Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Junction (Kerntemperatur) Berechnen Oberflächentemp bekannt.


von Marco K. (marco_k255)


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Hi,

ich hab grad ein kleines Problem. Wir haben mehrere von diesen Bauteilen 
auf einer Platine: https://cdn.macom.com/datasheets/MAAP-018260.pdf

Wir haben auch mal Infrarotbilder gemacht und im Betrieb wird die 
Bauteiloberfläche 112°C heiß bei einer Umgebungstemp von 55 und 9,75 W 
Leistung. Im Datenblatt ist ein Thermischer Widerstand JunctiontoCase 
angegeben.

Kann man hier irgendwie zurückrechnen um die Kerntemperatur zu bekommen? 
Wenn ich einfach nur mit dem Widerstand rechne stimmt das ja hinten und 
vorne nicht, da ja ein Großteil der Wärme in die Platine abgegeben wird.


Wenn ich jetzt mit dem Thermischen Widerstand von Junction to Case von 
9,2 K/W rechne.

Tj = Tcase + 9,75W * 9,2 K/W
Tj = 112°C + 9,75W * 9,2 K/W
TJ = 201,7°C

Aber das wäre ja dann so wenn man quasi unter dem Bauteil eine Adiabate 
Wand hätte wo keinerlei Wärme abfließen kann. Gibts da irgendwas, was 
man da so Daumenregelmäßig annehmen kann, wieviel % der Wärme bei 
solchen Bauteilen in die Platine geht?

von MaWin (Gast)


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Marco K. schrieb:
> Im Datenblatt ist ein Thermischer Widerstand JunctiontoCase angegeben.

Meiner Meinung nach kann der Chip nur 7 Watt umsetzen, damit bei 85 
GradC Gehäusetemp der Chip unter 150 GradC bleibt.
Du hast aber nicht die richtige Temp gemessen, dazu hättest du die 
Metallfläche unten messen müssen, durch ein Durchkontaktierungsloch mit 
einem Thermoelement. Die Plastikoberfläche ist wegen dem dazwischen 
liegenden Kristall eventuell trotz höherem Wärmewiderstand sogar 
heisser, weil ihr Wärmeübergang in die Luft viel schlechter ist.
Aber ja, euer Chip wird grenzwertig heiss.

von Marco K. (marco_k255)


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Hmmm ok.

Gibt es denn irgendwie eine Möglichkeit die Kerntemperatur 
herauszubekommen ohne die Fläche unten zu messen?

MaWin schrieb:
> Die Plastikoberfläche ist wegen dem dazwischen
> liegenden Kristall eventuell trotz höherem Wärmewiderstand sogar
> heisser, weil ihr Wärmeübergang in die Luft viel schlechter ist.

Wie meinst du das? Also das Plastik kann schon 112°C haben, aber der 
Chip kann kühler sein als das Plastik?

Ich hab jetzt noch ein bisschen recherchiert. Und nach dem was ich so 
gefunden habe, ist das Case quasi schon das Plastikgehäuse um den Die 
herum.

: Bearbeitet durch User
von georg (Gast)


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Marco K. schrieb:
> Wie meinst du das? Also das Plastik kann schon 112°C haben, aber der
> Chip kann kühler sein als das Plastik?

Selbstverständlich nicht, gemeint ist, dass die Plastikoberfläche 
wahrscheinlich eine andere Temperatur hat wie das Thermopad. Die Frage 
ist, was meint der Hersteller mit "case" - wahrscheinlich das Thermopad, 
über das der grösste Teil der Wärme abgeführt werden soll. Vielleicht 
steht das ja sogar im Datenblatt. Die Platine spielt dabei überhaupt 
keine Rolle.

MaWins Post ist sachlich und enthält überhaupt keine Beleidigung - das 
war keinesfalls der echte MaWin.

Georg

von Harald W. (wilhelms)


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Marco K. schrieb:

> Gibt es denn irgendwie eine Möglichkeit die Kerntemperatur
> herauszubekommen ohne die Fläche unten zu messen?

Wenn Du in der Innenschaltung einen PN-Übergang findest, der
von aussen zugänglich ist, kannst Du dessen Durchlassspannung
messen und daraus die Temperatur errechnen.

> Ich hab jetzt noch ein bisschen recherchiert. Und nach dem was ich so
> gefunden habe, ist das Case quasi schon das Plastikgehäuse um den Die
> herum.

