Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Empfindlichkeit eines Beschleunigungssensors


von Felix M. (felix_m283)


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Hallo,

ich erkundige mich gerade über Beschleunigungs-, bzw. Vibrationssensoren 
und
möchte gerne die Empfindlichkeiten von zwei Sensoren vergleichen.
Speziell geht es darum, dass ich einen Sensor als Vorlage habe, und nun 
einen ähnlichen heraussuchen möchte.

Das Problem ist nämlich, dass der "Mustersensor" einen analogen 
Stromausgang hat, ich allerdings einen Spannungsausgang benötige.

Der Mustersensor ist mit einer Empfindlichkeit von 150 (mikro)A/g 
angegeben, und liefert ein analoges Signal von 0..10 mA.

Die Sensoren mit Spannungsausgang sind meist mit einer Empfindlichkeit 
von 50 (milli)V/g angegeben.

Welcher der beiden Sensoren ist jetzt "besser"?

Mein Verständnis der Empfindlichkeit ist die Anzahl der Werte, die der 
Sensor in dem Ausgangssignalbereich liefert.

von U. B. (Gast)


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> ... möchte gerne die Empfindlichkeiten von zwei Sensoren vergleichen.

Dazu sind die Abgaben aus dem/den Datenblatt/ättern hilfreich.

Einheit: Ladung pro Beschleunigung [As/(m/s²)].

Beispiel:
https://www.bksv.com/de-DE/products/transducers/vibration/accelerometers/4371

von Günni (Gast)


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Beschleunigungssensoren mit Analogausgang haben oft einen 
Spannungsausgang. Die Empfindlichkeit hängt dabei vom Messausgang ab. 
Üblich ist ein ratiometrischer Ausgang, d.h. ohne Beschleunigung beträgt 
die Ausgangsspannung etwa die Hälfte der Versorgungsspannung. Je nach 
Richtung der Beschleunigung wird die Spannung dann kleiner oder größer, 
wobei empfindliche Sensoren eine Empfindlichkeit von 1,2 V/g haben. Wird 
der Sensor z.B. mit 5V betrieben, so ist die Ausgangsspannung ohne 
Beschleunigung 2,5V und bei einer Beschleunigung von 1g je nach Richtung 
etwa 3,7 oder 1,3 V. Schon bei 2 g Beschleunigung kommt die 
Ausgangsspannung so nahe an die Grenzen der Versorgung, dass die 
Ausgangsstufe in die Sättigung geht.

Für die Messung größerer Beschleunigungen müssen deshalb Sensoren mit 
einer geringeren Empfindlichkeit (in V/g) genommen werden.

Die Sensoren werden meist mikromechanisch hergestellt. Gemessen wird die 
Auslenkung einer "trägen Masse" durch Änderung von Kapazitätsänderungen. 
Dadurch ist aber auch die maximal erfassbare Geschwindigkeit begrenzt.

Vibrationen enthalten oft höhere Frequenzen. Deshalb ist dieses 
Messprinzip dort oft nicht anwendbar. Hier wird die Beschleunigung über 
die Biegung von Piezokristallen erfasst, auf denen bei Verformung 
Oberflächenladungen freigesetzt werden. Deshalb entsteht hier durch die 
Beschleunigung ein Strom, je nach Richtung der Beschleunigung in 
positiver oder negativer Richtung. Durch einen Ladungsverstärker kann 
der Strom dann in eine Spannung gewandelt werden.

Die Auswahl des sinnvollen Sensortyps hängt also von dem Anwendungsfall 
ab. Wie groß ist die zu messende Beschleunigung maximal und welche 
Frequenzen (Geschwindigkeit der Beschleunigungsänderung) sollen noch 
erkannt werden?

von Udo S. (urschmitt)


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Felix M. schrieb:
> Das Problem ist nämlich, dass der "Mustersensor" einen analogen
> Stromausgang hat, ich allerdings einen Spannungsausgang benötige.

