Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Supraleitung bei Zimmertemperatur


von Bernd W. (berndwiebus) Benutzerseite


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Hallo

In diesem Artikel vom 14. Oktober 2020 
https://www.nature.com/articles/s41586-020-2801-z wird über Supraleitung 
mit einer Sprungtemperatur von 287.7 K d.h. ca. 14°C (zugegeben, ein 
schlecht beheizter Raum) bei 267 GPa (das ist irre viel) geschrieben.

Ob und wie sich daraus mal eine Anwendung ergibt, keine Ahnung.

Aber mittlerweile werden ja seit 2014 die ersten Versuchsmuster eines 
supraleitenden Kabels mit Kühlung durch flüssigen Stickstoff erprobt.
Siehe https://www.uni-due.de/de/presse/meldung.php?id=9672

Natürlich nur für Gleichstrom, weil gegen Wechselstromverluste im 
Dielektrikum hilft Supraleitung nicht, aber diese Verluste müssten sehr 
aufwendig mit weggekühlt werden.

Das kann natürlich nur dem etwas sagen, der sich dafür interessiert. ;O)

Mit freundlichem Gruß: Bernd Wiebus alias dl1eic
http://www.l02.de

von Maxe (Gast)


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Bernd W. schrieb:
> bei 267 GPa (das ist irre viel)
1MPa = 10bar, also 2,6 Mega-bar.

von Supraman (Gast)


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Mit Wechselstromverluste ist wohl die Induktivität gemeint? Die bekommt 
man natürlich selbst mit dem stärksten Supraleiter nicht weg. Der 
ohmsche Widerstand bei einem Supraleiter beträgt aber auch bei 
Wechselstrom Null Ohm!

von Bernd W. (berndwiebus) Benutzerseite


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Hallo Supraman.

Supraman schrieb:
> Mit Wechselstromverluste ist wohl die Induktivität gemeint?

Nein. Die Induktivität ist zwar lästig, macht aber eigentlich im Betrieb 
keine Verluste. Und auch die Wirbelstromverluste durch Wechselfelder 
sind gering gegenüber den dielektrischen Verlusten im Isoliermaterial.

Eine normales Höchstspannunskabel mit PE Isolierung muss im 
Standbybetrieb ohne das Nutzleistung transportiert wird alleine wegen 
der dielektrischen Verluste in der PE Isolierung zwangsgekühlt werden.

> Der
> ohmsche Widerstand bei einem Supraleiter beträgt aber auch bei
> Wechselstrom Null Ohm!

Das ist richtig, hilft Dir aber bei Wechselspannung nicht weiter, weil 
die dielektrischen Verluste auch bei niedrigen Temperaturen entstehen 
und eben aufwendig weggekühlt werden müssten.*)

Möglicherweise verwechselst Du da aber auch etwas mit einer anderen 
Idee.
Die dielektrischen Verluste in Ölpapierisolierungen werden bei Kälte 
geringer, verschwinden aber nicht, und irgendjemand ist auf die Idee 
gekommen, dass, wenn man eine solche Leitung auf irgendwas -20 bis -60°C 
abkühlt, die Verluste geringer als der Aufwand zur Kühlung werden. Keine 
Ahnung, ob das je umgesetzt worden ist, aber mit PE Isolierungen kommst 
Du auf jeden Fall von den Wechselstromverlusten gesehen besser weg als 
mit Ölpapier, und bei PE bringt das Kühlen kaum etwas, womit diese Idee 
überholt ist.

 *) Analog dazu die Konzepte supraleitender Großgeneratoren, wo auch nur 
der Läufer mit seinem Gleichfeld supraleitend sein sollte, und ohne 
ferromagnetischen Kern auskommen sollte, weil man sowieso mit 
Feldstärken jenseits der Sättigung rechnete, aber der Stator mit dem 
Wechselfeld konventionell aufgebaut gedacht war, weil auch die 
Eisenverluste bei Supraleitung nicht verschwinden sondern aufwendig mit 
weggekühlt werden müssten.

Nachtrag: Ich bin seit 25 Jahren aus der Materie heraus. Wenn jemand 
also aktuellere Infos hat, wäre es nett, davon zu hören.
Auch auf die Information mit dem Test des supraleitenden Kabels in Essen 
bin ich nur durch Zufall gestolpert. Ich war jedenfalls sehr überrascht.

Die Herstellung der Leitung muss wohl schon ein Akt gewesen sein, weil 
das Material ein schwer herzustellendes sprödes nichtmetallisches Zeug 
ist, das in irgendwas 15-20um Schichtdicke mit trickreichen Methoden auf 
einem spiraligem Kupferband erzeugt wird. Im supraleitenden Falle 
übernimmt dann diese Schicht die Leitung, die darum trotzdem insgesammt 
einen relativ großen Querschnitt haben muss damit die kritische 
Feldstärke nicht überschritten wird.