Nicht, wenn es um die Ermittlung des Wärmewiderstands geht.

von Falk B. (falk)


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Harald W. schrieb:
> Wenn Du in der Innenschaltung einen PN-Übergang findest, der
> von aussen zugänglich ist, kannst Du dessen Durchlassspannung
> messen und daraus die Temperatur errechnen.

Naja, das Datenblatt macht einem da wenig Hoffnung 8-(

von M. K. (Gast)


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Marco K. schrieb:
> Kann man hier irgendwie zurückrechnen um die Kerntemperatur zu bekommen?

Das dürfte stark fehlerbehaftet sein, da der Kunststoff relativ schlecht 
Wärme leitet und Luftbewegungen die Oberfläche unberechenbar abkühlen.

Sehr viel exakter ist die Junction Temperatur, die Ihr auf der 
Unterseite direkt messen könnt, die Ihr sicher massiv mit Therovias auf 
eine Kupferfläche geführt habt.
Das klingt thermisch alles hart auf Kante genäht mit 112°C auf der 
Oberseite.

Also weniger Leistung oder sehr viel besser die Wärme abführen wenn Ihr 
keine Frühausfälle haben wollt.
Große Kupferflächen bringen schnell nix mehr, weil da nur 35u sind über 
die sich die Wärme ausbreiten kann.
Also eher Dickkupfer, Metallkernpcb oder Kühlkörper auf die Unterseite 
der PCB kleben.

von F. F. (foldi)


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Gab hier vor längerer Zeit einen Beitrag über dieses Thema.
War ziemlich verblüffend für mich.
Mir ist nur hängen geblieben, dass die Chip Temperatur wesentlich höher 
war, als von der Außentemperatur zu erwarten war.

von Audi10 (Gast)


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Wie gross ist denn die effektive Verlustleistung deiner Anwendung? Evtl. 
ist die gar nicht bei den 9.75W oder es gibt noch Spielraum nach unten.

von MaWin (Gast)


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Marco K. schrieb:
> Wie meinst du das? Also das Plastik kann schon 112°C haben, aber der
> Chip kann kühler sein als das Plastik

Nein.

Aber wir wissen dass dass, wenn das untere Metallpad auf 85 GradC 
gekühlt wird, der Chip schon 150 GradC hat. Wie viel hat dann die obere 
Plastikseite die du gemessen hast ?

Nicht mehr als der Chip, also nicht über 150, aber sie leitet die Wärme 
viel schlechter in die Luft ab als der auf die Platine gelötete und 
damit gekühlte untete Metallpad, also kann sie trotz schlechterer 
Wärmeleitfähigkeit des Plastiks über 85 GradC erreichen.

Vielleicht deine gemessenen 112.

Marco K. schrieb:
> Und nach dem was ich so gefunden habe, ist das Case quasi schon das
> Plastikgehäuse um den Die herum.

Nein, die Temperatur des unten liegenden Wärmeableitpads.

von Marco K. (marco_k255)


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MaWin schrieb:
> Aber wir wissen dass dass, wenn das untere Metallpad auf 85 GradC
> gekühlt wird, der Chip schon 150 GradC hat.

Woher wissen wir das?

Ich find in dem Datenblatt nur die 85° als maximale Umgebungstemperatur.

von Axel S. (a-za-z0-9)


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Marco K. schrieb:
> MaWin schrieb:
>> Aber wir wissen dass dass, wenn das untere Metallpad auf 85 GradC
>> gekühlt wird, der Chip schon 150 GradC hat.
>
> Woher wissen wir das?

Wegen des internen Wärmewiderstands R_th_jc von 9,2 K/W und der auf dem 
Chip anfallenden Verlustleistung. Bei der maximal erlaubten Leistung und 
der maximal erlaubten Gehäusetemperatur erreicht man auch die maximal 
erlaubte Chiptemperatur.

> Ich find in dem Datenblatt nur die 85° als maximale Umgebungstemperatur.

Die Werte hängen zusammen. Die Differenz aus Umgebungs- und 
Chiptemperatur steht zur Verfügung, um den Wärmestrom (Dimension: 
Leistung) anzutreiben. Die Chiptemperatur hat ein oberes Limit. Der 
Wärmewiderstand ist technisch vorgegeben. Damit ist die volle 
Verlustleistung nur bis zu einer bestimmten Gehäusetemperatur möglich. 
Bei höheren Gehäusetemperaturen muß die Verlustleistung verringert 
werden, wenn man das Limit der Chiptemperatur nicht reißen will (was 
einen Ausfall des Bauelements zur Folge hätte). Viele Datenblätter 
enthalten ein Derating Diagramm dazu.

