Forum: Ausbildung, Studium & Beruf EMV-Richtlinie als Teil der CE-Erklärung bei unvollständigen Geräten?


von Hanseat (Gast)


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Hallo zusammen,

ich brauche mal Euren Rat, am liebsten mit einschlägiger Literatur, die 
ich bisher leider nicht finden konnte.

Kurze Produktbeschreibung:

Ich entwickle derzeit ein Hochspannungsnetzteil (Ue 230-500V / Ua >= 
10kv <= 15kV) welches eigenständig zwar lauffähig ist, aber durch die 
Vorgaben des bestimmungsgemäßen Betriebes nur an Industrielle Kunden zum 
Einbau in eine Maschine verkauft werden kann und von diesen auch nur in 
einer Anwendung eingesetzt werden kann und darf.

Fragestellung:
Jetzt rückt das Thema Richtlinien, Zulassungen und CE näher.
Ein Teil der CE-Erklärung ist die EMV-Richtlinie um die es sich 
eigentlich dreht.
Mein Produkt an sich weist EMV-Probleme (gestrahlt) auf, welche durch 
den weiterverarbeitenden Kunden durch seine Applikation (Metallgehäuse) 
gelöst werden können. So kann der Kunde durch eine genaue 
Applikationsvorgabe die EMV einhalten ohne das ich ein zusätzliches 
Gehäuse entwickeln muss.

Aber darf ich ein Produkt überhaupt an einen Industriellen Kunden 
verkaufen was eigenständig dem EMV und damit auch dem CE Anspruch nicht 
gerecht werden kann?
Kann dies vertraglich geregelt werden und somit die Aufgabe der 
Entstörung an den (fachkundigen) Kunden abgetreten werden? Da nach 
Maschinenrichtlinie ohne hin eine erneute EMV / CE Erklärung für das 
vollständige Produkt erzeugt werden muss.

Ist es möglich bei der CE-Erklärungen z.B. eine Einschränkung bei der 
Position EMV-Richtlinie vorzunehmen die auf diese vertragliche Regelung 
und die entsprechende Dokumentation verweist?

Oder gibt es gar eine andere LEGALE Methodik der Einigung innerhalb der 
Industrie?


Vielen Dank im voraus und Grüße,
Hanseat

von MaWin (Gast)


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Du brauchst gar kein CE.
Du musst RoHS zusichern (und sicherstellen) und zu CE lieferst du dem 
OEM nur Angaben, was du einhältst, z.B. Isolationsabstände, zulässige 
Umgebungstemp, welche Normen es erfüllt (schliesslich könnte dein Teil 
auch ausserhelb der EU eingebaut werden, dort muss man nicht wissen ob 
es CE erfüllt, sondern die dortigen Vorschriften).
Ob das Gerät des OEM dann damit CE konform ist, muss der zusichern (und 
messen).
Alles was du zusichern kannst (und gemessen hast), verringert die Arbeit 
des OEM.

von Oliver S. (oliverso)


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Vertraglich kannst und darfst du da gar nichts regeln.
Musst du aber auch nicht.

Guggst du z.B. hier:

https://library.e.abb.com/public/399532fa8ef8a08dc125788f003c9186/TechnicalGuideNo2_DE.pdf

Ist zwar auch nur eine Auslegung der Lage, sollte aber genug Input für 
weitereRecherchen liefern

Oliver

von Gutachter h.c. (Gast)


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Hanseat schrieb:
> Aber darf ich ein Produkt überhaupt an einen Industriellen Kunden
> verkaufen was eigenständig dem EMV und damit auch dem CE Anspruch nicht
> gerecht werden kann?

Klar darfst du deinen Kunden über den Tisch ziehen, wenn Du den behalten 
willst, solltest du das aber nicht.

