel dazu
> geschaltet.

Kannst du mir da einen Typ empfehlen? Einfach dicke Schottky Dioden oder 
was nimmt man da?

von student (Gast)


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eProfi schrieb:
> Das Labornetzteil wird ja kein Mehrquadrantengerät sein, das auch als
> Stromsenke arbeiten kann.

Nein, das ist richtig. Demnach könnte der Betrieb am Labornetzeil in 
diesem Fall für die Halbbrücken gefährlicher sein als am dicken Akku?

von Ben B. (Firma: Funkenflug Industries) (stromkraft)


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Dieses kleine Vollbrückchen da soll einen 250W-Bollerwagen vertragen? Na 
damit wünsche ich noch viel Spaß. Abgesehen davon, daß der Motor beim 
Anfahren möglicherweise noch mehr nimmt als 250W.

: Bearbeitet durch User
von student (Gast)


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Ben B. schrieb:
> Dieses kleine Vollbrückchen da soll einen 250W-Bollerwagen vertragen?

Wieso nicht? Darum geht's hier aber auch garnicht. Kannst du mir eine 
sachgemäße Schutzbeschaltung zeigen?

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