Der interne Wärmewiderstand gilt zwischen dem Chip und der Stelle des 
Gehäuses, deren Temperatur maßgeblich für die im Datenblatt angegebene 
Maximaltemperatur ist. Für Gehäuse mit thermal pad ist das 
typischerweise eben jenes. Für Gehäuse wie TO-220 ist es die Unterseite 
der Kühlfläche. Nur für Gehäuse bei denen gar keine Kühlung vorgesehen 
ist (etwa DIP) ist es die Oberfläche des Gehäuses.

von Pandur S. (jetztnicht)


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Das Gehaeuse ist ein PQFN. Ja, die Leute sind lustig ... 8W fuer dieses 
Gehauese mit 5x5mm, wobei das waermeabfuehrende Pad grad mal 3.25mm im 
Quadrat hat. Da muss man frueh aufstehen.
Ich denk man kriegt soviel Waerme nicht ueber einen 6 Layer weg, ueber 
einen 4 Layer sowieso nicht. Ich wuerde ueber einen Sandwich mit 
massivem Alu von mindestens 30x30mm oben und unten nachdenken. Oben auch 
aus Gruenden der Impedanz bei diesen Frequenzen eher einen Stempel 
bildend, welchen weit weg von den Tracks und Komponenten ist.

von M. K. (Gast)


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Axel S. schrieb:
> Bei der maximal erlaubten Leistung und
> der maximal erlaubten Gehäusetemperatur erreicht man auch die maximal
> erlaubte Chiptemperatur.

Bei der maximalen Temperatur an Junction, NICHT der Oberseite des 
Kunststoffgehäuses.
Und Junction ist nicht gemessen worden.

von Gerald B. (gerald_b)


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Mit ner Kupferkernplatine könnte es gehen, wenn die ihrerseits auf einen 
vernünftigen KK kommt. Bei den XHP LEDs von Cree sind die Platz- und 
Leistungsrelationen ähnlich ;-)

von Marco K. (marco_k255)


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Also wir haben ein PCB mit 6 Layern und es ist 191x97mm groß

Auf der bottom Seite liegt das PCB direkt auf einem "Aluminiumblock" mit 
den Abmaßen: 215x115mm

von Nasenbär (Gast)


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Wir haben auch mal Infrarotbilder gemacht...

Bestätige das nochmal mit einer anderen Messmethode.
Das Abstrahlverhalten ist different bei verschiedenen Materialien. Da 
kommt es gerne auch mal zu einer Fehlmessung. Wenn du schon den 
"Rechenweg" zur Spitzenwärme wählst, sollten deine Ausgangsdaten 
möglichst präzise sein.

von M. K. (Gast)


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Marco K. schrieb:
> Also wir haben ein PCB mit 6 Layern und es ist 191x97mm groß
>
> Auf der bottom Seite liegt das PCB direkt auf einem "Aluminiumblock" mit
> den Abmaßen: 215x115mm

Zeig doch mal das Layout mit den Thermovias.
Wenn Metallkernpcb wegen der vielen benötigten Lagen nicht geht, kann 
man auch möglichst kleine Vias, möglichst dicht an dicht unter das EP 
setzen.
Ziel ist dabei so viel Kupfer wie möglich zum Hitzetransfer zu erhalten.

Macht das fertigungstechnisch Problem, wegen dem durchsteigenden Lot 
(was bei 0,2mm Bohrung aber eigentlich nicht passiert) bleibt noch die 
option pluged vias zu verwenden.
Dickkupfer, Eisbergtechnik, etc geht auch, macht das dann aber ziemlich 
teuer.

Der Kontakt zum KK ist kritisch.
Möglichst einen Aufbau wählen bei dem keine elektrische Isolation nötig 
ist.
Ggf einen Heatspreader aus Kupfer bauen, der die Wärme am EP aufnimmt, 
über eine größere Fläche verteilt und dann erst auf den Alu KK geht.
Auch bei Alu ist die Wärmeleitfähigkeit noch recht begrenzt im Vergleich 
zu Kupfer.

Reicht das alles immer noch nicht, kannst Du auch eine Tasche im EP des 
Footprints fertigen, dort den Kupfer Heatspreader durchstecken und mit 
einer sehr guten Wärmeleitpaste (Kleber?) kontaktieren, ggf sogar direkt 
verlöten.

Bei Wärmeableitung hat man stehts eine reiche Auswahl an Möglichkeiten 
sich das hinzutricksen. Da der Chip flächig mit dem EP verklebt ist kann 
man da bei fantasievoller Lösung oft mehr mit rausholen als das DB 
vermuten läßt.

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