Es gibt Firmen, da wird für den Komponentenhersteller gefordert, das er 
5 dB unter der zutreffenden Abstrahlnorm zu bleiben hat, damit die Firma 
überhaupt ne Chance hat, für das Gesamtgerät die Norm zu erfüllen. Man 
sollte also
schon das Gerät so bauen das es allein getestet die Norm erfüllt, man 
kann es aber dem Kunden denoch als 'bare board' anbieten, wenn er 
unbedingt darauf besteht. Dann weis der Kunde mit Blick auf das 
zertifizierte module das die Norm im Prinzip schaffbar ist.

von Hanseat (Gast)


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Danke für Eure Antworten bisher

MaWin schrieb:
> Ob das Gerät des OEM dann damit CE konform ist, muss der zusichern (und
> messen).
> Alles was du zusichern kannst (und gemessen hast), verringert die Arbeit
> des OEM.
Ich habe das ähnlich gesehen nur bisher keine einschlägige Argumentation 
diesbezüglich gefunden. Alle anderen Punkte die CE-Relevant währen sind 
auch bereits bearbeitet.


Oliver S. schrieb:
> Ist zwar auch nur eine Auslegung der Lage, sollte aber genug Input für
> weitereRecherchen liefern
Das hat mir sehr geholfen und unterstützt meine Ansicht etwas, danke :)

Es geht mir im allgemeinen auch nicht um die technische Machbarkeit, die 
bekommen wir schon hin. Es geht aber natürlich, wie immer... um den 
Kostenfaktor. Es macht halt wenig Sinn ein Problem bei einer Komponente 
zu lösen, dass durch das Gesamtgerät NACHWEISLICH gelöst ist, nur um 
Formalitäten zu befriedigen die man selbst evtl. falsch ausgelegt hat.

Gutachter h.c. schrieb:
> Klar darfst du deinen Kunden über den Tisch ziehen, wenn Du den behalten
> willst, solltest du das aber nicht.

All dessen bin ich mir bewusst und hättest du meinen Text richtig 
gelesen, geht es mir nicht darum jemanden über den Tisch zu ziehen 
sondern um die Frage ob ich das Thema Entstörung rechtlich verlagern 
darf, da hier nachweislich durch Zusammenarbeit bereits eine Lösung 
vorliegt.

Das "sollte" bedeutet eben genau das "sollte", natürlich ist es besser 
und einfacher für den OEM, aber der will auch die Kosten drücken und das 
geht wenn Teile weggelassen werden die Funktionen übernehmen würden die 
ohnehin im Endprodukt enthalten sind, wie das Metallgehäuse.
Versteh mich nicht falsch, ich stimme all deinen Anmerkungen zu, bin 
aber mit den Kundengesprächen schon über diesen Punkt der 
Anforderungsdefinition hinaus und hänge an den rechtlichen Fragen und 
was wie korrekt zu deklarieren ist, wenn man diesen Weg geht. Ich habe 
bisher ausschließlich Endkundenprodukte entwickelt und da ist die 
Sachlage ganz eindeutig, es gibt kein wenn und aber :)

von Christian B. (luckyfu)


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Gutachter h.c. schrieb:
> Es gibt Firmen, da wird für den Komponentenhersteller gefordert, das er
> 5 dB unter der zutreffenden Abstrahlnorm zu bleiben hat, damit die Firma
> überhaupt ne Chance hat, für das Gesamtgerät die Norm zu erfüllen.

vollkommener Unsinn.
So eine Forderung ist genausoviel Wert wie der Wisch, den man daraufhin 
erhält: gar nichts. Ich kenne solche Schriebse, da stehen auch immer die 
Prüfbedingungen drin: Da sind dann so nette Dinge wie: 10cm Kabel 
maximal am Ausgang, d.h. 5cm, ein Lastwiderstand, ohmsch natürlich, und 
nochmal 5cm zurück. Was nützt mir das im Gerät, wenn das Netzteil mit 
dieser absolut realitätsfernen Testschaltung die Grenzwerte einhält, ich 
aber ein Netzteil benötige was am Ende 20cm Kabel und Step Down Wandler 
hat die es treiben muss?
Als NT Hersteller ist es natürlich sehr nett, wenn man eine EMV 
Messkurve mitliefert, sodaß der Kunde bei der Gesamtmessung bereits 
weiß, wo er mit seinen Ferriten hin muss. Netzteile sind aber zumeisst 
recht leicht am Spektrum zu erkennen. Wenn du also soviel Geld übrig 
hast, dann lass eine Kurve machen, wenn nicht dann liefere die Nachweise 
für alle Bauteile die zwischen Primär und Sekundärseite liegen bezüglich 
Spannungsfestigkeit. Außerdem noch entsprechende Layoutausschnitte, dort 
aber nach dem Format fragen. Wir hatten schon mit einem Prüflabor zu tun 
die wollten die Isolationsabstände 1:1 als pdf zum Ausdrucken, damit der 
Tattergreis von prüfer mit seinem alten Messchieber dann die Abstände 
nach"raten" konnte. Moderne Labore nehmen dann halt im Idealfall direkt 
Gerberdaten. Die bekommt auch dein Kunde nicht zu gesicht, sodaß du dir 
um die Geheimhaltung keine Sorgen machen brauchst. So ist jedenfalls 
meine Erfahrung.