Dann hänge einen Bürdenwiderstand an den Stromausgang und du hast 
automatisch einen Spannungsausgang.
Wenn du dir das Datenblatt deines Sensors mal anschaust wird da genau 
das drinstehen.

von Felix M. (felix_m283)


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Hallo Günni,

danke für die sehr umfangreiche Antwort.

Günni schrieb:

> Die Auswahl des sinnvollen Sensortyps hängt also von dem Anwendungsfall
> ab. Wie groß ist die zu messende Beschleunigung maximal und welche
> Frequenzen (Geschwindigkeit der Beschleunigungsänderung) sollen noch
> erkannt werden?

Es geht um die Vibration, die ein defektes Lager erzeugt. Die 
Beschleunigung ist im Bereich von 100-900 mg und die Frequenz sollte 
auch nicht allzu hoch sein (ich schätze so max. 200Hz). Genauere Angaben 
kann ich zu diesem Zeitpunkt nicht machen.

von WerWieWas (Gast)


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Da würde meines Erachtens nach eine Frequenzanaylse deutlich mehr Sinn 
machen.

von Günni (Gast)


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Felix M. schrieb:
> Es geht um die Vibration, die ein defektes Lager erzeugt. Die
> Beschleunigung ist im Bereich von 100-900 mg und die Frequenz sollte
> auch nicht allzu hoch sein (ich schätze so max. 200Hz). Genauere Angaben
> kann ich zu diesem Zeitpunkt nicht machen.

So etwas hatte ich schon erwartet. Bei einem defekten Lager werden außer 
der Grundfrequenz mit dem "Rattern" auch etliche Oberwellen auftreten. 
Aber auch schon bei den 200 Hz kommen die meisten mikromechanischen 
Sensoren an ihre Grenze, was dazu führt, dass die Beschleunigung nur 
zeitverzögert ausgegeben werden. D.h. wenn der Schlag des Lagers im 
Signal sichtbar ist, hat sich die Welle schon ein Stück weitergedreht. 
Da diese Zeitverzögerung "halbwegs" konstant ist, entsteht - wenn sich 
die Drehzahl ändert - kein konstanter Fehlwinkel, sondern bei steigender 
Drehzahl wird auch der Fehlwinkel größer.

Deshalb ist ein Vibrations- oder Beschleunigungsensor mit Piezoaufnehmer 
vermutlich die beste Wahl. Diese liefern einen Strom, den man mit Hilfe 
eines Ladungsverstärkers in eine Spannung umwandeln kann. Wichtig ist, 
dass dabei keine Nullpunktdrift auftritt, sondern nur die periodisch 
überlagerte Wechselspannungskomponente gemessen wird. Nach 
Schaltungsbeispielen würde ich zuerst in den Applikationsbeispielen von 
Analog Devices oder Linear Technology nachlesen, die öfter Schaltungen 
für "exotische" Anwendungen veröffentlicht haben.

Den Strom mit Hilfe eines Widerstands in eine Spannung umzuwandeln, wird 
vermutlich nicht gut gehen, da Piezoelemente häufig einen 
spannungsabhängigen Innenwiderstand haben. Beim Ladungsverstärker bleibt 
die Spannung über dem Piezoelement Null und es wird nur der Strom 
"integriert" - allerdings in diesem Fall mit Driftkompensation. (Wie man 
das macht, habe ich mal - allerdings für einen anderen Anwendungsfall - 
in einer Applikation von Texas Instruments gesehen.) Ich werde mal in 
meinen Altlasten suchen. Wenn ich fündig werde, melde ich mich wieder. 
Das kann aber etwas dauern....

von Wolfgang (Gast)


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Felix M. schrieb:
> Der Mustersensor ist mit einer Empfindlichkeit von 150 (mikro)A/g
> ...
> Die Sensoren mit Spannungsausgang sind meist mit einer Empfindlichkeit
> von 50 (milli)V/g angegeben.
>
> Welcher der beiden Sensoren ist jetzt "besser"?