Mit freundlichem Gruß: Bernd Wiebus alias dl1eic
http://www.l02.de

: Bearbeitet durch User
von Pandur S. (jetztnicht)


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Vielleicht genuegt es irgendwann mit einem aehlichen Material bei einem 
etwas vernuenftigeren Druck etwas zu machen. Man sollte den Druck 
zumindest in einem hochfesten Material halten koennen.

von Hp M. (nachtmix)


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Bernd W. schrieb:
> Natürlich nur für Gleichstrom, weil gegen Wechselstromverluste im
> Dielektrikum hilft Supraleitung nicht, aber diese Verluste müssten sehr
> aufwendig mit weggekühlt werden.

Und der Skineffekt bei Wechselstrom dürfte auch die Strombelastbarkeit 
reduzieren.

Maxe schrieb:
> Bernd W. schrieb:
>> bei 267 GPa (das ist irre viel)
> 1MPa = 10bar, also 2,6 Mega-bar.

Vielleicht kann man die Ingredienzien für diesen Supraleiter in 
Kohlenstoff-Nanotubes einsperren. Evtl halten die solchen Drucken stand.

von Stromer (Gast)


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Welches Land das wohl als erstes entdecken wird ? Kann man so etwas 
Wichtiges überhaupt patentieren ? Wird es ein Instrument für Sanktionen 
? Scheffeln die viel Geld damit ?

von dfIas (Gast)


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Hp M. schrieb:
> Und der Skineffekt bei Wechselstrom dürfte auch die Strombelastbarkeit
> reduzieren.
Laut Literatur gibt es beim Supraleiter sogar einen stärkeren 
Skin-Effekt sowie zusätzlich einen Meißner-Effekt.
Was heißt das in der Praxis? Auch für Gleichstrom gibt es einen 
Grenzwert, ab dem (schlagartig?) doch ein Widerstand einsetzt? Oder geht 
das ab Null schon los? Dann wäre das System nicht-linear.

von Pandur S. (jetztnicht)


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Was patentieren ? Es funktioniert ja noch nicht brauchbar.

Alle Type 2 Supraleiter haben eine magnetfeldabhaengige Supraleitung. 
Typ 1 Supraleiter zB Blei, druecken das Magnetfeld raus, wahrend Typ2 
Supraleier das Magnetfeld festhalten. Bei ueberschreiten des kritischen 
Magnetfeldes bricht die Supraleitung zusammen.

von Bernd W. (berndwiebus) Benutzerseite


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Hallo dfIas

dfIas schrieb:

>> Und der Skineffekt bei Wechselstrom dürfte auch die Strombelastbarkeit
>> reduzieren.
> Laut Literatur gibt es beim Supraleiter sogar einen stärkeren
> Skin-Effekt sowie zusätzlich einen Meißner-Effekt.
> Was heißt das in der Praxis? Auch für Gleichstrom gibt es einen
> Grenzwert, ab dem (schlagartig?) doch ein Widerstand einsetzt?

Ab einer bestimmten kritischen magnetischen Feldstärke bricht die 
Supraleitung zusammen. Damit verbunden ist eine kritische Stromdichte, 
und da spielen dann nicht nur Details im Unterschied der supraleitenden 
Materialien sondern auch geometrische Einflüsse der Leiterform hinein, 
weil diese die Stromdichte beeinflussen. Bei nichtmetallischen 
Hochtemperatursupraleitern, die oft polykristalline Substsanzen mit 
starker lokaler Anisotrophie sind, verringern die Geschenisse an den 
Korngrenzen schnell die kritische Stromdichte.

Die Supraleitung bricht schlagartig zusammen, aber die 
Verdrängungseffekte für Magnetfelder können Zwischenstufen haben.

Da in der Nähe des absoluten Nullpunktes die meisten Materialien eine 
stark nichtlineare Abhängigkeit der Wärmekapazität von der Temperatur 
haben und durch verhältnismäßig geringe Energien schon erwärmt werden, 
weitet sich in einem stromdurchflossenen Supraleiter eine Stelle die 
ihre Supraleitung verloren schnell aus, weil dort Leistung anfällt und 
die Umgebung erwärmt.

Allerdings, bei dem neuentdeckten Kram, der die Supraleitung erst bei 
extrem hohen Drücken zeigt, weiss ich auch nichts genaues. Das Material 
und die Bedingungen sind sehr exotisch, und alles ist ja auch relativ 
neu.


Mit freundlichem Gruß: Bernd Wiebus alias dl1eic
http://www.lo2.de

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