p.s.: unterschiedliche Komponenten beeinflussen sich unterschiedlich 
gegenseitig, deshalb gilt auch die Formel CE +CE != CE. Sprich: Du 
kannst nicht 2 Komponenten, die Typgeprüft die CE Zulassung bestehen zu 
einem Gerät vereinen und erwarten, daß dort die Grenzwerte dann 
ebenfalls eingehalten werden. Das wird nur in wenigen Fällen so sein, 
normalerweise beeinflussen die Einzelkomponenten sich gegenseitig 
soweit, daß es zu Resonanzen kommt und die sieht man dann in der 
Abstrahlungsmessung oder als Reaktion des Gerätes bei der Bestrahlung 
von außen.

: Bearbeitet durch User
von Zero V. (Firma: Freelancer) (gnd)


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Mach deine Emissionsmessungen mit und ohne Gehäuse, nur so würde ich als 
Kunde glauben, dass ein Gehäuse ausreicht zum Bestehen. Außerdem habe 
ich als Kunde dann eine mechanische Referenz an der ich mich orientieren 
kann.

von hanseat (Gast)


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Christian B. schrieb:
> CE +CE != CE

Wie ich in der Frage bereits geschrieben habe, ist sowohl dem Kunden wie 
auch mir bewusst, das nach der Maschinenrichtleine ein Endkundenprodukt 
eine eigene CE-Erklärung benötigt und somit auch ein nachgewiesenes 
Einhalten der EMV-Grenzwerte, egal wie viele CE-Erklärungen es für 
Komponenten gibt. Der Punkt steht außer Frage.

D. C. schrieb:
> Mach deine Emissionsmessungen mit und ohne Gehäuse, nur so würde ich als
> Kunde glauben, dass ein Gehäuse ausreicht zum Bestehen.

Auch hier gilt, wie bereits oben geschrieben, ist die technische Lösung 
nicht mein Problem. Es gibt ein nachweislich bestehendes Gesamtkonzept.


Mir geht es alleine um die Rechtslage, was und wie ich es deklarieren 
muss, damit inhaltlich klar ist, dass das Produkt alleine die 
EMV-Grenzwerte nicht einhält und somit keine CE-Erklärung erhalten kann. 
Diese ist durch den Kunden vollumfänglich (natürlich mit ausreichend 
Support) im Rahmen seiner Gerätezulassung selbst zu erstellen und für 
Ihn führt sowieso kein Weg daran vorbei -> Maschinenrichtlinie, also hat 
er keine Mehrarbeit.
Für mich geht es eher um die Frage, ob man das wie bei den unlisted 
Components bei UL handhaben kann. Diese werden ja auch durch den 
Endproduktfertiger einfach mit zugelassen, ohne dass der 
Komponentenhersteller eine Zulassung erwirken muss.
Danach ist die Komponente eben nur in dieser Applikation verkaufsfähig, 
aber mehr soll es auch nicht sein. Es kann und wird nie ein 
eigenständiges Produkt werden.

Und hier scheint das OEM-Verhältnis das Mittel der Wahl zu sein, 
zumindest was ich bisher darüber gelesen habe.

von Zocker_57 (Gast)


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> von Hanseat (Gast)
> 29.06.2020 17:04

> Hallo zusammen,

> ich brauche mal Euren Rat

Da bist du ja hier an der richtigen Stelle !

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