Entscheidend ist nicht alleine die Empfindlichkeit des Sensors, sondern 
für die Anwendung kommt es auf Frequenzgang bezogen auf deine Anwendung 
und SNR bei der Datenerfassung an, d.h. nachdem du das Sensorsignal 
passend aufbereitet hast.

von Günni (Gast)


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Ich habe mal ein wenig "gestöbert" und entdeckt das Datenblatt des 
alten, inzwischen abgekündigten Sensors ADXL05 von Analog Devices dieser 
hat die Position der "trägen Masse" über einen Differentialkondensator, 
der mit 1 MHz gespeist wurde abgefragt. Damit konnte der Sensor 
Beschleunigungen bis 300 Hz erfassen (3 dB-Grenze sogar 1 kHz. Der 
Sensor hatte eine wählbare Auflösung von 1 bis 5 g entsprechend einer 
Empfindlichkeit von 1 V/g bis 0,2 V/g. Der wäre für die Lagermessung 
geeignet gewesen. Man hätte ihn so anbringen müssen, dass die 
Beschleunigungen durch den Lagerschaden in horizontaler Richtung auf den 
Sensor wirken, der Sensor also nicht durch die Erdbeschleunigung 
ausgelenkt wird. Mit diesem Sensor (oder einen vergleichbaren mit 
Analogausgang) erhält man eine Ausgangsspannung, die ohne weitere 
Schaltung direkt mit einem AD-Wandler ausgewertet werden kann. Das unter
 https://www.analog.com/media/en/technical-documentation/obsolete-data-sheets/66309706ADXL05.pdf 
noch erhältliche Datenblatt kann einen Anhaltspunkt geben, worauf man 
bei der Suche nach einem vergleichbaren Sensor achten muss.

von Günni (Gast)


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Ich habe noch einen interessanten Artikel gefunden:
https://www.analog.com/en/technical-articles/how-to-build-a-mems-based-solution.html
Für die beschriebene Vibrationsmessung wird der Sensor ADXL1002 genutzt. 
Der hat zwar einen Messbereich von 50 g, so dass man einen AD-Wandler 
hoher Auflösung braucht, damit der interessierende Bereich genau genug 
aufgelöst wird, aber sein Rauschen ist noch "halbwegs" gering und er 
kann Beschleunigungen bis 11 kHz messen. Das Rauschen kann somit durch 
einen passiven RC-Tiefpass verringert werden.

von Henrik V. (henrik_v)


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Welche weiteren 'Randbedingungen hast Du denn?
Welches analoge Frontend? Range, Abtastrate(n)
Auswertung im PC oder µC?
Temperaturbereich?
Muss das Rückführbar sein?
Montage? Fix für ein Lager oder ?
Kabellängen?
Signalkonditionierer/Verstärker selber bauen?
Preisregionen?

Und weil ich es nicht lassen kann: Bitte SI Einheiten verwenden ;)
Wenn später irdendwelche anderen Größen berechnet werden sollen, sind 
m/s² statt g (ramm?) sinnvoller,  ach.. sind das g_local  oder g_n ? :>

von Günni (Gast)


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Henrik V. schrieb:
> Und weil ich es nicht lassen kann: Bitte SI Einheiten verwenden ;)
> Wenn später irdendwelche anderen Größen berechnet werden sollen, sind
> m/s² statt g (ramm?) sinnvoller,

g ist die Erdbeschleunigung (1 g =9,81 m/s²). Deshalb wird die 
Empfindlichkeit von Beschleunigungssensoren auch in V/g angegeben. Und 
auch bei Kampfpiloten (und Astronauten) wird angegeben, wieviel g auf 
den Piloten z.B. beim Fliegen enger Kurven einwirken können und ab wann 
eine kurze Ohnmacht auftreten kann, weil kurzfristig kein Blut mehr im 
Gehirn ankommt.

von Henrik V. (henrik_v)


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Günni schrieb:
> g ist die Erdbeschleunigung

und überall eine andere.. noch weniger sinnvoll als PS :)

Und die Empfindlichkeit eines Beschleunigungssensors wird in einem 
Kalibrierschein* immer in der SI-Einheiten <Einheit>/(m/s²) angegeben. 
Wenn eine Angabe in g_n erfolgt, dann zusätzlich und immer unter Angabe 
des Umrechnungsfaktors.

*)gemäß ISO 17025.

Angaben von Herstellern aus Ländern mit überwiegend imperialen Größen 
mögen davon abweichen.

: Bearbeitet durch User
von Udo S. (urschmitt)


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Günni schrieb:
> Den Strom mit Hilfe eines Widerstands in eine Spannung umzuwandeln, wird
> vermutlich nicht gut gehen, da Piezoelemente häufig einen
> spannungsabhängigen Innenwiderstand haben.

Sorry aber der TO hat von einem "Sensor" und nicht von einem reinen 
Piezoelement gesprochen.
Ausserdem hat er weiter im 1. Post geschrieben:

Felix M. schrieb:
> Der Mustersensor ist mit einer Empfindlichkeit von 150 (mikro)A/g
> angegeben

Das kann man sehr wohl über eine herkömmliche Strommessung messen. Bzw. 
mit einem Bürdewiderstand und einer Spannungsmessung.

von Günni (Gast)


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Die Aufgabenstellung (der Anwendungszweck) macht das Ganze einfacher. 
Die Vibration durch das Lager bzw. den Lagerschaden sind so, dass eine 
konstante Drift nicht auftritt. Über eine Umdrehung der Welle ist die 
Summe der Beschleunigungen Null, da das Ganze sich (hoffentlich) nicht 
weiterbewegt. Deshalb kann man einen mikromechanischen Sensor verwenden 
und (nur) die Schwankungen um den "Mittelwert" der gemessenen 
Beschleunigungen verstärken (entsprechend der "AC"-Einstellung bei einem 
Oszilloskop. Dann kann man auch Sensoren geringer Empfindlichkeit 
(geringer Wert für V/g) z.B. den ADXL 1002 verwenden und dessen Signal 
verstärken. Damit ist dieses auch mit AD-Wandlern geringerer Auflösung 
auswerten und benötigt keinen Wandler mit 16 Bit Auflösung oder mehr.

von Günni (Gast)


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Geeignet und mit digitalem Ausgang durch den eine Signalaufbereitung 
nicht nötig, der aber schwer zu löten ist, wäre auch der Sensor Bosch 
BMA280. Die Daten (aus dem Bosch Datenblatt entnommen):
Acceleration ranges ±2g/±4g/±8g/±16g, Low pass filter bandwidth 500 Hz 
up to an max. output data read out of 2 kHz (unfiltered).

von Felix M. (felix_m283)


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Günni schrieb:
> Geeignet und mit digitalem Ausgang durch den eine Signalaufbereitung
> nicht nötig, der aber schwer zu löten ist, wäre auch der Sensor Bosch
> BMA280. Die Daten (aus dem Bosch Datenblatt entnommen):
> Acceleration ranges ±2g/±4g/±8g/±16g, Low pass filter bandwidth 500 Hz
> up to an max. output data read out of 2 kHz (unfiltered).

Je mehr ich mich mit dem Thema befasse, desto klarer wird, das die 
Auswahl des Sensors zwar ein großer Teil ist, aber die zuvor genannte 
Frequenzanalyse auch noch eine große Rolle spielen wird.

Ich möchte mich nochmal ganz herzlich für die ganzen Anregungen 
bedanken, vor allem bei Günni! (der Bosch Sensor hört sich gut an ..)

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